Im Wissen, nicht verstanden zu werden

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charis
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Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon charis » 15.09.2003, 22:17

Sagt mal, ihr Männer, was meint ihr, welche Bücher lieben wir Frauen, die ihr schon immer abgrundtief VERABSCHEUT habt, um deren Existenz ihr aber im Umgang mit uns nicht ganz herumkommen dürftet...? :-D

(An anderer Stelle wurde als Beispiel dafür heute "Der kleine Prinz" als ein Lieblingsbuch der Frauen bezeichnet, aus dem wir angeblich gern, besonders in verliebtem Zustand, zitieren.)

Dieselbe Frage richtet sich an die Mädels - gibt es sowas umgekehrt auch? Machwerke, die immer wieder mal in den Bücherregalen unserer Männer auftauchen (Nein - ich mein jetzt NICHT diese abgegriffenen Heftchen mit den bunten Bildern drin... :-D )?

Das würde mich jetz doch mal näher interessieren...

yours
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Sick Steve
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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon Sick Steve » 16.09.2003, 11:27

YEEE-HAW, watt'ne geile Frage!!! :-) :-)

Das gibt mir endlich mal Gelegenheit, meinen Vorurteilen freien Lauf und Klischees einen Raum zu lassen! :-D

Natürlich gibt es zumindest ein Buch (jetzt muß ich aufpassen und darf nicht zu allgemein werden, da allein schon die Erwähnung dieses Buches tendenziell beleidigend ist), welches einem den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit widersprechend hohen Prozentsatz von Frauen gefällt, während ALLE Männer es zutiefst verabscheuen, ja, sogar eklig finden - ich selbst kenne keinen Mann, der es je zuende gelesen hat: Ich spreche natürlich von "Die Nebel von Avalon". Alleine es auszusprechen erzeugt mir ein pelziges Gefühl auf der Zunge....

Ein weiteres Machwerk, welches ebenfalls vielen Frauen zu gefallen scheint, während Männer es belanglos finden (es aber immerhin zuende lesen können), ist der schriftstellerische Erguß "Das Parfüm" der literarischen Vollniete Patrick Süsskind. Dies Buch ist die Materialisierung der Langeweile, aber aus mir persönlich unbekannten Gründen finden viele Frauen es "gruselig" (wo denn?), "spannend" (Was ist? Spannend?!?) und "interessant" (für'n Hals-Nasen-Ohrenarzt vielleicht!).

So, das war mein Beitrag zu dieser Frage....hat mir Spass gemacht!
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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon ruuchrinden » 16.09.2003, 18:28

Ich kann nur beipflicheten. Die Nebel von Avalon erzeugen bei mir einen unerklärlichen Brechreiz. Hauptsächlich bei den halberotischen Szenen in denen Gewänder abgestreift werden und aufs Lager gesunken wird, dass einem Angst und Bange wird. Allerdings gibt es erstaunlich viele Männer welche diese Bücher kaufen. Meist haben sie einen mythologischen Schaden.
Was mich gleich auf Carlos Castanedas Buch "Die Lehren des Don Juan" bringt. Kotz.
Nachdem die Jünglinge dieses Buch gelesen haben kommen sie abgeklärt in die Buchhandlung gewandelt und verlangen nach "Siddharta" von Herrmann Hesse. Ja, da krieg ich echt das gruseln.

Gruz, R.
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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon cute sushi lunches » 18.09.2003, 13:17

'Die Nebel von Avalon' lohnen sich schon deshalb nicht,weil es nicht,wie ich während des ganzen Lesens hoffte,eine einzige gute Sexszene gibt.
'Das Parfum'-na ja,ich fand's nicht schlecht,halt unterhaltsam,aber es ist sicherlich eins der am meisten überschätzten Bücher,die es gibt.
Ich persönlich halte nichts von dieser sogenannten Frauenliteratur.Gute Bücher sprechen doch in der Regel beide Geschlechter an.

Ich habe als ich noch etwas jünger war gern irgendwelche Abenteuerromane (Stevenson,London,Scott,Dumas)gelesen,und sie haben mir eigentlich gut gefallen.

charis
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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon charis » 18.09.2003, 14:21

ich nehme zb. von den büchern paolo coelhos an, dass es sich hier um die (negativ?) konnotierte "frauenliteratur" handeln könnte.
[vielleicht auch, weil mir meine GROSSTANTE nahelegte, was von ihm zu lesen :-D :-D ]

ich persönlich kenne zwei bücher von ihm, "der alchimist", der mich nicht sehr angesprochen hat weil so alles so superweise und allegorienhaft und erhaben daherkam und "veronika beschließt zu sterben", das mich eingentlich sehr berührt hat, weil oder obwohl es wieder um lebensphilosophische fragen geht, aber an einem für mich weitaus lebensweltlicheren beispiel erläutert.

mein freund wiederum findet isabel allende typisch frauenliterarisch.
keine ahnung, hab noch keine allende gelesen.

die nebel von avalon kannte ich gar nicht, nur vor ein-zwei jahren hab ich die TV-verfilmung gesehen und war sehr angetan, weil es echt schöner unterhaltender romantischer stoff war und viel herzschmerz und so viele nette (naja was solls - halberotische) frauenphantasien bedient und ich genier mich jetzt gar nicht so sehr dafür... vivent les clichés! :-)) :-))

abenteuerromane hab ich als kind auch recht gerne gelesen, robinson crusoe und schatzinsel und so, auch ein paar karl mays.

ich finde es ja ehrlich gesagt prinzipiell echt komisch, dass der titel frauenliteratur so pejorativ verwendet wird (interessanterweise, wie sich hier zeigt, vor allem AUCH VON FRAUEN!)... und frage mich, ob da einem genre(?) nicht auch viel unrecht getan wird.

ich frage mich auch, warum es bücher gibt, die bestseller sind, die aber keine(r) gelesen haben will...? und warum frau sich dafür schämt? warum ist z.b. das interesse an kitsch etwas dermaßen verpöntes, bzw. an der gelegentlichen erwartung einer simplen rekreationsfunktion von literatur?

gibt es etwas vergleichbares, eine "männerliteratur", die mit ebenso verächtlichem unterton ausgesprochen wird?

offen bleibt für mich persönlich die frage, was MÄNNER typischerweise lesen.
ich hege den (nicht sehr empirisch) erhärteten verdacht, dass männer eher als frauen besonders gescheite, v.a. sachbücher an gut sichtbaren stellen im bücherregal horten (könnten), um damit und mit dem daraus bezogenen wissen angeben zu können...?

den bereich SciFi und phantastische literatur würd ich auch eher dem anderen geschlecht zuordnen.

und uns frauen auch eher mal so diese esoterik-sachen.

ach ja: das parfum fand ich auch gruselig. JA! warum? weiß nicht so genau, aber, als anhaltspunkt, ich finde auch geisterbahnen und horrorfilm-parodien gruselig... :-D :-D

dass wir als meines erachtens doch recht unterschiedlich funktionierende geschlechterwesen auch unterschiedliche ansprüche an literatur haben halte ich für evident.

die these von CSL, dass gute bücher doch beide geschlechter ansprechen, halte ich jedenfalls schon für bedenklich, weil sehr vereinheitlichend wo nicht alles zu vereinheitlichen ist.

:-& charis

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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon Hamburger » 18.09.2003, 22:35

Hallo Ihr!

Ich möchte denn doch zumindest mal eine Lanze für Paolo Coelho brechen und das, obwohl meine "Erfahrungen" mit diesem Autor zunächst durchaus negative waren.
Ich kann mich noch genau erinnern: Auf der Geburtstagsfeier meiner Freundin vor zwei Jahren erzählte mir mein jetziger Schwager davon, wie toll doch das Buch "Der Alchimist" sei. Er redete und redete. Bestimmt geschlagene 20.Minuten. Alles was er sagte passte für mich in die Kategorie: Kitschige, pseudo-anspruchsvolle Trivialliteratur.
Ich stimmte ihm zu (wie man das auf Feiern so macht), sagte, dass ich dieses Buch bestimmt noch lesen werde und nahm mir fest vor, mir nie, nie, nie etwas von Paolo Coelho zu kaufen.
Dann bekam ich, ein halbes Jahr später, von einem Freund zum Geburtstag, das Buch "Veronika beschließt zu sterben" geschenkt.
Ich musst mich sehr überwinden überhaupt hineinzuschauen. Doch als ich es dann endlich tat und begann zu lesen, da ging es mir genau wie Dir, charis, es berührte mich sehr. Ich fand, dass die Story nur an ganz wenigen Stellen ins Kitschige abglitt und ich fand es nach viel düsterer Literatur, die ich in dieser Zeit las, so richtig befreiend einmal ein Plädoyer für das Leben zu lesen. Auch konnte ich mich mit Veronika`s Leiden, welches so simpel und banal zu Beginn des Buches
geschildert wird, durchaus identifizieren.

Wie war das noch: Sie litt an zwei Dingen. Zum einen daran, dass die Welt ist wie sie ist und zum Zweiten, dass man nichts daran ändern könne...

Das kannte ich von irgendwoher. Ich glaube auch, dass dieses Buch jedem zu empfehlen ist, der mit dem Gedanken der Selbsttötung spielt.

Allgemeiner gspochen bin ich mir icht sicher ob es so etwas gibt: typische Geschlechterliteratur. Wann beginnt denn Literatur typisch für ein Geschlecht zu sein? Wenn 65, 75 oder wenn 90 % dieses Geschlechtes solche Bücher kaufen?
Ferner: Ist das nachzupüfen? Ich glaube die Verkaufszahlen geben nicht wieder, wieviel Männer und wieviel Frauen sich ein Buch gekauft haben.
Mir kommt da allerdings die Idee, dass man das ja mal einführen könnte. Da steht dann ein 20jähriges Mädchen an der Kasse mit einer Handvoll Abenteuerromane und muss sich erstmal belehren lassen: "Hören Sie, das ist nichts für sie. Das ist typisch männliche Literatur. Warten Sie, ich zeige Ihnen ein Buch, das zu ihnen passt" - und schnurstracks steuerten Verkäufer und Käuferin die Esoterik-Ecke an...

MFG,

Hamburger
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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon Spiderman » 22.09.2003, 20:23

Na, dann will ich mich endlich auch mal zu dieser alles entscheidenden Frage der Weltliteratur äußern.

Wie ich in einem anderen Posting bereits dargelegt habe: die Mutter aller schlimmen Bücher ist "der kleine Prinz". Und der wird v.a. von Frauen geliebt. Bei Frauen, die dieses Buch abgöttisch lieben, ist das Janosch-Poster nicht weit. Dieser Frauen-typ neigt auch dazu, eine ganze Armee an Plüschtieren (die alle einen eigenen Namen haben) im Bett zu beherbergen. Sex ist grundsätzlich mit dem Anzünden von Duftlämpchen oder Räucherkerzen verbunden.

Ähnlich schlimm und auch von Frauen geliebt: Erich Fried. Bei seinen Gedichten überkommt mich ein Frösteln und ich kriege Magenkrämpfe. Am allerschlimmsten sind seine Liebesgedichte. Da heißt es dann neunmalklug "es ist was es ist" (die Liebe, nämlich) oder "Damit ich deinen Schoß / besser liebkosen kann / hast du ihn offengehalten / mit zwei Fingern / wie Ischtar und Lilith". Guckt man sich dazu ein Foto von Erich Fried an, dann ist das richtig eklig. Ich weiß nicht, was Frauen an ihm finden.

In eine ähnliche Kategorie gehören esoterische, verkitschte, die Freiheit beschwörende Bücher wie die "Möwe Jonathan" oder diese ganzen Selbsterkenntnis-Märchen aus dem Körner-Verlag. Ganz fiese Sachen!

Es gibt dann noch die Premier League der Frauenliteratur, zu der ich gar nicht soviel sagen kann, weil ich deren Bücher nicht gelesen habe oder nur angefangen habe zu lesen. Mein Eindruck dabei: interessante Literatur, nur leider für Männer völlig langweilig. Dazu zählt z.B. "Malina" von Ingeborg Bachmann. Ich hatte mal eine Freundin, die das als Lieblingsbuch hatte. Deshalb dachte ich, ich lese es auch mal. Ich bin nicht weit gekommen. Original-Beziehungs-Zitat:

Ich: "Also ich weiß nicht, irgendwie ist das Buch doch ziemlich langweilig. Diese ganzen weiblichen Neurosen gehen einem doch schnell auf den Sack."
Sie (entrüstet): "Die haben Dir nicht auf den Sack zu gehen! Das sind auch MEINE Neurosen!!!"

Okay, Malina war nicht das Richtige für mich. Was ich auch mitkriege ist, dass Frauen "Christa Wolf" lesen. Ich stand manchmal schon im Buchladen und hab mir Christa-Wolf-Bücher angeguckt. Dabei überkam mich immmer ein scheußliches Gähnen, so dass ich von W wie Wolf schnell nach B wie Bukowski gelaufen bin. Mit Isabel Allende geht es mir ähnlich.

Was sind typische Männer-Bücher? Keine Ahnung, aber ich glaube, Bücher von Nick Hornby sprechen mehr Männer als Frauen an. Ähnliches könnte für Paul Auster gelten, für Charles Bukowski sowieso.

Experte in Sachen Frauenliteratur:
Spider
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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon charis » 22.09.2003, 22:09

nein nein NEIN, ganz sicher nicht ist nick hornby männerliteratur! zumindest nicht PRO-männer-literatur! ich fand die beiden bücher, die ich bisher las (also high fidelity - oder hieß das buch anders als der film... naja, weiss nimma - und about a boy) sehr super und sehr lustig und sehr männerverarschend.
aber bitte - vielleicht lasst ihr euch ja gern verarschen. jedenfalls stehen hornbys typen doch immer als ziemliche loser da, bis sie letztendlich im kontakt mit mehr oder weniger sympathischen, neurotischen, toughen und smarten mädels ein bisschen generalüberholt werden.
oder?
also zumindest war das MEIN eindruck. aber vielleicht hab ich hornby ja falsch verstanden ... :-D
und naja: fever pitch hab ich ausgelassen. ;-)

paul auster, also nein, kann ich auch nicht SO sagen... naja ich weiß auch nicht. wobei ich hab seine bücher glaub ichz nicht recht kapiert, also könntest du doch recht haben, spider.
und bei den beiden verfilmungen smoke und blue in the face passt es schon irgendwie, stimmt. naja, harvey keitel ist aber auch eine männliche klasse für sich...
:-))

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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon gelbsucht » 04.10.2003, 00:10

Hallo Charis & Co.,

"Der kleine Prinz" ist ganz nett. Hab es irgendwann mal von vorne bis hinten durchgelesen und wieder weggelegt. Ich meine mich zu erinnern, dass es vor einigen Jahren da eine richtige Kleine-Prinz-Euphorie gab, so ähnlich wie bei "Sophies Welt". Erwähnenswert ist vielleicht die Tatsache, dass mir "Der kleine Prinz" von einem Mann empfohlen und geborgt wurde. Allerdings konnte ich seine Begeisterung für das Kinderbuch nicht teilen.

"Die Nebel von Avalon", sagen mir nichts. Den Titel hab ich schon mal gehört. Das ist es aber auch. Sagt mal: worum geht's darin eigentlich?

"Siddharta" von Hermann Hesse. Erotik, Buddhismus und Langeweile. Eine dermaßen bemühte, ausufernde und übersättigte Sprache, dass einem schlecht davon wird.

"Das Parfüm" von Patrick Süsskind. Als Fast-Food-Unterhaltung, zum Nebenbeilesen fand ich's okay. Es gibt einen Nirvana-Song, "Scentless Apprentice", der sich auf das Buch bezieht – irgendwie schien sich Kurt Cobain wohl mit dem Protagonisten von "Das Parfüm" zu identifizieren. Das nur als Anekdote zu der möglichen Relevanz des Buches für das männliche Geschlecht. Allerdings ist es wohl wirklich belanglos. Ich muss sagen, dass ich vor allem den Verlauf der Story ziemlich unlogisch und konstruiert fand. Bestimmte Arten von Zufällen und glücklichen Fügungen sind ab einem gewissen Punkt einfach nicht mehr glaubwürdig. Es ist immer abträglich, wenn ein Autor Spannung erzeugen will und ins ungewollt Lächerliche abrutscht. Davon abgesehen, dass die Bedeutung, die Düften und Gerüchen hier zugeschrieben wird, auch reichlich übertrieben und absurd ist. Jedes Kind weiß von der Dominanz von Bildern und Tönen, von Seh- und Hörsinn beim homo audiovisiones.

"Malina" von Ingeborg Bachmann. Ich bin auch nicht sehr weit gekommen. Aber ich muss hinzufügen, dass ich auch noch sehr jung und dumm war, als ich es versucht habe (17 Jahre oder so). Jetzt wäre die Gelegenheit wohl günstiger, denn Frau Bachmann ist inzwischen zu einer meiner absoluten Lieblings-Lyrikerinnen gereift und ihre Sprache und ihre Metaphorik sind mir zugänglicher. Aber, ich spekuliere, dass das Buch mit Sicherheit immer noch eine Herausforderung für mich wäre, ohne den Anspruch auf einen geschlechtlichen Unterschied herunterbrechen und zurückführen zu wollen.

Für mich ist selbst "Nichts als Gespenster" von Judith Hermann eine Art Frauenliteratur. Im Zentrum ihrer Erzählungen steht ja häufig ein weibliches Ich und die Gedanken, Stimmungen und Befindlichkeiten der Protagonistin und ihr Verhältnis zum Rest der Welt bilden den Ausgang für alle Handlungsstränge. Mir gefällt's – und dennoch! – es fliegt mich, während ich das lese, mitunter ein gewisser Zweifel an, ob ich (als Mannmensch) diese Geschichten überhaupt richtig verstehen und wertschätzen kann. Seltsam, oder? Es gibt ein Lied von Tocotronic, das heißt: "Die Sache mit der Team Dresch Platte". Dieses Lied bringt, wie ich finde, diesen Widerspruch und diesen Aberwitz der männlichen Identität beim Konsum von Frauenliteratur bzw. Musik genau auf den Punkt:
Ich fand mich sofort in diesen Liedern wieder
Und ich weiß sie sind nicht für mich
Ich weiß und trotzdem glaube ich
dass ich sie verstehen kann
obwohl ich bin ein Mann
und trotzdem find ich sie super
Ich hab sie dann gleich meiner Freundin vorgespielt
und sie fand sie gar nicht so toll
Ich glaube auch, ich weiß woran das liegt,
denn sie singen ihre Lieder vorwiegend in Moll
Und ich weiß ...

(Album: "Wir kommen uns zu beschweren")

Typische Frauenliteratur? Es gibt doch unzählige Romane der Art: Frau gerät in Zeitstrudel, reist in die Vergangenheit, landet in irgendeiner historisch halbwegs authentisch recherchierten Kulisse, hat ein paar Orientierungsschwierigkeiten (merkwürdiger Weise aber nie sprachliche), erlebt ein paar Abenteuer, verliebt sich ... blabla ... Das stelle ich mir unter typischer Frauenliteratur vor. Ich muss sagen, dass ich eine Mutter habe, die sehr viel liest, aber auch sehr viel Schund ... so fünfhundert bis siebenhundertseitige Arztromane und Thriller. Konsalik liest sie nicht, aber den finde ich auch typisch. Oder Simmel. Aber wirklich "typisch" sind doch wohl diese Heftchen, die man am Kiosk kaufen kann, die diese einprägsamen, femininen Vornamen tragen. Leicht verdauliche, rührselige Hausfrauenlektüre. Ich find es faszinierend, dass es diese Boulevard-Literatur immer noch gibt, dass sie immer noch gelesen wird und ich bin überzeugt, dass die Zielgruppe hier eindeutig feststeht. Allein an den Vornamen, mit denen diese Serien betitelt werden, lässt sich dann schon das durchschnittliche Alter der Konsumentinnen abschätzen. Wie kann man so was nur lesen? So eine Zeitverschwendung.
Ferner: Ist das nachzupüfen? Ich glaube die Verkaufszahlen geben nicht wieder, wieviel Männer und wieviel Frauen sich ein Buch gekauft haben.

Ich bin überzeugt, dass es entsprechende Erhebungen und Marktforschungen gibt! Man müsste das mal im Internet recherchieren ...

By the way: hab mir diese Woche mal die Emma gekauft. Aus Neugierde. Das Heft ist aber zu meiner Überraschung wirklich interessant und unterhaltsam. Ich lese eigentlich nicht gern Zeitschriften; habe aber selten ein Magazin in der Hand gehabt, dass von der ersten bis zur letzten Seite so politisch war, so idealistisch und auf ein Leitthema fixiert. Sehr beeindruckend.

;-) gelbmann :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon Silentium » 04.10.2003, 13:02

Hallo!

Wenn ich mich kurz einmischen darf...

Die Nebel von Avalon", sagen mir nichts. Den Titel hab ich schon mal gehört. Das ist es aber auch. Sagt mal: worum geht's darin eigentlich?


Eine Bearbeitung der Artussage aus der Sicht der Fee Morgane und einiger anderer erlesener Damen.

Allerdings gibt es erstaunlich viele Männer welche diese Bücher kaufen. Meist haben sie einen mythologischen Schaden.


Durch's lesen wird der myhologische Schaden auch nicht beser, weil die keltische Mythologie auf schon fast kriminelle Weise verhakstückt wird- rituale dazuerfunden oder umgedeutet, Kräuter verwendet, die in betreffenden Gebieten nicht wachsen, Familienverhältnisse umgedreht und was die bradley den Thuatha de danan angetan hat, ihrem kleinen Volk... au!
Ich hab's mit dauergesträubten Haaren gelesen.

Kenne im übrigen einen solch mythologiegeschädigten Mann. Scheint wirklich keine reine Frauenliteratur zu sein.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon razorback » 06.10.2003, 23:25

YEEE-HAW, watt'ne geile Frage!!!


Oh ja! B-)

Ich möchte in diesem Zusammenhang Euren Blick auf die Flut von Ratgeber-, Pseudopsycho oder anderen Büchern lenken, in deren Titel mit schöner Regelmässigkeit die Worte "Einparken", "Fahrrad", "Fisch", "Frau", Mann", "Mars", "Venus" etc. vorkommen und die alle nur eine Botschaft haben: Frauen und Männer sind unterschiedlich. Diese Bücher werden meiner Erfahrung nach von einem nicht kleinen Teil der Damenwelt begeistert verschlungen (meine Liebste ist dem Wahn - Gott sei's gedankt - kaum verfallen, aber schon meine Schwester... na, egal...).

Dieses Phänomen ist vordergründig für uns Männer ganz günstig - unser bizarres Verhalten fällt nicht mehr unter "Arschloch" sondern unter "vom Mars", was irgendwie vornehmer klingt. Letztlich aber ist es ärgerlich. Denn dieser "Du kannst mich einfach nicht verstehen"-Kitsch mordet jede Auseinandersetzung, die früher gerade aufgrund der Unterschiede in Denken, Fühlen und Erfahrung spannend war. Schade drum...

Witzigerweise sind es oft gerade die Frauen, die heute so wissend von den Ursprüngen der Unterschiede parlieren, die einem noch vor zwei Jahren den chauvinistischen Kopf vom Hals reissen wollten, weil man von der Existenz eben dieser Unterschiede überzeugt war. :-D

Ach ja - Marion und ihre Nebel.

Grmpf...

Neben den vielen Nachteilen, die diese Werke haben erregen sie auch in höchstem Masse Zorn - meinen zumindest. Was masst die Tante sich denn bitte an zu glauben, keltische (Avalon) oder griechische (Troja) Mythen "aus der Sicht der Frauen" erzählen zu können? Fühlt man sich da als Frau nicht verarscht? Ehrlich nicht? Wieso nicht? Wirklich - das wird eigentlich nur noch von Schwachsinn Marke "Wenn Du geredet hättest, Desdemona" übertroffen.
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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon charis » 08.10.2003, 13:14

ja, ja, diese ratgeber...
mich hatte schon gewundert, dass sie noch niemand genannt hatte!

ich glaube einfach, dass viele frauen (und ich zähle mich auch dazu) mitunter froh sind, für in ihren augen völlig unverständliches verhalten eine kurzweilige, einfach zitierbare aber im gegenzug natürlich sehr populärwissenschaftliche erklärung parat zu haben.

das entlastet mal einen moment ganz schön...

die auseinandersetzung mit dem menschen, mit dem man liebt / liebt, muss ja qualitativ nicht darunter leiden, dass frau ein paar höhlenmenschen-vergleiche zur verfügung hat (und sich sagen kann: "hey, keep cool, das ist aaaalles gaaaanz natürlich zu erklären..." :-D )

nein, im ernst. wer bücher vom mars und anderswo nicht relativiert, ist selber schuld. trotzdem finde ich sie nicht generell schlimm.
generell schlimm finde ich eher, was für eine wahnsinnskohle diese typen damit machen müssen und scheisse - warum bin ICH nicht auf die idee gekommen!!! ;-)

mordet jede Auseinandersetzung, die früher gerade aufgrund der Unterschiede in Denken, Fühlen und Erfahrung spannend war. Schade drum...

->
DEN einwurf versteh ich nicht ganz.
warum mordet eine mehr oder weniger wissenschaftlich fundierte kenntnis über zusammenhänge im kommunikationsverhalten von männern und frauen die auseinandersetzung? eröffnet sie nicht auch andere zugänge? und gerade das buch von deborah tannen, das du zitierst (du kannst mich einfach nicht verstehen) halte ich nicht für hirnlosen kitsch. aber ich weiß ja auch nicht, was deiner meinung nach dem thema entspräche.

weiters,
@gelb:
Es gibt doch unzählige Romane der Art: Frau gerät in Zeitstrudel, reist in die Vergangenheit, landet in irgendeiner historisch halbwegs authentisch recherchierten Kulisse, hat ein paar Orientierungsschwierigkeiten (merkwürdiger Weise aber nie sprachliche), erlebt ein paar Abenteuer, verliebt sich ... blabla


?-( ?
ich kenne kein einziges buch, dass mir zu dieser inhaltsbeschreibung einfallen würde. das einzige wäre "die zeitmaschine" von (glaub ich) h.g.wells, besser gesagt der ziemlich gute film, aber SOWAS meinst du ja wohl nicht, oder???

@ dreigroschenromane:
also es wundert mich eigentlich, dass du als soziologe dich über die existenz der dreigroschenhefte wunderst...!
das ist doch recht einfach erklärbar, warum eine gesellschaft wie die unsere den wunsch nach identifikation mittels stereotypen und nach dem traum vom happy end entstehen lässt.

ich frage mich, ob das wirklich ein frauentypisches phänomen ist, oder on männer nicht diese sehnsucht anderorts kompensieren... (auf dem fussballfeld?)

generell möchte ich aber eine lanze FÜR den kitsch brechen und mich weigern, alles kitschige sclecht finden zu müssen.
das finde ich so verdammt kultursnobistisch.

ich schliesse mit einem zitat, von dem ich aber nicht weiss, wer es sagte (mag sein, dass es erich kästner war...?):

"kitsch ist das, was einem gefällt, wenn man allein ist."

B-)
charissima

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Re: Im Wissen, nicht verstanden zu werden

Beitragvon razorback » 08.10.2003, 14:51

Hm...

DEN einwurf versteh ich nicht ganz.
warum mordet eine mehr oder weniger wissenschaftlich fundierte kenntnis über zusammenhänge im kommunikationsverhalten von männern und frauen die auseinandersetzung? eröffnet sie nicht auch andere zugänge? und gerade das buch von deborah tannen, das du zitierst (du kannst mich einfach nicht verstehen) halte ich nicht für hirnlosen kitsch. aber ich weiß ja auch nicht, was deiner meinung nach dem thema entspräche.


Hm...
Hm...
Also, ich habe Tannen nicht gelesen, was Du mir verzeihen magst, schliesslich ist es ja bei Deiner Fragestellung Voraussetzung. In ein paar andere (frag mich nicht nach den Titeln, "Männer sind vom Mars..." und "Warum Frauen nicht einparken..." gehören, glaube ich, dazu) habe ich mal reingelesen und sie dann fix wieder weg gelegt.

Den Kommunikationsmord werfe ich selbstverständlich nicht den Büchern oder ihren Autorinnen oder Autoren vor. Wie gesagt - ihre Botschaft "Frauen und Männer sind (bzw. kommunizieren, denken, fühlen etc.) unterschiedlich" - unterschreibe ich sofort und vertrete sie schon seit Jahren. Ich hätte nur nie gedacht, dass man gerade bei einer weiblichen Leserschaft damit Geld machen kann, ich hätte eher auf Lynchmord getippt ;-) Und der Grund, aus dem ich etwas gegen diese Bücher habe ist eine Art frustrierte Eitelkeit - wenn ICH das sage, kriege ich Ärger (nicht immer, selbstverständlich), wenn DIE das schreiben, kriegen sie Geld :-D

Nein, die Kommunikationsmörderinnen sind die Leserinnen, die die Bücher vielleicht falsch verstanden haben und sich auf keine Diskussion mit einem Mann mehr einlassen, weil man sich ja angeblich sowieso nicht verstehen kann (doch, die gibt's und nicht zu knapp).

das entlastet mal einen moment ganz schön...


:-D
Aber wieso eigentlich? Einfach zu aktzeptieren, dass Frauen seltsam sind, fand ich immer sehr unterhaltsam (also - immer VOR meinem 13. und NACH meinem 17. Geburtstag oder so...). Müsste doch auch umgekehrt klappen... :-p


Zu den Zeitstrudelbüchern:
Doch, da gibt's einige, blöderweise fällt mir jetzt auch kein Titel ein. Fairerweise sollte gesagt werden, dass auch oft Männer in diese Situation kommen - und dann das Königreich retten, eine Prinzessin/Sklavin befreien o.Ä.

Es gibt meines Wissens eine einzige, sehr sehr witzige Geschichte dieser Art: Den urkomischen Trashfilm "Armee der Finsternis".

H.G. Wells fällt für mich - wie überhaupt alle Zeitmaschinengeschichten - nicht in diese Kategorie. Hier wird nicht ein moderner Mensch holterdipolter und ohne vernünftige Erklärung in eine andere Zeit versetzt, um dann eine konventionelle Liebesgeschichte mit glutäugigen Hirten, Hirtentöchtern oder deren Schafen zu erleben. Hier geht es meist um mehr oder weniger geplante Zeitreisen und die Geschichten sind oft - schon aus dem Stoff heraus - recht anspruchsvolle Texte, die sich mit Utopien/Dystopien, Paradoxien, Gesellschaftsvergleichen oder einer anderen Sicht auf unsere Gesellschaft beschäftigen.

Ich gehe hier so ausführlich darauf ein, weil dieses Thema einige der besten und anspruchsvollsten SciFi-Geschichten überhaupt hervorgebracht hat - und die "Zeitstrudelliteratur" so ein billiger Abklatsch ist.

Ach ja - und weil die ganze SciFi irgendwie Männerliteratur zu sein scheint... Wieso weiss ich nicht... :-|
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