Knut Hamsun - Landstreicher

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nihil00
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Knut Hamsun - Landstreicher

Beitragvon nihil00 » 10.10.2004, 23:23

"Landstreicher" ist der erste Teil der Landstreicher-Trilogie von Knut Hamsun (Ersterscheinungsjahr: 1928). Seine Handlung ist hauptsächlich in einem kleinen Fischerdorf in Norwegen, vermutlich um die 1870er Jahre, angesiedelt. Edevart und August sind die Namen der Protagonisten; beide Figuren darf der Leser teilweise auf den Pfaden ihres Lebens begleiten.

August, der den Spitznamen Weltumsegler trägt, ist ein rastloser Seefahrer, der den einen Tag reich ist und am nächsten bereits wieder alles verloren hat. In ihm zeichnet Knut Hamsun eine Art Prototyp des heimatlosen, entwurzelten Landstreichers, der sich nie für lange Zeit an einem Ort aufhalten kann; einen Menschen, den es immer wieder fortzieht, weil ein Ort so gut wie der andere zu sein scheint. August verlangt es nach steter Abwechslung, schlägt sich mal hier, mal dort durch. Irgendetwas findet sich immer, von dem er leben, sich ernähren kann. August hat bereits "alles" auf der Welt gesehen, berichtet den Einheimischen oft von seinen zahlreichen Erlebnissen und, ganz, wie es sich für einen Seemann gehört, nimmt er es mit dem Unterschied von Dichtung und Wahrheit nur ungern zu genau.

Edevart ist der beste Freund von August, oft brechen beide zu gemeinsamen Unternehmungen auf, dann aber wieder sehen sie sich für lange Zeit nicht. Es ist also doch ein recht loses Verhältnis zwischen den beiden. Edevart ist jünger als August, noch schwankt er, was er mit seinem Leben anfangen soll - ob aus ihm auch ein ewiger Landstreicher werden wird? Eine mehr oder minder unglückliche Liebe hält Edevart jahrelang in ihrem Bann; die Geliebte aber ist nun in Amerika. Ausgewandert, so wie viele Norweger der damaligen Zeit. Vorerst folgt er ihr nicht.

"Sollen wir etwa nicht dorthin gehören, wo wir hingestellt worden sind? Denn sonst wären wir wohl nicht dorthin gestellt worden. [...] Gehören wir am richtigsten dorthin, wo wir mehr Essen, bessere Kleider und mehr Geld bekommen? Dann hätten unser Vater und unsere Mutter nicht ihr Leben lang hier in der Bucht zufrieden und dankbar sein können, nein, dann hätten sie nicht viel glücklicher sein dürfen als vielleicht August und - ja und andere, die herumwandern und nirgends hingehören." - lässt Hamsun Edevarts Bruder, den beständigen Joakim, sagen. Hier sehen wir auch die zentrale Aussage des Landstreicher-Romans und das Hamsunsche Weltbild vor uns:

Knut Hamsun steht für ein einfaches, für ein bodenständiges Leben; so schreibt er auch: Erdnah. Egal, was das Leben mit sich bringen mag, Armut, Krankheit, Tod einem nahestehender Personen - nichts kann einen Menschen mit fester Bodenhaftung umwerfen. Alles geht - heisst es oft bei Hamsun. Das ist eine schöne Sicherheit, die wohl in den Weiten der Lebenserfahrung des Autoren, der so viel von der Welt gesehen und in ihr erlebt hat, begründet liegt. Auf der anderen Seite finden wir in Hamsuns Werken auch immer den Hinweis auf die Gefahr des Hochmuts. Oft ist der Mensch wie ein Farn im Wind. Er lässt sich vom Schicksal hin- und herbiegen. Wenn es ihm gut geht, will er von den schlechten Zeiten nichts mehr wissen, er wird hoffärtig, wie z.B. die Bewohner des Fischerdorfes in "Landstreicher", die in einem Jahr einen besonders fetten Fang machen. Über Nacht kommt ein relativer Reichtum über sie, alles alte ist plötzlich nicht mehr gut genug für sie. Dabei sind es doch, wie im diesem Absatz vorangegangenen Zitat geschildert, nicht die äußeren Umstände, die zu einem glücklicheren Leben führen.

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