Siegfried Lenz: Der Geist der Mirabelle

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Joachim Stiller
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Siegfried Lenz: Der Geist der Mirabelle

Beitragvon Joachim Stiller » 01.10.2013, 21:34

Der Geist der Mirabelle – Geschichten aus Bollerup“ von Siegfried Lenz

„Der Geist der Mirabelle“ ist eine Sammlung von 12 Geschichten aus dem ländlichen Dorf Bollerup, das irgendwo an der Ostseeküste liegt. In diesem verträumten Dorf heißen nur wenige anders als Feddersen. Sie sind nur unterscheiden durch Kosenamen, wie der Leuchtturm, der Dorsch oder die Schildkröte. Zu den kuriosen Eigenheiten der Bewohner gehören auch die bisweilen krummwüchsigen Gedanken, die durch den Mirabellenschnaps hervorgerufen werden. Dich Geschichten erinnern durchaus an die Geschichten aus „So zärtlich war Suleyken“, nur dass unsere Geschichten nicht in Masuren spielen.

Vielleicht eine kleine Kostprobe: Frietjoff Feddersen ist die Sparsamkeit und Ordnung in Person, außer wenn er von dem selbstgemachten Mirabellenschnaps getrunken hat. Eines Tages wird in einem Hinterzimmer ein zünftiger Skat gespielt. Frietjoff hat natürlich seinen Mirabellenschnaps dabei. Je später der Abend, man hat sich schon ordentlich eingeheizt, um so härter wird natürlich das Ausspiel. „Rumms“, da liegt die nächste Karte auf dem Tisch, doch plötzlich sackt der Tisch weg: Beinbruch! Und nun kommt die rettende Idee von Frietjoff Feddersen. Sie lassen einfach den Doktor Dibbersen kommen, denn der hat schließlich studiert. Dibbersen begutachtet also mitten in der Nacht den Patienten, bittet um eine Schale mit Wasser und ein Handtuch und setzt den Tisch wieder zusammen. Danach allerdings präsentiert er Frietjoff die Rechnung: 112,- DM. Am nächsten Morgen sieht man Frietjoff Feddersen den alten Mirabellenbaum in seinem Garten umhacken und zu Kleinholz verarbeiten.

Natürlich führt an der eigenen Lektüre kein Weg vorbei. Es seien dem Leser einige sehr kurzweilige Stunden versprochen. Siegfried Lenz hat einen ausgesprochen intelligenten und vor allem feinen Humor der aus vielen seiner Werke spricht (Ludmilla, Klangprobe). Seine Sprache ist exzellent, und äußerst einfühlsam. Jedes Bild ist in seinen Werken stimmig, auch die Bilder untereinander. Alle Details fügen sich nahtlos zu immer neuen Landschaften zusammen (so z.B. in „Es waren Habicht in der Luft“, seinem ersten Werk). Lenz entpuppt sich immer wieder als Sprachkünstler von ganz großer Qualität.

In „Der Geist der Mirabelle“ und auch in „Suleyken“ schießt Lenz nun einmal exemplarisch ein ganzes humoristisches Feuerwerk ab. Der Leser wird sich das Lachen nicht verkneifen können. Das Buch ist wirklich ein wahres Kleinod der deutschen Literatur.

Lenz gehört ohne Zweifel zu den ganz großen Schriftstellern und Erzählern in diesem Land. Leider ist die Literaturkritik nicht immer so gut mit ihm umgegangen.

Gruß Joachim Stiller Münster

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