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bewusste Trivialität (ein skizzierter Gedanke)

Verfasst: 04.03.2011, 23:34
von hginsomnia
Grundlage:

- triviales Schreiben ist nicht mit verständlichem Schreiben gleichzusetzen.
- triviales Schreiben definiert sich eher über eine Komponente, die spöttisch auch als Unfähigkeit, literarisch "wertvoll" zu schreiben, bezeichnet wird.
- diese Komponente wird beispielsweise in Bezug auf den Inhalt eines Textes mit der Tatsache gefüllt, dass trivialer Inhalt immer mit Mängeln im Vergleich zum Inhalt gehobener Literatur sich darstellt.
- diese Mängel tangieren sowohl die Logik, wie auch die Stilistik des Textes.


Wann kann Trivialität als bewusstes Stilmittel erkannt werden?

Für mich müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

1.) Der Text muss als "literature engagée" erkannt werden.
2.) Die trivialen Elemente müssen im Werk selbst reflektiert werden.


Meine Fragen (falls es überhaupt jemanden interessiert) sind:

1.) Seid ihr anderer Auffassung?
2.) Kennt ihr Beispiele für bewusste Trivialität?


Bis dahin,

lg
hginsomnia

Re: bewusste Trivialität (ein skizzierter Gedanke)

Verfasst: 05.03.2011, 02:53
von [) i r k
Hallo hginsomnia,

mir stellt sich zuerst eine grundlegende Frage: "Was ist trivial? Und, wo würdest du da die Grenze ziehen?"

Zu deiner Frage: "2.) Kennt ihr Beispiele für bewusste Trivialität?"

Jede Menge. Ich finde jeder gute Schriftsteller muss es drauf haben, trivial schreiben zu können. Denn bei einem Roman oder einem Theaterstück sind ja nicht alle Figuren gleichermaßen intelligent. Zumindest wäre das sehr eintönig und unrealistisch. Überleg mal selbst, es gibt genug Beispiele von lächerlichen, trivialen, geradezu peinlich dummen Figuren in der Literaturgeschichte. Selbst bei Shakespeare gibt es die Narren-Figuren, die plappern dürfen. Noch schwieriger wird es bei Kinderfiguren.

Das gesamte Stück "Warten auf Godot" wirkt sprachlich einfach und vieles, was die Figuren erzählen, wirkt banal und wiederholt sich. Dennoch würden wir das wahrscheinlich nicht als trivial bezeichnen, weil andere Bedeutungsebenen hinzukommen. Hier kommen deine "Bedingungen" ins Spiel.

Ich erinnere mich an eine Nebenfigur in "Tod eines Kritikers", die Schriftsteller sein wollte, aber eine unverständliche Reihung von banalen Erlebnissen produzierte. Diese Textabschnitte sind trivial, sind aber gleichzeitig eine Reflektion über das Wie und Warum des Schreibens.

In "Der Zauberberg" gibt es eine Séance bei der ein Geist zu Wort kommt, der mehrere Seiten lang herumschwallert. Ganz banal, und doch zugleich ist dieser Prosa-Text lyrisch und metrisch anspruchsvoll.

Soviel ad hoc dazu von mir.

MfG,
[) i r k

Re: bewusste Trivialität (ein skizzierter Gedanke)

Verfasst: 05.03.2011, 02:58
von [) i r k
- triviales Schreiben ist nicht mit verständlichem Schreiben gleichzusetzen.

Schließt sich das wirklich aus? Es gibt doch auch triviale Texte, die zugleich verständlich, sinnvoll, sogar mehrdeutig sein können, z.B. viele Liedtexte. Und für viele dieser Texte treffen deine beiden Bedingungen ("literature engagée" und Selbstreflektion) nicht zu. Auch sind viele dieser Texte furchtbar widersprüchlich und unlogisch oder sogar wirr, wobei man den Reiz von Unlogik & Unbewusstsein & Chaos nicht unterschätzen darf.

Ich glaube, niemand würde die Beatles als trivial bezeichnen, dennoch haben sie solche Strophen fabriziert:

She says she loves you
And you know that can't be bad.
Yes, she loves you
And you know you should be glad.


Stell dir vor, das würde jemand auf Deutsch hier im Gedichteforum posten... ;-)

Re: bewusste Trivialität (ein skizzierter Gedanke)

Verfasst: 06.03.2011, 08:32
von hginsomnia
Hallo Dirk,

danke für deine schnelle Replik. Ja, ich glaube auch, dass der Gedanke etwas zu sehr mit der heißen Nadel gestrickt wurde. Ich fasse wohl den Begriff 'litterature engagée' (den ich verm. nicht aufrechterhalten kann) zu weit und den der Trivialität zu eng.

Aber der Reihe nach:

[) i r k hat geschrieben:mir stellt sich zuerst eine grundlegende Frage: "Was ist trivial? Und, wo würdest du da die Grenze ziehen?"


Wahrscheinlich ziehe ich die Grenze sehr früh. Ein trivialer Satz ergiebt sich für mich in der Kombination aus banalem Inhalt und stilistischer Einfachheit, die zum gegeben Zeitpunkt (dem Zeitpunkt des Aufsetzens) als gewöhnlicher Sprech erkannt wird, also z.B. so ein Satz wie: "Ich ging duschen, putzte mir die Zähne und zog mich um."

[) i r k hat geschrieben:Zu deiner Frage: "2.) Kennt ihr Beispiele für bewusste Trivialität?"

Jede Menge.


Auch ich kenne natürlich viele Beispiele und wollte mich mal umhören, welche von anderen genannt werden.

[) i r k hat geschrieben: Ich finde jeder gute Schriftsteller muss es drauf haben, trivial schreiben zu können.


Ja, absolut!

[) i r k hat geschrieben:Denn bei einem Roman oder einem Theaterstück sind ja nicht alle Figuren gleichermaßen intelligent.


Das muss aber nicht notwendigerweise zu einer trivialen Sprache führen. Es ist, meine ich, ein Trugschluss, zu glauben, eine minder intelligente Figur würde durch triviale Sprache in einem Text verankert (aber ja, es gibt da ganz wundervolle Gestalten natürlich, z.B. bei Kerouac, Schulze, Gernhardt u.v.m.).

[) i r k hat geschrieben:Das gesamte Stück "Warten auf Godot" wirkt sprachlich einfach und vieles, was die Figuren erzählen, wirkt banal und wiederholt sich. Dennoch würden wir das wahrscheinlich nicht als trivial bezeichnen, weil andere Bedeutungsebenen hinzukommen. Hier kommen deine "Bedingungen" ins Spiel.


'Waiting for godot' fällt für mich schon über die Anordnung aus der Trivialität heraus, aber es kann durchaus sein, dass da, wie gesagt, meine Grenze zu früh gezogen ist.


[) i r k hat geschrieben: - triviales Schreiben ist nicht mit verständlichem Schreiben gleichzusetzen.


Schließt sich das wirklich aus?


Nein, es ist nur nicht gleichzusetzen!

[) i r k hat geschrieben:Es gibt doch auch triviale Texte, die zugleich verständlich, sinnvoll, sogar mehrdeutig sein können, z.B. viele Liedtexte. Und für viele dieser Texte treffen deine beiden Bedingungen ("literature engagée" und Selbstreflektion) nicht zu. Auch sind viele dieser Texte furchtbar widersprüchlich und unlogisch oder sogar wirr, wobei man den Reiz von Unlogik & Unbewusstsein & Chaos nicht unterschätzen darf.

Ich glaube, niemand würde die Beatles als trivial bezeichnen, dennoch haben sie solche Strophen fabriziert:

She says she loves you
And you know that can't be bad.
Yes, she loves you
And you know you should be glad.


Stell dir vor, das würde jemand auf Deutsch hier im Gedichteforum posten...


Liedtexte sind für mich schwierig, da sie natürlich nur einen Teil einer Rezeption wiedergeben und die vollständige Rezeption erst mit dem Lied selbst möglich ist, aber ja, dieser Text ist wahnsinnig trivial und ein tolles Beispiel. Als Gedicht wäre er allerdings nur trivial. Da soll mir mal einer kommen, dann würde ich .... ;-) :-)

[) i r k hat geschrieben:(ich verschieb das Thread hier mal demnächst in Kunst & Handwerk... scheint mir da gut reinzupassen.)


Gerne!

Soweit, erstmal nur kurz.

Mich interessiert sehr, was es ist, dass einen scheinbar trivialten Inhalt plötzlich gar nicht mehr trivial erscheinen lässt und wie man das festhalten könnte.

Danke und

lg
hginsomnia

Re: bewusste Trivialität (ein skizzierter Gedanke)

Verfasst: 10.08.2017, 21:13
von riemsche
hginsomnia hat geschrieben:Mich interessiert sehr, was es ist, dass einen scheinbar trivialen Inhalt plötzlich gar nicht mehr trivial erscheinen lässt und wie man das festhalten könnte.

Danke und

lg
hginsomnia


soweit die aufgekratzt einladend fragestellung vom 6.märz 2011 um 07:32
stellt sich für mich ne weitere: weshalb wurd der thread dennoch aufgegeben? keinen schimmer aber ...
bekunde hiermit s interesse und schick vorab nen link aus 2013 in s rennen

http://www.pop-zeitschrift.de/2013/01/1 ... 18-1-2013/

ist mMn mehr wie nur n aufsatz zu dem thema. einer der s schaffen könnt, die einleitend frage zum teil im ansatz für alle verständlich zu beantworten_ womit meinereiner bis heut erwiesenermaßen noch immer so seine probleme hat :-D