Anweisungen an die Krokodile (António Lobo Antunes)

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shuya
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Anweisungen an die Krokodile (António Lobo Antunes)

Beitragvon shuya » 29.04.2010, 23:45

Ich habe in meinem Leben einige Bücher gelesen.
angemerkt sei dass ich pro Jahr hunderte von Büchern kaufe, finde, auflese und auch wieder in die Freiheit entlasse, nur sehr wenige in meinem Besitz halte.
Nur ein paar ausgewählte.
Eines der wohl wundervollsten aber auch unzugänglichsten davon ist Anweisungen an die Krokodile von Antonio Lobo Antunes.
Nie habe ich mich schwerer getan ein gutes Buch zu lesen.
Immer wieder musste ich das Buch zur Seite legen, durchatmen, nachdenken. Jeder Satz, jeder Abschnitt, jede Seite birgt einen Mikrokosmos. Jeder Mikrokosmos eine Struktur. Jede Struktur scheint unfassbar weit auf den Makrokosmos zu passen.
Es gab Gedichte, die schienen ähnlich zu funktionieren, Kurzprosa, Heikus, Tankas - aber mir war bis dato kein Roman dergleichen untergekommen.
Alles was sich vielleicht als Vergleich angeboten hätte, sah schon nach 40 Seiten aus wie ein gescheiterter Versuch.
Dabei trumpft er nicht einmal, Antunes bleibt das ganze Buch über auf dem Teppich - fast stoisch zieht er sein Ding durch.

Im Wechsel sind die Frauen (Töchter, Affairen, Ehefrauen, Freundinnen) einer Gruppe Terroristen die Erzählerinnen.
Jedes Kapitel beschreibt eine Andere die Geschehnisse - in Gedankenwolken, durch den Schleier von Emotion, Verzerrung, Ego, Wunsch, Trieb, Erfahrung hindurch ein Funken Realität.
Und dieser Funken bildet das rote Band, welches die Geschichte zusammenhält. Während sich unheimlich definierte Persönlichkeiten aus den Geschichten verdichten, durch die Subjektive Erzähl- und Erfahrungsweise, ein eingefärbtes Bild von Männern (aus Sicht von 4 Frauen) die versuchen die Zustände ihres Landes zu verändern - während ihr eigener Kopf in diesen Zuständen gefangen ist. Sie sind Rechtsextreme Terroristen nach der Revolution in Portugal, von Franco unterstützt, mit ehemaligen Militärs, Polizisten und Geheimdienstlern verknüpft sind ihre Themen der Umwurf einer Regierung - aber sie wirken planlos, wahllos und konturlos.
Ihre großen Themen wirken durch die Sicht der Frauen unverständlich, welche in ihr Haus eingepfercht das Leben fristen und schweigend, in melancholie fast eingelassen ihren Männern beim Morden zusehen.
Die großen Themen der Welt spielen hier nur eine kleine Rolle, sie wirken wie ein bedrohlicher Schleier der sich über den hohen Himmel legt und da draussen wütet, während drinnen die heimische Idylle aufrecht erhalten wird.

Den Umgang den Antunes in diesem Buch mit Wörtern findet steht beispiellos da.
Poetisch, empathisch, voller sehnsucht, energie, kryptisch, verborgen, so unfassbar anwesend sind sie da und finden einen direkten Zugang.
Man selbst bleibt neidlos - man kann nur annehmen was man da bekommt.

Im zweiten Weltkrieg hätte ich mein Leben für dieses Buch riskiert und es bis zum bitteren Ende versteckt.
Damit es bleibt.
Und ich werde es immer wieder verschenken, immer wieder aufschlagen und ich werde es meinen Kindern vermachen und ich werde ein Exemplar bis zu meinem Tod halten so es nur geht, für den Fall aller Fälle.

Das klingt übertrieben?
Würde es für mich auch - aber es bedeutet mir sehr viel, neben so wenigen Dingen die mir viel bedeuten.

mehr auf amazon: http://tinyurl.com/282rbxe dort gibt es das buch für momentan 9,90€

Glaukos
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Re: Anweisungen an die Krokodile (António Lobo Antunes)

Beitragvon Glaukos » 01.05.2010, 15:12

du liest anspruchsvolle bücher, shuya!
antunes kenne ich ... wenn ich an ihn denke, liege ich wieder im zelt oder am strand in portugal ... dort las ich seine leidenschaften der seele.
dass er so berühmt ist, finde ich erstaunlich. denn in der tat ist sein stil überaus schwierig; und sein wesen, heißt es, mehr als kauzig (meinte zumindest eine portuguisische freundin, die mir erklärte, antunes gelte in portugal mitunter als geisteskrank ... vermutlich hat er sich in talkshows o.ä. von seiner assoziativen seite gezeigt ... ;)

heute mag ich jene bücher nicht mehr sooo gerne, die alles vermixen, nur dass es möglichst komplex und schräg klingt ... ähnlich wie die akademiker, die sich bemühen, ihre eigene geheimsprache zu entwickeln. nur ist antunes doch eine ausnahme: seine literatur ist sehr sinnlich. ähnlich verwirrend-sinnlich: jose lezama lima. wenn du ihn noch nicht kennst - er könnte dir gefallen.
jll macht, wie antunes, krieg in meinem kopf, um es mal ganz banal zu beschreiben. alle assoziationen schießen dann wild durcheinander, und in diesem gewirr suche ich den faden, der mich durch die geschichte trägt ... nicht immer ist der zu finden, manchmal kann das stolpern im dickicht bei nacht doch von größter erlebniskraft sein - wenn es ein kunstvolles stolpern ist ... ;)

oder?

lg
tolya

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Re: Anweisungen an die Krokodile (António Lobo Antunes)

Beitragvon shuya » 08.05.2010, 16:26

[unterschrift]

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Re: Anweisungen an die Krokodile (António Lobo Antunes)

Beitragvon Glaukos » 10.05.2010, 00:27

[fragezeichen]

shuya
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Re: Anweisungen an die Krokodile (António Lobo Antunes)

Beitragvon shuya » 10.05.2010, 16:21

du hast: oder gefragt.
auf zustimmung setzt man doch die unterschrift, oder? ;)

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Re: Anweisungen an die Krokodile (António Lobo Antunes)

Beitragvon Glaukos » 10.05.2010, 16:43

ich habs für einen [quote]-fehler gehalten ... als alter "coder" denk ich da an einen befehl zur wort-unterstreichung ;)


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