Max Frisch: Der Mensch erscheint im Holozän

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Joachim Stiller
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Max Frisch: Der Mensch erscheint im Holozän

Beitragvon Joachim Stiller » 30.09.2013, 12:37

„Der Mensch erscheint im Holozän“ von Max Frisch

Die Erzählung „Der Mensch erschien im Holozän“ erschien 1979.

Der 73-jährige Herr Geiser hat sich nach dem Tode seiner Frau Elsbeth in ein Häuschen im Tal Onsornone im schweizerischen Tessin, wo auch Frisch ein Häuschen hatte, zurückgezogen. Warum er nicht mehr in Basel leben will, weiß Herr Geiser selbst nicht genau („Herr Geiser hat es getan“).

Ein heftiges Sommergewitter bricht über das Tal herein und durch einen Erdrutsch ist der Ort von der Außenwelt abgeschnitten. Auch fällt der Strom aus, womit alle Annehmlichkeiten der Zivilisation vorübergehend ausfallen. Für Herrn Geiser, der alt und gebrechlich ist, (Er hat Angst, das Gedächtnis zu verlieren und seine Lesebrille ist zerbrochen), sind dies drohende Zeichen des Weltunterganges. Ein Erdrutsch könnte den ganzen Ort unter sich begraben. Oder es könnte die Sintflut ausbrechen. Herr Geiser will daher sein ganzes Wissen aufbewahren. So schneidet er willkürlich Texte aus Lexika und wissenschaftlichen Abhandlungen aus oder schreibt sich ab und heftet sie fein säuberlich an die Wände. Diese Texte und Bilder sind in der Erzählung typologisch hervorgehoben. Doch ein Windstoß bringt am Ende alles durcheinander.
In einem letzten Aufbegehren versucht Herr Geiser aus dem Tal zu fliehen. Von der Aussichtslosigkeit seines Vorhabens überzeugt, kehrt er aber völlig entkräftet zurück („Was soll ich in Basel?“). Er erleidet einen Schlaganfall und seine Tochter findet ihn in jämmerlichem Zustand und geistiger Verwirrung.

Die Erzählung „Der Mensch erschien m Holozän“ ist eine äußerst fesselnde, dichte Prosa. Sie ist eine Parabel auf eine pessimistische Untergangsmenschheit und den Kampf mit den Unbilden der Natur, den der Mensch nur verlieren kann. Das Holozän ist das Jetzt und Hier. Hier erscheint der Mensch, und noch ehe er sich gefunden hat, geht er schon wieder unter. Der Untergang und der Integrationsverlust von Herrn Geiser steht stellvertretend für die ganze Menschheit. Die Erzählung aus dem Spätwerk ist sich eines der besten Bücher von Max Frisch und ein wahres Meisterwerk. Es ist wirklich bedauerlich, dass Max Frisch nie den Nobelpreis für Literatur erhalten hat.

Gruß Joachim Stiller Münster

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