Ivan S. Turgenjew: Väter und Söhne

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Joachim Stiller
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Ivan S. Turgenjew: Väter und Söhne

Beitragvon Joachim Stiller » 30.09.2013, 04:19

„Väter und Söhne“ von Ivan S. Turgenjew

Der Roman „Väter und Söhne“, der im Jahre 1859 in Russland spielt, ist ein Generationenroman, und spiegelt den Konflikt zwischen den Vätern, die in den 40er Jahren groß geworden sind und liberal und humanistisch erzogen wurden, und der aufbegehrenden und revolutionär-materialistischen Jugend der 60er Jahre.

Die liberalen Väter werden durch die Landadelsbrüder Kirsanov repräsentiert, schwächlicher durch Nicolaj Petrovic, der den Verfall des Guten nicht aufhalten kann, Vater von Arkadij und schließlich durch Nicolaj Petrovichs Bruder und Gentleman Pavel Petrovic. Typische Vertreter der Jugend sind denn auch Arkadij, der Sohn von Nicolaj Petrovic und Arkadijs Freund und Studienkollege, der selbsternannte Nihilist Basarov. Beide sind in den Semesterferien auf dem Land unterwegs, um Land und Leute kennenzulernen. Sie besuchen zunächst Arkadijs Vater und den Onkel. In den Gesprächen – es kommt zu erbitterten Streitigkeiten zwischen Pavel Pavlovic und Basarov – wird die Haltung des Nihilisten deutlich. Er glaubt an nichts, nicht an die Liebe, nicht an die Kunst oder auch nur die Philosophie, sondern nur an den Nihilismus selber, den Turgenjev mit der Revolution gleichsetzt, und natürlich an die materialistische Naturwissenschaft, die Basarov letztendlich aber auch verlacht.

Doch die Reise der beiden Studenten führt sie auch zu der Witwe Anna Sergevnea Odincova. Basarov gerät ins Wanken und verliebt sich in sie, eine Liebe, die nicht erwidert wird und einsam bleibt. Arkadij seinerseits verliebt sich in die Schwester der Odincova, Katja, und heiratet sie am Ende. Er kehrt so in den Schoß des Vaters zurück. Basarov, der sich von Arkadij trennt, stirbt tragisch an einer Typhusinfektion, ein nur zu symbolischer Tod, der den Nihilismus selber zu grabe trägt.

Zu der Figur des Nihilisten Basarov muss angemerkt werden, dass er kein typischer Vertreter des Nihilismus in einem „philosophischen Sinne“ ist. Er ist nur Vertreter eines „literarischen Nihilismus“ (Ich glaube an gar nichts), der am ehesten mit dem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch in Russland aufkommenden Materialismus zu vergleichen ist. Trotzdem ist es das bleibende Verdienst von Turgenjev, diese Form des Nihilismus in die Literatur eingeführt zu haben.
Der Roman war in Russland sehr umstritten. Der Jugend zu liberal, den liberalen Vätern zu revolutionär, traf der Roman wohl genau die leidende Seele Russlands. Es handelt sich trotz gewisser, auch philosophischer Schwächen um ein wirkliches Meisterwerk, das vor Lebensfreude und Lebensbejahung nur so strotzt.

Gruß Joachim Stiller Münster

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