Vorworte

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Matthias
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Vorworte

Beitragvon Matthias » 25.08.2004, 14:45

Hallo zusammen,

neulich habe ich Hebbels "Maria Magdalena" gelesen und versucht, Hebbels Vorwort zu "Maria Magdalena" zu lesen. Ich weiß nicht, ob es hier noch andere Leser gibt, die dies versucht haben; ich bin gescheitert und habe mich darauf beschränkt, mir einen besonders unkunstfertig komponierten 30 Zeilen langen Satz auf der Zunge zergehen zu lassen, der mit einem langen überflüssigen aufgeblähten Katalog von Ereignissen und Personen aus Shakespeares Königsdramen endete.

Es gibt aber auch andere Vorworte: Ich finde das Vorwort zu Wildes "Picture of Dorian Gray", in dem Wilde seine Aesthetik darlegt, einfach wunderbar geistreich und elegant. Ebenso die Vorworte von Borges zu seinen Gedichtbänden, die sicherlich zu den poetischsten Texten in diesen Bänden gehören und wunderbar einleuchtende Beobachtungen über die Lyrik enthalten. Bei George Bernard Shaws "Saint Joan" fällt auf, dass die Darstellung Johanna von Orleans im Vorwort sehr viel interessanter ist als im eigentlichen Drama.

Welche Vorworte findet ihr gelungen? Welche findet ihr furchtbar?

Viele Grüße,
Matthias
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Hamburger
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Re: Vorworte

Beitragvon Hamburger » 25.08.2004, 15:36

Hallo Matthias,

also ziemlich lustig fand ich das Vorwort von Huxley zu "Schöne neue Welt", in dem er sich vor der zweiten Auflage knapp zwei Jahrzehnte nach der ersten für das Buch quasi entschuldigt und betont, wieviel er wohl anders machen würde, würde er das Buch mit seinen heutigen Erfahrungen nochmal
schreiben.
Genial finde ich das Vorwort zum "Zauberberg" von Thomas Mann, insbesondere den Schluss desselbigen, als Mann listig betont, der Leser solle nun lesen, das Buch würde ihn schon nicht 7 Jahre in seinen Bann ziehen...
An ein ganz und gar grauenhaftes Vorwort kann ich mich zwar nicht erinnern, jedoch - betrachte ich meine früheren Schreibversuche - so finde ich meine Vorwörter frustrierend schlecht. Pathetisch, überdimensioniert und bedeutungsschwanger.

Die generelle Frage, die mich am Thema Vorwort interessiert ist, ob es überhaupt ein solches braucht. Schau dir mal deine Signatur an und du wirst sofort wissen was ich meine.
Wozu das Beiwerk eines Vorworts? Reicht es nicht, wenn der Autor in seinem Werk spricht? Nun könnte man einwenden, dass er noch diesem und jenem danken möchte, welcher sein Werk las, ihm wertvolle Tipps gab etc. - aber interessiert uns das wirklich?

Ich hab` mittlerweiele schon so oft gelesen, dass der Autor seinem Partner dankt, dieser sei soooooo wertvoll gewesen, dass ich dann immer denke: Das kann er ja auch persönlch tun, oder?

Daher werde ich jetzt mal einen Thread in "Kunst und Handwerk" zum Thema aufmachen, um das Thema etwas ins Grundsätzlichere verlagern zu können. Was natürlich keinen hindern soll hier über die Qualität einzelner Vorworte zu berichten.

Einstweilen viele Grüsse,

Hamburger
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Re: Vorworte

Beitragvon Metägo » 26.08.2004, 13:53

Hallo,
da das Vorwort mir viele Bücher im nachhinein verständlicher, bisweilen auch amüsanter (wie die Anspielung der "7 Jahre" beim "Zauberberg") gemacht hat, fehlt mir doch teilweise etwas, wenn dem "eigentlichen" Werk kein solches voran gestellt (oder "vorangestellt" oder "vor an gestellt" oder...) ist.

Denkt man beispielsweise an die drei Vorworte des "Faust" ("Zueignung", "Vorspiel auf dem Theater" und "Prolog im Himmel"), so würde dem Werk zunächst eine herausragende ästhetische, aber auch eine dem Textverständnis notwendige Komponente abgehen.

Ich empfinde es immer wieder als einen Hochgenuss, rückwirkend während oder besonders nach der Lektüre dem Vorwort zu gedenken oder vom Text geradezu darauf gestoßen zu werden (Aha!-Effekt).

Auch das Vorwort zum "Dorian Gray", in der Wilde seine ästhetische Kunstanschauung expliziert, finde ich keineswegs überflüssig, denn es hat mich erwartungsvoll auf die Geschichte gemacht, was auch oft die Funktion eines Vorwortes darstellt.
Köstlich ist als einleitende Charakterzeichnung das Vorwort zu Dostojewskijs "Dämonen" (neue Übersetzung: "Böse Geister"), in dem er den erfolglosen und gleichzeitig so ruhmbedürftigen Stepan Trofimowitsch, einen in die Jahre gekommenen Romantiker, beschreibt, der sich als verkannter Nationalheld und verfolgter Schriftsteller fühlt, sich aber als Müßiggänger von "seiner besten Freundin" aushalten lässt.

Das Vorwort ist, denke ich, genre- und stilabhängig; in einem Kriminalroman ist es meist überflüssig. Wohingegen der Autor doch sicherlich, wenn er ein Vorwort schreibt, dieses auch als notwendig erachtet, sonst hätte er es entbehren können.
Überflüssige Dankesreden sind allerdings meist uninteressant, belanglos und langweilig.
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Re: Vorworte

Beitragvon razorback » 26.08.2004, 14:37

Zunächst wäre vielleicht mal eine Definition von "Vorwort" hilfreich. Die ästhetischen Einlassungen eines Oscar Wilde, ein "Ich danke meiner Mutter..." (ach übrigens, Ham - ich lasse Dich dann bei TI weg okay? :-D ), die Vorstellung der Figuren und ein handelsüblicher Prolog haben doch im Grunde nur gemeinsam, dass man "Vorwort" drüberscheiben kann, wenn man möchte. Von daher wird ein Vergleich schwer.
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Re: Vorworte

Beitragvon Metägo » 26.08.2004, 20:42

Ja, tatsächlich ist Vorwort nicht gleich Vorwort;
jedoch: sobald der Autor seinem Werk ein solches explizit voranstellt, ist es auch als eben jenes zu benennen.
Eine Definition dürfte schwierig sein, da das Vorwort ja in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen und Funktionen zumeist auch als "Vorwort", "Prolog" oder "Vorrede" (wie beim "Zarathustra") gekennzeichnet ist.

Ich habe zuvor den "Faust" erwähnt; hier scheint auch Goethe sich über den Begriff des Vorworts Gedanken gemacht zu haben:

1. Die "Zueignung" als verschlüsselt autobiographische Werkentstehung und Widmung an die ersten Leser aus dem Bekanntenkreis.

2. Das "Vorspiel auf dem Theater", ebenfalls autobiographischer Natur, das
Goethes inneren Konflikt spiegelt, in dem er alle drei Figuren selbst verkörpert - Theaterdirektor, Lustige Person und Dichter.

3. Der "Prolog im Himmel" als tatsächliches Vorspiel zum Drama und der Veranschaulichung des Göttlichen Prinzips, in dessen Brennpunkt Faust steht.

Das ist dann wohl die Genie-Lösung.

Ansonsten muss man sich wohl mit den verschiedenen Spielarten des "Vorworts" und seiner begrifflichen Unbestimmtheit begnügen, oder was wäre die Alternative?
Eine Zueignung wäre doch sicherlich schon eine Präzisierung (etwa beim Vorwort im "Dorian Grey"); nur stünde man dann wieder am Anfang, was denn das Vorwort eigentlich sei, also bei der Definition...
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Re: Vorworte

Beitragvon Metägo » 26.08.2004, 20:54

Zunächst könnte man Danksagungen im Vorwort als "Widmung" oder eben "Danksagung" kennzeichnen...

Das erste Differenzierungskriterium scheint noch zu sein, ob das Vorwort fiktiver oder persönlicher Natur ist, also in direktem Bezug zur Handlung steht oder nicht; aber Differenzierungskriterium wozu? Zu Vorwort oder nicht Vorwort? Und wann ist es dann Vorwort und wann etwas anderes, und wenn etwas anderes, dann was?
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