"Insel der Nachtfalter"

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Leander
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"Insel der Nachtfalter"

Beitragvon Leander » 01.03.2013, 16:12

Mario Schulze: "Insel der Nachtfalter"

Seit Februar 2013 erhältlich.

Eine fiktive Geschichte und doch nahe an der Realität geschrieben. Dieses Buch, das sich schwer in eines der gängigen Genre pressen lässt, nimmt einen wahren Fall aus Deutschland als Idee für seine Story. In dem Dörfchen "Insel" leben seit einiger Zeit 2 aus der Sicherungsverwahrung entlassene Triebtäter. Deutschland musste sie freilassen, weil ein Urteil aus Straßburg keine andere Wahl ließ. Seither kämpft das Dorf darum, dass die beiden wegziehen. Soweit die Realität. Nun zum Buch.

Vorweg: Wer eine reißerische Geschichte erwartet, wird enttäuscht. Im Buch gibt es nur einen Täter, aber der hat einen Stiefbruder (dem noch eine wichtige Rolle zukommt). Das Besondere an dem Roman: Er wird aus ganz vielen verschiedenen Perspektiven erzählt. Und jede Figur hat ihre eigene Sicht auf das "Problem" (z.B. die Bürgermeisterin, der Polizist, der vor dem Triebtäterhaus Wache schieben muss, der Nachbar, eines der Opfer von damals, die Bäckersfrau, die immer mit ihrem Auto ins Dorf kommt, eine Politikerin, die das Dorf besucht, der Anwalt des Täters...) Manche kommen nur ein einziges Mal zu Wort. Alle wollen immer (aus sehr unterschiedlichen Motiven) irgendwie an einem Fädchen ziehen, merken aber nicht, dass sich die Sache längst verselbstständigt hat. Das Buch ist also keine rückblickende Bestandsaufnahme mit eher kurzen Statements (wie etwa Morton Rhues "Ich knall euch ab"), sondern jede dieser Sichtweisen treibt die Handlung ein Stückchen voran, bis zum gelungenen Schluss.

Kostenpunkt: 11,95 € (Taschenbuch mit 207 Seiten - wer aber lieber Großschrift mag, bekommt es zum selben Preis auch mit 319 Seiten). Kann man auch als eBook downloaden (6,99 €)

Etwas gewöhnungsbedürftig: die für den Druck gewählte Schriftart.

kranich.2013
Kerberos
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Re: "Insel der Nachtfalter"

Beitragvon kranich.2013 » 02.03.2013, 05:56

Noch druckfrisch fiel mir das Buch mit dem auffälligen Cover (knallrot sticht der Schriftzug "SEXGÄNGSTER" unter wunderschönen Rosen hervor) zufällig in die Hände und wurde von mir in "einem Ruck" gelesen.

Schulze ist in diesem gesellschaftskritischen Roman seinem äußerst talentierten Schreibstil, das verfasste Wort in lebendige, realistische Bilder verwandeln zu können, von der ersten bis zum letzten Zeile trreu geblieben.

Die unterschiedlichen Blickwinkel seiner charakterlich sehr verschiedenen Protagonisten auf die Ereignisse in dem Dörfchen Eilandt geben der Geschichte von Anfang an die Möglichkeit, sich zu einem Werk voller überraschender Wendungen, verbunden mit hochspannenden Szenen entwickeln zu können.

Dem Leser wird sehr schnell klar, dass der Romans kein billiger Abklatsch der wirklichen Geschichte des Umgangs mit einem verurteilten Sexualstraftäter in dem altmärkischen Dörfchen "Insel" ist.

Glaubwürdig gelingt es dem Autor, menschliche Ängste, Vorurteile, klischeehafte Meinungen, Sehnsüchte und Hoffnungen in den Vordergrund; von zum Teil schmerzlich- resignierenden, aber auch kämpferisch- mutigen Äußerungen und Handlungen der Dorfbewohner zu rücken.

Schulzes Figuren kommen dabei zum Teil nicht um die Erkenntnis herum, dass sie von den verfestigten Moral- und Glaubensvorstellungen der Gesellschaft, in der sie leben, in ihrem Denken und Fühlen stärker beeinflusst werden, als sie es sich bisher selbst eingestehen wollten.

Führt DIESE Einsicht nun zu nachhaltigen Veränderungen im Umgang mit dem Triebtäter oder verfällt das Dorf in eine ignorante Lethargie, die nur noch Misstrauen und Egoismus gegenüber jedem Mitmenschen hervorbringt? Dabei verzichtet der Autor bewusst auf den erhobenen maßregelnden Zeigefinger.

Schulze schafft es mit seinem Buch, den Leser bis zum Schluss zu fesseln und hellwach zu halten!
Mein Fazit: Mit "Insel der Nachtfalter" erwartet uns ein Roman, der gefällige Lektüre bietet, ohne dass er auch nur einen Moment in die Anspruchslosigkeit abzugleiten droht. :-) :-) :-)

schatzmeister
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Registriert: 03.04.2013, 16:44

Re: "Insel der Nachtfalter"

Beitragvon schatzmeister » 03.04.2013, 17:10

Habe mir das Buch über Amazon bestellt, nachdem ich hier davon gelesen hatte. Hier meine Eindrücke:
Äußeres: Paperback mit Einschlag hinten und vorne, Ziemlich breites Format , muss man sich erst mal dran gewöhnen, moderne Schrift, Papierqualität könnte besser sein.

Preis: mit 11,95 Euro für ein Taschenbuch im Mittelfeld.

Inhalt: Ich vermutete eher etwas reißerisches, das kam nicht. Bei diesem Thema und dem Cover (Auf der Rückseite steht mit Sprühfarbe "Sexganster") musste man das eigentlich fast erwarten. Stattdessen wird die Geschichte ruhig wegerzählt , wobei schon früh der Stiefbruder des Täters ins Spiel kommt, der eigentlich die Fäden zieht. der (entlassene) Täter selbst ist die passivste Figur des ganzen Buches , vielleicht mal abgesehen vom Ende. Die meisten anderen Figuren (die alle selbst zu Wort kommen) wollen eigentlich irgendwie retten, was noch zu retten ist, weil sie spüren, dass das Dorf den Bach runter geht. Ich hab beim Lesen so ab der Hälfte des Buchs die ganze Zeit überlegt, wie der Autor es wohl hinbekommt, diese Story zu einem glaubwürdigen Ende zu bringen, denn schließlich wird man ja schon an die Ereignisse in diesem Dorf erinnert, wo die 2 Triebtäter scheinbar immer noch hausen und eben kein Ende in Sicht ist (oder alles verläuft im Sande). Ich hab ja auf ein offenens Ende getippt. Aber so viel darf ich verraten: Im Buch gibt es ein "richtiges" Ende , und das Warten darauf hat sich gelohnt, der Schluss ist zum tief Durchatmen! Aber auch sonst liest sich das Buch einfach flott weg, wenn man zwischendurch aufhören muss , stört das irgendwie.

Fazit: Ich hab's nicht bereut, es gekauft zu haben.


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