Warum ich gerade Marx lese.

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Glaukos
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 01.12.2009, 03:38

hi dirk,

ich denke, wenn wieder mal eine große blase platzt, dann geht es noch schneller abwärts an den märkten als letztes jahr - drastisch schneller.
und: allmählich komme ich zu der überzeugung, dass solch ein echtes inferno auch geburtshelfer(in) von einem wirklich neuen system sein könnte ...

oder was denkst du?

(gestern las ich, dass karl marx angeblich den begriff 'kapitalismus' erfunden hat. wenn es stimmt, bravo.
ich selbst bin noch nicht zum marxleser mutiert. derzeit befasse ich mich mit wolf singer. und danach kommt mal wieder foucault an die reihe; von den philosophen der letzten jahrzehnte ist er mir einer der liebsten. warum? weil ich ihn erfrischend "neutral" empfinde, und auch erfreulich uneitel.)

[) i r k
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 13.01.2010, 01:34

Lieber Tolya, liebe Spekulanten,
und: allmählich komme ich zu der überzeugung, dass solch ein echtes inferno auch geburtshelfer(in) von einem wirklich neuen system sein könnte ...

oder was denkst du?

Ich kann mir zwei Szenarien vorstellen: (links-populistische) Regulierung oder (national- oder kontinental-konservativer) Protektionismus. Wahrscheinlich eine demokratie-übliche Mischung aus beidem. Aber, wenn man sich die Akteure wie Amerika und China anschaut, dann tendiere ich dazu, dass der Protektionismus das Rennen gewinnt. Ein neueres Beispiel:
Auf Kosten der anderen

Ich beobachte im Augenblick, dass die Demokratien des Westens sich eher unfähig zeigen, wirkliche Konsequenzen aus der Krise zu ziehen und durchzusetzen. Sie haben die Finanzbranche massiv subventioniert und ein Teil dieser Subventionen wird jetzt (ironischerweise :-( ) eingesetzt, um Lobbyarbeit gegen die Regulierung zu betreiben:
US-Banken sabotieren Obamas Finanzreformen

Sehr drastisch und m.E. treffend auf den Punkt gebracht, fand ich diesen Spiegel-Kommentar von Wolfgang Kaden, der kurz vor Weihnachten erschienen ist (unbedingt lesen!):
Kapitulation vor dem Monopoly-Monster

Die Subventionsflut und das Null-Zins-Geld, das weiterhin in Umlauf ist und den Anschein einer Konjunkturerholung suggeriert (und deshalb wagt sich auch kein Politiker das Geld aus den Märkten wieder abzuziehen und die Leitzinsen anzuheben), hat aber noch eine andere Folge: Es heizt die Spekulation wieder von neuem an. Und das hat herzlich wenig mit Realwirtschaft oder gesundem Wachstum zu tun.
„Wir sind in der größten Finanzblase aller Zeiten“

Ich glaube, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Die Subventionen (egal ob in Form von Bankenrettung oder Abwrackprämie) werden in jedem Fall einen Jojo-Effekt nach sich ziehen. Und die Bewegung an den Aktienmärkten erinnert ja auch immer mehr an einen solchen Jojo-Verlauf. Total irrwitzig.

Strukturelle Änderungen hat es in der Finanzbranche kaum gegeben:
1.) Viele Banken sind weiterhin systemrelevant, da 2BIG2FAIL.
2.) Die Komplexität/Transparenz der Finanzprodukte hat sich kaum verbessert.
3.) Die Möglichkeiten, Ausfälle in den Bilanzen zu vertuschen, haben durch die Krise noch eher zugenommen.
4.) Die Spekulation erholt sich wieder. (Und beschleunigt sich.) Dafür gibt es genug Anzeichen.
5.) Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht profitabel genug oder wird von ungeduldigen Investoren abgestraft.
6.) Die Interdependenzen der globalen Finanzarchitektur sind unangetastet. Im Gegenteil: Die Vernetzung sowie die Monopolisierung nimmt weiterhin zu.

Da es aber keine Änderung der Ursachen-Struktur gibt, ist die Wiederholung des Ereignisses umso wahrscheinlicher.

* * *

Die Finanzkrise verlagert sich auf eine neue Ebene. Während die Banken aus dem Gröbsten raus sind und wieder 20%-Gewinn-Marken anstreben, kommt die Krise jetzt auf der Ebene der Realwirtschaft an.

1. Staatsschulden: Die Risiken der Finanzkrise wurden nicht gebannt, sondern verlagert. Die privatwirtschaftlichen Verbindlichkeiten der Banken sind jetzt (zu einem nicht unerheblichen Teil) Verbindlichkeiten der Staatshaushalte. Und einige Staaten ächzen jetzt unter der Schuldenlast und werden mittel- bis langfristig Probleme bekommen, die Schulden in den Griff zu bekommen, was wiederum das Risiko einer Inflation erhöht. Von diesem Problemen sind insbesondere mittelgroße Volkswirtschaften (Irland, Griechenland) und Schwellenländer (Ungarn, Lettland etc.) betroffen.

2. Arbeitsmarkt: Während die Börsen wieder kräftig angezogen haben, die Banken wieder Gewinne machen und Staatshilfen zurückzahlen und die Exporte wieder anziehen, schlägt die Krise erst jetzt und wahrscheinlich besonders in diesem Jahr auf den Arbeitsmarkt durch. Langfristig ist das Modell Kurzarbeit für die Unternehmen zu teuer. Dies betrifft vor allem große und traditionelle Produktionsindustrien wie die Stahl-, Maschinenbau- und Autoindustrie. Staatliche Interventionen wie Abwrackprämie haben hier nur ein kurzfristigen Aufschub gebracht; die Folgen erreichen den Arbeitsmarkt dennoch.

3. Strukturwandel: Die Krise trifft augenscheinlich kleine und mittlere Unternehmen härter als große Konzerne. Die Global Player können durch ausgelagerte Produktion und durch neue Absatzmärkte in Osteuropa, Lateinamerika und vor allem in Asien besser kompensieren. Global Player können billiger produzieren. Außerdem haben große Unternehmen derzeit weniger Probleme, sich zu refinanzieren als mittelständische Unternehmen, die stärker von den in der Folge der Finanzmarktkrise verschärften Regeln der Kreditvergabe abhängen. Die Folgen sind: Die Konzentration der Produktionsmittel nimmt weiter zu. Anders ausgedrückt, die Global Player / die multinationalen Konzerne wachsen und verdrängen weiter mittelständische Unternehmen, die ums Überleben kämpfen müssen, insbesondere wenn sie keine Kapitalrücklagen haben oder das Glück, eine Marktnische zu besetzen, die von den Multinationals nicht bedient werden kann. Am härtesten trifft es hier die Zulieferindustrie im Bereich Automobilindustrie und Maschinenbau.
Schicksalsjahr 2010 (Guter Artikel!)

Der Strukturwandel ist da und er trifft Exportländer wie Deutschland und Japan am meisten. "Restrukturierung" heißt da im Augenblick das Zauberwort (und der euphemistische Ausdruck) der Consulting-Branche. Restrukturierung bedeutet folgendes: Produktionskosten senken durch a.) Prozessautomatisierung, b.) Abbau von Arbeitsplätzen und c.) Outsourcing. Auch das können Global Player schneller und effizienter als angestammte mittelständische Unternehmen.

Strukturwandel bedeutet aber nicht nur Arbeits-, sondern auch Wissenstransfer aus den alten Industrienationen in Richtung in der aufstrebenden Wirtschaftsnationen China, Indien und Russland. Russland hat mit dem Kauf von Opel versucht an das Forschungs- und Entwicklungs-Kapital eines deutschen Autobauers zu kommen. Hat ja - GM sei dank - nicht geklappt. China ist das mit dem Autobauer Saab jetzt aber anscheinend geglückt. Ähnliche Beispiele gibt es auch aus anderen Industriebranchen.

Die Folgen des Strukturwandels (und das, was Deutschland noch bevorsteht) lassen sich sehr gut an den Spätfolgen der Thatcher-Politik (Privatisierungs- und Deindustrialisierungspolitik) in England erkennen. Die Bankenkrise in London und das unter Druck geratene Pfund wirkt dort wie ein Katalysator des strukturellen Wandels:
Land voller Angst

4. Spekulation: Durch die Geldflut der Zentralbanken (hier zuvorderst die FED, die Bank of England, die chinesische Zentralbank - und dann auch die EZB) steigt das Risiko, dass neue Blasen entstehen. Erste Warnsignale gibt es ja bereits: Unverhältnismäßiges Wachstum am Markt für Firmenanleihen, Immobilienboom in China, und nicht zuletzt die neue Rally an den Aktienmärkten, die sich nicht mit den Erhebungsdaten des realwirtschaftlichen Wachstum in Einklang bringen lässt.

* * *

Drei Gründe, warum es für die grundlegenden Ursachen der Finanzkrise keine Lösung gibt:

1. Oligarchie korrumpiert Demokratie: Ich erwarte von unserer Politik weiterhin nur Reaktionen. Ich glaube, dass nicht nur die globalen Finanzmärkte zu sehr miteinander verwoben sind, sondern auch, dass die Verflechtungen und Abhängigkeiten von Wirtschaftsführern und politischen Entscheidungsträgern zu starr, zu system-immanent geworden sind (mit den Worten von Marx: "Das Sein bestimmt das Bewusstsein"). Meines Erachtens verantwortet die Politik die Finanzkrise ebenso so sehr wie die Bankmanager. Die moderne westliche Zivilisation bräuchte eigentlich als erstes eine erweiterte Gewaltenteilung verordnet, mit der Politiker einerseits von markt-opportunistischen Lobbys, anderseits vom eigenen Karriere-Opportunismus durch die zu starke Orientierung an Meinungsbarometern in den Medien befreit werden. Dann gäbe es vielleicht ein politisches Klima, indem Politiker sich auch trauen, unliebsame, aber notwendige Einschnitte vorzunehmen. Ich möchte mich persönlich lieber unter die Herrschaft der Besten begeben, als unter die Herrschaft dieser Jein-Sager wie Frau Merkel.

2. Globale Märkte, aber nationales Recht: Keine Branche agiert globaler als der Finanz- und Bankensektor. Weltbank, Internationaler Währungsfond, Gründung der Europäische Union - alles läuft auf die zunehmende Öffnung und Interdependenz des privatwirtschaftlichen Sektors hinaus. Aber schaut man sich eine internationale Konferenz wie den Klimagipfel in Kopenhagen an, sieht man, dass auf politischer Ebene weiterhin Nationalstaaten konkurrieren. Es gibt keinen globalen Leviathan, kein internationales Mehrheitsrecht, keine für alle verbindliche Kontrollinstanz. Wenn die Briten ihren Markt regulieren, schießen sie sich ins eigene Knie. Also tun sie es nicht. Denn sonst emigriert die Finanzmetropole London vielleicht ganz schnell nach Shanghai. Eine Regulierung der Finanzbranche setzt also immer einen internationalen Konsens voraus (genau wie beim Klima). Schon mal vom Gefangenen-Dilemma gehört? Diese Finanzkrise entspricht genau dem Schema.

3. Ressourcenknappheit vs. Geldvirtualisierung: Die natürliche Ressourcen der Erde sind begrenzt. Geld nicht. Das macht Blasen und Crashs notwendig. Das ist eine ganz einfache Tatsache. Der Markt reguliert sich selbst: allerdings auch nach unten. :-D

Und damit gute Nacht,
[) i r k
"du trittst da fast in die fußstapfen des unseligen dr goebbels und seiner zensur und verdammungsmaschine." (Ralfchen)

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 13.01.2010, 04:04

du hast einen schönen eingang mit : "lieber tolya, liebe spekulanten" gewählt. denn ich lese das nicht als reihung, sondern als differenzierung, also: tolya != spekulant.

hallo dirk, n gruß zur nacht ;)

ich hatte einige der artikel schon gelesen, aber verstehen kann ich weder die artikel noch deine ausführungen hier. ich freue mich daran (sic!), deine worte hier zu lesen, sie wirken profund und wohlüberlegt. ich habe viele freunde, die sich den kopf über hochgelehrte themen zerbrechen, aber über dieses thema denken nichtmal professoren (der geisteswissenschaften, zu denen ich - frecherweise? - die wirtschaftswissenschaften nicht rechne) nach.
bzw. scheitern sie an der (vermeintlichen?) komplexität.
wie ich selbst scheitere.
ich kann dir somit leider nicht recht geben noch dir widersprechen; ich lobe dich für dein interesse und wünsche mir, dass es auch viele andere zu interessieren beginnt. gerade, dass man nicht auf einfache floskeln zurückgreift wie: "der markt reguliert alles" oder "wir brauchen wegen des increasing traffic neue verkehrsregeln (helmut schmidt)", finde ich richtig, ausnahmsweise, da ich doch sonst gerne zu einfachen formeln neige.

ich erkenne zwei eigenartige parallelen: sowohl die weltwirtschaft als auch das klima scheinen die global interessantesten fragen der gegenwart zu evozieren. gewiss, ahmadinedschad bastelt an der atombombe, israel radikalisiert sich, pakistan ist ein schlummernder krisenherd ... aber mehr als kitzeln tut uns das nicht, hier in europa. wir erregen uns aber zumindest über die ersteren themen, die wir noch weniger kontrollieren können als heißblütige nationalstaaten. vielleicht sollte ich noch die dimension der mikroorganismen hinzunehmen, ängste vor schweinegrippe & co sind auch noch weit verbreitet ...
auf diesen drei gebieten erfahre ich eine weltgemeinschaft, die weitestgehend hilflos ist und nur abwarten kann, was als nächstes passiert. hier die temperatur des klimas fühlen, dort den puls der märkte fühlen ...
im moment können wir vermutlich wirklich nicht mehr, als informationen über das klima und auch die weltwirtschaft zu sammeln, um sie dann mit zu schaffenden softwares zu analysieren. für klare konzepte und strategien scheint mir die zeit noch nicht reif; auch, weil die interessen der einzelnen "akteure" sich oft gravierend unterscheiden.

und wo ich schon klima und weltwirtschaft herangezogen habe: es ist fast schon komisch, dass einerseits eine bundesregierung ein wachstumsbeschleunigungsgesetz beschließt oder beschließen möchte ... und andererseits auch den klimatischen fragen rechnung tragen möchte. gewiss gäbe es auch einen weg, auf dem sich sowohl wachstum erzeugen als auch klima "schonen" ließe (welch heikle formulierung ;), aber gegenwärtig scheint hier die politik die berühmte eierlegende, klimaschonende wollmilchsau erfinden zu wollen. wir wollen sex & jungfräulichkeit, saufen & nüchternheit ...


[) i r k hat geschrieben:3. Ressourcenknappheit vs. Geldvirtualisierung: Die natürliche Ressourcen der Erde sind begrenzt. Geld nicht. Das macht Blasen und Crashs notwendig. Das ist eine ganz einfache Tatsache. Der Markt reguliert sich selbst: allerdings auch nach unten. :-D
[) i r k


hier finde ich deine argumentation nicht schlüssig.
die ressourcen der erde ließen sich auch weiter hochtransformieren. sozusagen: veredeln. wenn man das leben, das aus anorganischem material entstand, als veredelte anorganik begreift, die einen höheren wert besitzt (so denken wir doch?) als das anorganische material, dann lässt sich auch im irdischen milieu womöglich eine weitere höhertransformierung erreichen. auf leben bspw. folgt geist, und auf geist ... ich weiß nicht was ;) vielleicht weiß es nietzsche ;)
das geld bzw. der geldwert wiederum koppelt sich m.e. an die vorhandenen werte. das problem scheint mir die wertzuweisung. dass sich auch hier moden ereignen, wie will man das verhindern? dass lady gaga heute in ist und morgen out, spiegelt sich halt auch in währungen, rohstoffen, aktienkursen etc. wieder?

ich präzisiere: geld ist nicht begrenzt, wenn man es als zahl definiert und die definition der zahl nicht an eine fixe "substanz" bindet. wäre z.b. jedes atom (ein lustiger vergleich ...) 0.0001 euro wert, hätte man doch eine hübsche fixe bewertung. dann nämlich wäre geld tatsächlich auch begrenzt. da wir aber ständig die werte umwerten, auch ständig neue skills schaffen, wird der geldwert wohl ins unendliche schießen. des wachstums wegen. weil menschen stetig materie transformieren in höherwertige strukturen ...

hmh ... jetzt habe ich hier meinerseits philosophiert, obschon ich gar nicht wirklich verstanden habe, was du ausgeführt hast. eigentlich tragisch, dieses nichtverstehenkönnen. und dann dieser wunsch nach: selbstmitteilung. beinahe ein armutszeugnis.

da ist es fast befreiend, dass solch ein beitrag meinerseits 0.0 euro wert hat und vermutlich auch ebenso wenig monetärer wertzuwachs damit zu buche schlagen wird ;)

ironische grüße zur nacht,
tolya

sven1421
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon sven1421 » 16.01.2010, 13:27

Nun, als Ostdeutscher hatte Marx und Engels ja sozusagen als Schulspeise mitbekommen. Was Marx über den Kapitalismus schrieb, stimmt mit dem persönlichen Kennenlernen nach der Wende immer wieder in den verschiedensten Lebensbereichen erschreckend überein.
Was er als Ausweg anbot - den Kommunismus - hört sich in der Theorie auch verdammt schön an. Scheitert in der Praxis nur leider an einem nicht ganz unwesentlichen Detail: dem Menschen.
Denn der ist, wie jeder aufmerksame Bibelleser weiß, schon von Geburt an schlecht. Darum ist mit ihm auch hier auf Erden kein Start zu machen - schon gar nicht der in eine klassenlose Gesellschaft, in der allen alles gehört. Funktioniert ganz einfach nicht wegen Neid, Mißgunst, Eifersucht und all den anderen "wundervollen" Eigenschaften jenes unvollkommenen Geschöpfs Mensch, der nur im festen Glauben an den Schöpfer und das Opfer seines Sohnes am Kreuz nach seinem Tod in der Ewigkeit zu solch paradisischen Zuständen gelangen kann.
Das Himmelreich schon auf Erden zu errichten, wie es Heine in seinem "Deutschland ein Wintermärchen" formuliert, ist und bleibt - leider Gottes - eine Utopie!

Glaukos
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 16.01.2010, 17:01

nachtrag:

jaron lanier in
http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE6496 ... ntent.html

"Schauen wir uns einmal die Funktion des Geldes in der Gesellschaft an. Gäbe es einen unbegrenzten Vorrat an Geld, wäre Geld absurd, andererseits aber darf der Geldvorrat auch nicht zu knapp sein. Eine künstliche Knappheit, die von der Zentralbank reguliert wird, ist gleichsam in einer homöopathischen Dosis nötig, um die Wirtschaft florieren zu lassen. "

so kurz kann man es auch schreiben ... ;)


@sven,
schön, dass hier ein 'novize' hereinschneit. ich glaube auch, dass die meisten gesellschaftsmodelle nicht funktionieren, weil sie dem menschen - bzw. seiner struktur - nicht entsprechen.
im moment finde ich faszinierend, dass die hochgelobte nationalstaatliche demokratie einfach so stirbt und keiner es überhaupt recht zur kenntnis nimmt. (aber die neue votokratie ist ja auch nicht nur übel.)

lg!

[) i r k
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 19.01.2010, 02:32

Liebe Krisenbeobachter.

Glaukos hat geschrieben:hier finde ich deine argumentation nicht schlüssig.

[...]
ich präzisiere: geld ist nicht begrenzt, wenn man es als zahl definiert und die definition der zahl nicht an eine fixe "substanz" bindet. wäre z.b. jedes atom (ein lustiger vergleich ...) 0.0001 euro wert, hätte man doch eine hübsche fixe bewertung. dann nämlich wäre geld tatsächlich auch begrenzt. da wir aber ständig die werte umwerten, auch ständig neue skills schaffen, wird der geldwert wohl ins unendliche schießen. des wachstums wegen. weil menschen stetig materie transformieren in höherwertige strukturen ...


Vielleicht habe ich mich am Ende meines letzten Posts etwas zu verknappt oder auch missverständlich ausgedrückt. Ich werde versuchen, das in diesem Post etwas zu präzisieren. Allerdings setzt das auch voraus, dass ich mit ein paar Marxschen Begriffen hantieren und ein Schuss Mathematik mit ins Spiel bringen muss. Ich möchte dich (und andere geneigte Leser) daher bitten, sich darauf einzulassen und ggf. Rückfragen zu stellen.

Wir müssen erstmal drei Dinge unterscheiden:
1.) Ressourcen
2.) Arbeit (das, was du als Transformation oder Veredelung bezeichnet hast).
3.) Produktivität
4.) Geldfunktion

1.) Ressourcen
Unter Ressourcen verstehe ich alle natürlich vorkommenden Natur- und Bodenschätze, die unabhängig von menschlicher Arbeit und Kultur existieren, die aber erst durch menschliche Arbeit gebrauchsfähig und in Waren umgewandelt werden (Kohle muss gefördert, Bäume gefällt, Uran muss angereichert, der Boden muss bestellt werden usw.). Diese Ressourcen sind begrenzt: Die Fläche des fruchtbaren Bodens der Welt, die Steinkohle unter der Erde, die Millionen Barrel im Irak, die Tonnen Uran in der Erde von Sibirien, die Anzahl der Fichten in Deutschland sind begrenzt. An dieser Begrenzung ändert auch die Produktivität des Menschen nichts. Wenn in soundsoviel Jahren die Öl- und Erdgas-Ressourcen der Erde sich zu Ende neigen, wird uns kein noch so effizienter Verbrennungsmotor mehr etwas nützen. Außer bezogen auf Biogas. Aber auch (ein etwas schwierigeres Beispiel) natürliche Energien wie Biogas, Solarenergie oder Windkraft sind begrenzt. Die Solarkraft (und davon abhängig übrigens auch Wind- und Wasserkraft) ist z.B. durch die Emissionen der Sonne begrenzt, die auf die Erde trifft und durch die Atmosphäre bis zum Sonnenkollektor gelangt. Ich glaube, dass kann man ganz konkret in Watt pro Quadratmeter angeben und dieser Wert hängt natürlich vom Breitengrad und Wetterfaktor ab. Andere Energieressourcen sind Kernspaltung und Kernfussion. Letztere könnte sicherlich, wenn die Technologie soweit ist, d.h. sicher und ökonomisch, die Energiefrage der Menschheit ein für alle mal lösen. Nur stellt sich generell die Frage, ob ein Unternehmer ein Interesse daran haben kann, eine Energie auf den Markt zu bringen, die Energie fast kostenlos für alle macht?

2.) Arbeit
Glaukos hat geschrieben:die ressourcen der erde ließen sich auch weiter hochtransformieren. sozusagen: veredeln.


Manchmal bist du, ganz intuitiv und mit deinen eigenen Worten, schon sehr nah an Marx dran, der das ungefähr so ausdrücken würde:

Was ist die gemeinsame gesellschaftliche Substanz aller Waren? Es ist die Arbeit. Um eine Ware zu produzieren, muß eine bestimmte Menge Arbeit auf sie verwendet oder in ihr aufgearbeitet werden. Dabei sage ich nicht nur Arbeit, sondern gesellschaftliche Arbeit.

[...]

Eine Ware hat Wert, weil sie Kristallation gesellschaftlicher Arbeit ist. Die Größe ihres Werts oder ihr relativer Wert hängt ab von der größeren oder geringeren Menge dieser in ihr enthaltenen gesellschaftlichen Substanz, d.h. von der zu ihrer Produktion notwendigen relativen Arbeitsmasse.

Quelle: Karl Marx: "Lohn, Preis, Profit" (1865). Zitiert nach: Karl Marx, Friedrich Engels: "Studienausgabe. Band II. Politische Ökonomie." Hrsg. von Irving Fletscher. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1990. S. 184.


Arbeit ist also, kurz zusammengefasst, das, was den Waren und Konsumgütern, die wir kaufen und verbrauchen, überhaupt erst ihren Wert verleiht. Die Kohle, ungefördert, tief in der Erde, hat keinen Wert. Sie erlangt diesen Wert erst durch menschliche Arbeit. Ein Grund für den Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie im Ruhrgebiet: Chinesische Arbeitskraft ist (derzeit) billiger als deutsche. Daher wurde es irgendwann billiger, die Kohle und den Stahl aus China zu importieren.

3. Produktivität
Und nochmal lauschen wir dem O-Ton von Marx:

Die in gegebener Arbeitszeit oder mit gegebenem Arbeitsquantum erzeugte Zahl oder Masse von Waren hängt ab von der Produktivkraft der angewandten Arbeit und nicht von ihrer Dauer oder Länge. Mit dem einen Grad der Produktivkraft der Spinnarbeit z.B. mag ein Arbeitstag von 12 Stunden 12 Pfund Garn produzieren, mit einem geringeren Grad nur 2 Pfund.

Quelle: Ebd. S. 200.


Die Armut und der Aufstand der Weber im 19. Jahrhundert ist z.B. auf eine Änderung der Produktivität (bei Marx "Produktivkraft") zurückzuführen. Menschliche Handarbeit wurde durch Dampf betriebene, maschinelle Webstühle ersetzt. Die Produktivität stieg, der Wert der Waren fiel, weil zur Fertigstellung einer Ware im gesellschaftlichen Durchschnitt weniger Arbeitskraft notwendig wurde. Und deshalb hungerten die Weber.

Diese steigende Produktivität kann man auch heute aller Orten beobachten. Wenn ein Autobauer bei gleich bleibenden oder steigenden Absatzzahlen seiner Fahrzeuge, einige tausend Arbeiter entlassen kann, ist das auf eine Produktivitätssteigerung zurückzuführen. Die gleiche Anzahl von Fahrzeugen werden mit weniger Arbeitskraft gefertigt.

Die Krise der Musikindustrie, die in dem Interview mit Jaron Lanier angesprochen wird, kann man auch als eine Veränderung der Produktivität (anstatt wie er als eine Veränderung der Ideologie betrachten). Faktisch war die Produktion und die Reproduktion von Musik noch nie so effizient und preiswert wie heute. Im 16. Jahrhundert hat man ein ganzes Orchester benötigt, um Musik zu hören, heute reicht ein Klick, um Gigabyte Daten auf einen MP3-Player zu kopieren.

Am deutlichsten kann man diese Produktivitätsentwicklung in der Landwirtschaft sehen: Vor der Industrialisierung war das (in Europa und Nordamerika) der Wirtschaftszweig, wo die mit Abstand meisten Menschen beschäftigt waren. Die Großteil der Arbeitskraft wurde zur Herstellung von Lebensmitteln aufgewendet. Heute ist dafür nur noch ein Bruchteil der (gesamtgesellschaftlichen) Arbeitskraft notwendig. Darum ist auch der Wert von Lebensmitteln wie Brot, Milch, Butter etc. seit 200 Jahren immer weiter gesunken. (Der historische Wert einer Ware berechnet sich dabei anhand der durchschnittlichen Arbeitszeit, die zum Erwerb aufgebracht werden muss. Musste ein Arbeiter z.B. 1810 eine Stunde arbeiten, um ein Brot zu kaufen, so muss er 2010 durchschnittlich nur 15 min. arbeiten, um ein Brot zu kaufen. Die Werte habe ich jetzt geschätzt - sie dienen mehr der Veranschaulichung.)

Glaukos hat geschrieben:das geld bzw. der geldwert wiederum koppelt sich m.e. an die vorhandenen werte.


Jetzt eine Quizfrage: Wenn die Produktivität ständig steigt und der Wert der einzelnen Waren sinkt, weil pro Ware im gesellschaftlichen Mittel immer weniger Arbeitskraft notwendig wird, warum steigt dann trotzdem die Geldmenge (die ja deines Erachtens an die vorhandenen Werte gekoppelt ist) unaufhörlich an? Ist doch irgendwie unlogisch.

4. Geldfunktion
Ich fasse nochmal kurz zusammen, was wir bis hier haben:
1.) Ressourcen sind begrenzt, es lässt sich ein quantitatives Maximum angeben.
2.) Der Wert von Waren und Konsumgütern entsteht allein durch die darin manifestierte gesellschaftliche Arbeit.
3.) Die Produktivität ist (zumindest in der westlichen Welt) in den letzten 200 Jahren ständig angestiegen. Durch die Produktivität werden sowohl Quantität als auch Qualität der produzierten Waren erhöht, aber gleichzeitig sinkt stetig der Anteil der in der Ware manifestierten gesellschaftlichen Arbeit und damit ihr Wert.

Nun habe ich behauptet:

Die natürliche Ressourcen der Erde sind begrenzt. Geld nicht. Das macht Blasen und Crashs notwendig.

Das will ich jetzt näher erklären. Dafür muss man sich aber die wichtigsten Funktionen des Geldes vergegenwärtigen:

a.) Werterhaltungsfunktion
b.) Zinseszins-Funktion
c.) Kredit-Funktion

a.) Werterhaltungsfunktion
Egal, welchen materiellen Konsumgegenstand ich auch nehme, der Erhalt seines Wertes hängt immer von menschlicher Arbeit ab. Wenn ich z.B. ein Haus kaufe und mich nicht darum kümmere, werden sich nach ein paar Jahren Risse zeigen. Irgendwann werden die Scheiben kaputt gehen, das Holz wird marodieren und das Dach wird durch Stürme abgedeckt werden. Es würde (ohne menschliche Arbeit) mit der Zeit an Wert verlieren. Bei Geld verhält sich das anders. Es ist ein normatives Konstrukt, das von dem materiellen Verfall, dem realen Verschleiß, der bei sämtlichen Konsum- und Gebrauchsgüter auftritt, grundsätzlich nicht betroffen ist. Wenn ich das Geld für den Hauskauf zu 4-5 % Zinsen anlege und vorausgesetzt, dass sich die Inflation weiterhin stabil zwischen 0 und 4 % bewegt, verliert mein Geld (ohne, dass ein Joule menschlicher Arbeit dafür aufgewendet wird) auch nach 50 Jahren nicht seinen Wert. Dasselbe würde wahrscheinlich mit einem (materiell vorhandenen) Barren Gold passieren, da Gold noch immer eine ähnliche Werterhaltungsfunktion besitzt (besonders in Krisenzeiten, wenn Papier- oder Bankgeld weginflationiert wird).

b.) Zinseszins-Funktion
das geld bzw. der geldwert wiederum koppelt sich m.e. an die vorhandenen werte.

Ich behaupte, das ist eine sehr naive Vorstellung davon, wie Geld entsteht, welche gesellschaftliche Funktion Geld erfüllt und wie sich globale Geldmengen entwickeln. Geld ist eben kein Äquivalent von natürlichen vorhandenen, begrenzten Ressourcen (z.B. Gold) oder menschlicher Arbeit (in Form von produzierten Waren). Und die Geldmenge entwickelt sich (leider) auch nicht parallel zur Produktivität einer Gesellschaft, auch wenn man uns das gern glauben machen möchte.

Dazu drei Einführungsbeispiele:

Erstens: Das Geldmengen-Paradoxon
Stellen wir uns in einem Gedankenexperiment vor, es gäbe auf der Welt nur eine Bank und eine Geldmenge von x = 1000 Talern. Diese Bank verleiht an zehn Personen jeweils einen Betrag von 100 Talern zu einem Prozentsatz von 1 Prozent pro Jahr. Nach einem Jahr würde das Soll der zehn Schuldner bereits auf 1010 Taler angewachsen sein. Wie aber können Sie die Schuld jemals zurückzahlen, wenn die Geldmenge auf x = 1000 begrenzt ist? Es gibt nur ein paar Lösungsmöglichkeiten für dieses Gedankenexperiment:
a.) Die Geldmenge muss an irgendeiner Stelle künstlich geändert werden, z.B. könnten die Schuldner selbst Taler prägen, um den Zins bezahlen zu können. Folge: Die Geldmenge würde stetig anwachsen.
b.) Wir könnten uns vorstellen, dass Produktivität und Arbeitskraft der Schuldner ein Wertäquivalent schaffen, dass dem Prägen einer (oder mehrere) Münzen pro Jahr entspricht. Folge: Die Geldmenge würde (parallel zu dieser Produktivität) stetig anwachsen.
c.) Die Schuldner könnten eine Art Umschuldung betreiben, indem sie sich gegenseitig Taler leihen, um der Bank die Zinsen zu bezahlen. Beispielweise könnte einer der Kreditnehmer an die neun anderen Schuldner 9 Taler verleihen, damit diese zum Jahresende ihre Zinsen an die Bank bezahlen - und er könnte ein profitables Geschäft daraus machen, indem er 2 Prozent pro Jahr verlangt. Folge: Die Geldmenge würde eine Weile stabil bleiben, aber durch die Neuaufnahme von Schulden und den höheren Zinssatz, müsste es hier irgendwann zu einem Zusammenbruch kommen. Das Problem ist nicht gelöst, sondern nur hinausgezögert. An einem berechenbaren Punkt würde auch die gesamte Geldmenge nicht mehr ausreichen, die Zinsschuld auszugleichen.

Zweitens: Die Kernkapitalquote
Wir haben (und auch ich hatte) die naive Vorstellung, dass Banken das Geld verleihen, das sie tatsächlich auch besitzen oder das durch Einlagen abgesichert ist. Dem ist aber keineswegs so. Die in Deutschland festgeschriebene Kernkapitalquote liegt bei 4%. Ein deutsches Kreditinstitut mit einem Eigenkapital von 1.000.000 Euro sollte also (wenn ich das richtig verstehe) rechtlich in der Lage sein, Kredite über 24.000.000 zu vergeben.

Drittens: Der Josephspfennig
Siehe auch: Josephspfennig

Jetzt wird's ein bisschen mathematisch. Ist aber ganz spannend, wenn man das einmal verstanden hat. Die Formel zur Berechnung des Zinseszins sieht folgendermaßen aus:

Bild

Oder in Worten: Kapital nach n Jahren Laufzeit ist gleich Startkapital mal (1 plus Zinssatz p geteilt durch 100) potenziert mit der Anzahl der Jahre n.

Jetzt stellen wir uns vor, dass der Vater von Jesus Christus zu dessen Geburt den Gegenwert von nur einem Euro-Cent (denn er war ja ein armer Mann) auf einem Sparbuch zu einem moderaten Sparkassen-Zinssatz von 2,5 Prozent angelegt hätte. Stellen wir uns weiterhin vor, dass der letzte lebende Nachfahre von Jesus (in Anlehnung an den Da Vinci Code) heute dieses Sparbuch fände (ein altes Pergament wie die Schriftrollen von Qumran) und zu dem durch ein christliches Finanzwunder noch existenten Geldinstitut (z.B. der Vatikanbank ;-) ) gehen würde. Die würden dann fix die Formel anwenden und folgendes käme dabei heraus:

Bild

In den ersten Jahren der Geldanlage ist das ursprüngliche Kapital, der sogenannte Josephspfennig, nur langsam angewachsen. Aber wie man an der mathematischen Formel für den Zinseszins erkennen kann, ist das eine exponentielle Funktion. Das heißt, durch den einfachen Umstand, dass am Ende des Jahres der Zinsgewinn wieder dem für das kommende Jahr zu verzinsenden Grundkapital hinzu addiert wird, entsteht eine Steigungskurve, die mit der Zeit immer steiler anwächst. So ist der Josephspfennig nach Ablauf von 2010 Jahren auf wahnsinnige 35 Trillionen Euro oder (zum heutigen Tauschwert umgerechnet) 1,4 Billionen Tonnen Gold angewachsen.

Das meinte ich grundlegend damit, dass Geld nicht wie andere Ressourcen begrenzt sei. Geld entwickelt sich, gemäß seiner wichtigsten mathematischen Grundfunktion, immer exponentiell, während Produktivität und Wachstum eher einem linearen Wachstum entsprechen. Das hat zur Konsequenz, dass es ab einem gewissen Punkt immer zu einer Schere, zu einem Auseinanderdriften von real-wirtschaftlichem Wachstum und normativer Geldfunktion kommen muss:

Bild

Dunkelgrün: Fiktive Wachstumskurve einer Volkswirtschaft
Hellgrün: Regression der Wachstumskurve / Vorhersagewert
Rot: Skizzierter Kurvenverlauf von verzinstem Kapital


Die Folge sind Krisen wie Inflation, Spekulationsblasen, Börsencrashs, Staatsverschuldung, Staatsbankrott, Währungsreformen, die durch die unaufhaltsam ansteigende Geldmenge provoziert werden. Es findet ein (fast gewaltsamer) Ausgleich zwischen der realen und der normativen Ökonomie statt.

Dazu noch ein paar Zitate aus der Wikepedia:

Der Zinseszinseffekt gilt als Hauptgrund für das Anwachsen der Staatsschulden. Die Staatsschulden und die Zinslasten wachsen auf Grund mathematischer Gesetzmäßigkeiten (Zinseszins- und Rentenrechnung) nicht linear, sondern mit progressiver Eigendynamik in Höhe des Zinseszinssatzes (exponentielles Wachstum).

Beispiel

Das Anfangskapital beträgt 1.000 Euro, dessen Zinsen jährlich nicht wieder angelegt, sondern entnommen werden, verzinst zu 10 Prozent, hat sich nach 50 Jahren auf 6.000 Euro erhöht. Werden die jährlichen Zinsen aber jeweils dem neu anzulegenden Betrag zugeschlagen (kapitalisiert), kann der Zinseszins dagegen seine Wirkung voll entfalten, denn aus den anfänglichen 1.000 Euro wird bei ansonsten unveränderten Parametern eine Summe von 117.390 Euro. Dieser Effekt wird zum „modernen Schuldturm“ bei Kreditaufnahmen, wenn die Kreditzinsen nicht bezahlt werden (können) und dann im nächsten Jahr mitverzinst werden.

Quelle: Zinseszins


Stell dir mal die jetzt im Umlauf befindlichen Geldmengen vor, die wir ja irgendwo im Trillionenbereich beziffern müssen, und wende darauf die Zinssatz-Formel über einen Zeitraum von nur 10 Jahren an!

c.) Kredit-Funktion
"Schauen wir uns einmal die Funktion des Geldes in der Gesellschaft an. Gäbe es einen unbegrenzten Vorrat an Geld, wäre Geld absurd, andererseits aber darf der Geldvorrat auch nicht zu knapp sein. Eine künstliche Knappheit, die von der Zentralbank reguliert wird, ist gleichsam in einer homöopathischen Dosis nötig, um die Wirtschaft florieren zu lassen."


Das ist auch nur die halbe Wahrheit, fürchte ich.

Klar, ein unbegrenzter Vorrat an Geld würde es seiner gesellschaftlichen Funktion berauben. Es wäre ab einem gewissen Punkt wertlos. Ich würde für mein Brot in der Bäckerei erst 300, dann 300.000 und dann 3 Billionen Euro bezahlen. Und irgendwann würde wahrscheinlich das Papier mehr wert sein als die Zahl, die darauf steht.

Aber, wie wir oben gesehen haben, steigt die Geldmenge theoretisch immer weiter an. Faktisch auch, denn genau dadurch wurde die Finanzkrise, über die wir hier sprechen, ausgelöst:

Die Geldmenge in den USA wächst rasant. Dies sehen Sie am Chart. Gegenüber 1990 ist die Geldmenge M2 (Einlagen mit maximal drei Monaten Kündigungsfrist) fast 3mal so hoch, wohingegen die Wirtschaft immer nur um 3 Prozent bis 5 Prozent wächst - in guten Jahren.

Quelle: http://www.gevestor.de


Bild

Die rote Linie zeigt die M3 Entwicklung und die blaue Linie die Inflationsrate.

Quelle: http://www.goldseiten.de


Im Juli 2008 ist das Wachstum der Geldmenge M3 in den USA gegenüber dem Vorjahr von 19 Prozent auf nur noch 2,1 Prozent regelrecht kollabiert. Was Analysten als Beinahe-Zusammenbruch bezeichnen, dürfte gar nicht verkehrt sein, denn immerhin war es das ungezügelte Wachstum der Geldmenge M3, welches zum Teil zur aktuellen Finanzkrise beigetragen hat.

Quelle: http://www.webnews.de

Darum finde ich die Erklärung von Jaron Lanier auch äußerst unbefriedigend. Sie erklärt das Soll, aber nicht das Ist. Sie erklärt den Wunschzustand, aber nicht das Zustandekommen der Finanzkrise.

Was aber ist die faktische gesellschaftliche Funktion des Geldes?
Neben dem Laufzeitfaktor ist der Zinseszins damit die wichtigste Vermögenserhöhungs- und Schuldenvergrößerungsursache.

Quelle: Zinseszins


Reduziert und auf eine einfache Formel gebracht bedeutet das:
a.) Sie macht die einen zu Schuldnern und die anderen zu Gläubigern.
b.) Sie wirkt normativ. Oder anders ausgedrückt: Sie ist ein Instrument der Herrschaft.
c.) Sie wirkt kumulativ. Die Gruppe der Gläubiger wird immer kleiner und die Gruppe der Schuldner wird immer größer. Das System ist schon mathematisch so konstruiert, dass eine Konzentration/Monopolisierung des Geldes stattfindet.


* * *


Glaukos hat geschrieben:du hast einen schönen eingang mit : "lieber tolya, liebe spekulanten" gewählt.


Tja, ich selbst spekuliere in diesem Thread ja auch fleißig vor mich hin. Vielleicht war das ja so etwas wie eine selbst-referentielle Anrede. :-D

Glaukos hat geschrieben:ich freue mich daran (sic!), deine worte hier zu lesen, sie wirken profund und wohlüberlegt.


*rotwerd* :-o

Glaukos hat geschrieben:ich hatte einige der artikel schon gelesen, aber verstehen kann ich weder die artikel noch deine ausführungen hier.


Kann ich gar nicht glauben... was ist so schwierig daran?

Glaukos hat geschrieben:aber über dieses thema denken nichtmal professoren (der geisteswissenschaften, zu denen ich - frecherweise? - die wirtschaftswissenschaften nicht rechne) nach.


Glaube ich nicht, gibt doch genug Bücher und Analysen und Experten-Wortmeldungen in der Presse. Außerdem ist die (seriöse) Wissenschaft immer ein bisschen langsamer. Da wird die jetzige Krise wahrscheinlich in aller Ruhe in einem 4jährigen Forschungsprojekt analysiert und die Ergebnisse werden dann 2014 in Fachjournalen und Büchern vorgestellt, die dann aber (fast) niemand mehr liest, weil es dann neue Epizentren der Hysterie geben wird.

Glaukos hat geschrieben:bzw. scheitern sie an der (vermeintlichen?) komplexität.


Ich habe nichts gegen Komplexität, im Gegenteil, ich finde es sehr spannend, mich mit komplexen Themen zu beschäftigen und sie (für mich, nicht unbedingt wissenschaftlich) auf einfache Formeln zu reduzieren. Kein Erkenntnisprozess kommt ohne solche Induktionsprozesse aus. Und apropos "scheitern" - mit meiner Trial-and-Error-Erkenntnis-Methode scheitere ich auch immer wieder.

Glaukos hat geschrieben:ich erkenne zwei eigenartige parallelen: sowohl die weltwirtschaft als auch das klima scheinen die global interessantesten fragen der gegenwart zu evozieren.


Klima oder etwas allgemeiner (da die steigende Erderwärmung ja nur ein Teilproblem ist): Umweltschutz, Bevölkerungswachstum und Ressourcenverteilung, halte ich für das Kernthema des 21. Jahrhunderts. Es wird das Jahrhundert prägen und wahrscheinlich wird der Begriff Geopolitik dadurch eine Renaissance erfahren. Während es heute bei globalen Konflikten häufig um wertvolle Rohstoffe wie Öl, Erdgas oder Edelmetalle geht, wird es in ca. 50 Jahren vermutlich bereits um grundlegende Ressourcen wie Wasser oder fruchtbaren Boden gehen. Die Ungleichverteilung dieser Ressourcen ist für mich die soziale Frage, die das größte Konfliktpotential der Zukunft in sich trägt - und natürlich hängt das auch wieder mit dem Thema "Weltwirtschaft" zusammen und damit, wie die globalen Märkte organisiert sind.

Glaukos hat geschrieben:vielleicht sollte ich noch die dimension der mikroorganismen hinzunehmen, ängste vor schweinegrippe & co sind auch noch weit verbreitet...


Für mich hängt das Thema Viren auch mit dem oben genannten Themenkomplex zusammen, insbesondere dem Thema Bevölkerungswachstum. Vom anthropozentrischen Standpunkt aus betrachtet, sind Viren eine Bedrohung. Vom biologischen System aus betrachtet erfüllen Viren eine wichtige Funktion, nämlich eine Art, die keine Fressfeinde mehr hat und deren Population zu stark ansteigt, zu dezimieren und wieder das natürliche Gleichgewicht herzustellen. Das rasante Bevölkerungswachstum und Tier-Mensch-Ballungszentren begünstigen sowohl die Entstehung neuer Arten (Mutation), als auch die Wahrscheinlichkeit der Übertragung (Infektion). Eigentlich muss die Menschheit zwei Probleme auf einmal managen: Therapiemethoden gegen neue und aggressivere Virenstämme entwickeln und zugleich das ungebremste Bevölkerungswachstum in den Griff kriegen.

Glaukos hat geschrieben:im moment können wir vermutlich wirklich nicht mehr, als informationen über das klima und auch die weltwirtschaft zu sammeln, um sie dann mit zu schaffenden softwares zu analysieren. für klare konzepte und strategien scheint mir die zeit noch nicht reif; auch, weil die interessen der einzelnen "akteure" sich oft gravierend unterscheiden.


Das sehe ich anders. Was Umwelt, Bevölkerung und Ressourcen angeht, sind die Entwicklungen eindeutig und erfordern klare Strategien. Dass sich Akteure nicht einigen können, weil sie unterschiedlich Interessen verfolgen, ist ein Problem der Kooperation und ein schlechtes Argument, politische Entscheidungen aufzuschieben. Die Fakten sind dieselben - sie werden nur unterschiedlich interpretiert.


@sven1421

sven1421 hat geschrieben:Was Marx über den Kapitalismus schrieb, stimmt mit dem persönlichen Kennenlernen nach der Wende immer wieder in den verschiedensten Lebensbereichen erschreckend überein.
Was er als Ausweg anbot - den Kommunismus - hört sich in der Theorie auch verdammt schön an. Scheitert in der Praxis nur leider an einem nicht ganz unwesentlichen Detail: dem Menschen.


Ganz meine Meinung. Wie ich bereits an früherer Stelle in diesem Thread schrieb:

[) i r k hat geschrieben:Bei Marx und seinem dialektischen Denken wundert mich immer die Vorstellung, dass diese "gesellschaftliche" Dialektik jemals in einem Zustand aufgehoben werden könnte. Ich meine, vielleicht verstehe ich ihn falsch, aber für mich verläuft da ein fundamentaler Graben zwischen seiner materialistischen Philosophie/ökonomischen Analyse/Geschichtsdeutung auf der einen Seite - alles drei intellektuell bewundernswerte Leistungen und in vielerlei Hinsicht richtungsweisend - und der dann für das 20. Jahrhundert so verhängnisvoll gewordenen idealistischen Prognose auf der anderen Seite.


Allerdings teile ich deine Prämisse...

sven1421 hat geschrieben:Denn der ist, wie jeder aufmerksame Bibelleser weiß, schon von Geburt an schlecht.

... nicht.

a.) Wo steht das in der Bibel?
b.) Und, wie würdest du das mit deinem Menschenbild und mit genetischen/psychologischen Theorien untermauern?

Und ich finde die Prämisse auch zu fatalistisch.

MfG,
[) i r k
"du trittst da fast in die fußstapfen des unseligen dr goebbels und seiner zensur und verdammungsmaschine." (Ralfchen)

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 19.01.2010, 03:44

hi dirk,

hab ich gerne gelesen. und diesmal mit mehr konzentration - so dass meine stirn wieder glatt gebügelt ist ...

ein paar anmerkungen meinerseits:

"Nur stellt sich generell die Frage, ob ein Unternehmer ein Interesse daran haben kann, eine Energie auf den Markt zu bringen, die Energie fast kostenlos für alle macht?"

solange es keinen monopolisten gibt, wird der preis sinken. und selbst monopolisten wie die telecom sind kollabiert. die preisentwicklung in sachen telekommunikation ist beachtlich. ich erkläre sie mir nur durch technologische durchbrüche. wenn auf dem energiesektor ein echter durchbruch gelingt, wird die energie wesentlich billiger werden. nur werden wir dann vermutlich auch mehr davon nutzen.

"Manchmal bist du, ganz intuitiv und mit deinen eigenen Worten, schon sehr nah an Marx dran."

das will ich hoffen, und zwar in olle marxens sinne ... kann ja nicht völlig blöde gewesen sein, der werte knabe ;)


"Musste ein Arbeiter z.B. 1810 eine Stunde arbeiten, um ein Brot zu kaufen, so muss er 2010 durchschnittlich nur 15 min. arbeiten, um ein Brot zu kaufen. Die Werte habe ich jetzt geschätzt."

interessanterweise ist auch der benzinpreis in deutschland nicht über die inflationsrate hinaus angestiegen, wenn ichs mir recht gemerkt habe. ich meine gelesen zu haben, dass brot und benzin ähnlich langsame preisanstiege erfahren haben. aber deine argumentation tangiert das nicht, die ist gewiss bombensicher: wir produzieren mit viel weniger menschen auf geringeren flächen immense mengen an nahrungsmitteln. auf diesem sektor hat sich, ohne dass es groß gewürdigt würde, eine sensationelle entwicklung ereignet in den letzten 250 jahren ...




"Jetzt eine Quizfrage: Wenn die Produktivität ständig steigt und der Wert der einzelnen Waren sinkt, weil pro Ware im gesellschaftlichen Mittel immer weniger Arbeitskraft notwendig wird, warum steigt dann trotzdem die Geldmenge (die ja deines Erachtens an die vorhandenen Werte gekoppelt ist) unaufhörlich an?"

nein, so habe ich das nicht gemeint. ich schrieb "das geld bzw. der geldwert koppelt sich ...", aber das war missverständlich. denn "das geld" meinte eigentlich die "geldmenge", und geldmenge und geldwert sind zwei paar stiefel.
die geldmenge ist meines erachtens virtuell. geld ist ein zahlenwert. zahlen sind symbole, in ihnen fasse ich symbolwerte. je nach vorhandener geldmenge variiert der geldwert einer sache. also: die geldmenge ist relativ, der geldwert konkret und auch objektiv.

vermutlich sollte ich das noch genauer ausführen, auch als antwort auf deine quizfrage: erst einmal kann auch, selbst wenn der wert einzelner güter (oder ehemaliger luxusgüter) durch überproduktion sinkt, zugleich auch der gesamtwert ansteigen. wenn ich also als marcel duchamp noch ein zweites klosett signiere, dann muss der wert des ersten nicht halbiert werden, er kann auch nur gedreiviertelt werden, so dass insgesamt dennoch ein höherer gesamtwert entsteht.

und: die geldmenge muss steigen, wenn fleißig dinge produziert werden. und nicht nur dinge, auch weitere menschen (menschen sind letztendlich auch werte, wenn man das gesamte system betrachtet) etc..
gleichzeitig werden auch ressourcen vernutzt, einige irreversibel zerstört, wiewohl mit der zerstörung auch wieder ein - in meinem jargon - veredelungsprozess einhergehen kann.

dass der prozess der geldmengensteigerung exponentiell stattfindet, habe ich auch begriffen, als ich einen beitrag über die FED gelesen habe, ich glaube auch auf den goldseiten. da war auch mir klar, wie der hase hier läuft ...

es ist eben schwer, werte zu bestimmen.
überhaupt: es gibt ja neuerdings auch schon ideele werte, es gibt börsenunternehmen, die nahezu ausschließlich mit ihren ideen (oder patenten) profit erzeugen. wie soll ich eine idee vergleichen mit einem stück brot? wie mit einer maschine, wie mit einem menschen (lebensversicherung, entschädigung der familie im todesfall nach bombenabwurf in afghanistan)?

aber all diese verschiedenen aggregatszustände von "werten" will man unbedingt in einer währung messen.

würde man global alle werte ans gold koppeln, hätte man das problem, dass nicht alles gold aus der erde gegraben worden ist. und wäre es so, dann würde die goldmenge allmählich schrumpfen (es verschwindet ja auch ständig bargeld). gold könnte also auch kein konstanter wert sein.

gewiss ist diese blasenbildung, die du schön erklärt hast, kein besonders harmonisches modell. die crashs zehren an den nerven, soviel ist sicher.

was aber anstelle dessen etablieren? eine fixe menge einer weltwährung? oder eine digitale währung? eine digitale weltbank? die nur 1 billion an einheiten ausgibt?

ich neige zu dem glauben, dass es gar nicht den unterschied macht, ob die geldmenge begrenzt ist oder nicht: die werte, die wir dingen zuweisen, ändern sich täglich. ja ich möchte fast schreiben: situativ. wenn ich pleite bin und heute mein haus verkaufen muss, nicht ein jahr warten kann, um einen (dummen) käufer zu finden, werde ich einen großen verlust erleiden. das hat dann weder mit dem zustand des hauses zu tun noch mit der gegenwärtigen wirtschaftslage, es ist lediglich eine frage der situation.
auch mit einer fixen geldmenge würde sich nach wie vor täglich eine neue situation einstellen, neue angebote werden auftauchen und neue nachfragen entstehen. warum sollte sich diese dynamik dadurch ändern?


"Geld ist eben kein Äquivalent von natürlichen vorhandenen, begrenzten Ressourcen (z.B. Gold) oder menschlicher Arbeit (in Form von produzierten Waren). Und die Geldmenge entwickelt sich (leider) auch nicht parallel zur Produktivität einer Gesellschaft, auch wenn man uns das gern glauben machen möchte."

ja, das stimmt, die geldmenge entwickelt sich in einer eigenen dynamik, die dummerweise schwer einsehbar ist (bzw. sein soll?). hätte man die 1 billion einheiten einer weltwährung, wäre der wert einer geldeinheit robust. heute hingegen ist alles robust, nur nicht das geld.
hier erkenne ich durchaus einen fundamentalen unterschied.
denn im falle eines robusten geldes würde es sinn machen, das geld zu horten ...


dass die banken so wenig eigenkapital haben, ist erstaunlich.
und hier möchte ich beinahe (in dirkschem lieblingsvokabular) schreiben: naiv.


"Die Geldmenge in den USA wächst rasant. Dies sehen Sie am Chart. Gegenüber 1990 ist die Geldmenge M2 (Einlagen mit maximal drei Monaten Kündigungsfrist) fast 3mal so hoch, wohingegen die Wirtschaft immer nur um 3 Prozent bis 5 Prozent wächst - in guten Jahren."

ja, das ist die pointe.
ein paradies für die mathematisch gebildeten, die auch noch über kapital verfügen ...



"c.) Sie wirkt kumulativ. Die Gruppe der Gläubiger wird immer kleiner und die Gruppe der Schuldner wird immer größer. Das System ist schon mathematisch so konstruiert, dass eine Konzentration/Monopolisierung des Geldes stattfindet."

glaube ich weniger. auch die sogenannt superreichen wie bill gates würden mit ihrem vermögen vermutlich nichtmal sämtliche werte innerhalb einer kleinstadt wie freiburg erwerben können. vermutlich reichte es höchstens für rothenburg ob der tauber ...

und mit schuldnern habe ich kein mitleid. es wird niemand mit schulden geboren. wer sich darauf einlässt, hat ebenfalls in mathematik nicht aufgepasst.

"a.) Wo steht das in der Bibel?"

ich will zwar sven nicht die antwort vorwegnehmen, aber vorlaut wie ich bin - lieber dirk, von der erbsünde solltest du als alter heide auch schonmal was gehört haben. warum sonst ist denn der liebe herrjesus zur erde hinabgekommen?

sven1421
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon sven1421 » 19.01.2010, 08:35

@Glaukos: Kein Problem, ich hab die entsprechende Bibelstelle trotzdem schon wegen des genauen Zitats nochmal rausgesucht:
"Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. " (1.MOSE.8,21)
Der Ausspruch Gottes stammt aus der Geschichte von Noah nach Beendigung der Sintflut. Gott hat also bibelgeschichtlich recht schnell erkannt, daß er das Böse im Menschen nicht ausmerzen kann. Der Mensch braucht für diese Erkenntnis meist weitaus länger und für das Erlernen, wie man mit ihr umgehen kann, im Grunde genommen sein ganzes Leben.

@[) i r k: Was Deine Frage nach meinem Menschenbild angeht, so bin ich weitaus weniger enttäuscht vom Menschen und von mir selbst, seit ich um das Böse in uns weiß. Es ist nunmal da und kommt immer wieder durch. Ich akzeptiere das an mir und auch bei anderen. Auch wenn wir uns noch so große Mühe geben, dann ist uns Eifersucht, Neid, Haß und Wut dennoch allen nichts Fremdes. Entscheidend ist, wie man mit diesen Gefühlen bei sich und anderen umgeht. Kann ich Zorn in mir verkraften, laß ich ihn in gewissem Maße auch zu?! Wie gehe ich damit um, wenn jemand mich verletzt oder beschimpft?! Kann ich ihm vergeben, gebe ich ihm eine zweite Chance, suche ich ein klärendes Gespräch?! Ich kann mit den verschiedenen Gefühlen ganz gut umgehen, denn ich lasse sie zu, bei mir und auch bei anderen. Und ich vergebe Schwächen, die daraus resultieren, anderen ebenso wie mir - weil Gott sie mir auch vergibt!

[) i r k
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 30.01.2010, 21:53

Liebe Gutmenschen, liebe Erbsünder,

wieder mal ein spannendes Interview mit einem Querdenker gefunden:
"Der Markt versagt ständig"

Einige Auszüge daraus:

Leonhard Fischer hat geschrieben:Es spricht vieles dafür, dass das Investmentbanking zu stark und zu schnell gewachsen ist. Die zentrale Frage aber ist, warum das Wachstum so explodierte.

Das Weltwirtschaftssystem weist einen unverändert vorhandenen Webfehler auf. Es gibt zu viel vagabundierendes Kapital, für das sich keine Investitionsmöglichkeiten finden und das immer neue Spekulationswellen erzeugt.

Nur weisen Volkswirtschaften wie China gigantische Überschüsse in der Leistungsbilanz auf, während viele wichtige westliche Länder wie die USA ein Defizit haben, weil sie mehr konsumieren, als sie erarbeiten. In Amerika wird in den nächsten zehn Jahren die Babyboomer-Generation in Rente gehen. Diese Menschen müssen dann ihre Altersvorsorge zu Geld machen. Das wird schwerer werden als gedacht, denn die amerikanische Gesellschaft als Ganze hat in den vergangenen Jahren nicht etwa Ansprüche auf Rentenzahlungen aus dem Rest der Welt erworben, sondern der Rest der Welt, allen voran die asiatischen Länder und die des Mittleren Ostens, hat Ansprüche auf die zukünftige Arbeit amerikanischer Kinder erworben. Das ist paradox. Ein solches systemisches Ungleichgewicht führt uns von einer Krise zur nächsten. Und alle paar Jahre geht dann wieder eine dieser Blasen hoch. Das ist keine Verschwörung von Investmentbankern.

Investmentbanking ohne Boni gibt es nicht. Das ist the nature of the beast. Man muss aber auch sehen, dass paradoxerweise gerade die Politik immer wieder dafür sorgt, dass der Bonustopf voll wird.

Wir haben ein hybrides System. Auf der einen Seite eine neoliberale Marktwirtschaft und auf der andere Seite geopolitische Eingriffe und Einflussnahmen. Diese Mischung ist brisant und äußerst instabil.

Die Märkte für Staatsanleihen zum Beispiel sind derzeit massiv verzerrt, weil die Zentralbanken die großen Käufer sind. Die haben schon alles Mögliche gekauft und drucken damit Geld.

Ich halte es für einen schweren Fehler, das wir uns aus der Krise einfach herausgekauft haben.

Unsere Antwort auf diese und vorige Krisen war immer dieselbe: mehr Liquidität. Noch mehr billiges Geld. Das konnte man machen, weil die Konsumentenpreise stabil blieben und das Geld in dieser Hinsicht nicht inflationär wirkte. Dafür ist aber eine asset inflation entstanden. [...] Es ist zu viel Geld gedruckt worden, das ist gar keine Frage. Und von diesem Geld wurden Aktien gekauft und Häuser und Kunstwerke. Und dann eben auch Subprime-Kredite.

Lehman pleitegehen zu lassen war eine richtige Entscheidung. Keine andere Bank pleitegehen zu lassen war die falsche. Ich gehöre zu einer sehr kleinen Minderheit, die das so sieht. Ich gebe auch zu, dass es bequem ist, das im Nachhinein im Sessel sitzend zu beurteilen.

Es wäre besser gewesen, die privaten Investoren stärker zur Kasse zu bitten. Mehr private Verluste, damit der Erinnerungsmechanismus funktioniert.

An der Spitze sollten Maßnahmen zur verstärkten Kapitalunterlegung von unterschiedlich riskanten Geschäften stehen. Wo das nicht ausreicht, sollte eine Einschränkung, so wie Obama es vorgeschlagen hat, der Größe der Banken erfolgen. Dies ist allein deshalb erforderlich, weil die verschärfte Tendenz zur Oligopolisierung des internationalen Bankgeschäftes nicht im Interesse der Kunden und der Gesellschaft ist. Vielfalt stabilisiert das Finanzsystem.

Ich bin heute ein mindestens so großer Anhänger der Marktwirtschaft wie vor drei Jahren. Das Grundmodell ist mir sehr sympathisch: hohe Flexibilität, Experimentierfreude, Offenheit, Toleranz. Aber der Selbstbetrug, dass die Verschuldung immer weiter wachsen kann, diesen Exzess würde ich kritisieren. Meine Befürchtung ist, dass die westlichen Länder seit einer Dekade über ihre Verhältnisse leben und mit steigenden Staatsschulden und billigem Geld die unweigerliche Anpassungskrise immer weiter hinausschieben, aber nicht verhindern können. Daran ist nicht die Marktwirtschaft schuld.

Der Markt versagt ständig. Das ist das Wesen der Marktwirtschaft, dass sie zu jedem Tag falsch ist. Darum verändert sie sich auch jeden Tag. Das ist ja ein suchendes System. Kein Preis stimmt, denn in der nächsten Minute ist er schon wieder anders. Dabei entsteht zugleich Balance. Das ist Marktwirtschaft.

Wir erleben die ersten tektonischen Beben einer Zeitenwende. Das ist ein globaler Umbruch, bei dem die USA und Europa ihren über Hunderte von Jahren genossenen Hegemonialanspruch verlieren. Solche epochalen Veränderungen gingen in der Vergangenheit oft mit Kriegen, immer aber mit großen Verwerfungen einher. Die Gleichgewichte müssen sich neu definieren, die relativen Preise von Arbeit, Kapital und Rohstoffen verändern sich. Das führt unweigerlich auch zu Fehlallokationen. Ich gebe zu, dass ich selbst die Geschwindigkeit und das Ausmaß dieser Machtverschiebung vorher nicht ansatzweise gesehen habe.


* * *

Und weiter geht's:

Glaukos hat geschrieben:glaube ich weniger. auch die sogenannt superreichen wie bill gates würden mit ihrem vermögen vermutlich nichtmal sämtliche werte innerhalb einer kleinstadt wie freiburg erwerben können. vermutlich reichte es höchstens für rothenburg ob der tauber...


Also, wenn man Einzelinvestoren wie Gates oder Buffet nimmt, magst du Recht haben. Obwohl Buffet in den USA zuletzt mal eben für 34 Milliarden USD den Eisenbahnkonzern BNSF übernommen hat. BNSF unterhält mit 54.000 Kilometern eines der größten Schienennetze in den USA. Also auch ein großes Stück Infrastruktur.

Allerdings sind Investition ja selten so konzentriert, sondern werden gestreut, um schon allein das Risiko bei einer Fehlinvestition zu minimieren. Ein Hedgefond setzt sich daher aus tausenden Einzelinvestoren zusammen.

Und, was die deutschen Städte und Kommunen angeht, täuschst du dich meines Erachtens gewaltig. Die Kommunen sind hochverschuldet und einige fast zahlungsunfähig:
Desaströse Geldnot: Klamm, klammer, Kommunen

Unterm Strich ist "die derzeitige Finanzmisere der Kommunen beispiellos in der Nachkriegsgeschichte", sagt Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.

So stehen viele Städte und Gemeinden in Ostdeutschland inzwischen vor dem finanziellen Ruin, ebenso einige Städte in Nordrhein-Westfalen wie Wuppertal und Oberhausen.

Nach Ansicht von Kommunalökonom Müller-Fürstenberger ist die Lage in Wirklichkeit sogar noch schlimmer als vom Statistischen Bundesamt belegt. Denn "viele Gemeinden haben ihre Schulden durch die Umwandlung ihrer städtischen Betriebe in Sondervermögen wie den Eigenbetrieben ausgelagert. Sie tauchen dann nicht mehr in den Statistiken auf", sagt der Wissenschaftler.

Die Kommunen befinden sich in der Zwickmühle. Um irgendwie an Geld zu kommen, bedienen sich viele sogenannter Kassenkredite - "vergleichbar einem überzogenen Girokonto", sagt Müller-Fürstenberger. "Die Kredite sind kurzfristig, und ebenso werden die Zinsen kurzfristig festgesetzt. Das ist sehr gefährlich, weil die Zinslast plötzlich in die Höhe schnellen kann."


Nun stellt sich mir die Frage: Bei wem sind die Kommunen derart verschuldet? Wer verdient an Zins und Zinseszins der Kredite, welche von den Städten und Landkreisen aufgenommen wurden? Und kommt das nicht Besitz gleich?

Schwimmbäder, Theater werden geschlossen, Schulen und Straßen nicht saniert. Die Infrastruktur wird also nicht verkauft, sondern sie wird stillgelegt/abgewickelt.

Vielleicht haben amerikanische Investoren deutsche Infrastruktur noch nicht gekauft, aber sie haben bereits in einigen deutschen und österreichischen Kommunen Abwassernetze, Messehallen, Straßenbahnen, etc. gemietet, die dann von den Eigentümern zurückgeleast werden. Das ganze nennt sich Cross-Border-Leasing:
Cross-Border-Leasing

Beispiel, wie so ein Geschäft funktioniert (unter Beteiligung des Pleite gegangenen und verstaatlichten US-Versicherers AIG): Beispiel eines Cross-Border-Leasing-Geschäfts

Anscheinend sind die Steuervorteile für Investoren in den USA jetzt aber anfechtbar und CBL-Verträge wurden durch die Finanzkrise jetzt auch für deutsche Kommunen zum Risiko:
Der Fluch des schnellen Geldes

Glaukos hat geschrieben:und selbst monopolisten wie die telecom sind kollabiert. die preisentwicklung in sachen telekommunikation ist beachtlich. ich erkläre sie mir nur durch technologische durchbrüche.


Sehe ich auch anders. Für mich ist das ein Beispiel einer gelungenen Privatisierung eines staatlichen Unternehmens und das Entstehen einer sehr starken Konkurrenzumfeldes auf dem Markt, das sich positiv für den Endverbraucher ausgewirkt hat, durch fallende Telefon- und Internetzugangspreise. Aber der Telekommunikationsmarkt konsolidiert sich im Augenblick wieder sehr stark (deutlich im Bereich DSL erkennbar, z.B. durch den Verkauf von Arcor an Vodafone, von Freenet an 1&1, usw.), d.h. die Konkurrenz geht wieder zurück und die Preise werden in den nächsten Jahren anziehen.

Glaukos hat geschrieben:nein, so habe ich das nicht gemeint. ich schrieb "das geld bzw. der geldwert koppelt sich ...", aber das war missverständlich. denn "das geld" meinte eigentlich die "geldmenge", und geldmenge und geldwert sind zwei paar stiefel.
die geldmenge ist meines erachtens virtuell. geld ist ein zahlenwert. zahlen sind symbole, in ihnen fasse ich symbolwerte. je nach vorhandener geldmenge variiert der geldwert einer sache. also: die geldmenge ist relativ, der geldwert konkret und auch objektiv.


Ich weiß nicht, ob ich dich hier richtig verstehe. Für mich liegt in den beiden Sätzen "geldmenge und geldwert sind zwei paar stiefel" und "je nach vorhandener geldmenge varriert der geldwert einer sache" ein Widerspruch. Wieso ist die Geldmenge virtuell und der Geldwert objektiv? Kann ich die Geldmenge nicht ganz konkret/objektiv beziffern und z.B. mit der Inflation eines Landes vergleichen? Und gibt es nicht eine Korrelation zwischen Geldmenge und dem Wert einer einzelnen Einheit? Angenommen die Realgüter einer Volkswirtschaft blieben konstant, aber die Geldmenge würde sich plötzlich verdoppeln: Würde das nicht bedeuten, dass ich für das selbe Geld nur noch die Hälfte der Waren/Dienstleistungen bekäme?

Glaukos hat geschrieben:erst einmal kann auch, selbst wenn der wert einzelner güter (oder ehemaliger luxusgüter) durch überproduktion sinkt, zugleich auch der gesamtwert ansteigen. wenn ich also als marcel duchamp noch ein zweites klosett signiere, dann muss der wert des ersten nicht halbiert werden, er kann auch nur gedreiviertelt werden, so dass insgesamt dennoch ein höherer gesamtwert entsteht.


Interessantes Beispiel und eine gute Antwort auf meine Quizfrage.

Aber wäre nicht auch denkbar, dass, wenn Duchamp nicht ein oder zwei, sondern hundert WCs signiert hätte, der Gesamtpreis dieser hundert WCs (durch zu geringe Nachfrage) unter den Gesamtwert des einen Unikats sinken würde (z.B. 100 Duchamp-WCs zusammen 500.000 EUR, aber ein Unikat-WC 1.000.000 EUR)?!?

Klar ist, dass bei jeder Art von Waren, sei es nun Gebrauchsgegenstand oder Kunst, der Preis von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Anscheiend gibt es aber ein berechenbares Optimum, in der Volkswirtschaft nennt sich das "Gleichgewichtspreis":

Bild
Entstehung des Gleichgewichtspreises

Bild
Auswirkungen einer sinkenden Nachfrage

Bild
Auswirkung eines sinkenden Angebots

Quelle: Preisbildung

Eine besondere Bedeutung kommt dem Preis zu, der Angebot und Nachfrage zum Ausgleich bringt. Diesen Preis nennt man Marktausgleichspreis oder Gleichgewichtspreis. Das ist der Preis, zu dem auf Konkurrenzmärkten so viel angeboten wird wie nachgefragt wird. In einem Marktdiagramm liegt der Gleichgewichtspreis im Schnittpunkt der Angebots- und der Nachfragekurve.

Quelle: Gleichgewichtspreis


Und weiter:

Glaukos hat geschrieben:und: die geldmenge muss steigen, wenn fleißig dinge produziert werden. und nicht nur dinge, auch weitere menschen (menschen sind letztendlich auch werte, wenn man das gesamte system betrachtet) etc..


Warum muss die Geldmenge durch Produktion oder Produktionszunahme steigen? Eigentlich war das ja genau meine Frage: Wenn der Wert von Waren durch Produktionszunahme, Rationalisierung oder Produktionsüberschuss sinkt, warum muss die Geldmenge dann zunehmen? Jetzt ist deine Antwort: Sie muss zunehmen. Das erklärt aber meine Frage nicht.

Glaukos hat geschrieben:gleichzeitig werden auch ressourcen vernutzt, einige irreversibel zerstört, wiewohl mit der zerstörung auch wieder ein - in meinem jargon - veredelungsprozess einhergehen kann.


Mhh, auch das verstehe ich nicht: Wenn Ressourcen, Waren und Güter verbraucht werden (also z.B. ganz verschwinden oder an Wert verlieren, als Beispiel die Ölfelder in den USA oder ein gekaufter PKW, der mit der Anzahl der Jahre immer mehr an Wert verliert), warum muss dann die Geldmenge steigen? Gut jetzt könnten wir auch wieder Angebot und Nachfrage ins Spiel bringen: Desto weniger Öl, desto wertvoller ist es. Desto mehr Autos pro Jahr produziert werden (bei gleich bleibender Nachfrage), desto billiger werden sie.

Aber ich frage mich, ob das wirklich etwas mit der Geldmenge zu tun hat? Eine größere Geldmenge verändert zwar das Äquivalent zwischen Geld und Ware (z.B. 30.000 USD für ein Auto, statt 20.000 USD für ein Auto XY), aber es verändert nicht den Tauschwert zwischen Ware und Ware (der Tauschwert von 1 Auto XY = 275 Barrel Öl bleibt auch nach Veränderung der Geldmenge konstant, sofern sich Angebot und Nachfrage nicht ändern).

[) i r k hat geschrieben:Jetzt eine Quizfrage: Wenn die Produktivität ständig steigt und der Wert der einzelnen Waren sinkt, weil pro Ware im gesellschaftlichen Mittel immer weniger Arbeitskraft notwendig wird, warum steigt dann trotzdem die Geldmenge (die ja deines Erachtens an die vorhandenen Werte gekoppelt ist) unaufhörlich an?


Ich versuche mal meine Frage selbst zu beantworten: Die Geldmenge entwickelt sich nicht in Abhängigkeit zu Produktion oder gesamtwirtschaftlichen BIP. Die Ursachen habe ich in meinem vorigen Beitrag konkret darzustellen versucht (Stichwort: Geldfunktionen, Zinseszins). Ich glaube, dass die Geldmenge konkret von der Anzahl der Kredite, der Höhe der jährlichen Zinsen und der Zeit bis zur Tilgung dieser Zinsen abhängt (Laufzeit).

Hier noch ein interessanter Link dazu. Sehr lesenswert, auch wenn ich zugeben muss, dass ich das nicht alles im Detail verstehe: Geldmenge der EZB unendlich?

Glaukos hat geschrieben:dass die banken so wenig eigenkapital haben, ist erstaunlich.


Erstaunlich finde ich dabei eigentlich den Vorgang der Geldschöpfung:

Mit dem Vorgang der Geldschöpfung wird Geld erzeugt und dem Wirtschaftskreislauf zugeführt. Dies geschieht nicht durch „Geld drucken“, sondern durch Kreditaufnahme von Unternehmen, öffentliche Hand und Privatpersonen bei Geschäftsbanken oder von Geschäftsbanken bei Zentralbanken bzw. durch gegenseitige Kreditvergabe der Geschäftsbanken untereinander (Interbankenkredite) z. B. am Geldmarkt. [...] Durch Tilgung von Krediten bzw. Verkauf von Aktiva der Banken wird das geschöpfte Geld wieder vernichtet.

Die Geldmenge wird durch Vergabe von Krediten bzw. Ankauf von Aktiva durch Banken vermehrt und durch Rückzahlung von Krediten bzw. Verkauf von Aktiva von Banken vermindert. Diese Vorgänge nennt man Geldschöpfung und Geldvernichtung.

Da Geld heute überwiegend durch Kreditvergabe geschaffen wird, sei es von der Zentralbank gegenüber den Geschäftsbanken, sei es bei Geschäftsbanken gegenüber ihren Kreditkunden oder durch gegenseitige Kreditvergabe der Geschäftsbanken, ist Geld auch ein Schuldanerkenntnis. Wesentlich dabei ist, von wem und an wen dieses Schuldanerkenntnis besteht.

Aus diesen Vorgängen ist ersichtlich, dass die Menge des vorhandenen Geldes vom Umfang der Kredite bzw. dem Volumen der von Banken mit zusätzlich erzeugtem Geld angekauften Aktiva abhängt und unter Schwankungen in der Regel wächst (zeitweise aber auch schrumpfen kann, z. B. in Deflationen).

Die Geschäftsbanken können gemäß dem Mindestreservesatz ein bestimmtes Vielfaches ihrer Zentralbankgeldguthaben in Form von Krediten an die Endverbraucher – die Unternehmer und Privatpersonen (Nichtbanken) – weitergeben (in der EU gilt ein Mindestreservesatz von 2 %, d. h. Geschäftsbanken können das 50fache ihrer Zentralbankgeldguthaben als Kredite in Form von Buchgeld vergeben).

Quelle: Geldschöpfung


Klingt immer noch paradox für mich. Etwas einfacher wird der Sachverhalt in dem kleinen Film "Money as debt" erklärt, den ich hier zur Vertiefung nochmals empfehlen will:




Glaukos hat geschrieben:und hier möchte ich beinahe (in dirkschem lieblingsvokabular) schreiben: naiv.


Oder genial. Je nach Betrachtungswinkel. :-D

Glaukos hat geschrieben:es ist eben schwer, werte zu bestimmen.


Warum? Oder bedeutet "schwer" hier einfach: "Das verstehe ich nicht"?

Glaukos hat geschrieben:es gibt ja neuerdings auch schon ideele werte, es gibt börsenunternehmen, die nahezu ausschließlich mit ihren ideen (oder patenten) profit erzeugen. wie soll ich eine idee vergleichen mit einem stück brot?


Naja, Angebot und Nachfrage würde ich sagen. Der Wert des Börsenunternehmens bestimmt sich über die Nachfrage der Aktien. Desto mehr Aktien gekauft werden, desto teurer werden diese Aktien. Und der Vergleich von Idee und Brot ist doch auch möglich. Ich kann meine Idee Investoren verkaufen und das Geld, das diese Investoren für meine Idee zu bezahlen bereit sind, kann ich in Brot umrechnen und mit meiner Idee vergleichen. Meine Idee kann aber auch evt. ein Musikstück sein, dass ich vermarkten lasse. Auch hier bestimmt dann die Nachfrage den Wert: Wenn mein Lied in den Charts auf Platz 1 klettert, ist die Nachfrage also größer als bei allen anderen Liedern, die derzeit auf dem Markt sind und dies entspricht der Anzahl verkaufter Tonträger bzw. Downloads bei iTunes & Co. Ebenso kann meine Idee ein Drehbuch sein, ein Roman, ein Sammlung von Gedichten, ein von mir gemaltes Bild oder ein Algorithmus in einer Programmiersprache (z.B. der PageRank war ja auch mal eine Idee). Ideen sind doch das, was Kultur und Produktivität am meisten beeinflussen und neue Werte schaffen.

Glaukos hat geschrieben:was aber anstelle dessen etablieren? eine fixe menge einer weltwährung? oder eine digitale währung? eine digitale weltbank? die nur 1 billion an einheiten ausgibt?


Vorsicht! Ich kritisiere nicht die dynamische Geldmenge an sich, sondern bestimmte Funktionen von Geld (Zinseszins). Wir bezeichnen Geld immer gern als "Tauschwert" oder als "Zahlungsmittel". Aber ich bin der Meinung, dass Geld diese Mittler- oder Tauschfunktion längst transzendiert hat. Es ist zum Zweck, zum gesellschaftlichen Definitionsmerkmal geworden (Schuldner-Gläubiger-Relation). Von seiner ursprünglichen Funktion (X und Y zu tauschen) wurde es in einigen Bereichen des Wirtschaftssystems vollkommen entfremdet. Und ich bin der Meinung, dass man diese Entfremdung in allen gesellschaftlichen Beziehungen, auf allen Ebenen, überall auf der gesamten Welt beobachten kann: die horrende Staatsverschuldung, die Verschuldung der Dritten Welt, die Subprime Krise in den USA, die private Schuldenfalle, die steigende Zahl von Unternehmensinsolvenzen, die Oligopolisierung des Kapitals. Und das ist nur die ökonomische Dimension - es gibt auch sprachliche, psychologische, soziologische Dimensionen dieses Wandels. Das entfremdete Geld hat dazu geführt, dass der Mensch selbst zum Tauschobjekt, zum Mittel degradiert worden ist. Das eigentliche Subjekt des Marktes scheint nicht mehr der arbeitende, Wert schaffende Mensch oder die arbeitsteilige, produktive Gesellschaft zu sein, sondern das Geld an sich.

Geld ist eine neue Form der Sklaverei, die sich von der alten nur unterscheidet, indem sie unpersönlich ist, dass es keine direkte Beziehung zwischen Herren und Sklaven gibt.

Leo Tolstoi


Aber zurück zu deiner Frage: "Was aber anstelle dessen etablieren?"

Mein Vorschlag wäre eine Weltwährung einzuführen, die den USD ablöst, und die umlaufgesichert ist:

Als Alternative für das Bretton-Woods-System, welches die Wechselkurse westlicher Währungen vom Ende des 2. Weltkriegs bis zum Crash des Systems 1973 festlegte, schlug Keynes 1944 den Bancor vor, welcher als internationale zwischenstaatliche Verrechnungswährung mit einer Umlaufsicherung behaftet hätte sein sollen. Das Ziel des Bancors wäre gewesen, zum einen der Vormachtstellung des US-Dollars im Bretton-Woods-System vorzubeugen, und zum anderen durch die stetige Verkleinerung von Handelsüberschüssen bzw. Handelsdefiziten die Weltwirtschaft durch bessere Anreize zu stabilisieren.

Quelle: Freigeld#Geschichte


Glaukos hat geschrieben:ich neige zu dem glauben, dass es gar nicht den unterschied macht, ob die geldmenge begrenzt ist oder nicht... [...] auch mit einer fixen geldmenge würde sich nach wie vor täglich eine neue situation einstellen, neue angebote werden auftauchen und neue nachfragen entstehen. warum sollte sich diese dynamik dadurch ändern?


Glaube ich auch nicht (siehe meine Anmerkungen zu Angebot und Nachfrage von oben). Wie gesagt: Mir geht es eher um eine Revision der gesellschaftliche Funktion des Geldes (insbesondere der in meinem vorigen Beitrag dargelegten Zinseszins- und die Kredit-Funktion). Ich möchte ein Geld, das stabiler und weniger zerstörerisch wirkt (Crashs, Inflation, Privatinsolvenz, Arbeitslosigkeit etc.), ein Geld, das fairer ist ohne die Wirkungsmechanismen des Marktes (Angebot, Nachfrage, Konkurrenz, steigende Produktivität) auszuhebeln, und ein Geld, das nicht gesellschaftlicher Endzweck ist. Da bin ich deiner Meinung: Eine konstante Geldmenge würde diese Problem nicht lösen. Aber vielleicht umlaufgesichertes Geld. Oder auch ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Diskutieren kann man viel, aber es käme auf einen Versuch und die Sammlung empirischer Daten an.

Glaukos hat geschrieben:und mit schuldnern habe ich kein mitleid. es wird niemand mit schulden geboren.


Wer wird deines Erachtens die Schulden von Bund, Ländern und Kommunen in den nächsten Jahren bezahlen und abtragen müssen?

2009 betrug die Staatsverschuldung pro Kopf 20.168 EUR. Ein Kind, dass 2009 geboren wurde, könnte man sagen, wurde also mit 20.000 EUR Schulden geboren. Und meinst du nicht, dass diese Staatsschulden z.B. auch die Bildungschancen eines heute geborenen Kindes beeinflussen?

Ich habe Mitleid mit zukünftigen Generationen, denen wir diese Schulden vererben.

Glaukos hat geschrieben:lieber dirk, von der erbsünde solltest du als alter heide auch schonmal was gehört haben. warum sonst ist denn der liebe herrjesus zur erde hinabgekommen?

Interessanterweise habe ich mich just zu dem Zeitpunkt im Zusammenhang mit einer literarischen Arbeit mit dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies beschäftigt. Ich frage mal naiv zurück:

1.) Inwiefern kann man die Erbsünde mit Schlechtigkeit gleichsetzen? Oder anders ausgedrückt: Wie macht uns die Erkenntnis, also die Fähigkeit, gut und böse unterscheiden zu können, von Geburt an schlecht?
2.) Die Erbstrafe Gottes bestand u.a. darin, dass die Frau unter Schmerzen Kinder zur Welt bringen und der Mann unter Mühsal den Acker bestellen muss? Was hat Jesu Leben, Tod und Auferstehung daran geändert?

Und ich stelle mir ein paar weitere Fragen:
3.) Wenn die Menschen vor dem Sündenfall gut und böse noch nicht unterscheiden konnten, was hätte sie befähigen können, das Gebot Gottes überhaupt zu befolgen?
4.) Warum hat Gott um die Bäume der Erkenntnis und des Lebens nicht einfach einen Zaun gebaut? Desto länger ich darüber nachdenke, desto mehr erscheint mir die Rolle Gottes in dem Gleichnis der des eigentlichen Verführers zu sein. Wenn ich ein Kind habe, vor seinen Augen Schokolade in eine Schublade lege, zu ihm sage: "Du sollst nicht davon essen" und dann weggehe - was wird wohl passieren?

sven1421 hat geschrieben:"Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. " (1.MOSE.8,21)


Das ist doch auch seltsam, oder? Ich meine, immerhin hat Gott den Menschen nach seinem "Ebenbilde" erschaffen. Ist das Urteil über seine Schöpfung nicht dann zugleich ein Urteil über ihn selbst?

sven1421 hat geschrieben:weil Gott sie mir auch vergibt!


Auch absurd, oder? Gott verzeiht den Fehler, den er selbst bei der Erschaffung des Menschen verursacht haben muss? Das Konzept der "Schlechtigkeit von Geburt an" macht aus Sicht einer kreationistischen Weltanschauung so überhaupt keinen Sinn.

sven1421 hat geschrieben:Ich akzeptiere das an mir und auch bei anderen. Auch wenn wir uns noch so große Mühe geben, dann ist uns Eifersucht, Neid, Haß und Wut dennoch allen nichts Fremdes. Entscheidend ist, wie man mit diesen Gefühlen bei sich und anderen umgeht.


Da gebe ich dir Recht, Sven. Es ist (vom psychologischen Standpunkt aus) wichtig, diese Gefühle zu kennen und zu akzeptieren, um mit ihnen umgehen zu können. Die Leugnung und Unterdrückung dieser menschlichen "Grundgefühle" kann mehr Schaden anrichten als das ebenfalls schädliche, gänzlich unsublimierte Ausleben.

Auch in Bezug auf den Markt finde ich es wichtig, (einhergehend mit dem Dogma der "unsichtbaren Hand") von einem eigennützig denkenden Menschen auszugehen und lieber zu schauen, wie man diesen Eigennutz als gesellschaftlichen/öknomischen Antrieb nutzen kann, anstatt einen fiktiven Gutmenschen zu fordern. Also lieber mit einem theoretischen Worst-Case-Szenario arbeiten, anstatt ideologisch geprägte Utopien zu entwerfen.

Aber beides, ein theoretischer Homo oeconomicus oder ein theologischer Homo malitia sind Konstrukte. Denn der Mensch ist auch von Geburt an ein soziales Wesen (zoon politikon), ein empfindsames, empathisches Wesen, das auch zu altruistischen Handlungen und Liebe fähig ist. Er kann nicht auf Kostenmaximierung und Eigennutz einerseits oder Gier und Neid andererseits reduziert werden. Das meinte ich damit, dass ich deine Prämisse "der Mensch ist von Geburt an schlecht" nicht teile. Denn der Mensch bringt m.E. von Geburt sowohl gute wie schlechte Eigenschaften mit und selbst die schlechten Eigenschaften haben eine biologische Funktion (z.B. die Sicherung des eigenen Überlebens). Weswegen es wohl adäquater wäre, erst gar nicht von guten und schlechten Eigenschaften zu reden.

Ebenso wenig halte ich die "Gier der Bankmanager" für die Ursache der Finanzkrise. Das ist nur Augenwischerei und verschleiert z.B. die Rolle der Politik und die "Gier der Kleinanleger".

MfG,
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 31.01.2010, 05:53

Gedankenexperiment

Ich frage mich folgendes: Wenn man sich im Schneeballverfahren im Internet zu einem festen Termin verabredet (als kollektive Protestaktion gegen die Finanzkrise), alle Ersparnisse und Einlagen weltweit gleichzeitig abzuheben und Bar auszahlen zu lassen, was dann wohl passieren würde? Das wäre dann kein "bank run", sondern ein "financial system run".

Ich frage mich, wo da die kritische Größe ist?

Mal überlegen: Im Euroraum waren im August 86 Milliarden EUR in Münzen und ca. 675 Milliarden EUR in Banknoten im Umlauf. Sind 761 Milliarden Cash. Bevölkerung: ca. 500 Millionen. Das wären 1.350 EUR pro Kopf. Was eine ganze Menge Holz ist. Wenn 1/5 der Bevölkerung mitmacht, was immerhin noch 100 Millionen sein würden, müssten im Durchschnitt bereits 7.610 EUR pro Kopf abgehoben werden.
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 01.02.2010, 22:27

Nachtrag, der sich fast nahtlos an mein Gedankenexperiment anschließt:

Protest gegen die Wall Street: US-Kunden revoltieren gegen Großbanken

Mit einer Kontowechselkampagne wehren sich Amerikaner gegen verhasste Großbanken. Kunden wie die Autorin Amy Sohn ziehen ihr Geld ab und legen es bei kleinen Kommunal- und Genossenschaftsinstituten an. Der Effekt einer solchen Massenabwanderung ist jedoch umstritten.

"Move Your Money" heißt diese Aktion, mit der seit dem Jahreswechsel Abertausende Amerikaner ihre Kontoeinlagen von Megabanken wie Citi und Bank of America zu kleinen Kommunal- und Genossenschaftsbanken verschoben haben, die ohne Finanzstütze aus Washington operieren.

Finanzfachfrau Martha White vom Webmagazin "Slate" hält freilich dagegen, dass individuelle Konten nur einen Bruchteil der Bankbilanzen ausmachen. So habe die Bank of America Guthaben von 1,5 Billionen Dollar - davon lägen gerade mal 83 Milliarden auf Privatkonten.


Auch wenn der Effekt vermutlich minimal ist, finde ich's gut. Weil es wenigstens symbolisch zeigt, dass man etwas tun kann und dass man im Bankenmarkt zumindest die Wahl hat. :-)
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon [) i r k » 08.02.2010, 15:03

Und mal wieder was Amüsantes zum Thema:

Der Chef der Vatikanbank kennt die Ursache der Finanzkrise
Der "wahre Ursprung der Krise": die Menschen im Westen befolgen nicht die Lehren des Papstes und kriegen zu wenige Kinder
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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 12.02.2010, 15:47

hallo dirk,

so ein langer beitrag von dir ... da hat man furcht, anzufangen mit der aufarbeitung ;)
aber ich genieße auch diesen luxus, mir zeit zu nehmen, um über ein thema zu spekulieren (denn meinerseits ist es kaum mehr als das), das mir wohl mit am fernsten liegt. rein zahlentheoretisch-mathematisch finde ich es reizvoll, hier finde ich zugänge ... doch grenzen viele der interpretationen von formeln, zahlenmodellen und matrizen direkt an die moralischen vorstellungen. der übergang ist schwer zu nehmen, denn zahlen haben keine menschliche moral. sie sind nur richtig oder falsch. und sinnvoll sind sie auch nur bedingt, hier kommt es auf die kombination untereinander an, also ob sich eine bestimmte logische darstellung tatsächlich lohnt. jedwede logik grenzt ja an das chaos - sobald man zu viele parameter berücksichtigt, verliert man nicht nur die übersicht, sondern auch die logik selbst. kurt gödel ist dir gewiss ein begriff ...



"Der Markt versagt ständig. Das ist das Wesen der Marktwirtschaft, dass sie zu jedem Tag falsch ist. Darum verändert sie sich auch jeden Tag. Das ist ja ein suchendes System. Kein Preis stimmt, denn in der nächsten Minute ist er schon wieder anders. Dabei entsteht zugleich Balance. Das ist Marktwirtschaft."

ich bin absolut einverstanden.


"Wir erleben die ersten tektonischen Beben einer Zeitenwende. Das ist ein globaler Umbruch, bei dem die USA und Europa ihren über Hunderte von Jahren genossenen Hegemonialanspruch verlieren. Solche epochalen Veränderungen gingen in der Vergangenheit oft mit Kriegen, immer aber mit großen Verwerfungen einher. Die Gleichgewichte müssen sich neu definieren, die relativen Preise von Arbeit, Kapital und Rohstoffen verändern sich. Das führt unweigerlich auch zu Fehlallokationen. Ich gebe zu, dass ich selbst die Geschwindigkeit und das Ausmaß dieser Machtverschiebung vorher nicht ansatzweise gesehen habe."

als randbemerkung: hunderte von jahren würde ich nicht sagen. vielleicht 100 jahre. die entwicklung des flugzeugs hat die USA ganz besonders stark gemacht. eine seefahrnation sind sie m.e. nie gewesen.



"Also, wenn man Einzelinvestoren wie Gates oder Buffet nimmt, magst du Recht haben. Obwohl Buffet in den USA zuletzt mal eben für 34 Milliarden USD den Eisenbahnkonzern BNSF übernommen hat. BNSF unterhält mit 54.000 Kilometern eines der größten Schienennetze in den USA. Also auch ein großes Stück Infrastruktur."

ja, und so ein heinz mit endlos knete hat in new york einen stadtteil gekauft ... aber ich meine nicht nur die infrastruktur oder bausubstanz, sondern auch die werte, die menschen in den häusern anhäufen, ihre autos etc..

"Und, was die deutschen Städte und Kommunen angeht, täuschst du dich meines Erachtens gewaltig. Die Kommunen sind hochverschuldet und einige fast zahlungsunfähig:"

siehe oben. möglich, dass manche stadt hochverschuldet ist. ich glaube jedoch nicht, dass es sich lohnt, eine stadt wie wuppertal zu erwerben, wenn man milliardär ist ...


"Nun stellt sich mir die Frage: Bei wem sind die Kommunen derart verschuldet? Wer verdient an Zins und Zinseszins der Kredite, welche von den Städten und Landkreisen aufgenommen wurden? Und kommt das nicht Besitz gleich?
Schwimmbäder, Theater werden geschlossen, Schulen und Straßen nicht saniert. Die Infrastruktur wird also nicht verkauft, sondern sie wird stillgelegt/abgewickelt.
Vielleicht haben amerikanische Investoren deutsche Infrastruktur noch nicht gekauft, aber sie haben bereits in einigen deutschen und österreichischen Kommunen Abwassernetze, Messehallen, Straßenbahnen, etc. gemietet, die dann von den Eigentümern zurückgeleast werden."

Ich glaube nicht, dass Schwimmbäder geschlossen werden, die gut besucht werden. Ebenfalls keine Theater, die marktwirtschaftlich produktiv sind. Zeiten ändern sich, und auch ein Schwimmbad ist m.E. ein Resultat einer Mode. Was spricht dagegen, aus Schwimmbädern Diskotheken zu machen ...?
Gewiss wirtschaften die Kommunen schlecht. Der Staat selbst wirtschaftet amateurhaft. Und der Privatmann in den meisten Fällen ebenso. Dass nun ein paar clevere Kerlchen diese Schwächen ausnutzen, ist rein logisch doch gut nachzuvollziehen?!
Der Staat hat die immer debiler und fragiler werdende spätmittelalterliche Kirchenherrschaft auch durch neue Strukturen und Tricksereien beendet. Der Staat hat sich viel genommen, was ihm nicht gehörte. Jetzt wird es ihm von der nächsten, sich neu formierenden Organisationsform übernommen. Und warum? Ich denke, weil die echt cleveren Kerlchen eben nicht in die Politik gehen, wo sie für einen Appel und ein Ei im Bundestag sitzen (verglichen mit den Verdienstmöglichkeiten in anderen Branchen), dort sitzen eher die aufmerksamkeitsheischenden Loser, die es verstehen, warmherzig zu wirken (außer Fräulein Westerwelle ;) ... die Cleveren sehnen sich nicht nach Applaus vom Volk ...
Dass der Staat die Kirchenherrschaft gebrochen und in sich integriert hat, wird heute kaum einer als negativ ansehen. Wenn nun ein neues System, das bislang jedoch noch nicht klar konturiert ist, die Macht des Staats bzw. des Nationalstaats bricht - warum darüber heulen? Es ergeben sich auch neue Möglichkeiten ... gewiss, die Demokratie kommt auf diesem Weg annähernd an ihr Ende, und man sollte sich schon fragen, was deren Stelle aktuell einnimmt. Auf diese neuralgische Stelle lege zumindest ich mein Augenmerk - und nicht auf die (völlig imbezile) Staatsverschuldung.



"Aber der Telekommunikationsmarkt konsolidiert sich im Augenblick wieder sehr stark (deutlich im Bereich DSL erkennbar, z.B. durch den Verkauf von Arcor an Vodafone, von Freenet an 1&1, usw.), d.h. die Konkurrenz geht wieder zurück und die Preise werden in den nächsten Jahren anziehen."

Das werden wir in ein paar Jahren sehen.
Apropos Telekommunikation: gestern habe ich das erste Mal mit einem Freund in London via Skype eine Videoschalte gehabt. Kostenlos, mal abgesehen von den Internetgebühren, aber auf diese Stunde heruntergerechnet kommt man vielleicht auf 5 Cent. Nicht schlecht, gar nicht pixelig ... eine prima Unterhaltung in Echtzeit.


Glaukos hat geschrieben: die geldmenge ist meines erachtens virtuell. geld ist ein zahlenwert. zahlen sind symbole, in ihnen fasse ich symbolwerte. je nach vorhandener geldmenge variiert der geldwert einer sache. also: die geldmenge ist relativ, der geldwert konkret und auch objektiv.

"Wieso ist die Geldmenge virtuell und der Geldwert objektiv? Kann ich die Geldmenge nicht ganz konkret/objektiv beziffern und z.B. mit der Inflation eines Landes vergleichen? Und gibt es nicht eine Korrelation zwischen Geldmenge und dem Wert einer einzelnen Einheit? Angenommen die Realgüter einer Volkswirtschaft blieben konstant, aber die Geldmenge würde sich plötzlich verdoppeln: Würde das nicht bedeuten, dass ich für das selbe Geld nur noch die Hälfte der Waren/Dienstleistungen bekäme?"

Ja, das war wohl zu sehr aus der Hüfte formuliert von mir ;)
Deine letzte Frage: ja, in einer Volkswirtschaft sollte das summa summarum so eintreten, wie du es beschreibst. Eine Korrelation sollte herstellbar sein, die natürlich im Einzelfall, siehe Duchamp, nicht stimmen muss. Makroökonomisch jedoch sollte es sich schon ähnlich verhalten, wie du es vermutest ...




"Warum muss die Geldmenge durch Produktion oder Produktionszunahme steigen? Eigentlich war das ja genau meine Frage: Wenn der Wert von Waren durch Produktionszunahme, Rationalisierung oder Produktionsüberschuss sinkt, warum muss die Geldmenge dann zunehmen? Jetzt ist deine Antwort: Sie muss zunehmen. Das erklärt aber meine Frage nicht."

Ich denke, hier kommt es auch darauf an, ob eine bestimmte Ware vernutzt wird. Wenn ich einen Bildschirm kaufe, ihn nutze, bis er kaputt ist, dann ist der nächste vermutlich billiger ist als der alte ... weil sich heute Bildschirme effektiver herstellen lassen. Durch die Produktion des neuen Bildschirms entsteht ein Wert, der den alten Bildschirm(wert) dann noch nichtmal ersetzt, denn er ist ja billiger. So besehen sinkt sogar der Gesamtwert der vorhandenen Güter (der dann ja wieder durch die Geldmenge repräsentiert werden sollte bzw. könnte).
Manche Güter jedoch werden nicht vernutzt, sondern ersetzt. Etwas neues kommt hinzu, das alte bleibt weiterbestehen. Dadurch steigt dann der Gesamtwert vorhandener Güter.

Meine These: weltweit werden mehr neue Werte geschaffen als vernutzt. Das hat zur Folge, dass relativ gesehen ein stabiler Wert sogar absolut betrachtet schrumpft, weil zugleich neue Güter auf dem Markt erscheinen. Das ist dann so, als sage ich: wenn 1 milliarde neue Menschen geboren werden und nur 0.2 Mrd. sterben, dann verkleinert sich mein Einfluss auf die Weltläufe ...


"Mhh, auch das verstehe ich nicht: Wenn Ressourcen, Waren und Güter verbraucht werden (also z.B. ganz verschwinden oder an Wert verlieren, als Beispiel die Ölfelder in den USA oder ein gekaufter PKW, der mit der Anzahl der Jahre immer mehr an Wert verliert), warum muss dann die Geldmenge steigen? Gut jetzt könnten wir auch wieder Angebot und Nachfrage ins Spiel bringen: Desto weniger Öl, desto wertvoller ist es. Desto mehr Autos pro Jahr produziert werden (bei gleich bleibender Nachfrage), desto billiger werden sie."

Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine Wertschöpfung stattfindet, und sie geht gewiss in einstellige Prozentraten per annum.



[) i r k hat geschrieben:Jetzt eine Quizfrage: Wenn die Produktivität ständig steigt und der Wert der einzelnen Waren sinkt, weil pro Ware im gesellschaftlichen Mittel immer weniger Arbeitskraft notwendig wird, warum steigt dann trotzdem die Geldmenge (die ja deines Erachtens an die vorhandenen Werte gekoppelt ist) unaufhörlich an?


Weil wir mehr Waren und Güter haben! Die Menschheit wächst, wir haben mehr Autos, Computer, etc..
Mhm, das ist so einfach, dass es albern klingt ... ?! Die Verbindung zur Arbeitskraft ist für mich in diesem Fall nicht wichtig. Die Arbeitskraft ist eine Art Katalysator, sie generiert diese Wertschöpfung. Klar, dass auch Arbeit ihrerseits einen Wert hat ... aber das hat für mich eher wenig mit den vorhandenen Weltwerten zu tun. Heute kann ich eine Bombe auf Laster in Kunduz werfen und entschädige die Angehörigen für einen toten Zivilisten mit ein- oder zweitausend Dollar ... das also ist ein Mensch wert ...?
Im übrigen ist die Menschenzahl relativ konstant sanft ansteigend und die Weltarbeitszeit vermutlich ebenso. Hier dürfte auch eine Korrelation zu den Zuwächsen der Weltwerten bestehen ...







Glaukos hat geschrieben:es ist eben schwer, werte zu bestimmen.

"Warum? Oder bedeutet "schwer" hier einfach: "Das verstehe ich nicht"?"

Hm, mir fehlt gerade der Kontext, aber ... jeder Wert wird aus einer konkreten Situation bestimmt. So kaufe ich am Kiosk eine Flasche Wasser für 50 C, aber in der Wüste kann mir ein Beduine für dieselbe Flasche mein ganzes Hab und Gut abnehmen. Welchen Wert hat die Wasserflasche? Gar keinen eigenen offensichtlich, nur einen situativen.



"Das entfremdete Geld hat dazu geführt, dass der Mensch selbst zum Tauschobjekt, zum Mittel degradiert worden ist. Das eigentliche Subjekt des Marktes scheint nicht mehr der arbeitende, Wert schaffende Mensch oder die arbeitsteilige, produktive Gesellschaft zu sein, sondern das Geld an sich."

Geld an sich gibt es für mich nicht. Geld ist im letzten Sinn eine Metapher. Mit ihr gibt man die Machtverhältnisse wieder, die Vorzugsrechte von Hoch-Privilegierten.
Wenn Gates Freiburg kauft, besitzt er nicht die Stadt, aber er beherrscht sie weitestgehend, da er viele strukturellen Änderungen vornehmen kann, ohne groß die dort lebenden Menschen nach deren Willen befragen zu müssen. Oder, wenn eine Frage demokratisch abgestimmt werden muss, dann kann er die Stadt auch in Haft nehmen - siehe Dürrenmatts Besuch der Alten Dame ...



Geld ist eine neue Form der Sklaverei, die sich von der alten nur unterscheidet, indem sie unpersönlich ist, dass es keine direkte Beziehung zwischen Herren und Sklaven gibt.
Leo Tolstoi


Yes. Ich persönlich würde das allerdings Hierarchie nennen.
Ab einer gewissen Komplexität einer organisierten Gesellschaft wird es unpersönlich werden müssen.




"Wer wird deines Erachtens die Schulden von Bund, Ländern und Kommunen in den nächsten Jahren bezahlen und abtragen müssen?
2009 betrug die Staatsverschuldung pro Kopf 20.168 EUR. Ein Kind, dass 2009 geboren wurde, könnte man sagen, wurde also mit 20.000 EUR Schulden geboren. Und meinst du nicht, dass diese Staatsschulden z.B. auch die Bildungschancen eines heute geborenen Kindes beeinflussen?
Ich habe Mitleid mit zukünftigen Generationen, denen wir diese Schulden vererben."

Für mich geht es nicht um Schulden. Wie gesagt, Geld ist m.E. nur eine Metapher und Ausdruck von Machtverhältnissen.
Bill Gates wird nicht in dem Haus, in dem Frau Müller in Freiburg wohnt, einziehen wollen. Er wird Frau Müller nichtmal kennen wollen. Sie soll sich nur entsprechend der von Gates dann mitbestimmten Regeln und Normen adäquat verhalten. Man kann das Sklaverei nennen, man kann Frau Müller zur Ameise umerklären, die sie dann sein könnte ... aber was macht man, wenn Frau Müller in Wahrheit ja tatsächlich nicht so anders gestrickt ist wie eine Ameise?

Machen Ameisen Schulden?
Werden sie mit Schulden geboren?
Sie wachsen auf in einem Staat, in dem Normen und Regeln gelten. Sie lernen, die Regeln zu verstehen und anzuwenden.
Diese Regeln sind bestimmt auch so, wie du das Geld beschreibst: ich übertreibe jetzt mal gefühlig, das "Geld an sich" sei gefühllos und kalt, es könne zentrale Menschenrechte verletzen ...

... für mich ist hingegen spannend, wie sich neue Normen und Regeln herausbilden, also warum sie Erfolg haben. Das Geld als Trägermedium von Werten an sich ist eine Erfolgsgeschichte. In ihm artikulieren sich die Machtverhältnisse. Habe ich als Beduine die Flasche Wasser und du durstest, kann ich dir alles abverlangen. Ich habe Macht, weil ich dein lebensnotwendiges Wasser besitze.

(an dieser Stelle könnte man beginnen, über "Eigentum" zu diskutieren ... vor nicht allzu langer Zeit hieß es ja, Eigentum sei Diebstahl ......)




Deine Bemerkungen zur Erbstrafe Gottes sind ihrerseits göttlich. Habe mich großartig amüsiert ;)

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 12.02.2010, 17:21

Noch eine Art Tiervergleich:
"Wenn man mich fragen würde, was die allgemeine Haltung gegenüber den Tieren ist, die wir essen, würde ich sagen: Verachtung. Wir behandeln sie schlecht, weil wir sie verachten; wir verachten sie, weil sie sich nicht wehren."
(Coetzee, Das Leben der Tiere)

Das Zitat gibt nicht Coetzees Haltung wieder, sondern das einer fiktiven Figur in dem Buch ...
Dieses Buch handelt ebenfalls von Herrschaft - der der Menschen über das Tier. Es geht um Tierrechte und Menschenrechte.
Mir geht es auch um Frau Müller, siehe obiges Posting. Wann beginnt Frau Müller sich zu wehren?
Wann beginnen im Iran die Menschen sich zu wehren?
Soll man sich früher wehren oder erst einmal abwarten?
Oder wird man dann gekocht wie der berühmte Frosch im erhitzten Wasser?

Was macht der böse böse Kapitalist? Behandelt er Frau Müller schlecht, weil er sie verachtet? Verachtet er sie, weil sie sich nicht wehrt?

Das sind zentrale Fragen, die primär um Macht kreisen ... das Geld, so meine unmaßgebliche Meinung, ist lediglich eine Art fluidales Ausdrucksmittel selbiger normativer Prozesse bei dem Etablieren von Machtverhältnissen.


(Ich denke: Frau Müller beginnt sich dann zu wehren, wenn ihre Angst vor den Folgen des Nichtwehrens größer ist als ihre Angst vor den Folgen des Wehrens. Von selbst, aus ihrer Überzeugung heraus, wird sie sich kaum bewegen. Nicht einmal bewegen lassen möchte sie sich ... dazu muss erst Not kommen. Entweder ein Individuo hat Antrieb, wird von Machtbewusstsein bzw. Machtwunsch erfüllt ... oder es erkennt bzw. meint zu erkennen, dass der Versuch, den eigenen Machtwillen durchzusetzen, eher negative individuelle Folgen haben wird. Ich nenne das nicht Feigheit. Feigheit an sich existiert für mich ebensowenig wie Schuld ...)

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Re: Warum ich gerade Marx lese.

Beitragvon Glaukos » 12.02.2010, 18:45

2te nachbemerkung:

wenn nun also in der geldwirtschaft (<- verkürzter ausdruck, ich weiß ...) verwerfungen auftreten wie seit herbst 2008, dann ist das m.e. die folge der verwerfungen in der hierarchie an sich. sowohl die herrschenden normen als auch die hierarchien werden gegenwärtig erschüttert. wie genau und durch was, kann ich nicht sagen. ich bin kein rothschild ... und auch kein dirk ;) du steckst viel tiefer in der materie, was die gegenwärtigen "produkte" auf dem "markt" der "geldwirtschaft" angeht ...


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