Warum ich gerade Marx lese.

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Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 29.09.2008, 23:22

Es ist in den Nachrichten, überall. Nur ein kleiner (subjektiver) Ausschnitt:

Amerika - wo sich Scheitern lohnt

Sozialismus à la George W. Bush!

Ist der Kapitalismus noch zu retten?

Eure Währung, euer Problem

Die Grenzen der Freiheit

Happy Birthday, Finanzkrise

Die sieben Mythen zur Finanzkrise der USA

Nieder mit dem...

Alle reden. Alle spekulieren (Vorsicht, Wortspiel) über die Ursachen. Einige geben einigen die Schuld, nämlich den Bankern. Einige geben der Gier im Allgemeinen die Schuld. Einige stellen das ganze System in Frage: den Kapitalismus. Andere sagen nur, dass ein Ableger des Kapitalismus, nämlich die angloamerikanische Neoliberalismus ausgedient hat.

Mich interessiert: Was denkt ihr?

Die Welt ist globalisiert. Zumindest was die Finanzmärkte angeht, scheint das zu stimmen: In den USA soll (alles in allem) eine Billion US-Dollar "umverteilt" werden, in UK wurde die nächste Bank verstaatlicht, das kleine Belgien stemmt sich gegen den Konkurs einer Bank, deren Verbindlichkeiten über den Möglichkeiten des eigenen Staatshaushalts liegen, und in Deutschland bürgt der Bund (ergo: wir) schon wieder (nach IKB, WestLB, SachenLB, BayernLB) in Milliardenhöhe für ein angeschlagenes Finanzunternehmen. Das ist keine Krise in den USA, wir sind mittendrin.

Bankenriesen straucheln, Immobilienpreise purzeln, Wirtschaftsinstitute sind ratlos-pessimistisch, der Staat druckt Geld oder nimmt neue Schulden auf (bei wem?), der Steuerzahler bringt das "Ersparte" in Sicherheit, der Vertrauensverlust vernichtet Billionen an den Aktienmärkten. Was ist los? Ist das ein Epochenwechsel oder einfache eine Baisse?

Mehr Kontrolle? Mehr Staat? Weniger Freiheit? Mehr Transparenz? Mehr Gerechtigkeit? Nur ein paar Parolen, denn Formeln möchte man sie gar nicht nennen. Die Milliarden rasseln in den Nachrichten nur so als wären es - Kieselsteine oder Sterne am Himmel (die natürlich nicht rasseln). Sind uns da auf dem Weg zum "allgemeinen Wohlstand" ein paar "Werte" abhanden gekommen? Oder ist das nur eine vorübergehende "Marktbereinigung"?

Was sind die Ursachen? Was ist die Lösung?

Ich frage euch,
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon DerBaum » 29.09.2008, 23:39

Ach Dirk, mein Großvater hat immer gesagt,
die machen ja doch was sie wollen
und er hat nicht unrecht damit.
natürlich machen die was sie wollen und
glaubst du im ernst da kommt noch einer von denen zur besinnung, im leben nicht und überhaupt regen sich die Leute doch meistens nur über Leute auf die zum Beispiel arbeitslos sind, so was wird doch einfach hingenommen, so war das schon immer, ja ja, mein Großvater, ich habe ihn übrigens nie gesehen, geschweige denn mit ihm gesprochen
Wenn jemand auf der Stelle tritt und tut dabei niemanden weh, das ist ein schlechter Dichter

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 29.09.2008, 23:54

Das klingt nach: Resignation.
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 30.09.2008, 00:33

es werden in meinen augen keine milliarden, billionen oder fantastillionen vernichtet, wie es so schön heißt ... die werte bleiben. es sei denn, ein wirbelsturm fegt häuser weg, dann sind werte verloren ... eine hypothekenkrise von häuslebauer ist nur dann wirklich ein problem, wenn die ihre häusle abreißen, wenn sie ausziehen ... oder der hurrican die häusle wegbläst ... und genauso verhält es sich (m. E.) mit firmen, solch eine firma hat einen sachwert ... der auch nur durch unglück, havarie etc. zerstört werden kann.

was also wird vernichtet?
es wird, das ist meine meinung, das VERTRAUEN vernichtet. es geht nicht um geldbeträge, es geht um vertrauen, und angefangen hat damit ein herr bush vor bald 8 jahren, und das fiasko heute ist seine ernte, die ihm auf geradezu groteske weise zum ende seiner amtszeit nun in den schober gefahren wird. er war der große misstrauer, er hat angst gesäht (die in ihm auf traurig-schaurige weise offenbar selbst wohnt), und nun kommt die angst noch gewaltiger zurück - und frisst das vertrauen.
eine weltwirtschaftskrise ist, sofern keine unglücke passieren (und die klimakatastrophe könnte durchaus eine hervorrufen), nur dann möglich, wenn die menschen untereinander sich misstrauen. (schäubles überwachungspolitik tut das ihrige hinzu; auch er säht misstrauen.)
um an einem gemeinsamen projekt (und auch land, oder einer zivilisation) zu arbeiten, muss man den anderen ein stückweit vertrauen gegenüberbringen. wird man sonst überhaupt anfangen, etwas zu tun? wenn man sagt: ach, die truppe B und C, das sind nur egoisten, durchschlaucher oder saufbrüder, die machen ja eh nix, dann macht man selbst auch nichts mehr. das misstrauen blockiert dann die progressivität.

was zu den billionen an den märkten zu sagen wäre: wenn man die weltdevisen begrenzte und fest an die weltwerte und damit das weltwirtschaftswachstum koppelte (oder an deren schrumpfung), würde eine inflation nicht mehr stattfinden können. sobald mehr "geld gedruckt" wird, als neue werte hinzukommen, verändern sich die werte zueinander. solch ein prozess sollte vermieden werden; das jetzige hilfspaket der us-regierung scheint mir ein noch seriöses in diesem kontext: es wird auf staatsanleihen finanziert, nicht per druckerpresse oder digitale anweisung auf den markt geworfen.


womit ich aber nicht sagen möchte, dass wir alle NUR vertrauen sollten. ganz bestimmt nicht. aber es sollte m. E. ausgewogen bleiben ... die waage sollte sich nicht zu sehr auf eine der beiden seiten neigen ...


... marx habe ich einmal angefangen zu lesen, habe den ersten band vom kapital damals für eine DM erworben. aber weit kam ich nicht.

;-)

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 30.09.2008, 00:44

nachsatz:
ich las nochmal dein posting.
(bei wem?) fragtest du, nimmt der staat seine schulden auf? beim bürger. der bürger glaubt, dass der staat nicht kollabiert, und zinsen bekommt er auch dafür.
man kann natürlich spekulieren, dass der staat mit solchen aktionen seine vertrauenswürdigkeit aufs spiel setzt.

in USA allerdings ist die verschuldungsquote verglichen zu deutschland noch geringer. da ist spielraum. die USA gehen nicht unter, auch wenn der feuilleton hierzulande das geradezu herbeisehnt, viel häme ist da mit dabei und schadenfreude.
sie werden ein wenig gestutzt dort drüben, aber mehr wird es nicht ...

wenn ich lese, dass es dramatische einbrüche an der börse gab, weil der senat die geldtransfusion stoppte, dann lächle ich. ich denke, die US-börse ist immer noch in etwa auf der höhe von 2001. würde sie sich binnen ein paar tagen auf 20% reduzieren, könnte man von dramatik sprechen.

und hier noch eine ergänzung: wenn ich schrieb, es gäbe eine art weltgesamtwert, der in etwa stabil bliebe und in guten konjunkturphasen leicht anstiege, dann meine ich die primär materiellen werte. bei börsengeschäften mit aktien werden auch hoffnungen gehandelt. hier geht es sehr emotional zur sache, zumindest im tagesgeschäft. doch das hat nicht viel mit den eigentlichen weltwerten zu tun ...

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 30.09.2008, 04:49

Tolya, ich glaube, wir gehen in vielen Punkten d'accord...
es wird, das ist meine meinung, das VERTRAUEN vernichtet. es geht nicht um geldbeträge, es geht um vertrauen

Ist doch interessant, oder? Es geht um Vertrauen. Es geht um Angst. Zwei Ur-Emotionen, mit denen alles steht und fällt. Es geht um Eigenutz. Auch ein Ur-Instinkt. Und Gier. Eine Ur-Sünde.

Wenn ich an diese ganze Finanzindustrie denke... an Geld, an Konten, an Aktien, an Einlagen und Kredite, an Gewinn- und Verlustrechnung, Eigenkapitalquoten, Rückfinanzierungen, Abschreibungen, Risiken, Sicherheiten, Versicherungen, Einlagensicherungsfonds, Rückversicherungen, an Controlling, an Buchhaltung, an Asset-Management, an Hypotheken..., dann assoziiere ich damit Rationalität - verstandesmäßiges Denken.

Zahlen sind für mich rational, abstrakt, sie stehen für eine messbare, berechenbare, durch Kalkulation beherrschbare Welt, Zahlen sind etwas höchst rationales, etwas rein verstandesmäßiges. Jetzt lerne ich: Geld nicht. Und der Handel damit schon gar nicht:
Es gibt nichts, was so verheerend ist, wie ein rationales Anlageverhalten in einer irrationalen Welt.

(John Maynard Keynes)

Mir wurde im Soziologiestudium die Rational-Choice-Theorie buchstäblich vorgepredigt und der Homo Oeconomicus. Kurz gefasst: wir erklären soziale Entitäten (Normen, Märkte, Staaten, whatever) ausgehend von der rationalen Wahl des Einzelnen. Nun, nehmen wir diese Finanzkrise als soziale Entität, die es zu erklären gilt: Ist es rational, einem Menschen, der kein Geld und keine Sicherheiten hat, Geld zu leihen?

Jesus soll einmal gesagt haben:
Und wenn ihr denen leihet, von welchen ihr wieder zu empfangen hoffet, was für eine Gnade habt ihr? Denn auch die Sünder leihen den Sündern, um das Gleiche wieder zu empfangen.
Vielmehr liebet eure Feinde und tut Gutes und leihet, ohne etwas dafür zu erhoffen;

(Lukas 6,34-35)

Unter diesem Blickwinkel betrachtet, haben die verantwortlichen Filialleiter, Controller, Analysten, Manager, CEOs, Vorstandsvorsitzende sehr christlich gehandelt.

Geld ist mit Emotionen verbunden. Geld scheint mehr ein Kommunikations- als ein Austauschmittel zu sein. Geld ist ein emotionales Kommunikationsmittel. Geld entsteht, wo Vertrauen herrscht. Das Vertrauen, der Schuldner werde seinen Kredit samt Zins und Zinseszins zurückzahlen. Wenn das Vertrauen verschwindet, schwindet das Geld.

Es klingt vielleicht absurd, aber: Angst und Misstrauen scheinen mir rationaler zu sein als Vertrauen und Kooperation. Diese Krise (wie auch der Crash der New-Economy im Jahr 2001) entstand vielleicht gerade erst aus einem Vertrauensüberschuss, einem blindäugigen Vertrauen, das alle Kontrollinstanzen ausgehebelt hat. Wie kann da Vertrauen in den Markt die Lösung sein?
(bei wem?) fragtest du, nimmt der staat seine schulden auf? beim bürger. der bürger glaubt, dass der staat nicht kollabiert, und zinsen bekommt er auch dafür.

Noch ein schönes Zitat zum Schluss - passt wie die Faust aufs Auge:
Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andere werde gepumptes Geld zurückzahlen. Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. ›Stützungsaktion‹, bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen. Solche Pleite erkennt man daran, daß die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr.

(Kurt Tucholsky: "Kurzer Abriss der Nationalökonomie")

Gute Nacht.
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 30.09.2008, 05:03

und angefangen hat damit ein herr bush vor bald 8 jahren, und das fiasko heute ist seine ernte, die ihm auf geradezu groteske weise zum ende seiner amtszeit nun in den schober gefahren wird.

Ich glaube, das ist zu einfach gedacht. George W. Bush ist die Begleiterscheinung dieses Systems, nicht dessen Ursache. Ich denke, dass er mehr so eine Art Repräsentanz bzw. Exekutive eines übergeordneten Willens oder einer Art systematischen Notwendigkeit ist. Und dieses Finanzsystem ist bereits zu einer Zeit herangewachsen, als Lyndon B. Johnson und Richard B. Nixon Präsidenten waren. Wer weiß, vielleicht sogar noch früher.
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 30.09.2008, 14:22

Ich glaube, das ist zu einfach gedacht. George W. Bush ist die Begleiterscheinung dieses Systems, nicht dessen Ursache. Ich denke, dass er mehr so eine Art Repräsentanz bzw. Exekutive eines übergeordneten Willens oder einer Art systematischen Notwendigkeit ist. Und dieses Finanzsystem ist bereits zu einer Zeit herangewachsen, als Lyndon B. Johnson und Richard B. Nixon Präsidenten waren. Wer weiß, vielleicht sogar noch früher.


das mit dem übergeordneten willen oder der systematischen notwendigkeit: das sehe ich in einer stabilen, inflations- und deflationssicheren weltwährung, die nur nach der weltwerte-entwicklung in ihrer gesamtmenge angepasst wird.

zu bush: er hat sein ding durchgezogen, und er hat dazu krasse lügen aufgetischt. das mit den massenvernichtungsmitteln im irak ist nur eine geschichte ... (crazy, dass heute 40 prozent der amerikaner glauben, dass es dort wirklich welche gab, dass man welche gefunden hat ... *badsmile)

ich will hier nicht über bushs 911-rolle schreiben, dazu müsste ich weit ausholen. aber auch hier hat der mann gelogen, dass sich die balken biegen ... und das kriegen dann ein paar investigative leutchen im unteren teil der gesellschaftspyramide mit und schreiben von verschwörungstheorien ... diese theorien zeigen, dass immenses misstrauen herrscht ... die leute, die an den schalthebeln der wirtschaft sitzen, sind natürlich auch nicht blind und blöd, sie haben auch mitgekriegt, was hier läuft ... und es auf ihrem sektor bushlike gemacht ... so, wie durch bush jetzt weltweit solche leute sich als staatsmänner etablieren, die genau so sind, wie bush sie vorher beschrieb (da waren sie aber noch nicht so).
ahmadinedschad, putin, chavez, lula - die agieren bushlike, lieben den kampf und die (meist) platte rhetorik ... bedienen feindbilder, anstelle die gemeinsamkeit zu suchen, das konstruktive, vereinende.

ich glaube, dass ein idiot an einer sehr wichtigen position genügt, um die welt in ein chaos zu stürzen.
das war mit hitler so und der herr bush, wiewohl kein hitler, hat allen einen stil vorgelebt, den diese aufnahmen.

bush macht in der politik, worauf er bock hat? nimmt staatsschulden auf ohne ende? dann machen wir banker das auch.
gab es je eine zeit, in der die chefs von firmen und banken so viel geld abkassiert haben? man redet von 700 mrd., aber ich möchte nicht wissen, was diese leute abgezwackt haben.
und: wo geld nicht vernichtet, sondern versickert ist.
und warum ist es versickert?
weil die täter in einem milieu lebten, wo 911 passieren kann auf eine haarsträubende weise, und keiner der politiker muss auch nur seinen hut nehmen ...

... hätte sich 911 tatsächlich so zugetragen, wie die regierung es nahelegt, dann wäre das immer noch LANDESVERRAT gewesen, denn dass man sein land in einem verteidigungslosen zustand belässt ... das ist hochverrat.


ich weiß, mit bushbashing rede ich der mehrheit das wort, was zu einem avantgardistischen denker eigentlich wenig passt; aber hier scheint mir ausnahmsweise korrekt zu sein, was die mehrheit der leute glaubt, spürt, ahnt ...


im januar habe ich meiner schwester gegenüber meine prognose zum weiteren verlauf der finanzkrise mitgeteilt:
bisher ist sie so eingetreten.
aber ich bin nicht die beste kassandra, vor zwei jahren war ich fest überzeugt, dass bush kurz vor den wahlen einen krieg mit dem iran beginnt (und es so darstellt, als hätte er nur reagiert), um dann kriegspräsident bleiben zu dürfen wie roosevelt ... hier habe ich mich vermutlich doch geirrt ...

aber die finanzkrise habe ich ganz gut getroffen bisher, wegen des wahljahres war mir klar, dass die probleme auf dem finanzsektor weitergehen werden, solange, bis eine neue regierung im amt ist.

es ist zu vermuten, dass bis zu den wahlen die erschütterungen weitergehen. wenn sie weitergehen, wird wohl obama gewählt werden, wenn obama gewählt wird, wird neues vertrauen fließen - und sich die lage (vorerst) beruhigen.

allerdings steht dann noch eine weitere prognose: falls obama gewählt wird, dann ... wird er vermutlich mit einem anderen präsidenten das schicksal teilen, sofern er wirklich etwas ändern will.




und zur gier, dieser 'urmenschlichen eigenschaft': ja, alle sind wir gierig, experimente haben das auch unlängst wieder bewiesen, insbesondere dann neigen wir dazu, abzukassieren, wenn wir uns sicher sind, dass uns keiner erwischt.
auch ich habe mich so verhalten, es ging zwar um geistige werte, aber es war auch inkorrekt, was ich machte ... und vermutlich, wenn ich jemals auf einem klassischen sterbebett liege, werde ich dann noch einmal daran zurückdenken und diese gier mir nur schwerlich verzeihen können.


ich bin mir nicht sicher, was die bessere variante ist: das casino der geldwerte zu schließen, die börse mit handelsbeschränkungen zu belegen, um diese heftigen ausschläge nach oben oder unten zu vermeiden, die letztendlich nur emotionen schüren ... denn stellen wir uns vor, diese achterbahnfahrt etablierte sich, die kurse würden ständig hoch- und runterjagen, ich glaube nicht, dass das besonders konstruktiv ist ... führte man aber zum beispiel ein, dass man eine erworbene aktie erstmal ein vierteljahr fest behalten muss und nicht verkaufen kann ... vielleicht wäre das eine möglichkeit, etwas mehr stabilität hineinzubringen?

ich selbst habe unlängst überlegt, eine datenbank anzulegen für die börse, für börsenwerte. eine, die quasi minütlich werte einspeisen kann, so dass man dann berechnen kann, ob es womöglich innerhalb der letzten zwei jahre am DAX zwischen 16:47 und 16:51 immer einen kleinen sprung nach oben oder unten gab ... was ich durchaus für realistisch halte, weil einige automatisierten kauf- und verkaufsprogramme am markt eingesetzt werden ...
allerdings weiß ich nicht, ob es möglich ist, auch sekundengeschäfte an der börse zu machen, oder ob das von den gebühren her unsinnig ist ...

seltsam nur, dass es sich hierbei um reale werte handelt, mit denen man gewissermaßen 'spielt', und nicht um ein wettspiel.

der aktienmarkt ist auf alle fälle so etwas geworden: ein globales wettspiel.

inwieweit die banken selbst damit zu tun haben ... weiß ich nicht genau, aber der fall des französischen programmierers war natürlich auch spannend, der sprach von milliardenbeträge, die er durch sein programm jagte ... und als es lief, lief es gut, dann lief es wieder nicht so gut ...

hier wird mit algorithmen gearbeitet, und wer den besten hat, der kassiert am meisten ...


sollte allerdings wirklich geld "vernichtet" worden sein, dann ist das nur die freundliche ausdrucksweise für geld, das "entwendet" wurde. also dass solch ein programmierer ein paar milliarden aus dem system herauszockt und dann irgendwo hinschiebt, also 'klaut'.

das wäre dann natürlich ein großes problem für die geschäftsbücher der banken.

wie ich dies hier schreibe, überlege ich, wie es passieren konnte, das so viele banken zahlungsunfähig wurden: entweder es wurde gestohlen, oder aber ein paar banken haben die anderen ruiniert (etwa beim algorithmen-poker), und weigern sich nun, diesen zu helfen, lassen sie also am langen arm verhungern, aus gründen, die ich nicht kenne, entweder um konkurrenz zu beseitigen oder weil es irgendwelche andere vorteile mit sich bringt ...

... oder hast du da eine idee?

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 30.09.2008, 15:32

WELT ONLINE: August Brill träumt sich in die Welt hinaus. Er erfindet einen gewissen Owen Brick, der sich unversehens in einem Bürgerkrieg wieder findet.

Auster: Er findet sich in Amerika wieder, aber es ist nicht unser Amerika. Seit der Wahl des Jahres 2000 hatte ich das unheimliche Gefühl, dass wir in den USA in einer parallelen Welt leben. Al Gore wurde zum Präsidenten gewählt, aber der Sieg wurde ihm mittels juristischer und politischer Manöver gestohlen. In der wirklichen Welt jedoch geht soeben Gores zweite Amtszeit zu Ende. In der wirklichen Welt hat der Irak-Krieg nie stattgefunden. In der wirklichen Welt hat es - vielleicht, vielleicht - auch den 11. September nie gegeben. Mit diesem Gefühl von Unwirklichkeit und Unverbundenheit habe ich acht Jahre lang gelebt. Es war ein Albtraum, Bush beim Regieren zuzusehen.

WELT ONLINE: Owen Brick versteht die Welt nicht mehr. Man fühlt sich unweigerlich an die Finanzkrise erinnert. Es gibt diese Krise, aber kaum jemand kann genau erklären, wie und vor allem warum sie ausbrach. Die "Sprache der Menschen" scheint unverständlich.

Auster: Das ist wahr. Ich lese einen Artikel nach dem anderen und verstehe es langsam ein bisschen besser, aber alles bleibt sehr vage. So viele geheimnisvolle Kräfte scheinen am Werk, die niemand - nicht einmal die, die diese Krise ausgelöst haben - komplett verstehen.

WELT ONLINE: Man behilft sich mit Metaphern. Eine besonders auffällige lautet "Kernschmelze".

Auster: Tatsache ist: Geld ist eine Fiktion. Es ist nicht wirklich, sondern etwas, woran wir glauben. Weil wir daran glauben, funktioniert es. Ich habe gelesen, dass die Investmentbanken Verbindlichkeiten bis zum Dreißigfachen ihres Kapitals hatten. Unwirkliches Geld, das noch mehr unwirkliches Geld einbrachte, aber das sind alles bloß Zahlen, nichts Konkretes. Eine Art Massen-Halluzination, nehme ich an.

WELT ONLINE: Erleben wir, wie es viele sagen, gerade das Ende des Neoliberalismus? Vom US-Ökonomen Milton Friedman stammt die berühmte Formel, die soziale Verantwortung von Unternehmen bestehe darin, ihre Profite zu vergrößern.

Auster: Die Vorstellung, die Märkte könnten sich selbst und so die Gesellschaft kontrollieren, ist rundheraus dämlich, und wie jemand schlucken konnte, was Friedman gesagt hat, geht über meine Vorstellung. Der Kapitalismus schürt die Lust auf den Profit. Das führt zu Gier, und die führt schließlich zu Zerstörung. Jeder Boom endet irgendwann im Crash. Die Preise für Häuser können nicht unendlich steigen, so dass jeder sein Geld damit verdienen kann, Häuser zu kaufen und zu verkaufen. Und der Markt reguliert nicht, was zum Allgemeinwohl notwendig ist. Der Markt baut keine Schulen und stellt keine Bücher in Bibliotheken. Der Markt eilt nicht zur Hilfe, wenn ein Hurrikan eine halbe Stadt zerstört hat. Das muss der Staat tun.

WELT ONLINE: Worin liegt die Krise Amerikas begründet?

Auster: Wir sind ein Land, das eigentlich zwei Länder ist. Und die beiden Seiten können nicht einmal mehr miteinander reden. Ein Dialog findet nicht statt. Kulturell, intellektuell, politisch, religiös: Die Diskrepanz im Denken der Menschen ist so gewaltig, dass es schwer fällt, überhaupt Gemeinsamkeiten zu finden, auf die man eine Gesellschaft bauen könnte. Dazu kommen die Bedrohungen von außen. Das World Trade Center ist wirklich eingestürzt. Wir wurden wirklich angegriffen. Madrid wurde angegriffen. London wurde angegriffen.

WELT ONLINE: Trotz der Bürgerkriegsfantasie seines Protagonisten ist "Mann im Dunkel" ein optimistischer Roman.

Auster: Sein Ende beschreibt die optimistischste Sache der Welt: Die Familie frühstückt gemeinsam. Und irgendwie wird aus einem Frühstück die metaphysische Idee eines harmonischen Universums. Die Familie setzt sich an einen Tisch, um zu essen, die Sonne geht auf, ein neuer Tag beginnt, und vielleicht geht es heute ein bisschen besser als gestern.



(heute publiziert unter:

http://www.welt.de/kultur/article2511410/Paul-Auster-Geld-ist-eine-Fiktion.html

)

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 01.10.2008, 00:35

Hi!
Ich lese einen Artikel nach dem anderen und verstehe es langsam ein bisschen besser, aber alles bleibt sehr vage. So viele geheimnisvolle Kräfte scheinen am Werk, die niemand - nicht einmal die, die diese Krise ausgelöst haben - komplett verstehen.

Genauso geht es mir augenblicklich. Ich finde es erstaunlich, wie vage und „allgemein“ selbst die Berichterstattung über diese Krise ist. Es wird mit Milliarden spekuliert, ohne die Risiken abzusehen, und die Folgen multiplizieren sich zu einem Crash; jetzt wird mit Milliarden jongliert, um die Krise abzuwenden – und keiner kann sagen, ob es funktionieren wird.

„Geheimnisvolle Kräfte“ – es ist nicht Natur, es ist nicht Naturgesetz, es ist keine übernatürliche Erscheinung, sondern es ist ein gesellschaftliches Konstrukt und doch entzieht es sich dem gesunden Menschenverstand. Ich glaube, der wissenschaftliche Begriff dafür ist „Emergenz“. Aus einfachen Regeln und Verhaltensweisen entsteht etwas Übergeordnetes, das wir nicht mehr verstehen und regulieren können – oder doch? Ich bin überzeugt, dass es diese „unsichtbare Hand“ gibt. Ich glaube nur nicht daran, dass sie zum allgemeinen Wohl „ausschlägt“ und „verteilt“.
Tatsache ist: Geld ist eine Fiktion. Es ist nicht wirklich, sondern etwas, woran wir glauben. Weil wir daran glauben, funktioniert es. Ich habe gelesen, dass die Investmentbanken Verbindlichkeiten bis zum Dreißigfachen ihres Kapitals hatten. Unwirkliches Geld, das noch mehr unwirkliches Geld einbrachte, aber das sind alles bloß Zahlen, nichts Konkretes. Eine Art Massen-Halluzination, nehme ich an.

Vielleicht nicht verwunderlich, dass dies ein Mann äußert, der sein Geld mit Fiktionen verdient. Aber hier bin ich entschieden anderer Meinung. Ich glaube, dass es nichts bringt, Geld als Fiktion zu betrachten. – Ich bezeichne etwas, das ich nicht verstehe, als „geheimnisvolle Kraft“, als „Fiktion“ und gebe mich dann damit zufrieden? – Das ist mir zu einfach, da fehlt mir der Erkenntnismehrwert.

Geld ist real und diese Finanzkrise ist es ebenfalls – sie ist harte, evidente Wirklichkeit. Das Geld, das an die Subprime Darlehensnehmer ging, mag Buchgeld gewesen sein, die Häuser, die dafür gekauft wurden, waren es nicht. Die drückenden Zinsen mögen irreal sein, die Zwangsversteigerung, die Schulden und die sozialen Folgen sind es nicht. Die Darlehen, die jetzt platzen, wurden am Markt umgesetzt in existierende Werte: mein Haus, mein Auto, mein Urlaub in der Dominikanischen Republik. Die Jobs, die jetzt wegfallen, das ist echt. Die Unternehmen, die Konkurs anmelden müssen, weil der Kredit nicht verlängert wird, das ist realwirtschaftliche Wertvernichtung. Die Ersparnisse an der Börse, die den Bach runtergehen, die sind nicht nur aus Spekulation entstanden – Hedge Fonds sind nicht nur unwirkliche Blasen, sondern auch Pensionskassen des Mittelstands, die, so möchte ich meinen, zum Teil auch „hard work“ zu verdanken sind. Vielleicht ist da gerade die eine oder andere Rücklage für die College-Ausbildung der nächsten amerikanischen Generation vernichtet worden. Das ist keine Einbildung – und daraus resultieren vielleicht neue Schulden: nämlich College-Darlehen.

Ich gehe nicht fünf Tage in der Woche auf Arbeit, weil ich an einer Halluzination leide – spätestens an der Kasse im Supermarkt verwandelt sich meine Halluzination in Brot und Wein. Geld als Fiktion zu bezeichnen, erklärt nichts. Metaphern, Halbwahrheiten, Verschwörungstheorien, einfache Schuldzuweisungen an Banken – das ist Unwissenheit und Unwissenheit ist der Garant, dass es noch lange so weitergehen wird. Unwissenheit ermöglicht Angst. Und Angst ist ein Zustand, in dem man in einer Demokratie (fast) alles durchsetzen kann: Einen Krieg gegen einen vermeintlichen Biowaffenbesitzer oder die Umverteilung von 700 Milliarden Dollar – und zwar von unten nach oben.
es werden in meinen augen keine milliarden, billionen oder fantastillionen vernichtet, wie es so schön heißt ... die werte bleiben. es sei denn, ein wirbelsturm fegt häuser weg

Ich halte das für naiv, Tolya. Werte sind nicht einfach Dinge wie Gold, die man im Garten vergraben kann. Werte sind Arbeitskraft, drücken sich in Einkommen, Konsum, Wachstum und Bruttosozialprodukt aus. Durch diese Finanzkrise gehen Banken pleite. Firmen verlieren ihre Investoren, müssen unter Umständen Konkurs anmelden, Beschäftigte entlassen oder Lohnkürzungen durchsetzen. Arbeit geht verloren. Ohne Kredite und Investitionen – gibt es keine Innovation, keine Produktion, keinen Mehrwert, kein Beschäftigungswachstum. Ein Unternehmen, das durch Verluste an der Börse plötzlich ein Viertel oder ein Drittel seines Kapitals beraubt wird, das bleibt nicht ohne Konsequenz, das ist ein Werteverlust, der sich auf die Zukunft dieses Unternehmens auswirkt. Die Immobilienkrise wirkt sich nicht nur auf die Bewertung existierender Grundstücke und Häsuer aus – sie verändert die Nachfrage: da kollabieren nicht nur die Profite von Grundstücksspekulanten, sondern es gefährdet die Existenz von Architekten, Bauunternehmern, Möbelhäusern, es kostet die Jobs von Landvermessern, Bauarbeitern, Teppichverlegern, Malern, Elektrikern, Verkäufern usw. Geld ist real und die Vernichtung von Werten ist es ebenfalls.

Ich glaube, die Paradoxie und das Problem liegt vielmehr darin, dass Geld die einzige Sache von Wert ist, die ohne Zutun erhalten bleibt, während alles andere verfallen und an Wert verlieren würde, und die sich sogar noch wie durch Wunderhand selbst vermehrt, nämlich durch Kreditvergabe, durch Zins und Zinseszins, während „reale“ Werte nur durch Arbeit entstehen. Doch daraus den Umkehrschluss zu ziehen, die Kauf- und Innovationskraft von Krediten und die Zinsschuld wären irreal, halte ich für irrig.
was zu den billionen an den märkten zu sagen wäre: wenn man die weltdevisen begrenzte und fest an die weltwerte und damit das weltwirtschaftswachstum koppelte (oder an deren schrumpfung), würde eine inflation nicht mehr stattfinden können.

Ich frage mich, ob das wirklich funktionieren würde. Es gibt dazu ja auch genug theoretische Vorschläge wie etwa die des Freigeldes. Ich würde gern daran glauben, dass die Lösung der „Systemsanomalie“ so einfach ist. Das „Wunder von Wöhrl“ wird immer wieder gern herangezogen… ich möchte wirklich gern daran glauben. Aber Zweifel gibt es natürlich auch hier: Freigeld#Kritik
eine weltwirtschaftskrise ist, sofern keine unglücke passieren (und die klimakatastrophe könnte durchaus eine hervorrufen), nur dann möglich, wenn die menschen untereinander sich misstrauen.

Wie ich gestern schon gemutmaßt habe: Ich glaube, die Ursache ist eher zu viel Vertrauen. Das Misstrauen ist die Begleiterscheinung oder vielleicht der Zündfunken der Wirtschaftskrise, aber nicht die Ursache. Eher ist sie die Kraft, die alles bereinigt und wieder ins Gleichgewicht bringt. Das Misstrauen, der Zweifel, die Risikoabwägung scheinen mir viel gesunder und rationaler zu sein als Vertrauen. Und natürlich widerspreche ich damit auch dem, was ich selbst glaube, denn ich halte den Menschen für ein zoon politikon. In einer vergesellschafteten, arbeitsteiligen Gesellschaft sind wir angewiesen auf Vertrauen und Kooperation. Aber ich halte Vertrauen weder für die natürliche, noch die logische Ausgangssituation in einem marktwirtschaftlichen Umfeld.

Demokratie setzt Vertrauen und Kooperation voraus, Demokratie braucht offene Informationen und Wahlmöglichkeiten – das ist ein Soll-Anspruch. Der Markt dagegen fußt auf Konkurrenz, auf Wettbewerb, auf Ungleichverteilung von Ressourcen und Informationen, der Markt tendiert zu Verdrängung, zu Fusionen und Monopolbildungen, also eher zu einer Verringerung von Diversität und Wahlmöglichkeiten. Da scheint es also einen immanenten Widerspruch zwischen politischem Rahmen und marktwirtschaftlichem Interesse zu geben. Die neoliberale Forderung, dass der Staat sich nicht in Wirtschaftsbelange einmischen soll, ist daher logisch. Dass die Wirtschaft nicht ganz so „liberal“ und zurückhaltend auf dem politischen Terrain agiert, veranschaulicht die älteste Demokratie der Welt. Ich glaube nicht, dass Demokratie eine notwendige Voraussetzung für eine funktionierende Marktwirtschaft ist. Vielleicht vertragen sich Kapitalismus und totalitärer Staat viel besser miteinander. So wie in China, das inzwischen der größte Gläubiger der USA ist. Auch eine Antwort auf die Frage: bei wem? ;-)
in USA allerdings ist die verschuldungsquote verglichen zu deutschland noch geringer. da ist spielraum. die USA gehen nicht unter, auch wenn der feuilleton hierzulande das geradezu herbeisehnt, viel häme ist da mit dabei und schadenfreude.

Bezogen auf den Staatshaushalt: Ja. Bezogen auf die durchschnittliche Verschuldung der Privathaushalte: Bist du dir sicher? – Übrigens gebe ich dir Recht: Die USA haben schon mehr als eine Wirtschaftskrise, Rezession, Börsencrash und Weltkrieg geschultert. Die schaffen das. – Das ist übrigens eine Eigenschaft, für die ich Amerika bewundere – wie innovativ und produktiv das Land ist.
das mit dem übergeordneten willen oder der systematischen notwendigkeit: das sehe ich in einer stabilen, inflations- und deflationssicheren weltwährung, die nur nach der weltwerte-entwicklung in ihrer gesamtmenge angepasst wird.

Das hatte ich eigentlich anders gemeint: Ich meinte, dass Bush so eine Art Sahnehäubchen auf dem neoliberalen Kuchen ist. Er ist nicht der Erfinder, er ist nicht das Mastermind dahinter. Er ist „nur“ einer der glücklichen Profiteure und vielleicht der beste Lobbyist, den sie je hatten. Und zugleich der schlechteste.
ich glaube, dass ein idiot an einer sehr wichtigen position genügt, um die welt in ein chaos zu stürzen.

bush macht in der politik, worauf er bock hat? nimmt staatsschulden auf ohne ende? dann machen wir banker das auch.

Ich glaube, indem man Bush die Schuld für diese Finanzkrise gibt, schafft man eine neue Metapher, nämliche eine Art „Personenkult“, der am Ende wieder von den realen, ökonomischen Ursachen ablenkt und zum Multiplikator medial wirksamer Unwissenheit wird.

Zum einen: Bush entscheidet nicht allein, er sitzt in einem politischen Bienenstock, in dem es nur so summt. Dort hockt er in seinem Kokon, umgeben von Beratern und Dronen, die sich um ihn kümmern, und Honigtropfen der Wirklichkeit in seine Augen tröpfeln, während er „seine“ Entscheidungen von einem Teleprompter abliest.

Zum anderen: Bush repräsentiert ein Amerika, das zumindest zum Teil genauso ist wie er. Ein Homer Simpson in Anzug und Krawatte, der Kredite aufnimmt ohne an Morgen zu denken und lieber auf seiner Farm mit Hunden herumtollt, als Probleme zu lösen. Er macht seinen Job: Er konzentriert auf seine Person die Wut und die Schuldzuweisungen aus dem In- und Ausland und er macht diesen Job glänzend, das muss man ihm lassen.
allerdings steht dann noch eine weitere prognose: falls obama gewählt wird, dann ... wird er vermutlich mit einem anderen präsidenten das schicksal teilen, sofern er wirklich etwas ändern will.

Ich habe von Obama bisher nur Geschwaller gehört. Ihn mit Kennedy zu vergleichen, na ja, wir werden sehen. Er muss erst mal mit dem Schuldenberg, der Finanzkrise und dem Irak-Afghanistan-Komplex fertig werden, wenn er ans Ruder kommt… ich bin da insgesamt sehr verhalten.
... führte man aber zum beispiel ein, dass man eine erworbene aktie erstmal ein vierteljahr fest behalten muss und nicht verkaufen kann ... vielleicht wäre das eine möglichkeit, etwas mehr stabilität hineinzubringen?

Gefällt mir die Idee. Zulange haben wir nach der Devise gehandelt, dass Zeit Geld ist. Das Tempo aus dem Markt zu nehmen, könnte ein Weg sein, den Markt besser zu verstehen. Oder sogar ein anderes Handeln im Management zu fördern. Ich frage mich sowieso, wie nachhaltiges Denken entstehen soll, wenn in der Wirtschaft nur an das nächste Quartal und in der Politik nur an die nächsten vier Jahre gedacht wird.
allerdings weiß ich nicht, ob es möglich ist, auch sekundengeschäfte an der börse zu machen, oder ob das von den gebühren her unsinnig ist ...

Ja, das ist möglich. Ich habe mal darüber einen Bericht gesehen, aber keine Ahnung mehr, wie sich das nennt. Erfordert allerdings einen hohen Kapitaleinsatz und gilt auch als sehr riskant.

Genug spekuliert für heute!

[) i r k
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 01.10.2008, 00:55

Nachtrag:
wie ich dies hier schreibe, überlege ich, wie es passieren konnte, das so viele banken zahlungsunfähig wurden: entweder es wurde gestohlen, oder aber ein paar banken haben die anderen ruiniert (etwa beim algorithmen-poker), und weigern sich nun, diesen zu helfen, lassen sie also am langen arm verhungern, aus gründen, die ich nicht kenne, entweder um konkurrenz zu beseitigen oder weil es irgendwelche andere vorteile mit sich bringt ...

... oder hast du da eine idee?

Grundsätzlich fand ich das ganz hilfreich:



http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,583769,00.html

Ich glaube es sind verschiedene Gründe, die sich gegenseitig beeinflussen und verstärken:

1.) Faule Kredite (subprime market), die gehandelt und an andere Banken weitergereicht wurden in Form von komplizierten, gestreuten und unklar gegenfinanzierten Finanzinstrumenten. Ausfall dieser Anlagen. Der Versuch, diese Ausfälle zu kompensieren, zu streuen und an andere Banken weiterzugeben.

2.) Sinkende Nachfrage auf dem Immobilienmarkt. Sinkender Wert der Immobilien. Aber Hypotheken und Kredite, die auf diesen Immobilien lasten, die den bereinigten Wert übersteigen. Dann Ausfall der Rückzahlungen, Pfändungen, Zwangsversteigerungen, Minusgeschäft. Weitere negative Auswirkungen auf die Nachfrage. Ein Kreislauf.

3.) Kapitalflucht in Form von einbrechenden Aktienkursen und Anlegern, die panikartig ihr Guthaben abziehen (erst Immobilienfonds, Immobilienbanken, Bausparkassen, dann andere). Dadurch, dass das Geld einer Bank nur zu einem Bruchteil durch eigene Kapitaleinlage gedeckt und liquide ist, ist eine Bank ruiniert, wenn alle auf einmal das Vertrauen verlieren.

4.) Starke Vernetzung und mangelnder Geldfluss durch gegenseitiges Misstrauen. Banken verschulden sich bei Banken. Wenn eine Bank zusammenbricht, belastet das eine andere. Wenn keine Bank einer anderen mehr Kredit zu normalen Zinsen anbieten will, kommt der Geldfluss zum Erliegen und das Misstrauen potenziert sich. Die Folge ist, dass die Zinsen steigen, was wiederum neue Kapitalerhöhungen und Kreditaufnahme notwendig macht. Ein Kreislauf.
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 01.10.2008, 02:26

danke für das video.google-video ... ich kucks mir an, wenn ich zeit finde, könnte spannend sein ...


zu paul auster: seine meinung, geld sei eine fiktion, teile ich ebenfalls nicht oder nur in winzigen teilen.

fiktiv mag der wert einer sache oder auch einer firma an sich erscheinen - denn heute kennt den herrn x niemand, morgen ist er berühmt, und schwupps, schon ist seine lieblingsteetasse, die er seiner damaligen freundin als romantische liebesgabe überließ, mehr wert als jede andere teetasse der welt. warum? es ist nur eine teetasse.
die mona lisa ist nur ein bild.
ein guter künstler könnte sie heute vermutlich genauso gut kopieren, und dann wäre sie neu, ohne risse, ohne patina.
werte an sich sind ... unkalkulierbar. der körper eines menschen ist von seiner substanz her ein paar euro wert, wenn man ihn biochemisch betrachtet. als arbeitender mensch ist er schon mehr wert, weil er ja etwas produziert. ist er der herr picasso, dann ist er noch viel mehr wert, dann kann er sogar servietten signieren und damit seine rechnungen im restaurant bezahlen ... oder mal kurz ins tischtuch schneuzen? auf der toilette daneben pinkeln?
aber ist picasso nicht auch nur biochemie?

was ist mit der mona lisa, wenn auf dem planeten das wasser ausgeht? oder gar der sauerstoff?

jeden tag definieren sich die werte neu, jeden tag definieren menschen durch ihre bedürfnisse und wünsche die werte neu.

(ist hierin der mensch eigentlich der aktive? oder der, mit dem dies geschieht? auch hier hat man einen kreislauf ...)


es mag naiv klingen, wenn man sagt, die werte sind nicht verloren. natürlich hat die oma, die ihr geld bei den lehmans angelegt hat, weil der gute onkel von der spaßkasse ihr das riet (sie kriegen 8 prozent, coooool, oder?), verloren.

das ist ein realer verlust, und es erzeugt reales leiden. aber dass auster erklärt, geld sei fiktiv ... bedeutet wohl für ihn, dass der bedruckte fetzen papier oder ein zertifikat oder whatever immer nur papier ist. es braucht eine menschengesellschaft, die dieses papier als wert akzeptiert. wenn die gesellschaft nun sagt, dein lehman ist müll, dann heiz damit deinen ofen. wenn die zentralbank sagt, ab morgen sind alle geldscheine mit endziffer 6-10 wertlos und werden aus dem verkehr gezogen ... und die politik sagts auch, weil das das beste sei für uns alle ... dann gibts entweder einen aufstand, oder die leute sagen: okay, scheiße ... aber was soll ich machen? usw..

vertrauen brauche ich, wenn ich einem stück papier einen wert beimessen soll. es ist nur papier. so, wie das grundgesetz nur ein text ist. kommen die faschisten an die macht (demokratisch gewählt sogar) und kassieren die verfassung, wer will sie davon abhalten? ist die verfassung die bibel, ein text für die ewigkeit, gottgegeben?

alles ist im fluss.
die werte und auch die kriterien, nach denen werte zugeordnet werden, und die medien, derer man sich bedient, um werte einfach und unspektakulär zu transportieren (wie das geld).


worauf ich nur hinauswollte und hinauswill mit meinem widerspruch gegen die "da wurde geld verbrannt"-argumentationen: es verbrennt keiner geld, außer vielleicht ein paar dekadenten mafiosi, die damit ihre zigaretten anstecken.
(es ist im übrigen verboten, geld zu vernichten. man darf es nicht verbrennen. das ist ein gesetz und kann bestraft werden in deutschland. kein witz.)

wenn irgendwo geld fehlt, das dort sein müsste, dann muss man fragen, wo es ist. wenn es einfach so wie im schwarzen loch verschwunden ist, dann muss man fragen, ja wo ist dann das schwarze loch?

wenn ich nun in amiland kredite nachgeworfen bekomme (und hierzulande ist das ja ähnlich geworden, wenn ich die reklame höre, kriege ich fast ausschlag, so absurd ist das ...), wenn ich dann also geld, das mir nicht gehört, ausgebe, verprasse, ist doch dieses geld, selbst wenn ich es zu huren trage oder versaufe, nicht verschwunden? klar, ich muss der bank sagen, sorry, ich habe nix mehr davon, alles durchgebracht, leute, sorry, und wenn das viele bei derselben bank machen, dann hat die bank ein problem, weil sie zu blöde war bei der kreditvergabe, dann kann sie womöglich auch pleite gehen ... weil ihr selbst geld fehlt ... vermutlich meinst du das mit deinem argument von wegen "zu viel vertrauen", also dass die banken den leuten zu sehr vertraut haben.

möglich.

dennoch kann geld nicht verschwinden. die hure geht damit neue klamotten kaufen, dann hat das geld der klamottenladen.

es hat jetzt schon ein paar interaktionen gegeben, der mann hat spaß gekauft, der für ihn allerdings schon vergangenheit ist, er hat nur noch eine erinnerung. die hure hat das geld redlich verdient, es dann gegen klamotten getauscht. die bank also ihr geld indirekt dem klamottenladen gegeben.
aber der laden kann mit fug und recht nun sagen, dass das geld ihm gehört und nicht der bank ... er ja eine gegenleistung erbracht, nämlich die klamotten.

vielleicht ist es wirklich so einfach, und es haben ein paar leute schlichtweg zuviel verprasst. und die banken waren zu blöde, haben nicht genau genug hingesehen ... und im übrigen können sie sich ja auch darauf verlassen, dass letztendlich der staat für ihren untergang aufkommt, und mit dem staat dann die gemeinschaft.

das hieße: die draufgänger, hallodri und lebemänner und lebefrauen haben das geld des dummen rests verlottert.

so sieht meine ganz naive, einfache rechnung aus. und ich mache sie absichtlich sehr einfach, dirk, weil es meiner meinung nach falsch ist, von einem unberechenbaren monstrum zu sprechen. es ist super, wenn alle glauben, dass es undurchschaubar ist, so sind sie gefügiger. ich sehe hier viel vernebelungstaktik.
an sich ist es wirklich sehr einfach. es gibt einen weltwert, und die einzelnen werte davon werden sie jeden tag im verhältnis zueinander neu definiert. es gibt keine sicherheit, auch das gold, in das man sich jetzt als kapitalist fliehen könnte, mag morgen nichts mehr wert sein ... ich glaube, bei onkel dagobert gabs sogar mal irgendwelche tierchen, die gold einfach so aufgefressen, vernichtet haben ;-)

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon DerBaum » 01.10.2008, 09:18

"fiktiv mag der wert einer sache oder auch einer firma an sich erscheinen - denn heute kennt den herrn x niemand, morgen ist er berühmt, und schwupps, schon ist seine lieblingsteetasse, die er seiner damaligen freundin als romantische liebesgabe überließ, mehr wert als jede andere teetasse der welt. warum? es ist nur eine teetasse.
die mona lisa ist nur ein bild.
ein guter künstler könnte sie heute vermutlich genauso gut kopieren, und dann wäre sie neu, ohne risse, ohne patina. "


wenn ich sowas lese frage ich mich, wo befinde ich mich hier, was geschieht hier, warum schreibe ich eigentlich, wenn alles so beliebig ist, natürlich, ich muss schreiben, denn sonst würde ich krepieren, aber auch das krepieren ist beliebig, auch die mona lisa musste gemalt werden.

warum schreibst du so einen unsinn.

die mona lisa ist kunst. kunst ist einmalig. natürlich kann ich kopieren, ich kann auch meine gedichte kopieren, na und?
aber das eigentliche an der kunst ist die arbeit daran.
Wenn jemand auf der Stelle tritt und tut dabei niemanden weh, das ist ein schlechter Dichter

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 01.10.2008, 12:28

"wenn ich sowas lese frage ich mich, wo befinde ich mich hier."

weltall 37b, galaxie 33.521f, planet erde, raumzeitsektor 484,339599.


"was geschieht hier."

die raumzeitliche perspektive lässt die sich in der raumzeit orientierenden wesen annehmen, etwas geschähe. von außerhalb der raumzeit betrachtet jedoch geschieht nichts.


"warum schreibe ich eigentlich."

weil du es als deine sinnvollste beschäftigung ansiehst? wenn du eine sinnvollere fändest, würdest du etwas anderes tun.

"auch die mona lisa musste gemalt werden."

ja. so sehe ich das.


"warum schreibst du so einen unsinn."

weil ich es für sinnvoll halte. würde ich es für sinnlos halten, würde ich es nicht schreiben und andere leute damit belästigen. (oder belustigen).


"die mona lisa ist kunst. kunst ist einmalig. natürlich kann ich kopieren, ich kann auch meine gedichte kopieren, na und?
aber das eigentliche an der kunst ist die arbeit daran."

die mona lisa ist kunst, das ist ein satz, den wohl 95 prozent aller menschen unterschreiben. deshalb mag er (vorläufig) als wahr gelten.
aber auch ein kunstwerk ist nur ein ding, wenn man es rein materiell betrachtet. darauf wollte ich hinaus: den wert bemisst jeder selbst individuell.


m.f.g.
t.g.

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon DerBaum » 01.10.2008, 13:18

wie hast Du dass bloß alles ausgerechnet,

nein bitte nicht sagen,

ich will es selber ausrechnen
Wenn jemand auf der Stelle tritt und tut dabei niemanden weh, das ist ein schlechter Dichter


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