Kurz: Zu viel PPP (Promis, Pop und Politik), zu wenig Literatur.
Einen ähnlichen Artikel meine ich schon letzte Woche in der Zeit gelesen zu haben. Für mich klang der Journalist in dem Artikel von letzter Woche meiner Erinnerung nach so, als ob er selbst da nicht hingehen würde - und wenn, dann nur, falls er beruflich dazu gezwungen ist. Wie will er die Qualität der Diskussionen etc beurteilen, wenn er - das unterstelle ich ihm jetzt - nur das Veranstaltungsprogramm gelesen hat?
Allerdings habe ich von zwei Bekannten gehört, die zwei Mal etwas enttäuscht oder überrascht waren...auf jeden Fall etwas anderes erwartet hatten. Eine Lehrerin, die mit einer 6. Klasse da gewesen war, hat zum Beispiel die Lesung für die Jugendliteratur auf dem Schiff kritisiert. Erstens war es für die Jugendlichen enttäuschend, dass das Schiff gar nicht abgelegt hat und zweitens hatte die Autorin einen derart starken Akzent gehabt, dass die Schüler akustisch kaum etwas verstanden haben.
Eine Bekannte von mir hatte eine Karte für die Lesung im Schauspielhaus geschenkt gekriegt und war dann überrascht, wieviel Stimmung dort herrschte aufgrund der Lesung aus dem Buch "Feuchtgebiete", über das ja jetzt ständig berichtet wird. Der Saal war ausverkauft und alle, außer die Leute in ihrem Alter hätten gejohlt etc Also, "Unterhaltung auf RTL-Niveau" nannte sie das, glaube ich. Sie fand es trotzdem interessant, das mitzuerleben.
Das waren also schon mal zwei Reinfälle, bzw ein ganzer und ein halber Reinfall.
Ich selbst war bei Walser mit Dirk zusammen. Und die Lesung fand ich super. Klar war ich auch einfach beeindruckt von dem Autoren, der da vorne gelesen hat, einfach, aufgrund seines Charakters, seiner Person : ) Wir haben direkt in der ersten Reihe gesessen und er hat wunderbar artikuliert die Textstellen aus "Ein liebender Mann" vorgetragen.
In dem anschließenden Gespräch mit der FAZ-Journalistin hat er leider zu wenig knackige Fragen gestellt bekommen. Das hätte wesentlich spannender werden können, wenn sie ihn nicht so ... hofiert hätte. Das war dann irgendwie ganz nett, aber leider auch ziemlich luschig.
Da ich den Walser aber mag, hat mir das nicht so viel ausgemacht.
Nachdem wir dann pünktlich aus dem Saal rausgescheucht worden waren, konnten wir uns für die allerersten Ausgaben seines Buches anstellen, die ziemlich schnell ausverkauft waren. Obwohl Rowohlt eigens für die Lesung Bücher geliefert hatte, waren es einfach zu wenige. Und nach etwa einer halben Stunde konnte ich dann direkt in seine Augen sehen... also, sehr sympathisch, der Mann : )
Achja, er hat gesagt, dass er keine Romane mehr über alte Männer mit jungen Frauen und über alte Frauen mit jungen Männern schreiben werde. In seinem aktuellen Roman hat er dieses Thema anscheinend in seinen Augen bis zur Perfektion aus- und abgearbeitet.
Gibt es sonst noch was dazu zu sagen?
Angeblich hat er für das Schreiben nicht noch mal extra recherchiert - und immerhin versetzt er sich in dem Roman in Goethe persönlich. Er habe sich schon vorher mit Goethe, Leben und Werk, auseinander gesetzt. Das fand ich beachtlich, überlege aber, ob er das nicht ein wenig beschönigt hat. Den Roman soll er ... innerhalb von drei, vier Monaten geschrieben haben, oder wie war das, Dirk?