Also eigentlich...

Was liest Du gerade? Was kannst Du empfehlen? Was war ein Reinfall? Benutze dieses Forum, um Deine eigenen Rezensionen zu publizieren.
Archäopterix
Medusa
Beiträge: 36
Registriert: 06.06.2002, 14:53
Wohnort: Bayern

Also eigentlich...

Beitragvon Archäopterix » 16.10.2003, 12:58

...wollte ich nicht unbedingt die erste sein, die etwas zu dem Buch sagt - aber es kommt ja immer anders.
Mein erster Eindruck: Merkwürdig...
Ich hatte anfangs durchaus Probleme mich an die eigenwillige Sprache und den Erzählstil (erinnert mich an "örtlich betäubt" von Günther Grass, was ich im übrigen schrecklich fand) zu gewöhnen. Gestern abend las ich dann die Beschreibung der Straßenbahnfahrt im ersten Kapitel und war zum ersten Mal begeistert. Zu sehen und zu spüren, was während einer solchen Fahrt in Erika vorgeht, in ihr ausgelöst wird, fand ich unheimlich spannend. Seit dieses für mich fast schon sinnlichen Erlebnisses glaube ich, es könnte vielleicht doch Spass machen dieses Buch zu lesen...auch wenn sich mir die Geschichte noch nicht erschlossen hat.

Ausserdem interessiert mich natürlich wie es euch so geht mit dem Buch - ich hoffe die Diskussion war nicht erst geplant, wenn alle fertig gelesen haben...?!?

Ich freue mich auf eure ersten Eindrücke...
In mir schlummert ein Genie - nur wird das Biest nicht wach...

vogel
Phantasos
Beiträge: 1889
Registriert: 28.05.2003, 19:55
Wohnort: Braunschweig
Kontaktdaten:

Re: Also eigentlich...

Beitragvon vogel » 16.10.2003, 20:21

HAllö !

Also du hättest bestimmt nicht der erste sein müssen, wenn du bis zum 16. Nov. gewartet hättest ... *g*

Ich stehe mit Erika & Mutter grade an der Bahnhaltestelle (S. 84)...
Anfangs gings mir ähnlich : Ich brauchte immer 1, 2 Absätze um wieder rein zukommen, doch jetzt ist's schön flüssig ... Und ich hab auch gedacht : "Was redet die Frau da ?" Aber umso mehr ich lese, umso mehr "Spass" macht es mir ... Ich habe schon lange nicht mehr solch ein Buch gelesen, in dem ich die Bilder seh - und das obwohl ich grade erst auf Seite 84 klaffe (Lobe ich dies Buch jetzt zu hoch, weil ich noch nicht mal das erste Kapitel fertig habe ? Oder kann es sein, dass es wirklich so ist ? ... Ok, dann mal sehn, was sonst noch kommt ...) ....


Liebe Grüße
kleinervogel
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

gelbsucht
Pegasos
Beiträge: 1105
Registriert: 25.04.2002, 20:55
Wohnort: Das Dorf der Dussel an der Düssel

Re: Also eigentlich...

Beitragvon gelbsucht » 22.10.2003, 21:12

Hallo ihr beiden,
Ausserdem interessiert mich natürlich wie es euch so geht mit dem Buch - ich hoffe die Diskussion war nicht erst geplant, wenn alle fertig gelesen haben...?!?

Eigentlich schon, aber egal! Es war ja ein offenes Voting ... und mit dem Protokoll von O livro ist keiner von euch so richtig vertraut.

Meine ersten Leseeindrücke:

Ich hab jetzt das erste Drittel des Buches geschafft. Meine Erwartungen in das Buch und auch meine Befürchtungen waren ja von vornherein sehr hoch - wie sich jetzt herausstellt, habe ich es in beider Hinsicht noch unterschätzt. Es sind Hammerschläge. Klar, die Sprache von Jelinek ist gewöhnungsbedürftig, ich denke auch, eigentlich ist sie, obgleich sie hier in Prosa schreibt, eine ganz großartige Lyrikerin. Diese Sätze, diese Bilder, dieser Hass, diese unbarmherzigen Stiche. Sie meißelt, sie hämmert, sie kratzt, sie bohrt, sie schneidet, sie sägt ... wie eine leibhaftig gewordene Furie. Großartig. Aber ich habe an mir selbst festgestellt, dass es besser ist, das ganze nur in kleinen Stücken zu lesen, weil es so dicht, so krass und stellenweise auch recht anstrengend ist. Heute musste ich das Lesen mehrmals unterbrechen, das Buch aus der Hand legen, weil mir die Schilderung einfach zu nah gegangen ist.

;-) gelb :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

Silentium
Mnemosyne
Beiträge: 2771
Registriert: 24.05.2003, 17:50

Re: Also eigentlich...

Beitragvon Silentium » 25.10.2003, 12:37

Schließe mich dem bisher gesagten eigentlich so ziemlich an. Bin normalerweise kein langsamer Leser, aber die Frau Jelinek, ja die Frau Jelinek, die braucht Zeit. Liegt schwer im Magen. Aber trotzdem: ziemlich genial. Vor allem die U-Bahngeschichte war beeindruckend. "wiener gift"- war das nicht ein Ausdruck, den sie verwendet hat? Bin jetzt zu faul, nachzuschauenen, aber ich glaube schon. Das hat was, finde ich. Nur- muss die Lady unbegingt so oft Leib- bezw. Fruchtwasser verwenden? Ein, zweimal mag die Metapher angehen, aber ein paar mal alle hundert Seiten- ich weiß nicht.
Man kommt sich vor wie auf einer Gebärklinik!
Trotzdem bir ich irgendwie schwer von der Frau Jelinek beeindruckt. Vor alle, das man hinter den Metapherkaskaden noch klar die Handlung erkennt...

Grüße, Silentium
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

gelbsucht
Pegasos
Beiträge: 1105
Registriert: 25.04.2002, 20:55
Wohnort: Das Dorf der Dussel an der Düssel

Re: Also eigentlich...

Beitragvon gelbsucht » 25.10.2003, 18:15

Metapherkaskaden

Ja, das ist es: Metapherkaskaden!!! Schöner Ausdruck. Dass trotzdem die Handlung zu erkennen ist, die Entwicklung und Charakterisierung, ist auch wirklich erstaunlich.
Vor allem die U-Bahngeschichte war beeindruckend.

Welche U-Bahngeschichte? Die in oder die unter der Elektrischen?

;-) gelb :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

Silentium
Mnemosyne
Beiträge: 2771
Registriert: 24.05.2003, 17:50

Re: Also eigentlich...

Beitragvon Silentium » 27.10.2003, 21:39

Ähm, Straßenbahn. (Tragisch, wenn's jetzt schon bei mir mit Alzheimer anfängt... worum ging's gleich?)
Diese Straßenbahnfahrt ziemlich zu beginn, wo das Fräulein Kohut über die Schlechtheit der Menschheit im Allgemeinen und die Minderwertigkeit der Wiener im Besonderen philosophiert. So hab ich's zumindest verstanden. Sauböse, ziemlich morbid und verdammt treffend.

Silentium
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

Archäopterix
Medusa
Beiträge: 36
Registriert: 06.06.2002, 14:53
Wohnort: Bayern

Re: Also eigentlich...

Beitragvon Archäopterix » 27.10.2003, 22:53

Diese Straßenbahnfahrt fand ich auch absolut genial...

@Silentium: mir sind noch keine Gebährmutterinhalte begegnet, kannst du mal ein Beispiel geben...

@Gelbsucht: ich hoffe du verzeihst mir meine Neugierde ;-)

Grüßle, Mel
In mir schlummert ein Genie - nur wird das Biest nicht wach...

gelbsucht
Pegasos
Beiträge: 1105
Registriert: 25.04.2002, 20:55
Wohnort: Das Dorf der Dussel an der Düssel

Re: Also eigentlich...

Beitragvon gelbsucht » 28.10.2003, 01:43

Die fertile Fruchtwasser-Symbolik ist mir auch schon ins Auge gefallen, klingt für mich sehr psychologisierend.
mir sind noch keine Gebährmutterinhalte begegnet, kannst du mal ein Beispiel geben...

Hier zwei Beispiele für das, was Silentium meint:
Erika ist vollkommen gesund, dieser Fisch im Fruchtwasser der Mutter, der gut genährt worden ist.

(Elfriede Jelinek: Die Klavierspielerin. S. 60)

Ein schlecht schwimmendes Tier mit durchlöcherten Häuten zwischen seinen stumpfen Krallen, paddelt sie, ängstlich den Kopf hochhaltend, in der warmen Mutterjauche herum, ruckweise, wo ist das rettende Ufer verschwunden?

(Elfriede Jelinek: Die Klavierspielerin. S. 89)

Übrigens fand ich das mit der Straßenbahn am Anfang ziemlich verwirrend ... ich habe erst ein paar Seiten später begriffen, dass es sich dabei um eine Rückblende handelte und Erika in dieser Szene noch ein junges Mädchen ist. Später wurde es etwas einfacher diese Rückblenden zu erkennen ... dafür scheint das sperrige SIE zu stehen.

Und? Wo seid's ihr gerade?

;-) gelb :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

vogel
Phantasos
Beiträge: 1889
Registriert: 28.05.2003, 19:55
Wohnort: Braunschweig
Kontaktdaten:

Re: Also eigentlich...

Beitragvon vogel » 29.10.2003, 20:03

Hallo !

Dann muss ich mich doch noch mal melden, bevor schon wieder 1 1/2 Wochen blau machen (muss) ...
ICh finde die "Fruchtwasser-Symbole" garnicht mal schlecht. Denn ist denn Erika nicht in dem Mutterleib (sprich : im trautem Heim) wie ein Embryo behütet und wird sie da nicht umsorgt und verhätschelt .. und mit Bissigen Argumenten belästig, wenn sie wieder den Bauch (sprich : die Mutter) mit Tritten behagelt ?

Also ich bin heute Nacht auf 151 angekommen ... Ich konnte das Buch garnicht mehr weglegen (erst als dann meine Lampe geknallt hat und ich im dunklen da saß *schnief*) auch wenn ich manchmal schlucken musste, was Fr. Jelinek da schreibt, ging nicht ... Aber das war gestern das richtige Ablenkungsmittel nach der einwöchigen Pause ... Heißt also ich bin eher das Gegenteil von gelb - vom Lesen her ...

Gelb :
Übrigens fand ich das mit der Straßenbahn am Anfang ziemlich verwirrend ... ich habe erst ein paar Seiten später begriffen, dass es sich dabei um eine Rückblende handelte und Erika in dieser Szene noch ein junges Mädchen ist. Später wurde es etwas einfacher diese Rückblenden zu erkennen ... dafür scheint das sperrige SIE zu stehen.

Hm ... Also ich weiß nicht. Ich bin noch immer am überlegen, was das Große SIE bedeutet. Die Straßenbahnszene könnte genau sogut von heute sein - Warum sollte Erika nicht auch heute (also in der Gegenwart) so schwer bepackt durch die Stadt rennen (auch wenns zeimlich unrealistisch ist, dass ne Frau Ende 30 wie nen Packesel durch Wien läuft .. - war es Wien ?) ? Ich glaube auch nicht, das die Große-SIE-Szenen zwingend Vergangenehitszenen sind, denn ab Seite 85 legt sie ein Verhalten an den Tag, das sie auch heute noch tut. Sie spitzelt den Schülern nach, von denen sie glaubt, sie würden sich noch anderweitig beschäftigen ... Oder seh ich das jetzt falsch ? Sie zeigt ein Verhalten, das da heißt : "Du hast etwas und ich hätte es auch gerne." Wenn nicht sogar : "will es auch" Verzeiht, wenn ich jetzt die Stelle nicht zetiere, aba mir fehlt heute der Nerv und die Zeit, deswegen sag ich jetzt schnell mit meinen eigenen Worten : Dort ist doch ein anderes Mädchen, das einen Mantel hat, den Erikaschätzchen auch haben möchte, und sie sucht solange etwas um das Mädel anzuschwärzen, bis sie etwas findet - nämlich, dass sie auf Wiens Straßen auf Freier wartet (oder ? *nicht mehr richtig weiß*). Dann wird dieses der Schule verwiesen und Erika muss sie nicht mehr sehen ..
Natürlich ist das eher das Verhalten jüngerer Mädchen, aber ich werde den Gedanken nicht los, dass auch die heutige Erika das fertig kriegen würde ... Denn am Anfang kriegen sich Mutter & Tochter buchstäblich in die Haare (das fand ich zeimlich hard : rumpft Erika die Mutter wie ein Huhn ...) und das nur wegen dem Kleid ...
Also ich weiß nicht was das große SIE soll ...

Die Eisdielenszene (?) auf Seite 60 wirft mir mein dieses grad erklärte Gesamtbild wieder total durcheinander : Was hat das mit mit Erika zu tun ? Das ist bis jetzt die Einzige Szene (wie oft habe ich jetzt Szene geschrieben ?), die mir wirklich unklar ist. ICh versteh sie nicht ...


Das war mein Kommentar .. Und ich stell fest, dass ich mir ziemlich viele Einzelheiten aus dem Büchlein merken kann .. Das heißt was ..


Liebe Grüße .)
kleinervogel
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.


Zurück zu „Rezensionen“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 38 Gäste