Hannibal von Instetten - "Der Birnenverächter"

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RainerMaurer
Kerberos
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Hannibal von Instetten - "Der Birnenverächter"

Beitragvon RainerMaurer » 19.05.2011, 10:57


Ein Antiheld paart Erzählkunst mit subtilem Humor!

Klappentext:
„Hannibal von Instetten erlebte eine trostlose Kindheit in Stolberg, einer bitterarmen Kleinstadt in der kalten Eifel mit sterbender Schwerindustrie. Seine Lehrer sagten ihm, dass er dumm sei. Nachdem er wegen Menschenrechtsverletzung von der Schule geflogen war, versuchte er sich erfolglos als Unterwäsche-Model. Er sei zu hässlich, sagten die Modeagenturen. Von Instetten beschloss, Künstler zu werden und begann Bücher zu schreiben. Aber seine Bücher waren schlecht und niemand wollte sie lesen. Hannibal von Instetten musste oft weinen. Gegenwärtig lebt er in Görlitz, einer bitterarmen Kleinstadt in der kalten Lausitz mit aussterbender Bevölkerung. Die Kinder auf der Straße bewerfen ihn häufig mit Steinen. Von seiner Unterlippe tropft grüner, dickflüssiger Speichel. Niemand liebt ihn.“

„Und weißt du, was ich aus der ganzen Geschichte gelernt habe?“
„Was denn?“, frage ich.
„Nichts.“
„Geht mir genauso.“

In Hannibal von Instettens „Der Birnenverächter“ lauert die Absurdität in jeder Zeile. So fällt er auf einen Weißkohl herein, der sich als Prinzessin ausgibt. Von seiner großen Liebe Dörte ist von Instetten gelangweilt, nachdem sie ihm die historische Bedeutung ihres Damenbartes verdeutlicht hat. Von Instetten gewährt uns Einblicke in seinen e-mail-Verkehr mit Siri Hustvedt und der ukrainischen Ministerpräsidentin Timoschenko. Die Sprache ist dabei prallgefüllt mit Witz, Charme und zynischen sowie bissigen Seitenhieben. Grenzen werden überschritten als würden sie nicht existieren und so werden wir Teil der Welt von Hannibal von Instetten, in der dreijährige Mädchen von der Schaukel rufen: „Ich habe deine schwule Schwester gefickt, du Opfer!“

In 30 Kapiteln auf 194 Seiten zeigt sich von Instetten als präziser Beobachter und großartiger Erzähler. Aus Stolberg (bei Aachen), dem „Bitterfeld des Westens“, stammend, hat es ihn mittlerweile in die Lausitz verschlagen. Nach eigenen Angaben ernährt er sich nur von Fertiggerichten und achtet auf eine regelmäßige Vitaminzufuhr, die er über Pillen reguliert. Vom Frauenphilosophiemagazin „Sie denkt auch“ wurde er zum zweitschönsten deutschen Philosophen nach Richard David Precht gewählt; eine Auszeichnung, die ihm nichts bedeutet.

Von Instetten präsentiert sich als einer, der nach Liebe sucht, obwohl er weiß, dass „Romantik ein Luxus ist, den sich die Verhaltensbiologie nicht leisten kann.“ Kurt Tucholkys Rheinsberg wird in „Denn die Liebe wird einen Weg finden“ vorzüglich parodiert und ins 21. Jahrhundert übertragen. In einer an Thoreaus „Walden“ angelehnten Story berichtet der Birnenverächter von seiner Schreckensherrschaft im Urwald, die (zum Glück) in einem Massaker ihr Ende fand. Paulo Coelho arbeitet als Schaffner für die deutsche Bahn, Japaner lächeln selbst, wenn ihnen brennende Wunderkerzen ins Ohr gesteckt werden und Hannibals Freund Franticek möchte Uwe Tellkamp am Südpool die Mütze vom Kopf hauen, gerät aber schließlich doch ins Grübeln...

Weit entfernt vom üblichen Einheitsbrei hat Hannibal von Instetten ein selbstbewusstes Buch vorgelegt, das man beim Lesen nur aus der Hand legt, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen. Der Humor ist doppelbödig und teilweise derb, von Zeit zu Zeit trifft er zielsicher unterhalb der Gürtellinie ins Schwarze:
„Mein Geburtshaus steht übrigens noch, man kann es gegen ein kleines Entgelt besichtigen, Kinder unter 5 Jahren und geistig Behinderte dürfen sogar umsonst rein.“

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