Eine Wüste ist per Definition ne Gegend, wo pro Jahr weniger als 150 Millimeter Regen fallen. Eine der extremsten ist die Namib in Südwestafrika, die sich als 100 Kilometer schmales Band 2000 Kilometer entlang der gesamten Atlantikküste von Namibia erstreckt. Parallel zur Küste fließt von der Antarktis her in Richtung Äquator der Benguela-Strom. Sein kaltes Wasser verhindert, dass vom Meer her Wolken ins Land ziehen. Da Namibia ohnehin im südlichen Hochdruckgürtel liegt, ist somit extreme Trockenheit programmiert.
Im trockensten Teil der Wüste Namib regnet es vielleicht einmal in zehn Jahren. Im Schnitt misst man dort weniger als 20 Millimeter an Niederschlag pro Jahr_ ein Ort also, wo sich s Leben in der Regel schwer tut. Trotzdem wimmelt es in der Dünenlandschaft von kleinem Getier, wobei dem _aufgrund dessen geduckt unterwegs_ Besucher vor allem die vielen Schwarzkäfer auffallen, die dank genügend Bodenfreiheit trotz brütend Hitze über den roten Sand flitzen. Wie schaffen sie die klimatische Hürde, holen sich die lebensnotwendige Erfrischung? Die Namib ist vermutlich um die zwanzig Millionen Jahre alt_ Zeit genug für Flora und Fauna, sich so einiges für das Überleben in einer extremen Umwelt einfallen zu lassen. Heute ist dort eine Vielzahl endemischer Pflanzen-und Tierarten heimisch, hochspezialisierte Organismen und Lebewesen, die ausschließlich an diesem Ort vorkommen.
Wüstenbiologen haben es besonders auf die gegen hundert verschiedenen Schwarzkäfer der
Tenebrioniden-Familie abgesehen_ diese scheinen sämtliche Tricks gegen Hitze und Trockenheit zu kennen. Ihre wohl wichtigste Strategie ist der Sparmodus. Nur wer die Wasserverdunstung des eigenen Körpers extrem gering halten kann, hat eine Chance, der raschen Dehydrierung zu entgehen. Der Körper der Minimalisten ist ein Wunderwerk an Anpassung. Die beiden Vorderflügel sind bei diesen Käfern zu einer harten, geschlossenen Deckschale verwachsen. Damit wird das Körperinnere vor übermäßiger Verdunstung geschützt. Allerdings kann der Käfer nun nicht mehr fliegen - eine Aktivität, die mit ihrem hohen Bedarf an Energie und Kühlung bei dieser Hitze ohnehin ein Luxus wäre.
Viel Wasser geht bei Lebewesen üblicherweise auch mit der ausgeatmeten Luft verloren. Dagegen sind die tollen Käfer der Namib gefeit. Die über den Hinterleib verteilten Atemlöcher münden in einen feuchten Hohlraum unter dem Rückenpanzer, der gesamte Luftaustausch mit der trockenen Außenwelt erfolgt nur über ein kleines Loch am Körperende. Sie atmen außerdem nur dann regelmäßig, wenn sie aktiv sind. Sobald sie ruhen wird gespart, das heißt sie holen wenn möglich nur noch jede Stunde einmal Luft. In besonders trockenen Gegenden oder harten Zeiten legen sie sich als zusätzlichen Schutz noch einen Wachsmantel zu_ Mikroporen im Chitinpanzer sondern Wachsfäden ab, die sich wie ein Haarschopf um den Körper legen und so die Verdunstung weiter reduzieren. Das von den feinen Fäden gebrochene Sonnenlicht lässt dann den Panzer der Käfer in prächtigem Dunkelblau schillern.
Trotzdem_ irgendwie müssen auch die ausgefuchsten Durstkünstler mal zu Wasser kommen. Viele der größeren Wüstentiere bewerkstelligen dies, indem sie Pflanzen und kleinere Lebewesen fressen. Den Pflanzen selber und manchem Winzling steht diese indirekte Bezugsquelle jedoch nicht zur Verfügung. Ihnen hilft ein Geschenk der Wüstennacht_ während zu Mittag die Luft auf über 40 Grad Celsius und den Sand auf bis zu 70 Grad aufheizt, wird s nach Sonnenuntergang rasch eiskalt. Der nächtliche Temperatursturz bis um die null Grad entzieht selbst sehr trockener Luft noch Feuchtigkeit_ am Boden bildet sich Tau. Dieser ist für viele Wüstenpflanzen das einzige Nass, das sie in der Trockenperiode bekommen. Käfer, Spinnen und andere kleinere Tiere profitieren davon, indem sie die den Tau von Pflanzen, Steinen und ihrem eigenen Körper lecken, wie es auch Schlangen und Geckos tun.
Nahe der Küste trägt eine weitere Laune der Natur zur Wasserversorgung bei. Wenn feuchtwarme Atlantikluft mit dem Westwind Richtung namibische Küste zieht, kondensiert sie über dem kalten Benguela-Strom und wabert in Folge als Bodennebel bis weit ins Wüsteninnere. Dies geschieht je nach Gegend in 40-200 Nächten pro Jahr. Dann ist Eile geboten, denn geht die Sonne auf, verdampft die ganze Herrlichkeit innert Minuten. Manche der küstennahen Namib-Lebewesen nutzen den Nebel als Quelle, indem sie ihn wie Tau vom Boden lecken. Wie jedoch der Schwarzkäfer
Onymacris unguicularis mit dem Fog der Namib umzugehen weiß, ist derart speziell, dass 1976 die renommiertesten Wissenschaftsjournale der Welt über die von W. Hamilton und M. Seely gemachte Entdeckung berichteten.
Besagter Fog basking Beetle lebt in den steilen, windabgewandten Rutschhängen der mächtigen Namib-Sanddünen. Dort taucht er nach Sonnenaufgang aus dem losen Flugsand auf, sucht bis etwa zehn Uhr Nahrung und entflieht dann der Mörderhitze, indem er sich wieder einbuddelt. Erst am späteren Nachmittag, wenn ein kühleres Lüfterl weht, taucht der zwei Zentimeter große Käfer wieder auf. Der Wind bringt ihm Nahrung_ kompostiert Pflanzenmaterial, Samen und tierischen Abfall wie Kot und Kadaverpartikel. Diese organischen Überreste sammeln sich an der windgeschützten Seite von Dünen und sind für manche Käfer und Silberfischchen das einzige, was es an Futter gibt.
Bei Anbruch der Nacht verduftet
Tok Tokkie _wie der kleine Tausendsassa in Namibia genannt wird_ wieder unter die Oberfläche. Nur in Nebelnächten krabbelt er im Dunkeln seine Düne bis zu ihrem Kamm empor. Dort reckt er kopfunter sein Hinterteil in einem Winkel von etwa 20 Grad gegen den Wind und nimmt bis zum Morgengrauen ein Dunstbad. Die feinen Wassertröpfchen schlagen sich auf seinem Rückenpanzer nieder, verschmelzen zu größeren Tropfen und kullern schließlich über spezielle Längsrinnen in Richtung Mundöffnung. Messungen haben ergeben, dass der Käfer in einer einzigen Nebelnacht bis zu 34 Prozent seines Abendgewichts trinken kann_ ein Flüssigkeitskonsum, der bei einem 70 Kilogramm schweren Menschen 24 Liter entsprechen würde. Damit unser
Cloudfisher diesen Riesenschluck überhaupt bei sich behalten kann, füllt er mit dem immer praller werdenden Leib zusätzlich den sonst für die Atmung reservierten Hohlraum unter seinem Panzer.
Nun_ wie versorgt sich das Tier mit Wasser, bevor es zum Käfer herangewachsen ist, also im wurmähnlichen Larvenstadium? Untersuchungen an verschiedenen Arten der Gattung
Onymacris brachten eine weitere erstaunliche Eigenschaft zu Tage_ die Larven süffeln den Nebel mit ihrem After. In der Wand ihres Mastdarms sitzen spezielle Zellen, die dank extrem hoher Salzkonzentration den Wasserdampf der Luft per Osmose förmlich durch die Zellwand einsaugen. Zugleich entziehen diese hygroskopischen Zellen am Darmende auch Fäkalien die Flüssigkeit, damit s kostbare Nass nicht mit dem Kot wieder ausgeschieden wird.
Der Überraschungen noch nicht genug, haben wiederum Hamilton und Seely bei den Tenebrioniden der verwandten Gattung
Lepidochora ein einzigartiges Verhaltensmuster entdeckt. Gezielte Beackerung des Wüstenbodens führt zu einer Steigerung der Nebelernte_ die mit ihrem abgeplatteten Panzer wie kleine fliegende Untertassen über den Sand huschenden Schwarzkäfer ziehen in solchen Nächten auf dem entsprechend Hang der Düne quer zur Windrichtung lange Gräben. In diesen Vertiefungen mit ihren steilen Rändern bleiben mehr Tröpfchen hängen als im umliegend flacheren Sand. Wenn die Käfer am Ende der Bauarbeiten wieder entlang der Gräben zurückwandern, können sie das Ergebnis ihrer Bemühungen mit dem Mundwerkzeug ernten und auf diese Art ihren Wasserbedarf decken.
https://www.transforming-cities.de/bion ... adenfarbe/s käfer 1x1 zugunsten struktureller maler+anstreicher
https://www.ditf.de/de/index/aktuelles/ ... ingen.htmldank käfer.knowhow nimmer so schnell am verdursten
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