Voting September 2004

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[) i r k
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Re: Voting September 2004

Beitragvon [) i r k » 09.09.2004, 19:46

@Fee & Surja
Ähm, ihr denkt daran, dass ihr genau zwei Vorschläge braucht, um am Voting teilzunehmen? Beim letzten offenen Voting mussten wir einen Teilnehmer "disqualifizieren", weil er nur einen Vorschlag gemacht hat. Ich sag's nur noch mal, damit euch das nicht passiert.
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Re: Voting September 2004

Beitragvon Surjaninov » 09.09.2004, 21:34

Ja ja, der nächste ist ...fast... schon in arbeit. Poste den demnächst. Wann gehts denn los mit dem Voting?

:-)
Surja

Fee
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Re: Voting September 2004

Beitragvon Fee » 09.09.2004, 21:36

@Dirk: danke, das hätte ich nicht mitbekommen...der nächste kommt noch!
"Ich kann nicht mit dir spielen", sagte der Fuchs. "Ich bin noch nicht gezähmt!"

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Re: Voting September 2004

Beitragvon Fee » 10.09.2004, 21:02

So, hier mein zweiter Vorschlag:

Anna Seghers, Transit

Bis zu meinem Seminar über Exilliteratur im vorletzten Semester hatte ich noch nie was von Anna Seghers gehört, geschweige denn von ihrem Roman "Transit". Manchmal bin ich der Literatur um und über das 3. Reich etwas überdrüssig, aber dieser Roman zeigt einach eine andere Seite, eine, die man nicht so oft mitbekommt.

Inhalt:
Das ganze spielt in Marseille um 1940 und handelt von Emigranten, die es so weit, nämlich bis nach Marseille schon geschafft haben, und jetzt auf ihr Visum, ihr Transit und ihre Schiffe warten und kämpfen. Der Ich-Erzähler ist selber auf der Flucht und gibt sich jedoch -durch eine Reihe von Zufällen so gekommen- als jemand aus, der bereits gestorben ist, liebt die Frau des Toten und so ist der tote Ehemann, von dem die Frau nichts weiß, die einzige Verbindung zu der Frau und gleichzeitig das größte Hindernis.
Dies alles geschieht in den langen Wochen des Wartens auf Visa, Transits, Schiffe...

Zitat von Heinrich Böll aus dem Nachwort:
"Es gelingt Anna Seghers das Unwahrscheinliche, kaum Erklärbare: mit realistischen Mitteln das Unwirkliche der Situation, das Abstrakte des verrückten Transit-Begehrens, Transit-Verweigerns zusammenzustellen. Aus einer politisch genau zu definierenden Situation entsteht ein Roman, der Saga, Epos und Mythos zugleich ist."

Es hat mich fasziniert, wie gut es Anna Seghers gelingt, den Leser in die Situation hineinzu verbannen, wie sie ihn fesselt und man den Akteuren irgendwie zurufen will, was sie doch noch versuchen könnten und wie ihre Probleme gelöst werden könnten. Wie gesagt, dieser Roman zeigt eine etwas andere Seite, die ich gerade im Kontext der Auseinandersetzung mit Schriftstellerexilanten und Exilliteratur besonders interessant fand.

Zur Autorin (Zitat Klappentext):
Anna Seghers, bürgerlich Netty Reiling, geboren 1900 in Mainz, gestorben 1983 in Ost-Berlin, wo sie seit der Rückkehr aus dem Exil im Jahre 1947 lebte. [...]1933 emigrierte sie mit ihrem Mann Laszlo Radvanyi und zwei Kindern nach Paris; nach der Besetzung Frankreichs 1941 Flucht über Marseille nach Mexiko. Diverse Preise, u.a. Büchner-Preis der Darmstädter Akademie; Autorin von "Das siebte Kreuz", angeblich das bedeutendste Buchdes Exils über das Dritte Reich"
"Ich kann nicht mit dir spielen", sagte der Fuchs. "Ich bin noch nicht gezähmt!"

Sabeth
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Re: Voting September 2004

Beitragvon Sabeth » 10.09.2004, 22:23

Liebe Freunde von O livro...

Ich habe mich ungemein gefreut, [) i r ks Literaturvorschlag zu lesen. Aus Kunderas Buch stammt, eines meiner Lieblingszitate ...

"Er haderte mit sich, bis er sich schließlich sagte, es sei eigentlich ganz normal, daß er nicht wisse, was er wolle. Man kann nie wissen, was man wollen soll, weil man nur ein Leben hat, das man weder mit früheren Leben vergleichen noch in späteren korrigieren kann."

Kunderas Werk ist nicht nur einer der intelligentesten Liebesromane, die ich kenne, sondern zeigt auch auf mir neue Weise die politische Qualitaet des ganz privaten Lebens. Die konkreten zeitgeschichtlichen Hintergruende scheinen heute eventuell etwas veraltet, aber die enge Verquickung von Liebe, Politik und persoenlicher Entscheidung wird niemals an Aktualitaet verlieren...

Koennte ich mich jemals wirklich auf ein Lieblingsbuch festlegen, dann waere es das!
Misstraue jedem, der sich selber zu kennen glaubt. (Hans Magnus Enzensberger)

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Re: Voting September 2004

Beitragvon vogel » 11.09.2004, 14:02

okay, hier also meine Vorschläge ...
axo :
Ah, Birdy, Du brauchst gar keinen Überblick. Hör nur auf mich, Glaube mir. Augen zu. Vertraue mir. Gut...
immer diese Bestechungsversuche :-D


Adrian Plitzco – Der harte Engel
Psychothriller
dtv, August 2003, 305 Seiten

Unsere Buchhandlung in Beeskow ist klein. Verdammt klein. Und ziemlich schummerig beleuchtet. Ich glaube, die Versicherung würde nur 10 Mann tragen, inklusive der Mitarbeiter, wenn dort etwas passieren würde. Hauptsächlich gibt es dort Bücher, die man so auf dem Lande braucht : Kinderbücher, Bücher über die Umgebung, Gartenführer. Dann haben sie dort noch drei- vier Drehständer mit Büchern aller Art (Belletristik, Taschenbücher und was das Herz sonst begehrt ... ), und an der Theke mit der Kasse – da stehen die Thriller und Krimis ...
Als mir mal langweilig war, ich Lust auf diesen abgestanden – aber trotzdem überaus angenehmen – fast schon dem einer Bibliothek ähnelnden Geruch hatte, bin ich hinein, habe die halbe Belletristik angesehen, und bei den Thrillern hängen geblieben. Wie viele Bücher gibt es bloß mit einem Titel, der das Wort „Engel“ enthält ?! Spontan kann ich mich noch an „Der vierte Engel“ erinnern und „Der letzte Engel“. Doch ein Cover hat mich irgendwie gepackt.
„Der harte Engel“ stand auf einem Vorsprung des Holzregals. Ich hatte mich hingehockt, und mir war das schwarze Buch irgendwie ins Auge gestochen. Die rote Schrift des Titels. Und dann die helle, marmorne Figur darauf. Eine Frau mit geschlossenen Augen, und nach links hängendem Kopf. Ich drehte das Buch um :
„Ich sehe, wie der Mörder auf Maryanne zugeht. Immer wieder sehe ich es, es ist immer das gleiche Bild, sobald ich die Augen schließe.“ (1)

Ich machte die Augen zu.
Und ich dachte an ein Haus, in einem dunkelblauem Wald, an eine Frau und wie jemand zu diesem Haus läuft.
Ich habe das Buch zurück gelegt. Aus irgend einem Grund.
Knapp eine Woche später, an einem Donnerstag, morgens kurz nach Neun, weil ich Donnerstags ja immer früh 2 Freistunden habe, stand ich wieder vor dem Buchladen. Meiner russischen Austauschschülerin habe ich gesagt, sie möge hier warten, oder mit rein kommen. Ich ging rein. Allein. Stellte mich vor das Regal.
.. Bekam fast einen Schock, als der Thriller nicht mehr an seinem angestammten Platz stand. Ich hockte mich wieder hin. Und da war es.
Triumphierend hielt ich es den ganzen Tag in der Hand. Es lag auf meinem Tisch während der 4 Stunden Unterricht.
In der Buchhandlung war ich seitdem nicht mehr.
Jedes Mal, wenn ich das Buch auf meinem braunen Tisch in der Mitte meines Zimmers sehe, würde ich es liebsten greifen, und mich wissen lassen, warum der Engel auf dem Cover einen Schnitt auf der linken Brust hat, und blutet ...


(1) Entnommen der Buchrückenseite


Daniel Grey Marshall – No Exit
Roman
Reclam Leipzig, August 2003, 350 Seiten

Eigentlich sollte ich ja geheilt sein – jedenfalls für Bücher, die das Thema „Jugendliche in NY nehmen Drogen“ behandeln. Doch ich hatte „No Exit“ schon zu Hause. Es stand seit November 2003 bei mir im Schrank – so wie es eben jedes Buch bei mir tut. In diesen Sommerferien habe ich mir dann ein Herz gefasst, und es versucht. Ich habe versucht mein, durch „Zwölf“ (von Nick McDonell) ausgelöstes, Trauma zu überwinden. Also habe ich „No Exit“ gelesen. Und gelesen. Und gelesen. Und an manchen Tagen an denen ich auf der Terrasse in meinem blauen Stuhl saß, konnte - und wollte - ich nicht mehr aufhören. Einfach nur lesen.
Betäubt saß ich nach dem letzten Satz da. Selten war ich über 300 Seiten so gefesselt. Von einer Hauptperson, Jim, gerade mal so alt wie ich, die ein Leben führt, dass von Alkohol, von Irrsinn, von Nihilismus geprägt, irgendwo hin verläuft. Ein Weg, der vom Diebstahl, von Verwahrlosung, von anscheinend vollkommen fehlender Erziehung zu 100 Prozent vorbestimmt scheint – das Ende ist entweder der Tot oder der Knast. Und jeder seiner engsten Verbündeten nimmt letztendlich einen anderen. Weil Mandy so plötzlich ihren Weg selbst wählt, verschieben sich alle Chancen auf andere Gleise und laufen auf Einbahnstraßen hin. Leslie zieht sich zurück. Philly entscheidet sich, aber er kann nichts mehr ändern. Jeremy ist es egal.
Und Jim ? - „Still Can’t See Nothin’ Comin’“ (2)


(2) Orginaltitel des Buches
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

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Re: Voting September 2004

Beitragvon [) i r k » 11.09.2004, 16:05

@all
Wann gehts denn los mit dem Voting?



TERMINE für das VOTING

Vorschläge können noch bis spätestens Sonntag, den 19. September 2004 eingereicht werden. Wer noch keine Vorschläge gemacht hat, der hat ab jetzt also noch gut eine Woche Zeit, sich für zwei Titel zu entscheiden und sie hier vorzustellen.

Das Voting, die eigentliche Abstimmung findet dann von Montag, den 20. September, bis Mittwoch, den 22. September 2004 statt.

Ich werde dann noch frühzeitig erklären, wie die Abstimmung genau abläuft.

Die Lesephase fällt in den Oktober. Sie kann, wenn das Buch mehr als 500 Seiten hat, um bis zu zwei Wochen verlängert werden.

MfG,
[) i r k
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Re: Voting September 2004

Beitragvon Hamburger » 11.09.2004, 19:05

Hallo zusammen,

hier nun meine Vorschläge:

1. „Montauk“ von Max Frisch.

Wie jedermann weiß bemisst sich das Niveau dieses Clubs an Ingeborg Bachmann. Und wir haben noch gewaltig was gutzumachen bezüglich des nach ihr benannten Preises.
;-)
Das trifft sich ausgezeichnet mit meiner Liebe zu den Büchern von Max Frisch, denn der liebte vor gut vier Jahrzehnten Ingeborg Bachmann. Er hat sogar ein Buch darüber geschrieben.
Und da bei den letzten Votings meine Max Frisch-Vorschläge nur knapp scheiterten und dieses Buch das Einzige Frisch-Buch ist, welches Marcel-Reich-Ranicki als würdigen Frisch-Beitrag für seinen Literaturkanon erachtete (eine einmalige Referenz, oder?) schlage ich es vor.

Zum Inhalt:

Während einer Lesereise lernt Max Frisch (1911 - 1991) in New York die halb so alte geschiedene Verlagsangestellte Lynn kennen. Sie verbringen das Wochenende vom 11./12. Mai 1974 in Montauk an der Nordspitze von Long Island, aber es ist von Anfang an klar, dass er am Dienstag, den 14. Mai, zurück nach Europa fliegen und dort am nächsten Tag seinen 63. Geburtstag feiern wird. Außerdem vereinbaren sie, sich nach dem Abschied weder anzurufen oder zu schreiben. Allenfalls eine Ansichtskarte am 11. Mai 1975 soll erlaubt sein.

Die Erzählung über die Romanze im Mai 1974 teilt Max Frisch in viele einzelne Teile auf, die er mit älteren Erinnerungen, Tagebuchauszügen, Selbstreflexionen und anderem autobiografischen Material zu einer Collage montiert -- wodurch das Werk über die individuelle Konfession hinausgehoben wird. Der Verzicht auf Fiktionen und die Beschränkung auf Authentisches machen "Montauk" gewissermaßen zum Gegenstück von "Mein Name sei Gantenbein"

(Quelle: Suhrkamp)

2. "Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich" von Botho Strauß

Hier kein Vor-Kommentar von mir - Quelle der zitierten Rezension ist www.ard.de mit einem Kommentar zur Frankfurter Buchmesse:

Botho Strauss hat eine Liebesgeschichte geschrieben: Ein Mann, eine Ehefrau, eine Geliebte kommen einander nahe und bleiben einander fremd. Der Autor betrachtet das Geflecht zwischen den Menschen. Wie so oft erzählt Botho Strauss ohne epische Handlung, ohne festen Boden, mit kippender Zeit.

"Von einer uneindämmbaren Rede hinweggerissen"... "ein Chaos von Abirrungen und verschlungenen Pfaden"... "ein fortwährendes Verwischen und Entgleiten des Sinns".
Und so schlendert der Leser nicht nur mit Erzähler und Frau über den morgendlichen Boulevard, plötzlich getroffen vom dunklen Blick der Geliebten. Er gerät in einen Taumel von Begebenheiten und Personen, auf der Rolltreppe abwärts in einen fernen Raum, hört törichte Jungfrauen vor Gericht, sieht eine Dame mit kosmetisch vergrößertem, puterroten Ohr, eine andere mit Haken an Hinterkopf und Steiß, schmerzhaft in die Luft gezogen.

"Man träumt immer abwegiger mit den Jahren, der Zug der Bilder entfernt sich aus der Umlaufbahn der Person" ... "er gerät nicht selten in die Peripherie des Irrsinns und der vollkommenen Unkenntlichkeit."
Botho Strauss sehnt sich nach einer Welt jenseits von Vernunft und Klarheit. Er beschwört einen mythischen Zustand: Schön und schrecklich soll er sein, den Menschen ganz und gar erfassen, das Leben nicht enträtseln, sondern verschlingen.
"Er erfüllte lediglich das Verlangen nach der wiedergefundenen Unfertigkeit und Kindheit aller Zusammenhänge..."

Der Autor wünscht sich eine romantische All-Einheit und versucht, sie in einem sprachlichen Taumel herbeizuerzählen. Schon die Romantiker ahnten, dass sie sich nach etwas Verlorenem sehnten. Die Enttäuschung ihres späten Verwandten Botho Strauss entlädt sich in der nüchternen Gegenwart: Das Stadtviertel, in dem der Erzähler ausharrt, liegt brach und verlassen. Die Leute leben zwischen verwahrlosten Schwimmbädern, mit Brettern vernagelten Leihbibliotheken, eingestürzten Parkhäusern. Alles Zeichen für die Ödnis ihrer Welt. Abends essen die Wohlhabenden unter ihnen in einem "Palast der Luxusleere", einem weitläufigen Gebäude, in dem die Gäste mutterseelenallein in voneinander entfernten "Verzehrbuchten" sitzen. Vereinzelt, isoliert, kennen sie nur die Oberfläche des Lebens.

Der Witz und die Schärfe von Botho Strauss' Gegenwartszeichnung haben seit den Stücken der 80er Jahre nachgelassen. Der Beobachter hört in der eigenen Zeit und Umwelt und Sprache nicht mehr so genau hin. Denn er sieht wie gebannt in "den unabsehbaren und alles zermalmenden Fluß der Unwirklichkeit,"..." der unsere Fundamente unterspült und unsere Habe davonträgt.


Liebe Grüße,

Hamburger
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Surjaninov
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Re: Voting September 2004

Beitragvon Surjaninov » 12.09.2004, 12:23

Mein zweiter Vorschlag:


Der Fangschuß - Marguerite Yourcenar


Klappentext: "1919 ist der Erste Weltkrieg zu Ende, doch im Baltikum dauert der Bürgerkrieg an. Während die Russische Revolution in vollem Gange ist, kommt der preußische Offizier Erich von Lhomond mit einem Trupp von Weißgardisten nach Kratovice. Dort begegnet er Konrad von Reval, einem Freund aus Jugendtagen, der mit seiner Schwester Sophie in einem verfallenen Schloss lebt. Zwischen den entwurzelten Protagonisten entwickelt sich eine ebenso heftige wie quälende Dreiecksbeziehung voller Erotik und unerfüllter Begierde. Immer wieder sieht sich Sophie von Erich zurückgewiesen, der sich anscheinend stärker zu ihrem Bruder hingezogen fühlt. Vor dem Hintergrund der Kriegswirren entsteht so eine fesselnde Geschichte von Hingabe und Enttäuschung, ein psychologisches Kammerstück voller Spannung über das Verlangen und die Liebe.

Marguerite Yourcenars „Der Fangschuß“ (1939) wurde 1976 von Volker Schlöndorff verfilmt und zählt zu den bekanntesten Romanen der Autorin."


Die Autorin: "Die Erzählerin und Essayistin Marguerite Yourcenar wurde 1903 in Brüssel als Marguerite de Crayencour geboren. Sie wuchs im französischsprachigen Flandern auf und begann schon als Jugendliche mit dem Schreiben. Nach dem Tod des Vaters führte sie ein unstetes Leben und war bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beständig auf Reisen. Zu Beginn des Krieges ließ sie sich in den USA nieder und erhielt 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Unter dem Namen „Yourcenar“ - annähernd ein Anagramm ihres Geburtsnamens - veröffentlichte sie bereits 1936 das Prosagedicht „Feuer“. Es folgten unter anderem die Romane „Der Fangschuß“, „Ich zähmte die Wölfin“ (1951) und „Die schwarze Flamme“ (1968). Außerdem übersetzte Yourcenar mehrere Romane aus dem Englischen ins Französische, veröffentlichte eine Reihe von Essays und unterrichtete französische Literatur in New York. 1980 wurde sie als erste Frau in die angesehene Académie française aufgenommen. 1987 starb Yourcenar in den USA." (Sz-Bibliothek-Homepage)

Nun, das Buch ist sehr dünn, nur 89 Seiten. Es ist u.a. in der SZ-Bibliothek erschienen. Als Band 15, und kostet demzufolge nur 4,90€.

Naja, so weit... :-)

Hilbi
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Re: Voting September 2004

Beitragvon Hilbi » 12.09.2004, 15:18

ohne jede chance, aber immerhin, einer der wenigen deutschen Autor(innen) die mir wirklich ausserordentlich gut gefallen und
die hat ein neues Buch geschrieben und gelesen hab ichs noch nicht, aber werde ich

Malin Schwerdtfeger: "Delphi"

Roman

Malin Schwerdtfeger erzählt in ihrem dritten Buch - nach den Erzählungen Leichte Mädchen und ihrem Roman Café Saratoga - eine Familiengeschichte der besonderen Art am Ende des 20. Jahrhunderts.

Wie wurde man erwachsen, was war wichtig, was passierte wann und warum. Die Fragen, um die es in dieser wunderbar skurrilen und bunten Familienchronik geht, sind die, die sich alle im Rückblick stellen. Aber wer ist ein vertrauenswürdiger Zeuge der Vergangenheit? "Erinnerungen sind wie unscharfe Filme, wie Gehbehinderungen, Konzentrationsschwächen und Sprachfehler. Sie sind unzuverlässig, weil ihre Körper unzuverlässig sind. Ihre Augen, Ohren, Gehirne und Münder sind entweder zu jung, zu alt, zu schwach oder zu selbstverliebt, um zuverlässige Chroniken zu liefern." Immer schon ist der, der von der Vergangenheit spricht, ein in der Gegenwart Verfangener. Deswegen: "Nicht die Lebenden erzählen von den Toten, sondern umgekehrt." So beginnt dieser Roman, der sich unterscheidet von den gerade Konjunktur habenden Familienbiografien und Kindheitserkundungen - nicht zuletzt durch seine literarische Mischung aus kühler Menschenkenntnis und überbordender Fabulierlust.
Manuela Reichart, Kulturradio am Morgen
Wenn der Himmel so blau ist, warum wird es dann finster?

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Re: Voting September 2004

Beitragvon SMID » 12.09.2004, 18:49


Metägo
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Re: Voting September 2004

Beitragvon Metägo » 12.09.2004, 21:13

Ich möchte ein Buch vorstellen, das mich so in seinen Bann gezogen hat, dass ich danach alles, was sein Autor veröffentlicht hat, lesen musste.

1. Fjodor M. Dostojewskij: Schuld und Sühne (auch "Raskolnikow" oder unter neueren Übersetzungen "Verbrechen und Strafe")

Ich möchte versuchen, den Inhalt des Buches aus dem Gedächtnis wiederzugeben, wobei sicherlich das eine oder andere zu kurz kommt, seine Vielschichtigkeit aber hoffentlich nachvollzogen werden kann:

Raskolnikow, Protagonist des Romans, ist Student und bewohnt eine Petersburger Absteige, ein Loch, die an "Fausts" enge Kammer mit den zu niedrigen Decken erinnert.
Er hat weder Geld, noch gesellschaftlichen Kontakt. Wir schreiben etwa das Jahr 1865 (Erscheinungsjahr 1866).
Petersburg, als Schauplatz stellvertretend für ganz Russland, ist völlig heruntergekommen. Es ist Sommer, die Straßen stinken nach Verwahrlosung und Alkoholismus.

Dostojewskij skizziert - Nietzsche antizipierend - die Situation des heraufkommenden bzw. ausbrechenden Nihilismus, der politischen und gesellschaftlichen Orientierungslosigkeit.

Raskolnikow, mittlerweile zu verarmt, um seinem Studium flogen zu können, philosophiert in seiner "Kammer" über den „Übermenschen“ (im Speziellen Napoleon als dessen Verkörperung): wie weit darf der Übermensch gehen, um seine Ziele erreichen zu können? Napoleon hat gemordet, massenhaft, ebenso Caesar.
Ist die Handlungsweise des „Übermenschen“ durch seine Leistung, seine Errungenschaften legitimiert, und ist das Leben des einen Menschen weniger wert, als das eines anderen?

Es ist in der Kritik bis heute ungeklärt, ob Raskolnikow bereits zu Anfang des Romans im Fieber ist (eine damals häufig auftretende und durch etwa Nahrungsmangel und seelische Not bedingte Erscheinung) oder dieses Folge seiner Tat, dem Mord an einer Pfandleiherin.
Damit ist auch schon die Handlung umrissen: Raskolnikow mordet aus der Vorstellung heraus, dass er das Recht dazu habe: sein Leben, sein Weiterkommen ist mehr wert, als das Leben einer „boshaften“ alten Wucherin.

Als seine Mutter und Schwester ihn besuchen, ist R. bereits im schweren Fieber.
Die Tat bleibt unbemerkt und das Verbrechen ist ihm nicht nachweisbar. Paradoxerweise versteckt R. die Beute und bedient sich ihrer nicht; das vermeintliche Motiv des Mordes, das Geld also, spielt hier keine Rolle mehr.
R. leidet an seinem Gewissen; er hat mit der Pfandleiherin ungeplanter Weise auch ihre jüngere, „unschuldige“ Schwester ermordet und verkraftet sein Verbrechen nicht; er glaubt, sich mit seinem geplagten Gewissen bewiesen zu haben, dass er nicht der Übermensch sei, den er aus narzisstischen und rein egoistisch-existentiellen Motiven in sich zu sehen vermeint hat.

Es gibt keinerlei Beweise, Indizien oder Spuren, die zu einer Überführung Raskolnikows führen könnten, doch der Kommissar Porfirij Petrowitsch wittert Verdacht.
Er beginnt ein subtiles psychologisches Sezierspiel, um R. der Tat zu überführen, indem er ihn zum Geständnis drängen will; damit beginnt auch das sublime Zwiespiel der beiden. Mit dem Auftreten P. Petrowitschs beginnt der eigentliche Kriminalroman.

Dostojewskij bleibt in seiner profunden, subtilen Ausleuchtung der Seele bis heute unerreicht. Was er schreibt, wie er schreibt, ist in seiner Komplexität mit keiner Seelenkunde, keiner Psychoanalyse beschreib- oder nachvollziehbar. Er geht weiter und tiefer als jeder Schriftsteller vor und nach ihm.
Dostojewskij ist ein Erlebnis, das man erfahren sollte.
Zum Schluss ein treffendes Zitat:

„Keiner hat die komplizierte Zusammensetzung des Menschen mehr zergliedert als er, sein psychologischer Sinn ist überwältigend, seherisch. Zur Beurteilung seiner Größe fehlt uns das Maß, er steht allein.“ Knut Hamsun
Wo fass ich dich, unendliche Natur? Goethe, "Faust"

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Re: Voting September 2004

Beitragvon Khadija » 13.09.2004, 00:24

Camus, Fry, Mann, Bradbury.... und dann mit Max Frisch auch noch einer meiner Lieblingsautoren...wie soll ich mich da je entscheiden? :procontra:

@ Hilbi und Oliver: es geht mich ja eigentlich nichts an...aber ihr wisst schon, dass ihr zwei Bücher vorschlagen müsst, oder?
...words strain,
Crack and sometimes break, under the burden,
Under the tension, slip, slide, perish,
Decay with imprecision, will not stay in place,
Will not stay still.

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Re: Voting September 2004

Beitragvon Besucher » 13.09.2004, 07:08

Na gut, dann schlage ich noch "Mason und Dixon" vor von Thomas Pynchon, aber ich werde nicht erzählen dass es in dem Buch um zwei Landvermesser, Sternegucker und Astrologen geht wie sie unterschiedlich kaum sein könnten und doch wie es immer so ist, na ja wie es nicht immer so ist, wie es also manchmal so ist, kommen die zwei ohne einander zwar auch aus, aber irgendwie, na ja, sie waren halt Freunde.
Aber was erzähle ich da. Wenn man die Geschichte Amerikas kennen lernen möchte, so ist dieses Buch ein "muss", es ist aber kein "muss", weil es für Pynchon glaub ich gar kein "muss" gibt. Thomas Pynchon ist einer meiner Lieblinge, er gehört zu jenen Autoren, die es fertig bringen sprechende Hunde aufs Parkett der Literatur tanzen zu lassen und ein paar Seiten später über ein Massaker an Indianer zu schreiben, dass durchaus an Ereignisse in der hiesigen Zeit erinnert.
Ich mag Pynchon weil er die Augen aufmacht, weil er eben kein typischer Amerikaner ist, schlimmstenfalls ist er ein europäischer Amerikaner, aber jetzt erzähle ich gar nichts über das Buch.
Mason und Dixon gehört zu meinen Lieblingsbüchern, ich lese es gerade zum zweiten Mal und das kommt immerhin nicht sehr häufig vor, ein bißchen hoffe ich dass es nicht gewählt wird, weil ich es dann zum dritten Mal lesen müsste, oder? Ach und wenn schon.
Mason und Dixon ist ein grosses und ein sehr kleines Buch, es ist schnell gelesen, es ist 1023 Seiten stark :-)

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Re: Voting September 2004

Beitragvon Besucher » 13.09.2004, 07:13

oh je jetzt hab ich mich nicht registriert...Hilbi war das...tzzz


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