Erkenntnis im Alter

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Marot
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Erkenntnis im Alter

Beitragvon Marot » 18.12.2002, 18:57

Er steht immer hinter unsrem Rücken,
schaut uns zu und wartet ab.
Irgendwann, ob wir uns strecken oder bücken,
holt er aus und trennt den Faden ab.

Er ist das Letzte was wir alle sehen,
taucht auf, wo Menschen nicht mehr sind.
Er nimmt sie mit und überhört ihr flehen
Er holt sie alle: Mann und Frau und Kind.

Für ihn sind alle Menschen gleich
Aus Schatten raus rührt folgende Betrachtung
-er unterscheidet weder arm noch reich-
Wir leiden unter geistiger Umnachtung.

Wir Menschen wurden duch das Denken dumm
Wir halte Trieb für Lieb und Wahn für Mut
Am Ende feilschen wir, doch ihn stimmt man nicht um
Wir haben es versaut und sind zum Sterben gut.

Wir haben unser Selbst kastrieren lassen,
nun kommt er und entfernt den Rest.
Wir waren dumm, es ist ja kaum zu fassen.
Naja, bald holt er uns, das steht wohl fest.

gelbsucht
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Re: Erkenntnis im Alter

Beitragvon gelbsucht » 20.12.2002, 03:26

Hallo Marot,

ich finde deine Gedichte interessant - weißt du warum? Weil sie mich an meine eigenen ersten Gedichte erinnern. Nun, ich hoffe ich tue dir jetzt nicht unrecht: schließlich weiß ich weder wie alt du bist, noch wie lange du schon Gedichte schreibst.

Ich stelle auch fest, dass du dich ernsthaft um die Form bemühst - ich meine damit nicht umbedingt die Reime, sondern das Metrum. Mancher "Anfänger" denkt Reime wären das A und O, dabei ist Rhytmus und Klang viel entscheidender. Obwohl ich manchmal auch bei diesem Gedicht etwas das Gefühl habe, dass Reime zu finden, dir unter der Hand den Inhalt diktiert hat. Besonders Strophe 3 wirkt darum auf mich eher etwas unzusammenhängend.

Zum Inhalt kann ich wirklich wenig sagen: das Gedicht wirkt bemüht, aber es ist insgesamt kaum stimmig. Es hat einen kritischen bis anklagenden Ton und ich weiß bis zum Schluß nicht, was wirklich der Gegenstand der Kritik ist. Zeilen wie "Wir haben unser Selbst kastrieren lassen," wirken auf mich äußerst komisch und wollen zum dem eher ernsthaften Tenor gar nicht passen - hier zeigt für mich am deutlichsten, was mich an meine eigenen ersten Versuche erinnert. Auch eine Zeile wie "Naja, bald holt er uns, das steht wohl fest." ist sicherlich nicht der passende Abschluss für ein Gedicht, dass sich mit dem Tod auseinandersetzt. Das klingt am Schluss so belanglos, salopp, alltäglich.

:-) gelbe grüsse ;-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

Marot
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Re: Erkenntnis im Alter

Beitragvon Marot » 22.12.2002, 20:26

Hi gelbsucht, ich verstehe gut wenn du das gefühl hast dich an deine Anfänge zurückerinnert zu sehen, da dieses gedicht gerade der Typ von Lyrik ist welcher die leute offt fragen lässt: " Ja, klingt ganz nett, aber was ist denn daran so schwierig, die reime sind offensichtlich der Inhalt kaum verschlüsselt und teils unzusammenhängend."
Natürlich ist es das, denn diese Form den Reimens gehört zu meiner Philosophie.
Ich binn der Meinung vordergründig klare einfache Worte, ein einprägsamer Rytmus und offensichtliche Reime,geben die Möglichkeit viel intensiever und raffinierter Verschlüsselte gedanken zu tragen als offensichtliche Vorhängeschlösser.
Ausserdem , wie ist den unsre Welt gestrickt?
zersplittert, zerfallen, in tausende Mosaike zerhauen, so das wir kaum in der Lage sind sie noch annäernd zu erfassen.
Die expressionisten waren der meinung die Welt zersplittere langsam, 90 Jahtre später kann man nur noch festellen das sie recht hatten.
Was liegt also nahe für unsere Litheratur?
Völlig kryptische sinnentlehrte Sprache. Was liegt nahe für den Revolutzer, den Gesellschaftsfeid, den gegen den Stromschwimmer?
Klare sinngefüllte anscheinend kindliche Sprache.
Ich will jetzt nicht versuchen dir irgentwie zu zeigen, dass ich eben Genanntes in diesem gadicht umgesetzt habe, das kann ich auch nicht, da jedes gedicht auf jeden anderst wirkt, nur will ich dich davor warnen alles einfach gleich als "einfach" abzustempeln, nur weil es so wirkt.
Der letzte satz ist z.b. absichtlich gewählt, und das Thema des Gedichtes ist nur vordergründig der Tot und eigentlich... naja, vieleicht findest du es je herraus, wenn du magst.

Auf jeden fall danke für dein Kommentar, welches mir mal die Möglichkeit gab meine Intensionen offen zu legen.
Ach ja , ob ich anfänger bin oder nicht , kannst du dir ja selbst überlegen;-)

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Re: Erkenntnis im Alter

Beitragvon Imhotep » 23.12.2002, 00:14

Naja, bald holt er uns, das steht wohl fest.

Aha, und wann? Wenn es bald soweit ist, dann meinst du mit diesem Satz - so wie er jetzt steht - dass irgendwas in naher Zukunft passieren wird. Das ist nämlich kein "irgendwann stirbt jeder"-satz, so wie ich es im ersten Moment dachte. Deshalb meine Frage: Zielst du damit auf ein bestimmtes Ereignis à la Nostradamus?
autos epha

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Re: Erkenntnis im Alter

Beitragvon Marot » 23.12.2002, 14:14

:-) sehr gut, das ist im prinziep auch die essenz des gedichtes. Es geht nicht um ein hellseherrisches ganz bestimmtes ereigniss,
aber dennoch um ein unbestimmbares von uns, den menschen selbstverschuldetes Unglück. Deshalb geht es auch nicht um den Tod, sonderen um die Dummheit der Menschen welche den Tod erst provuzieren.

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Re: Erkenntnis im Alter

Beitragvon Imhotep » 23.12.2002, 22:34

Kurz gesagt: Ich hab den tieferen Sinn des Gedichtes verstanden und gelbsucht nicht. BÄÄ :-D
autos epha

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Re: Erkenntnis im Alter

Beitragvon gelbsucht » 31.12.2002, 15:06

Über die Dummheit der Menschen

Es zogen einst die Lebensmüden,
Des Lebens satt, gen Süden,
Hier war's erträglich warm,
Zufrieden gluckste auch ihr Darm.

Und doch, es heißt, sie zitterten,
Weil sie das Unheil witterten,
Sie brachen ihren Wanderstab
Und schaufelten ein Grab.

Dann zogen sie sich langsam aus
So graziös wie Vogel Strauß,
Die Kleider legten sie zusammen
Behutsam wie die Ammen.

Und ängstlich erblickten sie die Falten,
Die Zeichen willkürlicher Gewalten,
Sie hüpften in das irdene Loch
Und warten dort bis heute noch,
Dass jemand kommt, es zuzuschaufeln.
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)


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