Stefan Zweig: Schachnovelle

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Joachim Stiller
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Stefan Zweig: Schachnovelle

Beitragvon Joachim Stiller » 01.10.2013, 21:51

„Schachnovelle“ von Stefan Zweig

Die Geschichte spielt auf einem Luxusliner auf dem Weg von New York nach Buenos Aires. Ein mäßig begabter Schachspieler, der Ich-Erzähler, berichtet von seiner Begegnung mit dem Schachweltmeister Mirco Czentovic, den ein selbstgefälliger Millionär auf dem Schiff zu einer Simultanpartie herausfordert, natürlich gegen Gage. Der primitive Czentovic beherrscht die kalte Logik des königlichen Spiels wie im Schlafe, er agiert wie ein halb analphabetischer Roboter. Ein fremder Herr, der österreichische Emigrant Dr. B. rettet durch sein mutiges Eingreifen die völlig zerfahrene Partie und erkämpft immerhin ein schmeichelhaftes Remis. Der Ich-Erzähler beginnt sich für den seltsamen Dr. B zu interessieren. Dieser war als ‚Vermögensverwalter von der Gestapo verhaftet worden und wurde in einem Hotelzimmer gefangen gehalten. Dort war er hermetisch von der Außenwelt abgeschnitten. Er entwendet einem Gestapo-Offizier bei einem Verhör eine kleine Sammlung mit 150 Schachpartien, die er nun nachzuspielen beginnt. Irgendwann spielt er blind, denkt sich neue Partien aus, ja, er spielt sogar gegen sich selber. Ein Paradox, durch dessen Ablenkung er aber die Kraft für die täglichen Verhöre gewinnt und sich seine geistige Stärke bewahren kann. Doch er verfällt der Schizophrenie und bekommt ein Nervenfieber, wodurch er vorzeitig entlassen wird.

Zum ersten Mal nach der Haft spielt nun Dr. B. auf einem richtigen Brett gegen den genialischen Czentovic, den ihn nun seinerseits herausgefordert hat. Dr. B. ist nur neugierig, ob das, was er in der Zelle erlebt hat, noch Schach, oder bereits Wahnsinn war. Die erste Partie gewinnt Dr. B. souverän. Gegen seinen Wunsch kommt es zu einer Revanche. Doch Dr. B verfällt in sein altes Nervenfieber und macht völlig sinnlose Züge. Er gibt die Partie vorzeitig auf, um nun nie wieder zu spielen.

Mit diesem resignierenden Schlussakkord will Stefan Zweig metaphorisch auf die Gefährdung der abendländischen Kultur durch die Praxis der faschistischen Gewaltherrschaft hindeuten. Die Berichte über die Gefangenschaft sind nicht nur Zeugenschaft, sondern auch Anklage.

Die Schachnovelle, der Stefan Zweig selber gewisse Mängel unterstellte, die aber kaum jemand je nachvollziehen konnte, ist nicht nur sein politischstes und zeitkritischstes Werk und ein Kommentar zum Faschismus und Nationalsozialismus, es ist auch sein erfolgreichstes, und das sicher zu Recht. Gerade auch, aber nicht nur, für Schachspieler, ist die Schachnovelle zum Kultbuch Nr. 1 geworden. Zweig nahm sich tragische Weise kurz nach Erscheinen des Werkes das Leben.

Gruß Joachim Stiller Münster

riemsche
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Re: Stefan Zweig: Schachnovelle

Beitragvon riemsche » 04.10.2013, 12:51

http://de.wikipedia.org/wiki/Schachnovelle .......... ist zwar nur wiki - aber wesentlich präziser, detaillierter und informativer.
wie wärs mit rezensionen über NEUE "kult"bücher, die nicht schon ende der 60er zur standardlektüre unter gymnasiasten zählten?

Joachim Stiller
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Re: Stefan Zweig: Schachnovelle

Beitragvon Joachim Stiller » 04.10.2013, 22:40

Joh, dann leg mal los... Ich habe meine Pflicht und Schuldigkeit getan... Gruß Joachim Stiller Münster

Diederich
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Re: Stefan Zweig: Schachnovelle

Beitragvon Diederich » 14.02.2014, 01:48

riemsche hat geschrieben:wie wärs mit rezensionen über NEUE "kult"bücher, die nicht schon ende der 60er zur standardlektüre unter gymnasiasten zählten?


Ganz im Gegenteil! Ich bin sehr froh darüber, hier eben nicht (nur) einen Austausch über "neue Bücher" anzutreffen.

Alles andere unterstellte ja, dass Autoren wie Heinrich Mann, Stefan Zweig oder Gerhart Hauptmann uns heute nichts mehr zu sagen hätten - das Gegenteil scheint aber nicht (ganz) der Fall zu sein.

Hingegen ist manches Neue, Modische offenbar überflüssig und leichtgewichtig, was man schon daran erkennen kann, dass einige umjubelte Autoren der 90er Jahre schon wieder vergessen sind.

riemsche
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Re: Stefan Zweig: Schachnovelle

Beitragvon riemsche » 19.02.2014, 00:28

da bin ich _bis auf die einschränkung 90er_ ganz deiner meinung. nur hat hier mangels grundvoraussetzung noch kein austausch stattgefunden. was ich in meinem kommentar eingangs reklamiere, ist der müde abklatsch einer buchbesprechung, wie ich sie selbst auf amazon von lesebegeisterten *****deutern eindrücklicher geliefert bekomme. und die bereits von kolumne bis doktorarbeit unzählige male interessanter, weil individuell widersprüchlicher stattgefunden hat und es hoffentlich weiterhin tun wird. vielleicht ist meine in folge knurrige forderung nach neuem jetzt abiz verständlicher (:->))


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