2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

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[) i r k
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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon [) i r k » 09.04.2008, 00:37

Nein, kein Problem der Messung - zumindest nicht in der Hinsicht, dass man es messen könnte, wenn man nur die richtigen Geräte hätte.

Wollte ich auch nicht behauptet haben. ;-)
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razorback
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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon razorback » 09.04.2008, 15:55

Wollte ich auch nicht behauptet haben.


Ah... sorry, hörte sich so an. Immerhin hatte ich so Gelegenheit, mal wieder einen langen, besserwisserischen Text zu texten :-D . Und Du hast mich, wenn ich mich recht erinnere, irgendwann mal gefragt, warum ich gläubig bin. Siehe oben. ;-)

So lang wir uns darauf einigen können, dass jeder, der hier irgendwelche Katzen in irgendwelche Kisten steckt, ernsthafte Schwierigkeiten mit mir bekommt, ist alles gut...


Ja, ich habe mich ehrlich gesagt, auch schon oft gefragt, warum Schrödinger ausgerechnet eine Katze gewählt hat. Ich bin ja auch sehr katzenaffin. Ich vermute, er hat einfach mal Katzenfreunde mit Hundefreunden verglichen - und sich dann vor der Militanz der Hundefreunde gefürchtet. Irgendwie sind wir doch unseren jeweiligen Tieren ähnlich. Wir Katzenfreunde lassen am liebsten in Ruhe und werden in Ruhe gelassen und nur, wenn das nicht funktioniert, dann gibt's halt was mit der Kralle. Wenn also jemand eine rein fiktive Katze in eine fiktive Kiste sperrt - was soll's.

Hundefreunde hingegen... Hunde sind eben die besseren Menschen. Die gucken ja so klug. Die verstehen J-E-D-E-S Wort. Nur der Gedanke an solch eine Kiste... dieser Schrödinger muss ein Monster sein. KRANK! Der frisst sicher auch kleine Kinder! :-p

Und "Schrödingers Wellensittich" hätte ja blöd geklungen.
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Glaukos
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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon Glaukos » 09.04.2008, 16:40

Gabs nicht noch Wigner oder Wigners Freund? Mir dünkt so.
Dies Schrödinger-Paradox habe ich meistens auch so gedeutet wie du, razor. Und fühlte mich dann immer ganz dumm, wenn man mir contra gab, denn alles sei nicht so einfach. Aber vielleicht ist es wirklich so einfach, wie du es geschildert hast, mir wäre es sympathisch, ich stehe (neuerdings?) auf einfache Lösungen.
Der Frosch und die Wellen ist auch ein schönes Bild ... erinnerte mich an - ich glaube D. Bohm - der überlegte, ob man die Welle-Teilchen-Problematik so fassen könne wie ein Treibgut auf einer Welle, also etwa ein Holzstückchen, das dann an Land getragen wird - so wäre Welle dann gleich auch Teilchen.
(eine von Hunderten Theorien natürlich; sehr beliebt bei den Esoterikern unter den Physikern, Bohm passt irgendwie gut zu Klages, wenn du diesen Herrn Dichterforscher kennst ...)

Jack Swallow
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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon Jack Swallow » 10.04.2008, 11:36

Sci-Fi mittelt sich aus und wird zur Realität...

Verzeihung, Glaukos. Ich dachte der Roman von Aldous Huxley "Schöne neue Welt" wäre dir bekannt. Seine Geschichte spielt auch in der Zukunft, in der die Menschen schon im Mutterleib so bearbeitet werden, daß sie später zu pflegeleichten Menschen werden. Dann werden sie für ihre Rolle konditioniert und mit Sex, Konsum und der Pille "Soma" (siehe Rumpillen) zufriedengestellt. Dadurch denken die Leute nicht mehr kritisch und ein paar "wohlwollende Lenker" herrschen zur Zufriedenheit aller. Ideal für Menschen ohne freien Willen...

Zum Thema andres möchte ich wiederholt sagen, daß ich nicht er und er nicht ich bin. Wir sind auch nicht im Sinne der Quanten irgendwie verschränkt. Vielleicht sind wir ja verwandt im Geiste, aber nicht mehr...(außer er würde meine Nichte heiraten, oder so...).

Ich finde, daß razorback das Phänomen, das sich durch den Doppelspaltversuch ergibt, schön beschrieben hat. Heraus kommt dabei die Wellennatur der Materie. Die Welle repräsentiert hierbei die Wahrscheinlichkeit.

Man muß dazu sagen, daß dieser Versuch im Vakuum durchgeführt wurde, (wenn ich mich nicht irre).

Bemerkenswert ist, daß sich das "was auch immer" nicht in einer geraden Linie fortbewegt, wie eine abgefeuerte Kugel, sondern in einem klar berechneten Feld von Möglichkeiten. In diesem Feld ist es kein Entweder-oder, sondern vielmehr ein Sowohl-als auch (daher die Diskrepanz mit der Logik). Erklärungsversuche der Physiker wie die Viele-Welten Theorie oder die Kopenhagener Deutung zeugen davon.

Durch die Messung nun,und das ist kein grundsätzliches Problem der Messung in dem Sinne, daß man keine besseren Meßapparate hätte, sondern eine Eigenart der Quanten. In dem Augenblick des Hinsehens (siehe Schrödingers Katzenhundwellensittich) legt sich das "was auch immer" als Teilchen an einem Punkt, der im Rahmen der Wahrscheinlichkeitskurve existiert, eben als Teilchen fest. Wo genau, kann man nicht sagen.

Dies bedeutet, daß unser Bewußtsein unmittelbaren Einfluß auf die Quanten besitzt. Einstein, dem dies überhaupt nicht gefiel, hat dies mal in einer ironischen Frage formuliert:
"Wenn wir den Mond nicht betrachten, ist er wohl nicht da".
Auf der Quantenebene wäre es wahrscheinlich so...

Zum Glück kann man den Mond sehen, da wir erstens nicht im Vakuum leben und zweitens andauernd irgendwelche "Messungen" in Form des Ausmittelns, stattfinden.
Dieser Umstand läßt natürlich die Frage zu, wie "objektiv" unsere Wirklichkeit überhaupt sein kann.
Also inwieweit bsp. das Husserlsche "reine Bewußtsein" doch in das, was wir objektive Wirklichkeit nennen, hineinreicht.

Das nun naturwissenschaftliches Denken, das aus der Philosophie entsprungen, mit seinem Kausalitätsdenken und Reduktionismus nun scheinbar an seine Grenzen stößt, hat, denke ich, Platon mit seiner Ideenlehre sehr schön im Kleinen schon vorausgedacht. Quanten können kaum reduktionistisch angegangen werden, sondern vielmehr holistisch.

In der Wahrscheinlichkeitswelle sind konkrete Eigenschaften nicht festgelegt, bis man es eben mißt. Die Eigenschaften ergeben sich im Vorgang des Ausmittelns mit anderen Quanten. Insofern ist das Quantenfeld ein Feld aller erdenklicher und nichterdenklicher Möglichkeiten. Ein Feld der Potentialität. So ist das, was wir "Realität" nennen, das Ergebnis eines grandiosen ausmittelnden Überlagerungseffektes.

Nun gibt es Wellen, die sich gegenseitig auslöschen und Wellen, die sich gegenseitig hochschaukeln oder "ausmitteln", ein Zusammenspiel von Sowohl-als auchs...
Wobei der Wellencharakter das ausschlaggebende ist, denn Teilchen braucht man nur, wenn man etwas lokal bestimmen möchte. Die Wellennatur ermöglicht nun die Betrachtung der wechselseitigen Verflechtungen.

Der freie Wille ist kein Thema der Quantenphysik, könnte aber auf der Basis der "Nicht-Festlegung, der Offenheit des Alles in Allem oder so..., gedacht werden. Denn die Quantenphänomene scheinen ja indeterminiert.

Zurück zur Ideenlehre. Das große Problem der Reduktionisten ist ja die der Emergenz.

Es gibt Einflüsse, die in unsere Wirklichkeit "hineinscheinen". Stichworte wären bsp. die Selbstorganisation unserer "Wirklichkeit" aus unzählig vielen Faktoren oder der Umstand, daß man das Ganze nicht nur aus der Summe ihrer Teile erklären kann.

Da "scheint" also etwas hinein, das mit unserem Denken nach Kantschen Kategorien nicht faßbar ist. Natürlich muß man dabei vorsichtig sein, aber gehen wir mal davon aus, daß Platon dies intuitiv (oder waren es Quantenwellen, die bis in sein Gehirn geschwappt sind)als die sog. "Ideen" erfühlt hat, etwas mit dem Denken nicht zu fassendes, gleichsam irrationales...

So wäre diese Lehre zum einen eine Schilderung unserer Art zu denken und gleichzeitig eine Brücke zu dem Phänomen, daß unser Bewußtsein Quanten beeinflußen kann und somit eine Verflechtung zwischen dem Innen des Bewußtseins und dem Außen der wahrgenommenen Wirklichkeit besteht.

Soweit ich mich erinnern kann, hat Platon ja gesagt, daß das Schauen der "Ideen" nicht jedem liegt und diese nur durch die Übung der technique der Philosophie höchstens als eine Art von Offenbarung stattfinden kann... Na, ja... lassen wir das lieber...

Es gibt ja auch noch weitere scheinbar "unlogische" Phänomene wie den Tunneleffekt und die Verschränkung, bei dem sich zwei Teilchen auf ein und diesselben Eigenschaften festlegen und das augenblicklich, auch über Lichtjahre entfernt...

Wenn das mal kein Stoff für ein neues Weltbild wäre.
Vielleicht helfen uns ja die Hirnforscher dabei, die durch die Entschlüsselung (@Glaukos: Algorithmen? Autsch, das tut weh. Ein Kochbuch mit Gehirnrezepten? Das meinst du doch nicht wirklich?) des Gehirns das Geheimnis des Quantenfeldes aufzudecken. Wobei man in diesem Fall fragen müßte, was nun was zuerst erklärt...

Hach... ich liebe das Thema und Grüße an Clarke, der ins Quantenfeld zurückgekehrt ist... deine Themen sind zum Glück noch lange nicht ausgestanden...
"Dem schauenden Auge das Wort lassen" (Edmund Husserl)

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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon Glaukos » 10.04.2008, 13:12

"Vielleicht helfen uns ja die Hirnforscher dabei, die durch die Entschlüsselung (@Glaukos: Algorithmen? Autsch, das tut weh. Ein Kochbuch mit Gehirnrezepten? Das meinst du doch nicht wirklich?) des Gehirns das Geheimnis des Quantenfeldes aufzudecken. Wobei man in diesem Fall fragen müßte, was nun was zuerst erklärt..."

Salut JS,
doch, brave new world habe ich gelesen, aber das ist schon eine ewigkeit her und deshalb sind mir rumpillen kein begriff mehr. mein gedächtnis ist leider, wiewohl vermutlich algorithmisch organisiert, nicht für details speicherbrillant wie der speicher eines elektronenrechners.

das mit dem algorithmus ist ernst gemeint - wollte dir damit aber eigentlich keine schmerzen bereiten (von wegen "autsch" *smile). ich denke, ich hätte heute zumindest einstein auf meiner seite mit dieser idee ... neben ein paar hirnforschern dieser tage, die ähnliches vermuten.
die quanten, denke ich, funktionieren auch nach einen algorithmus. er mag komplex sein, so komplex, dass wir in ihm nur wahrscheinlichkeiten wahrnehmen wegen unserem gegenwärtigen - noch eingeschränkten - wissensstand, aber wenn wir mehr wissen haben über diese algorithmischen hyperzyklen, wird auch dieses rätsel klarer werden, präzisere antworten liefern.

ich wiederhole mich gerne: in der geschichte des menschlichen denkens und forschens gab es oft mysterien, die gelöst wurden - bis neue mysterien auftraten, die erneut gelöst wurden. die einen lieben es, die mysterien anzubeten und darin womöglich etwaige esoterische bezauberungsbedürfnisse auszuleben, die anderen lieben die lösung und die struktur. ich gehöre zu letzteren.

zu deinen anderen ausführungen mehr, wenn ich wieder am heimischen schreibtisch sitze ...

gruesse
t.

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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon Jack Swallow » 10.04.2008, 14:55

ich wiederhole mich gerne: in der geschichte des menschlichen denkens und forschens gab es oft mysterien, die gelöst wurden - bis neue mysterien auftraten, die erneut gelöst wurden. die einen lieben es, die mysterien anzubeten und darin womöglich etwaige esoterische bezauberungsbedürfnisse auszuleben, die anderen lieben die lösung und die struktur. ich gehöre zu letzteren.



Dies mag vielleicht daran liegen, das unsere Sprache am "Begreifen" orientiert ist.

Wenn ich jetzt bsp. sage."ich kann nicht sagen, was ich meine..." oder "wie soll ich es ausdrücken..." zeugt es entweder davon, daß ich Wortfindungsstörungen haben oder aber davon, daß es noch einen Bereich jenseits der in Sprache gefassten Vorstellungen gibt.

Man kann dies nun als "Esoterik" bezeichnen oder aber dies ein wenig vorurteilfreier zur Kenntnis nehmen.

Denn wir können, indem wir etwas erleben, was wir nicht begreifen können, über etwas reden, was wir nicht benennen können.
Unsere normale Logik mit der wir unsere Welt begreifen, beschränkt sich ja auf Entweder/Oder, Ja/Nein, 1/0, Richtig/Falsch. Eine dritte Option ist nicht da. Wenn etwas nicht richtig ist, ist es falsch...
Die Wellennatur der Materie, die sich aus der Quantenphysik ergibt, impliziert nun aber die Metapher der Schwingung und dies ist eine andere Logik.
Es gibt also nicht nur das Entweder/Oder, sondern auch das Sowohl-als auch.
Die Schwingung als Metapher wäre demnach das Sowohl-als auch und die Welle etwas, das zwischen Möglichkeiten hin und herpendelt...

Bin erfreut, daß dich das Thema interessiert und gespannt auf deine weiteren Ausführungen...

Grüße
Jack
"Dem schauenden Auge das Wort lassen" (Edmund Husserl)

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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon Glaukos » 10.04.2008, 15:37

lieber js,
esoterik ist für mich nicht mit vorurteilen besetzt, aber vielleicht bei meinen werten mitmenschen und somit war es womöglich ein in deinen augen despektierlicher ausdruck.

das jenseits der sprache ... hat auch schon meinen gegenwärtigen favoriten unter den philosophen wittgenstein befasst. er meinte: die grenze meines denkens ist die grenze meiner sprache bzw. meines sprachlichen vermögens.

ich bin mir nicht sicher, ob ich das meinerseits so definieren möchte.

das rätsel mit teilchen und welle - damit habe ich mich noch nicht eingehend befasst. wenn aber tatsächlich diese versuche stets im vakuum stattfanden und stattfinden, dann sind sie experimente in einer ausnahmesituation. sie hätten keinen generellen beweischarakter, zeigten nur einen ausschnitt von verhalten der materie.

ich kann auch mittels gröberer methoden zufallsautomaten produzieren, etwa ein rouletterad ... man erhält auch am roulettekessel einerseits wahrscheinlichkeiten und andererseits, bei einem versuch, ein ergebnis. das eine ist die allgemeine wahrscheinlichkeit, das andere ein singuläres ereignis.

das verwirrende an der geschichte mit teilchen und welle scheint zu sein, dass man, wenn man nicht hinschaut beim rouletteraddrehen, auch kein ergebnis zu sehen ist. oder täusche ich mich??


aber selbst wenn ich hier anerkenne, dass ein roulettekessel eine zahl "generiert", die ICH nicht vorhersagen kann, so ist doch noch lange nicht gesagt, dass die zahl nicht berechnet werden könnte, wenn man alle impulse etc. dieses physikalischen vorgangs kennen würde.

soweit der vergleich.
wiewohl ich weiß, dass mikrokosmos und makrokosmos nur bedingt zu vergleichen sind ...

ja, es ist ein interessanter austausch hier, gefällt mir gut!

ein italienisches ciao
vom tolya

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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon andres » 10.04.2008, 20:58

Hmmmm...Interessante Diskussion, da weis man gar nicht, wo man ansetzen soll.

Die Auflage von "Hirnforschung und Willensfreiheit" ist vier Jahre alt? Da mag der Untertitel "Zur Deutung der neuesten Experimente" auch etwas unscharf sein.


Stimmt. Is aber trotzdem lesenswert. Gerade weil die Libet-Experimente und Nachfolger Meilensteincharakter haben und das ganze immer noch aktuell ist/diskutiert wird.

na ja, in einigen threads hast du mit js oft sehr ähnlich "gesungen"


Wir sind in der selben Chorgruppe und waren zufällig während einer Kneipenschlägerei auf einer Seite. Da stimmt man schon mal ein Liedchen an :-D .


Zur Willensfreiheit:

Das Bild eines willenlosen Roboters gefällt mir nicht. Ich bezeichne mich lieber als Menschen ohne einen dritten Arm. Die Idee der Willensfreiheit ist wie das Postulat eines dritten Armes. Praktische Angelegenheit, von eine paar Theologen/Philosophen erfunden um den Menschen zu „heben“, ihm seine Gottesebenbildlichkeit zu beweisen. Die Idee war sicherlich eine Zeit lang nützlich und hat große (kulturelle/wissenschaftliche/etc.) Leistungen mit sich gerbacht. Aber im Prinzip ist es eine genauso haltlose Behauptung wie ein dritter Arm. Mit zwei Armen fühle ich mich gänzlich vollständig!

(O.K. , der Vergleich hinkt. Er soll vor allem eine Vollständigkeit ohne das Postulat der Willensfreiheit ausdrücken.)

Zu viel Nietzsche gelesen? Nun, zumindest unterschreibst du nicht mit „Dionysos“... Faszinierend an ihm finde ich, dass er eine unübertroffen lange Liste von den Dingen aufgestellt hat, die er ablehnt, dann aber dennoch eine bedingungslose Bejahung des Daseins fordert. Wie stehst du zu seinen politischen Ideen (soweit er sie formuliert hat)?

Zur Quantenphysik:

Zugegeben, ich beziehe mein Wissen aus einer doppelteiligen Arte-Dokumentation (ein graubärtiger Mann hat da einen vertrauenswürdigen Eindruck gemacht), einigen Wikipedia-Artikeln und sonst. dubiosen Internetseiten.

Doch eines hat sich in meinem Wissenshorizont gefestigt: Die Ergebnisse lassen keine eindeutigen Aussagen sondern höchsten Deutungen zu. So gibt es z.B. eine deterministische und indeterministische Deutung quantenphysikalischer Ergebnisse. Alles deutet darauf hin, dass der herkömmliche Logikbegriff erweitert werden muss. Aber was das genau heißt, ist noch nicht geklärt. Dem Platonismus durch die Hintertür der Quantenphysik einzuschleusen halte ich für überstürzt. Und solange die Ergebnisse weiterhin eine solche Bandbreite an Aussagen zulassen, bleibt das alles im Berech der (ev. esoterischen) Spekulationen.

@ Jack:

(außer er würde meine Nichte heiraten, oder so...).


Und ich dachte immer der Begriff Ehe sei ein Kürzel für Errare humanum est...:-D

@ razorkant

...dass unsere messbare Realität mit "Wirklichkeit" wenig zu tun hat,...


Meinst du da die Metaphysik oder die Kritik am Realitätsgehalt einer Messung? Deine Andeutung bezügl. der Gläubigkeit macht neugierig. Könntest du das ev. in 1-2 Sätzchen ausführen? Würde mich interessieren...
werden.

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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon razorback » 11.04.2008, 14:53

Meinst du da die Metaphysik oder die Kritik am Realitätsgehalt einer Messung? Deine Andeutung bezügl. der Gläubigkeit macht neugierig. Könntest du das ev. in 1-2 Sätzchen ausführen? Würde mich interessieren...



Nee, das werden mehr als 1-2, aber selbst Schuld ;-) .

Ich mache es wieder am Beispiel von Kant, da ich den am besten kenne. Und ich vereinfache stark:

Kant hat sich - wie andere Philosophen vor ihm auch - mit der Frage beschäftigt, ob unserem Denken und Erkennen rein a-priorische Erkenntnis zu Grunde liegt, Erkenntnis also, die keinerlei Entsprechung in der wahrnehmbaren Wirklichkeit (der Erfahrung) hat.

Er ist auf eine Vielzahl solcher rein a-priorischen Erkenntnis gestoßen und hat sie kategorisiert - die berühmte Kategorienlehre, ausgeführt in der "Kritik der reinen Vernunft" (die zu lesen ist übrigens reine Folter).

Ein sehr einleuchtendes Beispiel dafür, was gemeint ist, ist die "Ursache". Die Konstruktion der "Ursache" ist rein a-priorische Erkenntnis. Wenn ich ein Glas zu Boden werfe, und es zerbricht, so nehme ich nur ein zu Boden fallendes Glas und sein Zerbrechen war. Ein Glas fällt. Ein Glas zerbricht. Den Zusammenhang - Fall (bzw. Aufprallen) bewirkt Zerbrechen - nehme ich nicht wahr, ich stelle ihn her. Und ich stelle ihn immer nur her, auch wenn ich eine Million Gläser zu Boden werfe und sie eine Million mal zerbrechen.

Nun hat es sich aber in jeder Hinsicht für Menschen als nützlich erwiesen, diese Art von Verknüpfung herzustellen. Auch wenn die "Ursache", streng gesprochen, eine reine Konstruktion des menschlichen Verstandes ist, komme ich mit Annahmen der Art: „Gläser, die zu Boden fallen, zerbrechen“ gut durchs Leben. Ob es so etwas wie eine „Ursache“ aber wirklich – also in einer angenommenen Realität – gibt, ist jenseits unserer Erkenntnisfähigkeit. Wir sind nicht fähig, uns unserer a-priorischen Erkenntnis zu entledigen.

Und so verhält es sich mit aller a-priorischen Erkenntnis: Ursache, Einheit, Vielheit, Raum, Zeit usw., usw.

Daher ist es uns Menschen auch nicht möglich, „ewige Wahrheiten“ zu ergründen. Jede Wissenschaft, insbesondere jede Naturwissenschaft, ist an a-priorische Erkenntnis gebunden. Dort wird gemessen, beobachtet und gerechnet. Das ist alles sehr nützlich – bringt aber eben keine Antworten auf Fragen nach der „Wirklichkeit“. Wir haben nicht einmal die Begriffe, solche Fragen zu stellen, weil wir auch in unseren Begrifflichkeiten gebunden sind.

Philosophiestudenten oder –schüler, die das zum ersten Mal begriffen haben, neigen dazu, die unangebrachte Arroganz der Physiker nun ebenfalls mit Arroganz zu belächeln. Was natürlich völlig unangebracht ist. Ich habe persönlich Philosophiestudenten verzweifeln sehen, weil sie nicht einsehen wollten, dass es sinnlos ist zu versuchen, sich aus der a-priorischen Erkenntnis zu lösen. Originaldiaolog:

Student: „Also kann es sein, dass zum Beispiel ein Außerirdischer den Baum da draußen ganz anders wahrnimmt als wir.“

Professorin: „Sicher.“

Student1: „Weil er andere a-priorische Erkenntnisse hat. Oder gar keine.“

Professorin: „Zum Beispiel.“

Student: „Aber er könnte es anders wahrnehmen. Wenn ich mir also vorstelle, wie er es wahrnimmt…“

Student2: „Ja, aber das geht ja gerade nicht.“

Student1: „Wieso, wenn ich ein Außerirdischer wäre…“

Student2: „Bist Du aber nicht.“

Student1: „Ja, aber wenn ich einer wäre, dann könnte ich es.“

Professorin: „Ja, sicher, aber das hilft ihnen ja nicht weiter. Sie sind ja an ihre menschliche Erkenntnis gebunden. Sie können also nicht wie dieser Außerirdische erkennen.“

Student1: „Aber wenn ich mir vorstelle…“

Student3: „Kannst Du aber doch nicht!“

Student1: „Wieso?“

Student3: „Weil Du an Deine menschliche Erkenntnis gebunden bist.“

Student1: „Aber wenn ich ein Außerirdischer…“

Usw., usw. Es ging noch eine Weile so weiter, und als sich auch noch die Seniorenstudenten einschalteten, drohte es, militant zu werden. Es blieb aber beim Streit der Argumente, der damit endete, dass Student1 am Ende schmollte, weil er kein Außerirdischer war. Den Baum hat das Ganze übrigens, so schien es jedenfalls, zu keinem Zeitpunkt beeindruckt :-D

Es tut natürlich weh, wenn man sich mit Philosophie beschäftigt und feststellt, dass die Suche nach den großen, ewigen Antworten (Anfang, Ende, Gott etc.) schon vor mehr als 200 Jahren leider ergebnislos abgebrochen werden musste. Die Physik scheint sich dieser Erkenntnis übrigens auch zu nähern. (Siehe oben).

Bleibt die Religion, aber die ist natürlich völlig trostlos. Es mag sein, dass man sich den genannten ewigen Wahrheiten auf dem Wege der Mystik nähern kann – aber da kann mir dann eben auch niemand wirklich beantworten, ob meine Erleuchtung wirklich ein Blick über die letzte Grenze war, oder nur eine tolle Show meines Gehirns, das vom ewigen Meditieren genervt war. Da kann man eben nur glauben. Oder auch nicht.

Sollte Dich der ganze Komplex weiter interessieren, kann ich nur empfehlen, dass Du Dich mit den entsprechenden Philosophen selbst auseinandersetzt. Ich halte mich weder für fähig, noch nur für besonders talentiert, das vernünftig zu erklären.

P.S.: Es gibt einen Autor (nur einen, den ich kenne) der zumindest mal ernsthaft versucht hat, sich von "Zeit" ganz zu trennen: Kurt Vonnegut mit "Slaughterhouse 5". Was dabei rausgekommen ist, halte ich für ziemlich großartig, wenn auch sehr seltsam. Und er hat es eben mit gerade mal EINEM Begriff versucht, und auch das nur teilweise. Aber immerhin. Hut ab!
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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon andres » 13.04.2008, 16:04

Interessant.

Kant hat Raum, Zeit und Kausalität also als apriorische Konditionen bestimmt. Soviel war mir auch bekannt.

Mich würde vielmehr interessieren, was sich (für dich) daraus ergibt. Du hast da eine Gläubigkeit angedeutet. Tatsächlich gibt es einige Kant-Lesarten. Vom Skeptizismus bis zur Theologie macht da jeder munter Gebrach von der alten Kante. Und seine Ethik bzw. seine kategorischen Imperative können eine gewisse Nähe zu christlichen Ideen (goldene Regel) nicht leugnen. Selbst Schopenhauer hat auf Kant aufbauend einen „Willen“ als metaphysisches Prinzip identifiziert.

Also, was schließt du aus Kant?

Was die Bestimmung des „Realen“ oder „Wirklichen“ angeht: Für mich ist (bildlich gesprochen) der Apfel in meiner Hand, der bald in meinen Verdauungstrakt ziehen wird, die einzig relevante Realität. Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass ein anderes Wesen ohne die erkenntnistheoretische Beschränktheit der Menschen eine höhere Realität bestimmen könnte. Klar. Trotzdem ist der Apfel in meiner Hand der einzige, den ich essen kann! :-D

Kant gegenüber bin ich eher skeptisch. Ich habe mir zwar nicht die Mühe gemacht, seine Originalschriften vollständig zu lesen (Die versteckte Aggressivität, die sich in der Begriffsquälerei zeigt, hat mich abgeschreckt). Trotzdem habe ich das eine oder andere von ihm unter die Lupe genommen. Und wenn man sich mit Philosophen nach ihm beschäftigt, kommt man meist nicht um irgendeinen Kantbezug herum.

Was mich an ihm irritiert, ist auf der einen Seite eine sehr skeptische Haltung, was das Erkennbare angeht. Er äußerst sich aber auch anders. Wenn es beispielsweise um seine Ethik geht, geht er über einige Brücken, die m.E. nicht mit einer skeptischen Position zu vereinbaren sind. Bei ihm habe ich manchmal das Gefühl, das er recht pedantisch die Grenzen des Erkennbaren abgesteckt hat und dann feststellt: „Verdammt, meine kleinkarierte Flachkopfmoral kann ich damit ja gar nicht begründen. Scheiße! Aber irgendwie muss doch allen bewiesen werden, dass man braver Christ sein soll...“

Und seine Kunstideen („interessenlose Anschauung“) halte ich (diplomatisch formuliert) für tolle Wortspiele.

Naja...bin auf deine Antwort gespannt!

M F G

Andres
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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon Jack Swallow » 14.04.2008, 11:19

Ein paar kleinere Einwürfe...

Nein, ich bin auch nicht razorback, wenn auch Zweifler razorbacks Bestätigung hierzu jetzt anzweifeln könnten...

@Glaukos:
Könnt euch glücklich schätzen, daß ihr mich noch nicht richtig singen gehört habt... Diese Hörerfahrung würde ich niemandem empfehlen...

@andres:
Was hast du denn gegen einen dritten Arm?
Ich fände einen dritten Arm nützlich...
Dann könnte man bsp. einen Grog heben, eine Pfeife halten und sich am Allerwertesten kratzen. Und alles gleichzeitig...

Also ich persönlich habe nichts gegen Willensfreiheit...
Zur angeblichen Falsifikation von Willensfreiheit durch die Neurowissenschaftler sollte man sehen, wie diese zustande kommt...

- Man nehme die Willensfreiheit oder das Gefühl als eine Größe, die man bestimmt...

- Dann nehme man einen Realitätsentwurf, am besten den physischen... Dieser Entwurf bietet sich deswegen so gut an, weil es Größen wie Willensfreiheit oder das Gefühl, etwas frei zu wollen definitorisch schonmal ausschließt. Denn die Physik hat ja keinen Platz dafür.

- Nun behaupte man, daß dieser Realitätsentwurf (physische Denkform)die einzigst wissenschaftlich zulässige sei. Also das, was gegenständlich Platz in ihm hat, ist da. Alles andere, nicht.

- Nun folgere man "schlüssig", daß es Willensfreihiet nicht gibt. Es ist nun deswegen schlüssig, da tautologische Aussagen immer schlüssig sind.

- Zu guter Letzt inszeniere man diese apriorisch richtigen Zusammenhänge irgendwie experimentell um es "empirisch" zu machen. Wobei von vornherein klar ist, daß diese existenzbezügliche These bestätigt wird. Ergo: Es gibt keine Willensfreiheit.

Wenn das mal keine Pseudoempirie ist...
(siehe Laucken)

Zum Thema Ideenlehre:
Man muß die Ideenlehre gar nicht durch irgendwelche Hintertüren einschleusen. Sie war in immer neuen modifizierten Formen schon von je her präsent, lieber andres...

Da reicht schon ein kleiner Blick auf Kant oder Descartes...

@razorback:
Deine kleine Anekdote möchte ich ein wenig verändern, um hier ein kleines Problem in der Kantschen Kategorienlehre zum Vorschein zu bringen...

""Student: „Also kann es sein, dass zum Beispiel Einstein die Raumzeit da draußen ganz anders wahrnimmt als wir.“

Professorin: „Sicher.“

Student1: „Weil er andere a-priorische Erkenntnisse hat. Oder gar keine.“

Professorin: „Zum Beispiel.“

Student: „Aber er könnte es anders wahrnehmen. Wenn ich mir also vorstelle, wie er es wahrnimmt…“

Student2: „Ja, aber das geht ja gerade nicht.“

Student1: „Wieso, wenn ich Einstein wäre…“

Student2: „Bist Du aber nicht.“

Student1: „Ja, aber wenn ich er wäre, dann könnte ich es.“

Professorin: „Ja, sicher, aber das hilft ihnen ja nicht weiter. Sie sind ja an ihre menschliche Erkenntnis gebunden. Sie können also nicht wie dieser Einstein erkennen.“

Student1: „Aber wenn ich mir vorstelle…“

Student3: „Kannst Du aber doch nicht!“

Student1: „Wieso?“

Student3: „Weil Du an Deine menschliche Erkenntnis gebunden bist.“

Student1: „Aber wenn ich Einstein…“

Usw., usw. Es ging noch eine Weile so weiter, und als sich auch noch die Seniorenstudenten einschalteten, drohte es, militant zu werden. Es blieb aber beim Streit der Argumente, der damit endete, dass Student1 am Ende schmollte, weil er nicht Einstein war. Die Raumzeit hat das Ganze übrigens, so schien es jedenfalls, zu keinem Zeitpunkt beeindruckt.""

Das Gleiche könnte man auch mit den Quantenphänomenen machen...

Auch mich würde interessieren, was du aus Kant schließt.

Kants Kategorienlehre scheint uns wohl auf eine euklidische Geometrie festzulegen.
Denn er sagt ja:
"So werden auch alle geometrischen Grundsätze,
z.B. dass in einem Triangel zwei Seiten zusammen
größer seien, als die dritte, niemals aus allgemeinen
Begriffen von Linie und Triangel, sondern aus der
Anschauung und zwar a priori mit apodiktischer
Gewissheit abgeleitet."

Trifft diese apodiktische Gewißheit auch auf die Quantenphänomene oder die Raumzeitkrümmung zu?
Was geben da Kants Kategorien noch her? Das wäre meine Frage...

Es tut natürlich weh, wenn man sich mit Philosophie beschäftigt und feststellt, dass die Suche nach den großen, ewigen Antworten (Anfang, Ende, Gott etc.) schon vor mehr als 200 Jahren leider ergebnislos abgebrochen werden musste. Die Physik scheint sich dieser Erkenntnis übrigens auch zu nähern. (Siehe oben).

Ich würde mal sagen, daß hier überhaupt nichts abgebrochen wurde, sondern wir vielmehr immer noch mittendrin stecken. (Siehe oben)...

Grüße
"Dem schauenden Auge das Wort lassen" (Edmund Husserl)

andres
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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon andres » 14.04.2008, 19:59

Puhhh! Das sind ja kantige Geschosse, Jack!

Nur der Vollständigkeit halber:
Ich bin nicht der Meinung, dass die Neurologie die Willensfreiheit widerlegen könnte:

Vor allem wenn sie (wie im Fall der Libet-Experimente) großtonig verkündet, dass die Willensfreiheit ad acta zu legen sei. Bla, Bla, Bla... Bin zwar kein begeisterter Anhänger der “Ich-habe-einen-freien-Willen”-Religion, aber die ganze Thematik sollte man doch besser auf ihrem Heimatboden belassen. Schließlich verpasst mir mein Hautarzt auch keine Nierentransplantation.


Was ich damit ausdrücken wollte: Themen wie Willensfreiheit etc. fallen in den Bereich der Philosophie. Und primär auf diesem Gebiet ist eine Widerlegung zu suchen (und zu finden....).

Um noch ein bisschen bei den kantigen Geschossen zu bleiben: Kant hat für seinen Begriff der Willensfreiheit ordentlich (philosophische) Prügel kassiert. Für seine Ethik hat er ihn zwar gebraucht, musste ihn aber teuer erkaufen.

Ich habe auch nichts gegen die Willensfreiheit. Genauso wenig wie ich etwas gegen die Siegfried-Sage und die katholischen Heiligengeschichten habe... :-D

Man muß die Ideenlehre gar nicht durch irgendwelche Hintertüren einschleusen. Sie war in immer neuen modifizierten Formen schon von je her präsent, lieber andres...

Da reicht schon ein kleiner Blick auf Kant oder Descartes...


Kant hat m.E. das „Ding an sich“ als unbestimmbar definiert. Platon hingegen hat sich die Möglichkeit einer mystischen Schau offengelassen. Also keine prinzipielle Unbestimmbarkeit. Eine klare Differenz, oder nicht?

Sicherlich ist der Platonismus immer noch präsent. Sogar institutionalisiert wurde er. Und er hat heute sogar 2,1 Milliarden Anhänger.

Soweit....

M F G

Andres
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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon Jack Swallow » 16.04.2008, 14:26

@andres:
Um noch ein bisschen bei den kantigen Geschossen zu bleiben: Kant hat für seinen Begriff der Willensfreiheit ordentlich (philosophische) Prügel kassiert. Für seine Ethik hat er ihn zwar gebraucht, musste ihn aber teuer erkaufen.


Inwiefern? Nur weil er sie einfach postuliert hat?

Kant hat m.E. das „Ding an sich“ als unbestimmbar definiert. Platon hingegen hat sich die Möglichkeit einer mystischen Schau offengelassen. Also keine prinzipielle Unbestimmbarkeit. Eine klare Differenz, oder nicht?


Eine klare Differenz?
Nee, eher eine "Unschärfe-Relation"...

Platon war ein radikaler Apriorist (siehe "Ideen"), während Kant eher ein gemäßigter war.

So weit mir bekannt ist, meinte Platon, daß es keine wahre Erkenntnis durch Sinneswahrnehmung geben kann, nur durch die Vernunft. So hat er als erster festgestellt, daß es für die Wissenschaft das "unmittelbar in der Sinneswahrnehmung Gegebene" eben nicht gibt.

Kant hingegen meinte, daß die Erfahrung zwar eine konstituive Rolle innehat, durch die Vernunft aber mit synthetischen Grundsätzen ergänzt werden muß, die die Bedingungen der Möglichkeit von Wirklichkeitserfahrung überhaupt ausdrücken (bsp. Kategorien Ursache/Wirkung oder Anschauungsformen Raum/Zeit.)

"Die Einheit in der Vielheit", eine ziemlich zentrale, die Zeit überdauernde Frage, die Platon ins Spiel gebracht hat...(soweit ich mich nicht irre).

Sicherlich ist der Platonismus immer noch präsent. Sogar institutionalisiert wurde er. Und er hat heute sogar 2,1 Milliarden Anhänger.


Na, lassen wir die Kirche mal im Dorf...
Die meisten Werke der Philosophiegeschichte... ha, ha, HAAAA...nietzsche, *räusper* "Entschuldigung"...
sind doch nur Fußnoten zu Platons Werk...
(Nicht das der Eindruck entsteht, ich wäre Platonist, aber Gegner bin ich auch nicht, denke ich zumindest...)
:-b

Grüße
"Dem schauenden Auge das Wort lassen" (Edmund Husserl)

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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon andres » 16.04.2008, 18:28

Inwiefern? Nur weil er sie einfach postuliert hat?


Erstens deshalb. Die Argumentation lautet vereinfacht: Da wir „sollen“ muss es auch ein „können“ geben. Ergo: Wir haben einen freien Willen ( wofür er die schöne Umschreibung „intelligibler Charakter“ gefunden hat). Irgendwie unbefriedigend.

Zweitens ist ein völlig unbedingter Wille wohl eher „zufällig“ ...

Nee, eher eine "Unschärfe-Relation"...


Unbestimmbar und bestimmbar hört sich für mich nicht wie eine „Unschärfe-Relation“ an. Kant hat ( siehe razors Ausführungen) die Grenzen des Erkennbaren abgesteckt. Das Ding an sich gehört definitiv nicht zu den von uns bestimmbaren Realitäten.

Platon redet ausdrücklich von einer Art Schau der Ideen, die ja die höchste Realität darstellen.

Also vereinfacht dargestellt:

Kant: „Ding an sich“= höchste Realität = von Menschen nicht erkennbar
Platon: „Ideen“ = höchste Realität = von Menschen erkennbar

Na, lassen wir die Kirche mal im Dorf...
Die meisten Werke der Philosophiegeschichte... ha, ha, HAAAA...nietzsche, *räusper* "Entschuldigung"...
sind doch nur Fußnoten zu Platons Werk...


Ich bin enttäuscht...Der alte Spruch, den jeder zweite Prof. an den Anfang seines Seminars („Platon und ....“) setzt, um die „außerordentliche Wichtigkeit (!!!)“ der Lehrveranstaltung zu betonen, hört sich irgendwie abgedroschen an.

Und wenn Nietzsche eine Fußnote zu Platon bildet, dann kommt gleich danach die hervorragende Biographie meines Lieblingssängers und Musikproduzenten Dieter B.

Einen echten Beitrag zur Verbreitung platonischer Ideen haben zwei gewisse Brüder geleistet, die einen munteren Actionfilm bastelten.

Frei nach dem Motto: "Es gibt keinen Löffel."

Dann noch die Forderung: "Wir brauchen dringend Waffen!"

Und last but not least: ...“Nimm die rote Pille, und du bleibst im Wunderland. Und ich führe dich in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus!"

Höhlengleichnis?

M F G

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Re: 2008 - das Jahr, in dem wir Abschied nehmen

Beitragvon Jack Swallow » 17.04.2008, 00:18

Elegant den off-topic umgangen... :-D

Unbestimmbar und bestimmbar hört sich für mich nicht wie eine „Unschärfe-Relation“ an. Kant hat ( siehe razors Ausführungen) die Grenzen des Erkennbaren abgesteckt. Das Ding an sich gehört definitiv nicht zu den von uns bestimmbaren Realitäten.

Platon redet ausdrücklich von einer Art Schau der Ideen, die ja die höchste Realität darstellen.

Also vereinfacht dargestellt:

Kant: „Ding an sich“= höchste Realität = von Menschen nicht erkennbar
Platon: „Ideen“ = höchste Realität = von Menschen erkennbar



Stimmt...
Platon redet von einer Schau der Ideen, (die der Mensch vor seiner Geburt gehabt haben soll).
Diese führen zur Erkenntnis, (also Wiedererinnerung an die Ideenschau).

Kant setzt am Individuum an, der durch die Selbstreflexion zu den apriorischen Bedingungen von Erkenntnis gelangt.

Läßt man jetzt das Mythologische weg, ähnelt sich die Anamnesisauffassung von Platon mit der Auffassung Kants von Erkenntnis insofern, daß Erkenntnis nicht ausschließlich auf Sinneswahrnehmung beruht, sondern einer Voraussetzung bedarf, die nicht aus der Erfahrung gewonnen wurde und daher apriori ist.

Dies zu zeigen war doch u.a. das Ziel der "Kritik der reinen Vernunft" und das Ziel des platonischen "Theätet".
Bei Platon waren dies die "Ideen" und bei Kant waren es die apriorischen Anschauungsformen und Verstandesbegriffe.

Es gibt durchaus Differenzen zwischen beiden Auffassungen (u. a. die, daß Kant nicht so hoch hinaus wollte wie Platon).

Jedoch mit einer eindeutigen Grundtendenz.
Nämlich der Idee des agathon, die bedeutsam ist für die Praxis. Wenn schon nicht theoretisch beweisbar, dann wenigstens postulierbar, Denn wer will schon das "Gute" nicht wollen?

Ich bin enttäuscht...Der alte Spruch, den jeder zweite Prof. an den Anfang seines Seminars („Platon und ....“) setzt, um die „außerordentliche Wichtigkeit (!!!)“ der Lehrveranstaltung zu betonen, hört sich irgendwie abgedroschen an.


Als Student ist es gelegentlich auch mal nicht schlecht, auf die Profs zu hören...
Werden schon wissen, warum sie sowas sagen. Vielleicht können sie dich ja an diesem Wissen teilhaben lassen... :-D

(Im Ernst, ich wäre froh darüber, wenn ich überhaupt mal ein Prof persönlich treffen würde, der mir weiterhelfen könnte diesbezüglich)...

Einen echten Beitrag zur Verbreitung platonischer Ideen haben zwei gewisse Brüder geleistet, die einen munteren Actionfilm bastelten.

Frei nach dem Motto: "Es gibt keinen Löffel."

Dann noch die Forderung: "Wir brauchen dringend Waffen!"

Und last but not least: ...“Nimm die rote Pille, und du bleibst im Wunderland. Und ich führe dich in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus!"

Höhlengleichnis?


Da sag ich Zeitgeist...

Ein wenig Platon, ein wenig Kant und vorallem Jean Baudrillard (kommt der im Film nicht auch vor?)
Zum Helden des Filmes könnte doch Nietzsches Übermensch passen, oder? Könnte passen...

Von Dieter B. allerdings würde ich allerdings abraten...
"Dem schauenden Auge das Wort lassen" (Edmund Husserl)


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