Bayern + seine Natur - Essay 3. Teil

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Pentzw
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Bayern + seine Natur - Essay 3. Teil

Beitragvon Pentzw » 25.01.2012, 20:59

Nationalhymne und die Dachauisierung des bayerischen Waldes

Gott, mit Dir, Du Land der Bayern (1. Strophe des Bayernliedes)
- so fängt die Nationalhymne der Bayern an und in diesem ersten Satz steckt fast alles drin, was das Drama, nein die Tragödie dieses großen Landes mit seinen vielfältig abwechselungsreichen Landstrichen ausmacht.
Es ist eine anarchische Beschwörungsformel aus dem tiefsten Mittelalter, wenn nicht weitaus davor zurückreichend, im germanischen Animismus und Pantheismus verwurzelt. Für den Bewohner, nein, Besitzergriffenhabenden dieses Landes herrscht ein inniges, nur mit Gott vergleichbares Beziehungsverhältnis und drückt aus, dass dem Bayern sein Land Teil seiner Seele ist.
Dass ist die Basis, auf dem dessen Tragödie aufbaut.
Diese Beschwörungsformel enthält nämlich gleichzeitig ein Lamento, ein unbewusster Aufschrei darüber, was der Landbesitzer selbst mit diesem seinem Land macht: Missbrauch und unausgegorene Zuführung an ein unsicheres Schicksal.
Ja, die Landbevölkerung hierzulande ahnt in seinen tiefsten Schichten, wahrscheinlich in seinem Stammhirn natürlich, was er an ihm verbricht: Abholzung, Zurückdrängung und Vergiftung.
Diese bayerische Endlösung seines Waldbestandes, nämlich, wo nicht Vernichtung und Ausrottung, dann Konzentration in einem streng umgrenzten und bewachten Bezirk und Revier, euphemistisch als Nationalpark deklariert, ist der bayerischen Seele schmerzlich bewusst. Bayern wäre nicht Bayern, wenn es nicht auch dafür einen idiomatischen Ausdruck hätte, nämlich Dachauisierung.
Schmerzhaft ist sein Schicksal wahrhaft!
Denn dieses große, im räumlichen Sinne gemeinte (!) Land, ist reich an natürlichen Ressourcen. Die totale Planierung ist noch nicht beendet, sämtliche Bebauungspläne noch nicht abgeschlossen, obwohl mittlerweile bereits arbeitshungrige, wohlstands- und karrierebewusste junge Leute aus dem tiefsten Osten hierhergeschleppt und –gelockt werden, um diese Endlösung der totalen Verbauung dieses an natürlichen Aspekten reichen Landes zu verwirklichen.
Dies stellt die hanebüchene Umkehrung des Bildes dar, dass sich einst avantgardistische Europa-Beführworter und Befürworter ausgemalt haben. Denn diejenigen Straßen, die es am nötigsten hätten, ausgebaut, saniert und verbessert zu werden, befinden sich gerade in den Ländern, von denen arbeitsmotivierte Menschen weggelockt werden. Warum schickt man nicht erfahrende bayerische Bauarbeiter in diese Ostländer?
Dieser Schildbürgerstreich gesamteuropäischer Vereuropäisierung, sprich Verblödisierung demonstriert einen weiteren Aspekt der mysteriösen bayerischen Seele: Wenn du gebraucht wirst hierzulande, bist du willkommen, auch wenn du noch so fremd sein solltest. Aber wenn du unliebsam auffällst, störst’, dann wird dir dies auch unmißverständlich ins Gesicht gesagt, selbst wenn du noch so einheimisch bist.
Jedoch höre ich schon die ein oder andere Stimme aus dem „Ausland“, aus dem Heer der Bayophilien sagen: seufz, diese sympathische Gradlinigkeit! Lieber direkt heraus gesprochen, als heimlich hintenrum integriert. Man hat leicht reden, wenn man nicht selbst das Objekt solcher Hetze ist. Denn freilich gab es in meiner Kindheit immer die bösen Onkels, in Gestalt der Mutter des Freundes, in meinem Falle eine Preußin übrigens oder in der der Straßenkinder, die von ihren Vätern aufgehetzt worden sind: das ist der Sohn von einem Flüchtling. Weit entfernt, der Mode des Stolzes auf meinen Migrationshintergrund zu frönen, welche heutzutage gerne in bayerischen Schulen gepflegt wird, möglicherweise auch anderswo, so war das für mich doch eine schlimme Stigmatisierung.
So verwundert es auch nicht, dass jüdische Menschen in der Hauptstadt Bayerns keine Chance auf eine Existenz hatten. Sie waren auf dem Land verstreut. Meines Wissens auch hauptsächlich in den evangelischen Regionen, in Franken. Dass dort der Aufstieg der NSDAP in Bayern am rasantesten voranging, ist beredt genug, freilich weil hierorts im ländlichen Bereich der Anteil jüdischer Bevölkerung am größten war, auch nominell. Darüberhinweg täuscht übrigens auch kein hässliches modernes Alibi- und Schlechtes-Gewissen-Synagogengebäude in der Hauptstadt heutzutage. Übrigens noch nach Jahrzehnten hat mich ein bayerischer Lehrer verwundert auf meinen „Migrations“hintergrund, welches schlimme Wort, angesprochen: was, ihre Mutter hat einen Flüchtling bzw. Vertriebenen geheiratet? Das war ungewöhnlich zur damaligen Zeit (der Zeit unmittelbar nach der Nazidiktatur) (Ton im Sinne von: Wie-konnte-sie-nur! – in meinem Sinne fortschreibend: Sich-dieses-Märtyrium-freiwillig-auf-ihre-Schulter-bürden). Nun, das ist wohl auch etwas Bayerisches, sich kleinen Leuten mildtätig zeigen...

In den Flüssen und auf Deinen Auen ringt Dein Verderben (Vorschlag einer weiteren Strophe des Bayernliedes)
- was wäre Bayern ohne seine Bauern und deren x-beliebigen-izid-verspritzenden Landwirtschaft und die alles zementierende Bauwirtschaft? Was würden heute noch für Forellen in den Flüssen schwimmen! Stattdessen sind dieselbigen tot: mortem terra! Aber der Verkehrsminister verkündet stolz aus Berlin kommend: wir haben so und soviel Milliarden für die Bebauung unseres Landes herausgeschlagen. Frohlockt und jubiliert das Volk darüber?

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