Jose Saramago: Alle Namen

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Joachim Stiller
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Jose Saramago: Alle Namen

Beitragvon Joachim Stiller » 01.10.2013, 21:44

„Alle Namen“ von Jose Saramago

Die Handlung des neuesten Romans „Alle Namen“ von Jose Saramgo ist relativ einfach erzählt. Senhor Jose ist ein kleiner Amtsschreiber im zentralen Personenstandsregister. In seiner Freizeit sammelt er Zeitungsausschnitte berühmter Persönlichkeiten. Eines Tages fällt ihm die Karteikarte einer unbekannten Frau in die Hände. Sr. Jose stürzt sich nun Hals über Kopf in ein unglaubliches Abenteuer. Er will alles über die unbekannte Frau wissen.

Den einzigen Anhaltspunkt, der er hat, ist die Notiz, wo die Frau geboren wurde und ihre erste Kindheit verbracht hat. Er begibt sich also in das Geburtshaus und recherchiert dort bei den Anwohnern, ausgestattet mit gefälschten Papieren. Die alte Frau im Erdgeschoss unten links, deren Vertrauen Sr. Jose erschwindelt, stellt sich als die Patentante der gesuchten heraus, die aber keinen Kontakt mehr zu ihr hat. Sie sagt Sr. Jose aber, wo die Gesuchte zur Schuld gegangen ist. Sr. Jose beschließt nun, trotz seines notorisch schlechten Gewissens, in die Schule einzubrechen. Doch die gefundenen Karteikarten helfen ihm nicht weiter. Sr. Jose, der direkt die Wohnung neben dem Personenstandsregister bezieht, sucht nun in der Archiven unter den Toten, findet aber auch hier nichts. Da fällt ihm plötzlich und unerwartet die Akte der Unbekannten in die Hände, die gerade bearbeitet wurde. Daraus geht hervor, dass die Unbekannte kürzlich verstorben ist. Sr. Jose besucht noch einmal die alte Frau unten links im Geburtshaus und teilt ihr den Tod der Gesuchten mit. Diese hält Sr. Jose für einen notorischen Lügner, bis Sr. Jose ihr die ganze Geschichte beichtet. Sie aber hat Verständnis für Sr. Jose und empfiehlt ihm, sich an die Eltern der Verstorbenen zu wenden. Zuerst aber besucht Sr. Jose den Friedhof, wo die Gesuchte beerdigt wurde und wo er erfährt, dass sie sich ohne ersichtlichen Grund das Leben genommen hat. Die Mutter vertraut Sr. Jose die Wohnungsschlüssel an. Er erfährt bei dem Besuch bei den Eltern auch, dass die Unbekannte als Mathematiklehrerin in eben der Schule arbeitete, in die Sr. Jose eingebrochen ist. Übrigens nahm sie Tabletten. Die gründe für den Selbstmord bleiben weiterhin im Dunkeln. In der Wohnung der Verstorbenen findet Sr. Jose auch keine Anhaltspunkte. Für ihn ist der Fall somit abgeschlossen. In der ebenfalls überraschenden Schlusspointe offenbart ihm sein Chef und Amtsvorsteher, dass er die ganze Zeit über Sr. Joses Machenschaften im bilde und sein heimlicher Verbündeter war. Sie beschließen nun, die Verstorbene im Archiv unter den Lebenden zu führen.

Die „Neue Züricher Zeitung“ schrieb über den Roman: „Die Geschichte liest sich wie ein Kriminalroman oder wie ein langer, fesselnder Traum, der natürlich einen allegorischen Charakter hat: Die Suche nach dem anderen führt zur Suche nach sich selbst.“

Der Roman ist tatsächlich von einer träumerischen Leichtigkeit, die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen, und man begibt sich beim Lesen in einen gewissen Schwebezustand der Seele. Zusammengehalten wird aber alles durch den starken Spannungsbogen.

Die Unbekannte steht in dem Roman für einen x-beliebigen Menschen aus der breiten, anonymen Masse. Aus Sr. Jose gehört mit zu dieser breiten Masse. Doch er interessiert sich für berühmte Menschen, von denen er selber vielleicht gerne einer wäre. Sein Abenteuer und sie Suche nach der unbekannten Frau heben nun beide aus dem breiten Strom des alltäglichen Einerlei heraus. Sie werden für einen kurzen Augenblick selber zu Stars, verewigt in eben diesem Roman. Wie sagte doch Andy Warhol: „Jeder kann für fünf Minuten ein Star sein.“

„Alle Namen“ ist ein sehr gutes Buch und eines dass dem Nobelpreisträger von 1998 würdig ist. Es regt den Leser an zum selber Weiterdenken.

Gruß Joachim Stiller Münster

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