"Ich bin kein Antismeit,aber.." Anmerkungen

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le tob
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"Ich bin kein Antismeit,aber.." Anmerkungen

Beitragvon le tob » 14.12.2003, 23:04

Ich finde die Gedankenanstöße über den Antisemitismus sehr interessant und ich denke die Kernpunkte der Problematik sind erfasst.
Da in der ganzen Problematik die Geschichte des Nationalsozialismus eine zentrale Rolle spielt, habe ich vor allem das Kapitel 8) sehr interessant gefunden.

Es wurde die Frage aufgeworfen inwieweit die „Schuld“ auf Gesellschaft und Kultur Einfluss hatte. Da auch Österreich angesprochen wurde möchte ich darauf eingehen.

Österreich. Das Land ohne Schuld. Ungewollt und unwissend war es Teil dieses ganzen Horrorszenarios. Ob in der Armeeelite, in der ideologischen Werkstatt, in der Reichskristallnacht, bei den Bücherverbrennungen oder in den Konzentrationslagern: Österreich war live dabei. Spieler, Berichterstatter, Zuschauer.

Dann war die Show vorbei. Und plötzlich konnte sich keiner mehr erinnern. Eingewechselt wurden wir sowieso nie, weghören war trainiert und blind zu sein war sowieso Grundvoraussetzung.

Diese Haltung des Nie-Aufarbeitens, Nie-Darüber-Sprechens hat ganz stark die österreichische Kultur und Gesellschaft bestimmt. Die alten Nazis wurden schnell zu den Managern der Großparteien und waren mit dafür verantwortlich, dass die Matura dem zweiten Weltkrieg im Geschichtsunterricht der Nachkriegsgenerationen immer zuvor kam. Pech? Augstellungsfehler?

Durch dieses Verdrängen wurde nie ausreichend- falls das überhaupt geht- darüber debattiert und die Fakten offen angesprochen. Dadurch wurde auch verhindert, klar zu stellen, dass heute nicht jeder der eine Trachtenjanker anzieht oder die Freiheitliche Partei wählt ein Nazi ist. Das ist ein klares Ergebnis des jahrzehntelangen Verdrängen und Vergessens.

Apropos FPÖ. Haider und Konsorten haben mitunter oft- zu schnell wieder vergessene- stark Problematische Aussagen über das Dritte Reich und hohe Repräsentanten der jüdischen Gemeinschaft gemacht, die auf das äußerste zu verurteilen sind. Doch bin ich der Meinung, dass die FPÖ keine antisemitische Partei ist aber durch ihre nationale Ideologie Auslöser für Diskussionen über die Nazi Zeit.

Ich bin beweiten kein Sympathisant der Freiheitlichen. . Daran sind sie auch selbst schuld. Nur man muss national und nationalsozialistisch unterscheiden. Nur möchte ich damit zum Ausdruck bringen, dass das Thema immer noch gesellschaftlich präsent ist und der österreichische Umgang mit der eigenen Geschichte sich hier wiederspiegelt.

Das zeigt sich ja auch daran, dass Österreich letztes Jahr Restitutionszahlungen geleistet hat. Nicht dass ich das in Frage stelle, im Gegenteil, ich empfinde dass für ungemein wichtig. Mich irritiert nur die Zeitspanne: Der Krieg ist fast 60 Jahre her!

Da ist nun das verlorene Spiel und die gewohnte Niederlage auf der einen Seite. Die niemals endende Nachspielzeit auf der anderern. Gegen die Regeln? Nein. Denn man kann die kleine Hoffnung, dass der Mensch aus der Geschichte lernt nur aufrechterhalten, wenn man sich immer wieder daran erinnert, man immer wieder damit konfrontiert wird und sie immer wieder neu analysiert.
Dazu ein Gedicht von Eich Fried von 1984 aus dem Textband „Nicht verdrängen. Nicht gewöhnen“ mit dem Titel: „Wien: Februar 1934“



Fünfzig blutige Jahre
seit eurem Blut

Und das Blut fließt weiter
denn der Faschismus vergießt
immer noch Blut

und wird bezahlt dafür in
Lateinamerika

in Afrika
in Asien
und in Europa

Fünfzig Jahre
sind eine lange Zeit:

Die Erben der Faschisten
vergessen
ihre Verbrechen

Fünfzig Jahre
sind eine kurze Zeit:
Ich bin ihnen
noch nicht zu alt geworden
um mich zu empören

Bei der ganzen Dringlichkeit und Notwendigkeit der Antisemitismus-Diskussion, vergessen wir aber gern aufgrund unserer Geschichte auf ähnliche, auch schwerwiegende Probleme. Ich denke hier zum Beispiel an das Ausländer und Integrationsproblem.
Ähnliche Auslöser und Gründe sind gleich wie bei der Antisemitismus-Konflikt vorurteilbehaftete Intoleranz, Gewalt und Desinformation.

Ich appelliere an die Berichterstatter und Zuseher, Erzieher und Politker den Blick auch auf den „Antiintegrationismus“ zu werfen, denn bei kritischer Betrachtung merkt man gleich, dass er sich in der Aufstellung und Spielweise kaum vom Antisemitismus unterscheidet.

„Seien wir realistisch- fordern wir das Unmögliche.“ Che Guevara
"Seien wir realistisch-fordern wir das Unmögliche" Che

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