Große Erwartungen in den Weltuntergang

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Silentium
Mnemosyne
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Große Erwartungen in den Weltuntergang

Beitragvon Silentium » 06.08.2003, 22:02

Sommerlochaffärenüberbrückungswettbewerbbeitrag (Mörderwort!):

Große Erwartungen in den Weltuntergang

Große Erwartungen hat man gesetzt,
auf das Ende dieser Welt-
damals, als Edens Grundstein grad gesetzt
und Sünde noch nicht zählt

Das Jüngste Gericht versprach Spektakel-
im Himmel wär was los!
Wie dann bloß dies Debakel?
Ach, die Blamage ist zu groß!

Wo klagende Sünder sind erwartet-
was müssen die Engel bloß sehn?
Die Abrechnung, sie ist entartet!
Kann die Welt nicht untergehn?

Statt Höllenfeuer gibt es Formulare
Der Teufel legt Berufung ein
Kein Cherub bläst mehr die Fanfare
Anwälte waschen weiße Westen rein

Denn, was ist passiert?-
Der Mensch, er war zu ungebunden
Hat jedes Recht der Welt püriert
Und die Bürokratie erfunden…
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

gelbsucht
Pegasos
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Re: Große Erwartungen in den Weltuntergang

Beitragvon gelbsucht » 07.08.2003, 02:35

Juhu, der erste Beitrag zum Wettbewerb!

Wir bedanken uns.

Kommentieren darf ich ihn (noch) nicht, da ich zur Jury gehöre ... was aber nicht heißen soll, dass das auch für den Rest des Forums zu gelten hat.

;-) gelbe grüße :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

[) i r k
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Re: Große Erwartungen in den Weltuntergang

Beitragvon [) i r k » 20.10.2003, 16:21

Chat-Protokoll vom 19.10.2003
20:11 Uhr bis 22.18 Uhr

Sie haben den Raum "Jury Chat" gerade betreten
Sabrina hat den Raum betreten.
Hendric hat den Raum betreten.
Mirko hat den Raum betreten.
Dirk: Hallo zusammen!
Sabrina: Hallo
Mirko: Hallo Sabrina!
Hendric: Hey
Sabrina: Hallo
Hendric hat den Raum verlassen.
Sabrina: Uups
Dirk: Will nix mit uns zu tun haben! :-D
Sabrina: Ich merk schon LOL
Hendric hat den Raum betreten.
Dirk: Hello again!?
Dirk: Okay, fangen wir an!
Mirko: Mit welchem Gedicht geht's los?
Dirk: Ich würde vorschlagen mit dem von Silentium
Dirk: "Große Erwartungen in den Weltuntergang"
Mirko: Na gut. Sabrina auch einverstanden?
Sabrina: Jepp
Dirk: Wie wollen wir vorgehen?
Dirk: Habt ihr alle den Text parat?
Hendric: Abschnittsweise
Dirk: Zeilenweise, Strophenweise?
Mirko: Ich schlage vor, erst mal grundsätzlich zu sagen, was man von dem Gedicht hält.
Mirko: Verlange Abstimmung (headphones)
Dirk: Nein, die Meinung sollte hinterher geäußert werden!!!
Dirk: Erst Textarbeit, dann Bewertung!
Mirko: Gleich drei Ausrufezeichen. Und keine Abstimmung? Tss tss ...
Dirk: Von mir aus.
Dirk: Meine Stimme ist klar!
Dirk: Was denkst du Sabrina?
Sabrina: Mir ist es echt gleich, wie wir das machen.
Hendric: Nun, ich bin für Bewertung in groben Auszügen.
Mirko: Ich auch.
Mirko: 2:1:Enthaltung.
Dirk: Warum wollt ihr nur die Bewertung vorher loswerden? Das ist doch kontraproduktiv.
Sabrina: Aber ich hab das richtig verstanden, wir machen es so, dass die beiden sich den Preis jetzt teilen, oder?
Dirk: Ja.
Dirk: Sie haben ihre Preise auch schon erhalten.
Sabrina: Ach so, ok
Mirko: Also, wir haben abgestimmt. Müssen wir jetzt nachträglich begründen? Mach ich auch gerne, halte ich aber nicht für sinnvoll.
Dirk: Mirko, du bist ein Arsch :-p
Dirk: Okay, Meinungen zuerst! Wer fängt an!?!?!?
Mirko: Freue mich über den Ausdruck (headphones)
Hendric: Kann gerne den Anfang machen.
Dirk: Okay, bitte, Hendric hat das Wort.
Mirko: So, nun ich?
Dirk: Wie bitte?
Dirk: Hab ich irgendetwas verpasst?
Mirko: Ich fand das Gedicht irgendwie bemüht witzig. Die Bilder zünden bei mir nicht. Außerdem ist es sehr unrhythmisch, wenn man es liest. Das macht viel kaputt. Insgesamt ein höchst durchschnittliches Gedicht.
Dirk: Wer war das jetzt?
Mirko: Sorry, ich war's. Werd mich bemühen jetzt drauf zu achten. Trifft uns jetzt wieder dein heiliger Zorn?
Dirk: Mindestens. Ich wusste, dass das so läuft.
Dirk: Warst du fertig mit deiner Meinungsäußerung?
Hendric: Da wären wir auch beim Thema! Er bedient sich der biblischen Offenbarung, wo Gottes Zorn an die Menschheit ausgeschüttet wird, leider ohne inhaltliche Kenntnisse der selbigen.
Mirko: Ja, ich war erst mal fertig.
Sabrina: Na ja, allgemein muss ich auf jeden Fall sagen, dass es mir sehr schwer gefallen ist.
Sabrina: Ich glaube schon, dass beide sich Mühe gemacht haben und beide Gedichte einen Sinn haben, zwar hat das eine mehr und das andere weniger einen Sinn. Ich habe aber einen Favorit.
Dirk: Okay, Sabrina, was hältst du von dem Gedicht von Silentium!?
Sabrina: Na ja, wie soll ich sagen? Auf jeden Fall, so wie ich das Gedicht verstanden habe, geht es um unser Weltgeschehen.
Dirk: Findest du es gut oder schlecht oder eher mittelmäßig?
Dirk: Zum Inhalt kommen wir gleich noch.
Sabrina: Zwar bringt es ein wenig die Leute zum Nachdenken, aber wie Hendric schon sagte, manche Absätze macht das Gedicht kaputt.
Sabrina: Mittelmäßig.
Dirk: Noch mehr?
Sabrina: Nö, erstmal nicht
Dirk: Okay, dann ich!
Dirk: Ich bin auch der Meinung, dass das Gedicht eher mittelmäßig ist. Aber ich gebe auch zu bedenken, dass der Autor bzw. die Autorin erst 15 Jahre alt ist.
Dirk: Inhaltlich finde ich das Gedicht, wie Mirko, bemüht witzig, aber der Witz kommt nicht an. Außerdem kommt es mir auch irgendwie etwas konfus und unverständlich vor ... dazu später.
Dirk: Ein Bonus für den Autor: er bzw. sie bemüht sich wenigstens um Metrum und Reim, allerdings sind seine Fähigkeiten diesbezüglich noch nicht so perfekt ... es holpert an manchen Stellen wirklich ganz schön. Und auch Reime wie "passiert" - "püriert" sind ziemlich daneben und lächerlich.
Dirk: Das ist meine Meinung vorab.
Mirko: Dann haben wir die 4 Meinungen. Jetzt abschnittsweise bzw. zeilenweise
Dirk: Gehen wir Strophen- oder Zeilenweise vor?
Dirk: Was haltet ihr für besser?
Hendric: Zeilenweise
Mirko: Zeilenweise
Sabrina: Schließ mich an: zeilenweise
Dirk: Einstimmig. Ich bin auch für zeilenweise
Mirko: 4:0 Kantersieg
Dirk: Okay, wer legt los?
Dirk: "Große Erwartungen hat man gesetzt,
auf das Ende dieser Welt-"
Hendric: Nach Sondierung meiner Familienbibel, bin ich dankbar für dieses Bild, ein guter Einstieg.
Dirk: M?
Mirko: Schließe mich an. Ein guter Einstieg. Habe zwar nicht die Bibel sondiert, aber dieser Anfang weckte bei mir Interesse.
Hendric: Es erinnert an den Prolog von Prometheus für Faust 1.
Sabrina: Auf jeden Fall! Die Interessen werden geweckt
Dirk: Hendric, ich kenne den Prolog von Prometheus leider nicht. Kannst du dazu noch etwas sagen?
Mirko: Hendrik kramt es kurz heraus. Moment
Dirk: Ok.
Dirk: Du meinst nicht das berühmte Prometheus-Gedicht, oder?
Dirk: "Bedecke deinen Himmel Zeus ... usw."?
Mirko: Glaub schon
Dirk: Das kenne ich nämlich doch!
Mirko: Warte. Hendric kommt gleich
Mirko: Hendric ist da und begibt sich auf die Suche
Mirko: Hendric sucht immer noch.
Dirk: Wir haben Zeit!
Dirk: Sabrina, noch da?
Sabrina: Jo, bin da
Dirk: Willst du in der Zwischenzeit etwas zu den ersten beiden Zeilen sagen?
Mirko: Wollen wir schon mal weiter quatschen, während Hendric sucht?
Dirk: Ja.
Mirko: Was waren noch die nächsten beiden Zeilen?
Sabrina: "damals, als Edens Grundstein grad gesetzt
und Sünde noch nicht zählt"
Dirk: Erst zu den ersten beiden Zeilen! Ich würde auch gern noch etwas dazu sagen ... wenn ich darf?
Mirko: Na klar!
Sabrina: Klaro, mach
Dirk: Was mich an den ersten beiden Zeilen wundert oder stört ist dieses unbestimmte "man".
Dirk: Ich hab mich da sofort gefragt: Wer? Wer hat große Erwartungen in den Weltuntergang gesetzt und Warum?
Dirk: Aber alles, was man erfährt ist: Wann – und das in den nächsten beiden Zeilen!
Dirk: "damals, als Edens Grundstein grad gesetzt
und Sünde noch nicht zählt"
Sabrina: Eben, deswegen kann ich nicht so viel dazu sagen, denn irgendwie macht mich das wuschig, weiß nicht genau was sie (oder er) uns damit sagen will und den "man" kenn ich nicht.
Dirk: Ich hab mir extra noch mal die Mühe gemacht in meiner Bibel nachzuschlagen.
Dirk: Die Zeitangabe ist ja relativ präzise:
Dirk: "Als Edens Grundstein grad gesetzt" -- also kurz nach Erschaffung der Welt und des Paradieses!
Dirk: "und die Sünde noch nicht zählt" -- also VOR dem Sündenfall.
Dirk: Das ist in der Bibel nicht viel Text. Und in diesen Abschnitten hab ich nix über Hoffnungen in den Weltuntergang finden können!?
Hendric: Ich finde es interessant, dass das Paradies gebaut und nicht geschaffen wurde, ich weiß, es ist nur ein Detail, aber wichtig für das weitere Verstehen, glaube ich. ;-)
Mirko: Ziemlich nihilistisch. Sofort nach der Erschaffung der Welt und des Paradieses setzt "man" Erwartungen in den Umntergang.
Dirk: Genau das hab ich auch gedacht!
Dirk: Wozu erschafft Gott die Welt, wenn er dabei schon gleich alle Erwartungen in ihren Untergang setzt? Kann ich nicht nachvollziehen ...
Dirk: ... zumal es keine Korrespondenzen zur Genesis gibt.
Dirk: Zumindest keine, die ich finden konnte.
Hendric: Was in gewisser Weise hinduistische Glaubenslehre beinhaltet, dort steht das Ende bereits vor der Erschaffung fest.
Dirk: Ja, aber wir reden hier über Eden, also über das alte Testament.
Dirk: Ich frage mich, wie kommt Silentium darauf?
Dirk: Habt ihr die Stelle im Faust gefunden?
Dirk: "Bedecke deinen Himmel, Zeus, mit Wolkendunst und übe, dem Knaben gleich, der Disteln köpft, an Eichen dich und Bergeshöhn" Ist es das?
Hendric: Hier das vollständige:
Hendric: Also zurück zum Thema. Ich denke sie nimmt gerade Sturm und Drang durch in der Schule ...
Dirk: Sagt mal, verpasse ich hier ständig eure Beiträge? Was kam denn nach "hier das vollständige"?
Hendric: Religion ist auch ein wichtiges Thema, zumindest in dieser Phase ... nach dem kam das komplette Gedicht?
Dirk: Hab ich nicht gelesen!
Dirk: Scheiße!
Sabrina: Hatte zu viele Buchstaben, kam bei mir auch nicht an.
Mirko: Liegt es am zu kleinen Fenster?
Sabrina: Nee, hat damit nichts zu tun.
Dirk: Ist einfach nicht übermittelt worden.
Sabrina: Ich hab gerade auch was geschrieben, kam auch nicht an. Musste es teilen
Dirk: Macht eure Beiträge also nicht soooooooooooooooo lang, bitte
Mirko: Wollen wir jetzt das Gedicht bzw. die Essenz des Gedichtes durchgehen und auf den ersten Abschnitt beziehen? Ach, ihr habt's ja noch gar nicht. Bin etwas schusselig. Was machen wir nun?
Dirk: Wer weiß, was ich alles schon verpasst habe? :-(
Dirk: Wie war denn jetzt der Anfang des Gedichtes, dass DU im Sinn hattest? Ist es dasselbe, was ich meine?
Hendric: Mist, dat nicht gut.....
Hendric: Das hast du schon ganz gut rein gepostet
Dirk: Ich hole gleich den Hammer raus und prügle meine Computer zu Schrott
Hendric: Aber mein erster Beitrag zum ganzen ist nicht angekommen
Dirk: Okay, es ist also das selbe.
Hendric: Jepp!
Dirk: Dann sag noch mal kurz, wo du den Zusammenhang zu dem Gedicht von Silentium siehst?
Hendric: Es beschäftigt sich beides mit göttlichen Edikten. Prometheus gefangen in seinem Los, brachte den Menschen trotz Verbot das Feuer.
Hendric: Hier wird die Schöpfungsidee mit dem Ende verknüpft und wieder kommt etwas dazwischen, etwas Rebellisches, die Bürokratie, dessen Formulare einen ins Höllenfeuer schicken.
Hendric: Es sind Themen aus der Sturm und drang zeit...
Dirk: Wo ist das Edikt in "Große Erwartungen in den Weltuntergang"?
Hendric hat den Raum verlassen.
Dirk: Jetzt ist er wieder futsch
Hendric hat den Raum betreten.
Sabrina: Technik, die begeistert
Dirk: Was ist denn heute nur los?
Dirk: Okay, den Zusammenhang mit Prometheus habe ich jetzt verstanden!
Dirk: Wollte jemand noch etwas zur ersten Strophe sagen?
Sabrina: Ich nicht
Mirko: Aber da habe ich einen Einwand. Bürokratie ist ja in dem Sinne nichts "Rebellisches". Bürokratie ist eher etwas Verbiestertes, etwas Vermufftes. Ich glaube auch, dass die Intention hier nicht da war, auf Prometheus etc. abzuheben - womit ich nicht meine, dass es schlimm ist, wenn wir diesem Pfad nachgehen - im Gegenteil.
Dirk: Ja, aber Silentium meint es wohl so: Gott hat nicht mit Bürokraten und Anwälten gerechnet!
Dirk: Das Rebellentum besteht hier im Einspruch!
Dirk: In der Verteidigung beim jüngsten Gericht!
Mirko: Aber Einspruch durch Bürokratie? Das ist doch ein ungeeignetes Mittel. Darin liegt doch eher die Ironie. Die Bürokratie, die unser ganzes Leben beherrscht, hilft uns den Zyniker Gott zu besiegen.
Dirk: Genau! Aber das soll ja wohl der ironische Dreh des Gedichtes sein!
Dirk: Denkt ihr das "man" in der ersten Strophe ist mit "Gott" gleichzusetzen?
Hendric: Nö, eher Stilfehler und zugleich Ausdruck des Autors alles im kausalen Zusammenhang zu stellen.
Dirk: Noch mal zurück zu meiner Frage: Erkennt ihr irgendeinen Bezug zu der Geschichte in der Genesis? Ich meine, wird dort irgendwo schon der Weltuntergang angebahnt?
Dirk: Hab ich etwas überlesen?
Hendric: Das "man" kommt aus der sprachlichen Unzulänglichkeit. Der Gedankengang in der Genesis wird soeben geprüft.
Dirk: Sabrina, was denkst du? Kommst du noch mit?
Dirk: Was denkst du über das "man" in der ersten Zeile?
Sabrina: Ja, ich lese mit und überlege, ob das mit dem Weltuntergang in der Genesis steht. Ich glaube aber nicht.
Sabrina: Ich schätze eher, dass sie die Prophezeiung von Nostradamus mit rein geschrieben hat.
Dirk: Wieso? Setzt der "große Erwartungen" in den Weltuntergang?
Sabrina: Nee, das nicht
Dirk: Er schildert vielmehr was Schlimmes geschehen wird, kann, soll ... wie auch immer.
Dirk: Wer ist "man" in der ersten Zeile?
Dirk: Wie wär's mit: die himmlischen Heerscharen?
Mirko: Ich würde hier "man" auch eher mit dem Schöpfer gleichsetzen, finde aber, dass wir mal zur zweiten Strophe kommen sollten. Im Kontext wird bestimmt vieles klarer.
Dirk: Ja, ich denke auch, kommen wir mal zur zweiten Strophe!
Sabrina: Aber ich versuche mich gerade in den Silentium zu versetzen, den irgendwas will er ja damit sagen.
Dirk: Aber was hat eure Bibel-Analyse gebracht?
Hendric: Nun, Silentium wird wohl die Offenbarung des Johannes im Hinterkopf haben. Genesis birgt nichts, außer das mit Kain scheinbar einer umher wandeln muss, bis zum jüngsten Gericht.
Dirk: "Das Jüngste Gericht versprach Spektakel-
im Himmel wär was los!"
Dirk: Also meine Meinung: In der erste Strophe der nihilistische und gemeine Schöpfer, der gleich bei Erschaffung der Welt ihren Untergang plant und anstrebt.
Dirk: Und hier kommt jetzt der schadenfrohe Gott hinzu, der aus dem letzten Gericht eine Art Schaukampf und Arena-Spektakel macht ... und sich daran erfreut.
Dirk: Also nichts mit Barmherzigkeit und Gnade und Güte und so.
Dirk: Was denkt ihr?
Hendric: Also in der Offenbarung 8 bis 16 wird klar, dass er kein barmherziger Gott ist.
Dirk: Okay, das ist ein Argument
Hendric: Die Engel freuen sich und machen ein Brimborium draus, dass die Menschen gestraft werden.
Dirk: Aber in der Offenbarung gibt's auch kaum Bürokratie, die etwas nützen würde.
Hendric: Allerdings Formalias, die auf ein Ritus hindeuten und in gewisser Weise bürokratisch sind.
Mirko: Zum Beispiel?
Dirk: Ja, ein Beispiel bitte.
Dirk: Übrigens ist dann die Zeitangabe in der ersten Strophe falsch.
Dirk: Zwischen Grundsteinlegung von Eden und Sündenfall, meine ich.
Hendric: Sehe ich auch so. Zu M: Nach einem festgelegten Katalog werden nach ausführlichen Treffen zwischen Vater, Sohn und Geist die sieben Schalen herausgeholt, die nach einem festgelegtem Brauch und einer bestimmten Reihenfolge von sieben Engeln den Zorn Gottes ausschütten sollen.
Hendric: So wird es dem Propheten berichtet und dies sollen Zeichen sein, an denen die frommen Lämmer das Ende erkennen sollen.
Dirk: Aber dann ist es doch Gottes Bürokratie und nicht die des Menschen, oder?
Hendric: So gesehen stimmt es natürlich.
Mirko: Darin soll wahrscheinlich die Ironie liegen. Die Bürokratie, ursprünglich auf der Seite des Schöpfers und seiner Heerscharen, wird nun Mittel zum Zweck für den Menschen.
Mirko: Kurze Zwischenfrage: Ob Silentium das alles so intendiert hat? Interessiert mich einfach mal.
Dirk: Keine Ahnung. Ich denke eher nicht.
Sabrina: Na ja, eine gute Frage. Ich würde eher sagen, dass er/sie sich keine Gedanken darüber gemacht hat.
Hendric: Besonders mit 15 ;-)
Dirk: Das "Weltende" ist ja ein immer gern gewähltes Thema in Gedichten, besonders bei den Expressionisten.
Dirk: Wer weiß, vielleicht hat sie in der Schule gerade Lasker-Schüler oder van Hoddis dran und nicht die Herren Goethe und Schiller.
Mirko: Aber was soll's. Dritte Strophe?
Dirk: Mirko, sag du doch noch mal was zur zweiten Strophe!
Mirko: Okay, Moment
Mirko: Vom Inhalt her finde ich den Anschluss ganz gut. Die Charakterisierung Gottes wird vorangetrieben. "Schadenfroh" wird hinzugefügt, die Engel kommen ins Gespräch.
Dirk: Wo kommen Engel ins Gespräch?
Mirko: Ein guter Anschluss, allerdings finde ich die Zeile "Wie dann bloß dies Debakel" sehr krude und schlecht zu lesen. Auch den Ausruf "Ach". Das ist das, was ich so bemüht witzig finde.
Dirk: Erst in der dritten!?
Mirko: Tschuldigung, erst dritte Strophe am Anfang, wobei "im Himmel wär was los" hier auch schon darauf hindeutet.
Dirk: Ja, ja, die im Himmel wollen auch endlich mal was erleben ...
Dirk: ... so lange ewige Seligkeit ist auch kein Zuckerschlecken. :-D
Mirko: Nun dritte Strophe?
Dirk: Ja, okay weiter!
Dirk: "Wo klagende Sünder sind erwartet-
was müssen die Engel bloß sehn?
Die Abrechnung, sie ist entartet!
Kann die Welt nicht untergehn?"
Mirko: Darf ich nochmal am Anfang?
Dirk: Immer zu!
Mirko: Also, hier passt mir der Stil ganz besonders nicht.
Mirko: "sind erwartet" - wer spricht so? Und vor allem: "entartet". Das würde man nie so sagen. Die Abrechnung ist entartet. Das erinnert eher an die NS-Zeit, auch wenn sie das sicher nicht gewollt hat.
Mirko: Wenn was nicht klappt, dann ruft man doch nicht seinen Freund an und sagt: "Das ist uns aber wieder entartet!"
Mirko: Nun noch zum Inhalt. Es ist eine Vorbereitung der nächsten Strophe.
Dirk: Ja, das stimmt. Von der Sprache her ist das Gedicht an manchen Stelle recht bemüht und geschwollen
Dirk: Das fällt auch insgesamt bei Silentium auf. Wirkt teilweise etwas angestaubt.
Hendric: Allerdings irgendwie zu ... wie soll ich sagen ... zu deutlich, zu wenig bildhaft. Wie seht ihr das?
Sabrina: Also ich denke, sie meint das so
Dirk: Was?
Sabrina: Was die Engel erwartet haben, ist natürlich viel schlimmer geworden, sie sind erschrocken.
Sabrina: Und sie wissen nicht, wie sie da wieder raus kommen, fragen sich, ob die Welt nicht untergehen kann, weil sie keine andere Lösung finden.
Hendric: Ich finde, es ist, auch wenn sprachlich nicht ganz koscher, ein netter Versuch, inhaltlich klagen die Leute in der Offenbarung nicht, sondern beschimpfen Gott wegen der Unbill, und in Kapitel 16,9 und 16,11, ist es denen auch recht egal ... die Schöpfung ist halt fehlgeschlagen.
Sabrina: Eben!
Hendric: Und die Menschen kriegen eins aufs Dach.
Dirk: Es wird ja auch gerade das Fehlen von "klagenden Sündern" bedauert, insofern passt es dann doch mit der Offenbarung zusammen.
Hendric: Genau.
Dirk: Und die Engel?
Dirk: Sie hätten es sich wahrscheinlich viel einfacher vorgestellt. Schlimmer - insofern sie nicht mit der Bürokratie gerechnet haben.
Hendric: Nun, da sind wir bei den Jesuiten, sie kamen zu dem Schluss, dass Engel keine freie Seele haben und daher auch keine Gefühle.
Dirk: Ob das Silentium weiß?
Hendric: Ich glaube nicht ...
Dirk: Nächste Strophe?
Sabrina: Ja.
Dirk: "Statt Höllenfeuer gibt es Formulare
Der Teufel legt Berufung ein
Kein Cherub bläst mehr die Fanfare
Anwälte waschen weiße Westen rein"
Dirk: Ich sag diesmal was zuerst!
Dirk: Also diese Strophe finde ich in dem Gedicht noch am besten! Nur eins ist ziemlich doof!
Hendric: Aber da liegt es am Detail. Wer bedeutsame Charaktere einführt, sollte sich vorher Gedanken machen. Der Teufel sich beschweren, na ich weiß nicht ...
Dirk: Warum müssen Anwälte weiße Westen reinwaschen? Das kapier ich nicht!
Sabrina: LOL Daran hab ich auch gedacht.
Hendric: Ich auch.
Hendric: Übrigens: wer braucht Cherubine, wenn es RTL gibt? ;-)
Dirk: :-D
Dirk: Wie war das mit dem Teufel!? Noch mal erklären bitte.
Hendric: Der gefallene Engel bekommt die Aufgabe, die Menschen in Versuchung zu führen. Bei Hiob tritt er als fast Gleichwertiger auf und will das jüngste Gericht schon jetzt einläuten und es kommt zum unseligen Leiden des Hiob.
Dirk: Aber warum legt der Teufel Berufung ein?
Dirk: Gegen einen Freispruch? Aber doch wohl nicht gegen den Untergang der Welt, oder?
Hendric: Eben, jedoch genauer betrachtet, könnte dieser ja bei Gewinn, wenn wir den Kontext weglassen, den Untergang einfordern ;-)
Dirk: Ich find, die Strophe hat wirklich was.
Mirko: Ich gehe noch mal dazwischen und komme auf was anderes. Wie haben die Menschen denn ihr Recht, die Bürokratie, die sie geschaffen haben als bindende Regeln für Gott etabliert??? Davon steht im Gedicht nichts.
Mirko: Hier fehlt eindeutig ein Kunstgriff, der das Ganze glaubwürdiger macht.
Dirk: Das stimmt!
Dirk: Gott ist der Chef! Er macht die Gesetze!
Dirk: Menschenrecht kann ihm doch Schnuppe sein!
Hendric: Na ja, er hat uns nach seinem Ebenbild gemacht ... vielleicht sind wir bereits Götter...
Hendric: Ganz nach M. Bunarotti Michelangelo ...
Dirk: In der letzten Strophe steht: "hat jedes Recht der Welt püriert ..." Auch Gottes Gesetze?
Hendric: Hmmjammamm ... Kartoffelbrei
Dirk: :-D
Mirko: Das geht nur, wenn wir auch Götter sind.
Dirk: Okay, kommen wir also zur letzten Strophe:
Dirk: "Denn, was ist passiert?-
Der Mensch, er war zu ungebunden
Hat jedes Recht der Welt püriert
Und die Bürokratie erfunden"
Dirk: Diese Strophe ist furchtbar
Dirk: Gerade die Zeile "Hat jedes Recht der Welt püriert" ist, wie ich finde, ein vollkommener Fehlgriff. Reim dich oder ich fress dich, wie man so schön sagt.
Mirko: Die Zeile finde ich auch schlecht.
Mirko: Wieso war er ungebunden? Na klar weil er unterschieden kann zwischen gut und böse. Da er Gottes Gesetze zu schlecht fand hat er eigene erfunden.
Dirk: In der Genesis heißt es: "Und ihr werdet alles wissen, genau wie Gott. Dann werdet ihr euer Leben selbst in die Hand nehmen können."
Dirk: Der Mensch gibt sich das Gesetz also selbst, denke ich.
Hendric: Ich denke nicht, das wär für die Kirche Sprengstoff und die sind die Autoren. ;-)
Mirko: Aber Gott bleibt doch Cheffe, oder?
Dirk: Sabrina, was denkst du zum Abschluss des Gedichtes?
Hendric: Nicht, wenn die Menschen autonom werden, das lässt sich mit Anarchie nicht vereinen ...
Sabrina: Eine sehr gute Frage, da kann ich nicht wirklich viel zu sagen, denn das versteh ich nicht so.
Dirk: Was verstehst du nicht? Dann frag.
Sabrina: Das ist das einzige, wozu ich nichts sagen kann.
Sabrina: Moment, ich les noch mal
Dirk: Aber eine andere Frage: kann es eine Bürokratie ohne Recht geben?
Hendric: Also das Ende erinnert mich an Christian Morgenstern und seine Sicht der Demokratie ...
Dirk: Die letzten zwei Zeilen sind für mich absurd.
Mirko: Stimmt: "püriertes Recht"??? Bürokratie fußt doch auf Rechtsverordnungen.
Mirko: Vielleicht ist mit dem "Recht pürieren" auch was anderes gemeint und zwar der endlose Wust an Vorschriften, ein Vorschriftspüree?
Dirk: Eine Bürokratie ohne Recht? Da denke ich fast ein bisschen an den "Proceß" von Kafka.
Dirk: Viel Bürokratie und keine erkennbaren Gesetze, keine Gesetze, die sich nachvollziehen lassen.
Hendric: Bürokratie ist nicht an Recht, sondern an Macht gebunden ...
Mirko: Einspruch! Auch Macht braucht Verordnungen, um sich durchzusetzen. Alles ist - zumindest theoretisch - einklagbar.
Hendric: No Mirko, so nun wirklich nicht.
Dirk: Edikte, Erlasse, Leute, die gehorchen und das Recht anerkennen.
Sabrina: Vielleicht hat den Menschen das Gesetz Gottes nicht gefallen, sie fanden es unpassend und wollten es besser machen. Deshalb haben sie die Demokratie erfunden.
Dirk: Gutes Argument!
Hendric: Bürokratie ist nicht gleich Recht oder Ordnung.
Dirk: Das ist klar! Aber die Frage war: Kann es das eine ohne das andere geben?
Hendric: Allerdings
Dirk: Ein Beispiel?
Hendric: Nur ein Wort: Schikane
Dirk: Hm. Was hat das mit Bürokratie zu tun?
Dirk: Das setzt ja eine Bürokratie voraus, die dann aber korrumpiert wird.
Hendric: Ich hab die Muskeln und du willst an Kartoffeln für ein Püree, das zufällig in meiner nähe ist.
Hendric: Ich sage dir, wenn du diese haben willst, zeig mir deinen Pass oder sag mir deinen Namen.
Dirk: Dann haben wir aber wieder Gesetze und Regeln. Wenn ... dann ...
Hendric: Schreib ihn auf, schicke ihn per post an dich selbst und übergebe mir das Dokument dann ...
Dirk: Okay, lassen wir das!
Dirk: Gibt es sonst noch etwas zu dem Gedicht zu sagen?
Hendric: Goodie, beim Bierchen das mal zu Ende bringen? ;-)
Dirk: Ok.
Mirko: Gut, Schlussfazit
Dirk: Ich denke, das Gedicht wirft, wie wir vor allem gesehen haben, viele Fragen auf.
Sabrina: Genau, sehr viele
Dirk: Vor allem Fragen der Logik und Fragen der Korrespondenz und Entsprechungen mit dem alten Testament.
Mirko: Ich denke, die Ironie kam leider nicht so rüber, sonst wäre es richtig gut. Und, Anmerkung, wenn sie all das so intendiert hatte, wie wir schrieben, dann ist es für eine Fünfzehnjährige, einen Fünfzehnjährigen sehr sehr gut.
Dirk: Ja, ich denke, es sind wirklich gute Ansätze in dem Gedicht.
Hendric: So nu aber
Hendric: Ansätze sind in der Tat gut!
Dirk: Bei mir wäre es mit 15 mindestens genau so konfus und verwirrend zugegangen. Proben davon bald im Forum!
Hendric: Aber inhaltlich muss gearbeitet werden – für die Zukunft muss mehr Recherche betrieben werden.
Dirk: Ja, Recherche! Silentium, hör auf uns.
Dirk: Und an der Sprache muss er/sie auch noch arbeiten
Dirk: Ein bisschen entstauben das ganze, etwas natürlicher reden.
Mirko: Das ist besonders wichtig. Natürlicher, nicht so geschwollen.
Dirk: Vielleicht am Anfang auf Reime verzichten, was das ganze nur unnötig erschwert.
Dirk: Ich habe bei diesem Gedicht einfach das Gefühl, das Silentium sich zuviel auferlegt hat ... es sich unnötig schwer macht.
Hendric: Jungs, für 20 Euro kriegt jeder schon ein Synonymlexikon.
Dirk: :-D
"du trittst da fast in die fußstapfen des unseligen dr goebbels und seiner zensur und verdammungsmaschine." (Ralfchen)

Silentium
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Re: Große Erwartungen in den Weltuntergang

Beitragvon Silentium » 20.10.2003, 20:27

Tja, wer um Kritik bittet, ist selber schuld *seufz*
Und wer seinen Bürokratiehass mit seinen Aversionen der Offenbarung des Johannes gegenüber in einen Topf wirft und umrührt, ist auch selbst schuld. *nochmalseufz*

Zur erläuterung, wenn auch nicht zur rechtfertigung:

Die Einplanung des Weltuntergangs ist nirgendwo in der Schöpfungsgeschichte definitiv erwähnt. Die Überlegung war wie folgt: wenn das Jüngste Gericht von vornherein in den Prophezeihungen vorkommt und Gott allwissend ist- logische Schlussfolgerung: er muss schon von anfang an den Weltuntergang im Hinterkopf gehabt haben.

Bei mir wäre es mit 15 mindestens genau so konfus und verwirrend zugegangen.


Wieso tröstet mich das bloß?

*mitdenschulternzuck*
Ich schätze, immerhin kann ich draus lernen...
Man kann drauß lernen, quasi.

Recherche... gehört Fauheit eigentlich zu den Todsünden? Schon, oder?

Nur einen darf ich entlasten, nämlich den armen Sturm und Drang. Den hatten wir in der Schule noch nicht, der ist also definitiv an allem, was ich verbreche, unschuldig.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

Gucil
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Re: Große Erwartungen in den Weltuntergang

Beitragvon Gucil » 21.10.2003, 18:31

Heyssa!

Moinsen hier mal Hendric ! Unter dem Sydonym Gucil.

Erstens von beiden Gedichten war das deine mein Favorit! :-)
Ich finde es immer gut wenn jemand den Mut findet etwas zu veröffentlichen.
Drittens, sollte man die Kritik immer benutzen um weiter zu kommen, insbesondere wenn du dich in der klassischen Dichtkunst mit ihren Symbolen und Bildern beschäftigts.

Immerhin brachte uns dein Gedicht in die unglaublichsten Orte, des intellektuellen Geschwaffels (der Bibel, Hinduismus, Sturm und Drang, Christian Morgenstern, Goethe, Jesuitenthemen usw. ). Das muss auch erstmal geschafft werden.
Also weiterhin viel Spass beim schreiben, Silentium und grüsse von Mit B-)
Lasst uns von Demokratie träumen und den Alltag vergessen.


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