Von ohnmächtigen Frauen später Katharsis

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Hamburger
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Von ohnmächtigen Frauen später Katharsis

Beitragvon Hamburger » 27.08.2006, 16:06

Buch: „Ballfieber“

Autor: „Nick Hornby“

Alles beginnt, als der elfjährige Nick zum ersten Mal in seinem Leben das berüchtigte „Highbury“ betritt um sich dort das Spiel Arsenal London – Stoke City anzusehen. Die Heimmannschaft siegt durch einen Elfmeternachschuss mit 1-0 und Nick wird Arsenal-Fan. Viele, viele Jahre der Besessenheit folgen, oft verbunden mit der Frage, warum es Nick nie dauerhaft gelingt sich der Faszination, die von Arsenal und vom Fußball überhaupt ausgeht, zu entziehen. Diese Jahre, mit ihren wenigen kostbaren Höhen und den viel zahlreicheren Tälern, sind das Thema des Buches „Ballfieber – Die Geschichte eines Fans“…

Und da es mir immer eine Herzensangelegenheit war dieses Buch zu rezensieren (eines DER literarischen Entdeckungen meiner letzten Leserjahre) und ich darüber hinaus eine interessante Diskussion mit Silly in Wien zum Thema Fußball hatte, stelle ich es hier mal vor, gerade für die Nicht-Fußballfans unter euch, sozusagen als unverbindlichen Tipp. Nicht um euch zu sagen, dass ihr falsch liegt oder keine Ahnung hättet, sondern nur um euch einen Lesetipp zu geben, mit dem ihr eure bisherigen Urteile über den Konsum dieses Sports einmal mit den Ansichten eines Fans gegenüberstellen könnt. Auf die Ergebnisse wäre ich sehr gespannt (wer für Fußball kein Geld ausgeben will – ich verleihe das Buch gerne :-) ).

Und hier nun die Gründe, die es lobenswert machen, „Ballfieber“ zu lesen:

1) Es ist ein radikal subjektives Buch. Selten in meinem Leben habe ich ein Buch gelesen, in welchem der Autor so entschieden subjektiv zu Werke geht. Normalerweise schreckt mich das eher ab, aber bei „Ballfieber“ funktioniert die Instrumentalisierung der eigenen Fan-Geschichte und das Treffen deutlicher Aussagen, um mehr als nur Aspekte des Fan-Daseins zu beleuchten. Erst durch diesen Kniff erhält das Buch seine Authentizität – und bewegt sich gleichsam (ich als Fussball-Fan darf das ja sagen, ich als Wissenschaftler dürfte es wohl nicht) erstaunlich nah an der Realität.

2) Nick ist ein verschrobener, eindeutig obsessiv in seinen Fußballverein verknallter Sportfreak, der nichts auf Fußball kommen lässt – und trotzdem kein Unsympath. Sein Puristentum lässt ihn zu einer Figur mit Ecken und Kanten werden. Zu einem Menschen, der es sogar bei Nicht-Fußballfans schaffen könnte so etwas wie „Verständnis“ für seine Leidenschaft zu erhalten.

3) „Ballfieber“ hält sich wohltuend zurück mit Fußballspezifika. Weder erklärt Hornby die Abseitsregel, noch listet er eine Aneinanderreihung von nur für Fachleute eindrucksvollen Sportszenen oder dramatischen Spielverläufen auf. Diese Szenen gibt es, aber sie befinden sich ganz klar in der Minderheit. Hornby richtet seinen Blick hauptsächlich auf die Obsession und nicht aufs Spielfeld selber, was vielleicht das größte Verdienst dieses Buches ist.

4) Eben weil der Fokus auf der Obsession liegt, die das Fan-Dasein mit sich bringt, ist „Ballfieber“ eine Fundgrube für an Sachverhalten der Psychologie, Soziologie und Philosophie interessierte Menschen. Die Vermittlung der im Buch immer wieder auftauchenden Themen (z.B. „Sozialverhalten in der Gruppe“ oder „Sport als Metapher fürs Leben“) ist dabei sehr einfach gehalten, ohne banal zu werden.


5) „Ballfieber“ ist wirklich lustig. Die Auswüchse des Fan-Daseins in seiner ganzen Skurrilität zu betrachten macht gerade deshalb Laune, weil man als Leser so einige Geschichten vorgesetzt bekommt, die man so schnell nicht wieder vergisst – oder würdet ihr etwa erste Hilfe leisten, wenn euer Partner ohnmächtig am Boden liegt, aber eure Aufmerksamkeit gerade durch andere Faktoren gefesselt wird? Diese Mischung, die Mischung aus Kopfschütteln und Gelächter, die „Ballfieber“ auslöst, rundet das Buch erst richtig ab.

Forza St. Pauli (gestern 0-3 bei Hertha II und ich war natürlich da :-| ),

Ham
"If it's a hit? - Yeah, that's me! If it's a miss? - Yeah, that's me!" (Robert Palmer)

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