Simplizia

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
[) i r k
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Re: Simplizia

Beitragvon [) i r k » 07.03.2008, 03:06

... und es wird immer schlüpfriger.
Dieses Gedichte bezieht sich nicht auf die Diskussion um die Löschung der "geistigen Diarrhö". Besagte Diskussion sollte man meiner Meinung nach mit einem Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen (was ich durch meinen Beitrag deutlich machen wollte).

Na, wenn das so ist! Dann bin ich ja beruhigt und finde das Gedicht noch belangloser.

Gutes Nächtle,
[) i r k
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andres
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Re: Simplizia

Beitragvon andres » 07.03.2008, 15:01

@ Hamburger:

Achso! Leverkusen, der Schrecken der Hamburger! (Wenigstens im Uefa-Cup) :-)) :-p

@ razor:

...Anna-Luise, ("Keine, die wie du die Flöte bliese...!"), sehr schön!

"Ideal und Wirklichkeit" ein paar Seiten davor ist auch nicht ohne..

@ dirk:

ja, ja, "Simplizia " ist schon ein brandheißer Hinweis... :-)



(Diese Gelegenheit möchte ich nutzen, um mich bei allen Freunden der niveauvollen Konversation für dieses Gedicht zu entschuldigen. Es verherrlicht das Primat des Kleinhirns und beleidigt so jede geistige Aristokratie. Untertänigst distanziere ich mich davon, vergesse aber den Hinweis nicht, dass andere Beiträge Gelegenheit zu sinnvollem Gedankenaustausch bieten.)
werden.

razorback
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Re: Simplizia

Beitragvon razorback » 07.03.2008, 15:32

Gut, dann nehmen wir doch mal das Igelgedicht selbst...

Klar, die Flöte ist toll, die Flöte ist Provokation. Da sieht man gleich die ältliche Jungfer, die sich bei der Liebeslyrik in der Tür geirrt hat und entsetzt das Taschenbuch von sich wirft.

Aber viel schöner finde ich zum Beispiel die Stelle, in der er sich selbst mal eben zum Kriegshelden macht. Gegen jede eigene Gesinnung und Moral, nur aus der nackten Panik heraus, im letzten Moment womöglich doch nicht zum Ziel zu kommen. So subtil herrscht das Stammhirn. :-D

Und um nicht missverstanden zu werden: Ich sage nicht "Schreib wie Tucholsky oder halt's Maul". Wie gesagt - Auster und ich. Aber es kann doch nicht das Ziel sein, besser zu schreiben als Candy.
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mög
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Re: Simplizia

Beitragvon mög » 07.03.2008, 19:16

Nein, die Themenwahl ist ja wohl wirklich nicht das Problem.

Weil's grad so schön ist, hier mein Lieblingsgedicht zum Thema "elegante Aufarbeitung von Themen mit Alt-Jungfern-Verschreckungs-Potential":

John Wilmot, Second Earl of Rochester

The Imperfect Enjoyment (1680)

Naked she lay, clasped in my longing arms,
I filled with love, and she all over charms;
[...]
Her nimble tongue, Love's lesser lightning, played
Within my mouth, and to my thoughts conveyed
swift orders that I should prepare to throw
The all-dissolving thunderbolt below.
My fluttering soul, sprung with the pointed kiss,
Hangs hovering o'ver her balmy brinks of bliss
but whilst her busy hand would guide that part
which should convey my soul up to her heart,
in liquid raptures I dsissolve all o'er,
melt into sperm and spend at every pore.
A touch from any part of her had done't:
Her hand, her foot, her very look's a cunt.
Smiling, she chides in a kind murmuring noise,
and from her body wipes the clammy joys,
when, with a thousand kisses wandering o'er
my panting bosom "Is there then no more?"
She cries [...]
But I, the most forlorn, lost man alive,
to show my wished obedience, vainly strive:
[...]
Thou treacherous, base deserter of my flame,
false to my passion, fatal to my fame,
through what mistaken magic dost thou prove
so true to lewdness, so untrue to love?
[...]
May'st thou n'er piss, who didst refuse to spend
When all my joys on false thee depend.
And may ten thousand abler pricks agree
to do the wronged Corinna right for thee.


- Die abschließende Sentenz bestimmt meine neue Defintion von "nobel". Das ist doch wahre Großzügigkeit.

Bei diesem Beispiel geht es allerdings ganz eindeutig weniger um Provokation als um Selbst-Ironie.
Man müsste das System seiner Widersprüche finden, indem man ruhig wird. Wenn man die Gitterstäbe _sähe_, hätte man den Himmel dazwischen gewonnen. (Elias Canetti)

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Re: Simplizia

Beitragvon andres » 07.03.2008, 19:35

@ razor:

Ja, die kleine Kriegsheldennummer hat eine gewisse Würze. Vor allem wenn man bedenkt, was Tucholsky sonst zum Militär gesagt hat! Die letzte Strophe gefällt mir aber auch, sie resümiert mit einer leicht bösartigen Note, wahrscheinlich die Rache für das Soldatenspielchen vor dem Schuss...


...und für den Akt des Schreibens ist es sicherlich produktiver, alle bisherigen "Größen" zu vergessen/auszublenden. Lähmende Bewunderung braucht niemand :-D .


@ mög:

Für das Jahr 1680 doch wohl recht gewagt, oder?!
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Re: Simplizia

Beitragvon Silentium » 07.03.2008, 20:12

Zu John Wilmot wärmstens zu Empfehlen:
"The Libertine"

http://german.imdb.com/title/tt0375920/

Drehbuch stammt von Stephen Jeffreys, mit einem famosen Malkovich als King Charles II und einem ebenso famosen Depp als Wilmot. Außerdem ist die Kamera wunderbar - die haben doch tatsächlich sehr viel mit Kerzen (!!!) ausgeleuchtet. Mit gottverdammten Kerzen. Ist mir ein Rätsel, wie die das hingekriegt haben.

Außerdem mit einigen sooo schön unverschämten und elegant gewundenen Dialogstellen, dass man vom Laptop sitzt und sich wie ein kleines Kind freut, dass es auf der Welt Leute gibt, die sowas schreiben können.

Und so putzige kleine Aphorismen...

Anyone can drink.
-Not many can match my determination.


oder

King Charles II: I'm being pissed on from half-a-dozen directions at once and it don't accord with my majestic dignity.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

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Re: Simplizia

Beitragvon mög » 07.03.2008, 20:40

Für das Jahr 1680 doch wohl recht gewagt, oder?!


Naja. Rochester war ein typscher Restoration Rake und somit eigentlich ganz im Zeitgeist.

Nachdem die Puritanter unter Cromwell erstmal allen gründlich die Party verdorben hatten, ließ es der Adel im Verlauf der Restoration unter König Charles II (nicht umsonst bekannt als Merry Monarch) nochmal ordentlich krachen, bevor dann endgültig die bürgerlichen Moralvorstellungen ihren Siegeszug antraten (die ja nicht zuletzt auch als Distinktionsmerkmal gegen den Adel entwickelt wurden). Aber bis dahin ging's noch mal richtig rund. - Der Bürgerschreck allein macht noch nicht den Revolutionär. (zumindest so lange das Bürgertum noch nicht jene gesellschaftliche Vormachtstellung erreicht hatte).


@ Silly:
Wenn du solche Sachen magst, empfehle ich Restoration Comedy. (The Way of the World, The Countrywife, etc..) - Moderne Screwball-Comedies lahm dagegen. "Wit" war nicht umsonst der zentrale Wert dieser Ära. Und Wit bedeutet nun mal, dass man mit allem durchkommt, "so it is done with an Air"..

Und Wit ist vielleicht auch, was in modernenen Bearbeitungen dieser Themen manchmal etwas fehlt. (Auch wenn ich zum Beispiel das vorliegende Beispiel in dieser Hinsicht schon etwas besser finde als die von Dirk verlinkten Sachen. Allerdings hab ich auch das Gefühl, dass es hier mehr um Provokation als um Wit gegangen ist und das schadet der Sache.)
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Re: Simplizia

Beitragvon Hamburger » 08.03.2008, 00:14


@ Hamburger:

Achso! Leverkusen, der Schrecken der Hamburger! (Wenigstens im Uefa-Cup)


Weit daneben, ich bin St.Paulianer. Ich hab` nix mit dem UEFA-Cup zu tun. :-D

Aber nun mal zum Gedicht: Finde ich ziemlich belanglos, nur so als erster Eindruck. Weder provokativ, noch besonders originell. Aber um mehr zu schreiben bin ich jetzt zu faul. Also auch nicht besonders originell.
"If it's a hit? - Yeah, that's me! If it's a miss? - Yeah, that's me!" (Robert Palmer)

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Re: Simplizia

Beitragvon Jack Swallow » 08.03.2008, 01:55

Johooo... und jetzt noch nen Buddel voll Rum...

Zu deinem Gedicht nochmal, andres:

Respekt, hätte nicht gedacht, daß dein belangloses Gedicht hier so eine Resonanz findet...

Thema deines Gedichtes ist das Phallustier.
Das Phallustier verfehlt seine Wirkung nicht, und das schon seit Urzeiten nicht (es lebe das Stammhirn)...
Die männlichen Männer treten zum Wettstreit an,
die Frauen tragen Oden vor... :-))

Ich frage mich nun, was genau die Resonanz in diesem belanglosen Fall hervorgerufen zu haben scheint...
Oder ist es schon seit Urzeiten das Gleiche?

Sind es Defizite? Ist es der pulsierende Hinweis auf die männliche Bestimmung? Ist es die Besinnung auf seine eigene, (heißt, männliche) Macht?
Männliche Männlichkeit ist etwas phallustechnisch Notwendiges, und in der Regel arrangieren wir uns damit, dank der holden Weiblichkeit..., aber Kriege machens auch...

Die intellektuelle Sexualität ist etwas komplizierter, (hab ich gehört)...

Die intellektuelle Aristokatie scheint keinen Sex zu haben...,
sie fiktivitieren viel lieber darüber nach... :-D

Und dies auf einer sehr subtilen Ebene:

Geile Frau zwinkert.
Der Intellektuelle fühlt sich angesprochen.
Er redet sie an: "Wissen sie, daß es noch interessantere Dinge als Sex gibt?"
Geile Frau wendet sich ab...
Phallustier protestiert und möchte Genugtuung...
Wie ist das Problem zu lösen?
Schauen wir in die Realpolitik...
Stellvertreterkriege, wenn schon, denn schon...
:run:

Grüße, andres...
ich trink einen auf dich...
:-D
"Dem schauenden Auge das Wort lassen" (Edmund Husserl)

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Re: Simplizia

Beitragvon andres » 08.03.2008, 11:56

:thanx:

...erinnert mich irgendwie an Sigmunds alten Schinken: Derjenige, der zum erstenmal an Stelle eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation.

Doch genießen wir lieber die Sonne der geistigen Aristokratie, die sich ihres Stammhirns entledigt hat :-D .
werden.

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Re: Simplizia

Beitragvon Hamburger » 08.03.2008, 12:12


Johooo... und jetzt noch nen Buddel voll Rum...


Als Anti-Alkoholiker für mich nicht praktibkabel. Aber du wolltest ja eh was trinken. Dazu noch tüchtig Labskaus gibt ne` geniale Mischung. B-)


Zu deinem Gedicht nochmal, andres:

Respekt, hätte nicht gedacht, daß dein belangloses Gedicht hier so eine Resonanz findet...


Ich schon. Macht leider das Gedicht nicht besser. Aber muss ja nicht. Lange Debatte eh` überflüssig, nicht dass noch die Begriffe "Resonanz" und "Qualität" verwechselt werden.

Noch zum Rest: Das muss ich unbedingt den Queer-Theory und Gender-Anhängern vortragen, die in meinem Umfeld ihre Thesen in die Welt hinausschreien. Die Firma dankt. :-D

Hamburger
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Re: Simplizia

Beitragvon razorback » 08.03.2008, 12:38

Derjenige, der zum erstenmal an Stelle eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation.


Interessante Idee, zu glauben, der Speer sei zuerst da gewesen. Obwohl... bei Freud weiss man ja nie, was er so meint, wenn er Speer sagt...

Andres, ja klar, wer sich hinsetzt und sagt "Ich will schreiben wie..." hat schon verloren. Aber Du hast ja, bevor und während Du schreibst, schon andere gelesen und gehört, das mag bei Eric Carle beginnen und bei James Joyce aufhören. Um sich dem zu entziehen bräuchtest Du vermutlich eine komplette Gehirnwäsche.

Die Frage ist dann eben, ob man, obwohl man seinen eigenen Weg gehen und finden muss, bereit ist, sich hier und da auf die Schulter eines Riesen zu stellen, um einen Blick über die Landschaft zu werfen.

...oder ob man versucht, jeden einzelnen Sitenweg noch einmal alleine zu gehen. Ich halte das für unmöglich (Ausnahme: Gehirnwäsche). Aber nun gut - man kann es versuchen. Dann allerdings kommen unterwegs zwangsläufig Produkte heraus, die... nicht ganz so originell sind, sondern eben dem selben öden Provokationsmuster folgen, wie tausende Mamaschocker zuvor.

Auch ich werde gewiss nicht anfangen, Dein Werk zu interpretieren. (Jack, der Stil ist rührend! "Thema ist..."). Aber ich bin eben der Meinung, dass Du hier so einen typischen Mamaschocker nicht schreibst, sondern persiflierst. Siehe meine Zitate weiter oben.

Sollte das nicht so sein, tu mir den Gefallen, und lass mich dumm sterben. Zumindest für diesen Thread ;-)
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