Hermann Hesse: Narziss und Goldmund

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Joachim Stiller
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Hermann Hesse: Narziss und Goldmund

Beitragvon Joachim Stiller » 01.10.2013, 21:29

„Narziss und Goldmund“ von Hermann Hesse

Der Roman spielt im Mittelalter, in einem Kloster beginnend, in dem junge Leute auf ihre geistigen Berufe vorbereitet werden. Narziss ist der Lehrer, der sein Leben ganz dem Geiste gewidmet hat. Goldmund wird von seinem Vater ins Kloster gebracht, damit er die Sünden seiner Mutter sühnen kann. Die beiden gegensätzlichen Naturen werden Freunde. Der Menschenkenner Narziss macht Goldmund klar, dass er seine Vergangenheit und seine Mutter nicht leugnen darf. Aus dieser Einsicht beginnt Goldmund ein unstetes Vagabundenleben, das ihn von einer Liebschaft zur nächsten treibt. Hunger und Tod wecken in Goldmund das Verlangen, seinen Gefühlen einen künstlerischen Ausdruck zu verleihen. In einer Bischofsstadt beginnt er eine Bildhauerlehre bei dem Meister Niklaus. Er schafft die Figur des Narziss als Jünger Johannes, nicht ahnend, dass Narziss inzwischen zum Abt Johannes geworden ist. Doch Goldmund, der eine Heirat mit der Tochter des Meisters ablehnt, beginnt erneut sein Wanderleben.

Goldmund begegnet den Schrecken der Pest, verlebt ein Jahr mit Lehne und einem Pilger in einer Holzhütte, bis auch Lehne an der Pest stirbt. Er will zu Niklaus zurückkehren und en Archetypus der Urmutter schaffen, den er im Herzen als Bild seiner eigenen Mutter trägt. Doch Meister Niklaus ist inzwischen ebenfalls gestorben. Goldmund verliebt sich erneut, diesmal in die Gemahlin des Stadthalters, wird aber in Flagranti erwischt und zum Tode verurteilt. Der zufällig anwesende Narziss, jetzt Abt Johannes, rettet Goldmund das Leben. Goldmund geht nun als Bildhauer mit Narziss zurück ins Kloster, doch bald zieht es ihn wieder in die Ferne. Während einer letzten Wanderschaft stürzt Goldmund vom Pferd. Gebrochen kehrt er zu Narziss ins Kloster zurück und stirbt schließlich, ohne die Urmutter geschaffen zu haben, in den Armen seines Freundes. So kehrt er doch zu seiner Mutter zurück, die er nie erreicht hat.

Neben „Siddharta“ ist „Narziss und Goldmund – Die Geschichte einer Freundschaft“ wohl Hesses bestes und meist gelesenes Werk. Er setzt ein mit ungeheuerer Sprachgewalt und bleibt die ganze Wanderschaft über in einer fast träumerischen Schwebe und Leichtigkeit. Der Roman, eine Liebeserklärung an ein untergehendes Deutschland, spielt in Würzburg eines Riemschneider und den umliegenden Klöstern. Es ist voller psychologischer Elemente, so deutet die Figur der Urmutter auf den Archetypus von C.G. Jung. Beide Figuren, sowohl Narziss, als auch Goldmund, entsprechen den beiden zentralen Typen der Typenlehre von Jung. So entspricht Narziss dem introvertierten Typus, dem „Erkennenden“, und Goldmund entspricht dem extrovertierten Typus, dem rastlosen „Macher“. Sicherlich ist diese Gegenüberstellung eines der stärksten Motive des ganzen Romans.

Die Liebesabenteuer auf Goldmunds Wanderschaft lesen sich mit der Leichtigkeit der Novellen eines Boccaccio im Dekameron, und haben sicher hier ihr Vorbild. So zitiert Hesse ja auch die großen Novellisten in „Peter Camenzind“.
Trotz der Liebe für Deutschland, ist der Roman auch ein Aufschrei vor dem drohenden Untergang Deutschlands. (Das Buch ist 1929 geschrieben und 1930 erstmals veröffentlicht worden.) Hier taucht das Motiv der schwarzen Pest auf, und die mittelalterliche Judenverfolgung und –Ermordung im 13. Jahrhundert.

So könnten diese Elemente eine Vorahnung auf den drohenden Holocaust und den Krieg sein. Aber Hesse stellt diesen Szenarien den Beruf des Künstlers entgegen. Überhaupt öffnet Hesse dem Leser den Blick für das künstlerische Schaffen, nicht nur für den Künstler, sondern auch für ein Deutschland der Dichter, Denker (und Künstler?). Narziss und Goldmund gehört sicher zu den herausragenden Werken der Weltliteratur, denen man möglichst viele Leser wünscht. Es beginnt ganz leise als „Bildungsroman“, aber am Ende ist es weise.

Gruß Joachim Stiller Münster

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