das kind

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
vogel
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das kind

Beitragvon vogel » 30.05.2003, 20:47

[das Kind]

Gelächter.
ein fröhliches Kinderlachen.
immer wieder
immer wieder dieses Lachen.

das Kind springt von einem Stein zum andern
über das hohe Gras hinweg.
seine Füße finden kaum Platz auf den Steinen
und doch springt es immer wieder mit sicherem Halt
von Stein zu Stein ..

das Kind lacht so fröhlich
es macht richtig Spass ihm zu zu sehn,
diesem kleinem Kind ...

bis es ausrutscht

ein kurzer Schrei.
es ist mit den Knien auf dem Boden aufgeschlagen.

dann ist es ruhig.
niemand geht zu dem Kind.
niemand hilft ihm auf.
alle gehen weiter.

das Kind stützt sich auf,
versucht zu stehen.

es lacht.
und grinst in meine Richtung.
>>nichts passiert !!<<
sein Kleid hat grüne Flecken.
schnell wüscht es sich die Tränen von der Wange.
und lacht noch mal.
dann klettert es wieder auf einen der Steine
und hüpft weiter ...
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

gelbsucht
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Re: das kind

Beitragvon gelbsucht » 01.06.2003, 18:34

Hallo kleinervogel,

ein kleines Kind, das niemand beachtet, wenn es hinfällt und schreit, das ist doch sehr ungewöhnlich. Mir fehlt im Augenblick noch der rechte Interpretationsansatz. Das ist nicht weiter schlimm. Wäre ja auch sehr langweilig, wenn man alles immer gleich versteht.

Als stilistisch ein wenig problamtisch habe ich die recht späte Einführung des lyrischen Ich's empfunden:

> es lacht.
> und grinst in meine Richtung.

Interessant finde ich einen kleinen Rechtschreibfehler:

> schnell wüscht es sich die Tränen von der Wange.

Die Umlaute im deutschen sind schon eine faszinierende Angelegenheit.

;-) gelbe grüsse :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

gelbsucht
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Re: das kind

Beitragvon gelbsucht » 04.06.2003, 23:32

Ich glaube, jetzt habe ich doch noch einen Ansatz für dieses Gedicht gefunden. Vielleicht kann man es symbolisch nehmen, für ein Kind, das schnell lernen musste "auf eigenen Beinen zu stehen", weil sich niemand so recht um es gekümmert hat. So gewinnt diese einzelne Szene wahrscheinlich eine größere, übertragenere Bedeutung: Selbstständigkeit, die aus Vernachlässigung resultiert. Dabei bekommt das Gedicht durch die Strophe ...
dann ist es ruhig.
niemand geht zu dem Kind.
niemand hilft ihm auf.
alle gehen weiter.

... etwas Unerhörtes, eine große moralische Eindringlichkeit. Das ist, was ich an diesem Gedicht als sehr gelungen empfinde, obwohl ich nicht wirklich ein Freund von erhobenen Zeigefingern und Sonntagspredigten bin.

;-) gelb :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

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Re: das kind

Beitragvon vogel » 07.06.2003, 16:23

hallo gelb ...

warum empfindest Du's eigentlich als so schlimm, wenn das Lyrische Ich sehr spät erscheint ? ... es gibt Texte, in denen es garnicht vorkommt ...

und der Zeigefinger wäre, wenn dann, an die Personen gerichtet, die das Kind so hängen-lassen-haben - um auf deine Interpretaion einzugehen ...

würde man nur diese eine Strophe umschreiben in z.B. eine Form, die sagt, dass es da irgendwo irgendwen gibt, der dem Kind hilft, dann wäre es wenigstens ein kleiner Hoffnungschimmer ? Ohne Zeigefinger ? :

dann wird es laut.
irgendwer geht zu dem Kind.
irgendwer hilft ihm auf,
und nimmt seine Hand.


...
ich denke, es bleibt beim Zeigefinger ...

liebe Grüße,
kleinervogel
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

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Re: das kind

Beitragvon gelbsucht » 07.06.2003, 20:28

Hallo kleinervogel!
warum empfindest Du's eigentlich als so schlimm, wenn das Lyrische Ich sehr spät erscheint ? ... es gibt Texte, in denen es garnicht vorkommt ...

Eben! Entweder auf das lyrische Ich ganz verzichten oder es früher einführen, aber nicht so ein Mischmasch, bitte. Hier wirkt es auf mich etwas stümperhaft, wie ein sehr grober Bruch der Perspektive. Erst beschreibst du alles so von außen betrachtet und plötzlich taucht dann das lyrische Ich auf, aber auch nur, damit das Kind ihm einen Blick zuwerfen kann. Wenn du mich fragst, ist hier das LI reichlich überflüssig. Es ist einerseits ein Stilbruch und andererseits auch in seiner Funktion für die Aussage des Gedichtes kaum von Bedeutung. Außerdem wirft es auch keinen guten Schatten auf das LI, denn schließlich beobachtet es auch die Szene und hilft dem Kind ebenfalls nicht. Insofern ist die implizite Moral des Gedichtes schon nicht ganz widerspruchsfrei. Der Vorwurf des Erzählers ("niemand hilft ihm") betrifft offensichtlich auch ihn selbst!?

Was den anderen Punkt angeht, hast du mich offensichtlich missverstanden. Es war nämlich ein Lob und keine Kritik. Ich finde es beeindruckend, wie du mit wenigen Worten im Leser eine Motivationshaltung erzeugst, zu dieser Szene Stellung zu nehmen. Und das, obwohl ich persönlich bei Gedichten, die einen starken moralischen Nachgeschmack haben, die mir nur veranschaulichen wollen, was gut und was schlecht ist, eher skeptisch bin. Aber wie gesagt: das ist hier nicht der Fall.

Was hältst du eigentlich von Hilbi's Gedichten? Kannst du damit was anfangen?

;-) gelbe grüsse :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

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Re: das kind

Beitragvon vogel » 16.06.2003, 20:26

hallo gelb !

dass es doch als Lob gemeint war .. danke ...
und wie Du schon sagst ... selbst das LI ist "unfähig" dem Kind zu helfen ...
ich kenne nicht Deine Einstellung zu solchen Situationen, aber wenn vor deinen Augen ein Kind auf den Boden aufschlägt, hinfällt, o.ä., würdest du dann hin gehen ?

alles hat seine Vor- und Nachteile .. doch manchmal tut man halt nicht, was man tun sollte - zu dem Kind gehn .......

Hilbi ... der Retter gefällt mir, nur es gehört zu denen die ich nich versteh (ich hab noch kein RE auf die Frage bekommen, die ich Hilbi dazu gestellt hatte) ...
Hilbi's txte klingen schön, aber ich hab große Pobleme damit sie zu verstehn ... zumal es mir scheint, dass sie manchmal mehre Themen miteinander verknüpft ... kann das sein ??? .O
... aber Hilibs's Stil hat was ... ich les mir die texte gern durch ... manchmal kann ich drüber schmunzeln :]

warum hat Dich das interresiert ?

grüße, kleinervogel
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

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Re: das kind

Beitragvon gelbsucht » 17.06.2003, 19:45

Hallo kleinervogel,

aber wenn vor deinen Augen ein Kind auf den Boden aufschlägt, hinfällt, o.ä., würdest du dann hin gehen?
Ich würde sicherlich nicht in jedem Fall hingehen ... wenn die Mutter gleich angerannt kommt oder das Kind gleich wieder aufsteht, wahrscheinlich nicht. Ich denke, das kommt ganz auf die Situation drauf an.

Ich hab noch kein RE auf die Frage bekommen, die ich Hilbi dazu gestellt hatte
Ich weiß, aber du solltest auch nicht damit rechnen. Die Frage, die du gestellt hast, richtet sich nämlich eher an dich selbst, als an ihn. Der Ausgang des Gedichtes bleibt offen ... hier kommt deine Phantasie ins Spiel (oder auch nicht). Hilbi schreibt den Text und unsere Aufgabe ist die Interpretation. Ich glaube, wenn wir von einem Autor verlangen nicht nur einen Text, sondern auch gleich die Interpretation dazu zu liefern, dann ist "Literatur" eine ziemlich sinnlose Angelegenheit geworden.

Hilbi's Texte klingen schön, aber ich hab große Probleme damit sie zu verstehn.
Ich weiß und ich muss gestehen, dass es mir da ganz ähnlich geht. Auch ich stehe manchmal ganz ratlos vor seinen Texten. Ich merke, dass sie mir irgendwie gefallen, aber ich kann es nicht erklären. Aber das ist nicht schlimm. Jeder Mensch zögert einen Moment, wenn er in einen dunklen Raum stolpert ... aber gerade das macht die Sache doch so spannend oder nicht? Sich langsam vorzutasten. Ich glaube, Hilbis Texte verlangen immer auch eine Portion Abenteuermut. Und wenn man sich dabei verrennt, ist's auch nicht so schlimm.

Warum hat Dich das interresiert?
Weil ich mir manchmal ein bißchen Unterstützung wünsche, wenn es daran geht, schwierige Text zu interpretieren (und Hilbi ist dafür nur das beste Beispiel). Ich denke, wenn man's zusammen anpackt, kommt man oft weiter als alleine und es macht auch mehr Spaß.

;-) gelbe grüße :-)
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Re: das kind

Beitragvon vogel » 24.06.2003, 20:55

Hallo Gelb


... da bin ich aba mal erleichtert, dass ich nicht alleine dasteh, mit dem nicht verstehn von Hilbi's txten ...

nur mit dem Helfen ... Gelb, ich seh die Welt was anderes als die anderen ... mehr mit Kindlichen Augen .. deshalb ecke ich an [und zwar nicht zu wenig] ... und das Prob ist eigentlich : ich sehe die schwierigen Gedichte als leicht an und die leichten eher als schwer ...
ich denke eher um die Ecke .. aber wenn ich was entdecke, wo ich dir / o. jemand anders unter die Arme greifen kann mit meiner Ansicht, dann werde ich das auch tun ...
bei "das Herz schlägt" v. Siderman hat's ja schon geklappt ...


Der Ausgang des Gedichtes bleibt offen ... hier kommt deine Phantasie ins Spiel (oder auch nicht).

ich mag offne Gedichte, bei denen man erst nachdenken muss - aber "der Retter" ist mir doch was zu offen ... hört sich jetz bestimmt komisch an, aber da ist eine Art Phantasie gevordert, die schon fast wieder Alltag ist ... weil ich halt eher Eckendenker bin ...

Aber Hilbi's txte sind ne gute Entspannung vom Ecken denken ... ;-)

Grüße
kleinervogel
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Re: das kind

Beitragvon gelbsucht » 24.06.2003, 23:15

Hallo Kleinervogel,

ich denke eher um die Ecke .. aber wenn ich was entdecke, wo ich dir / o. jemand anders unter die Arme greifen kann mit meiner Ansicht, dann werde ich das auch tun ...
Okay, das ist ein Wort. Habe mich gerade entschieden, dass du schwer in Ordnung bist, Kleinervogel.

;-) gelb :-)
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Re: das kind

Beitragvon vogel » 25.06.2003, 14:29

:]

danke
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