Kafkas letzte Zugfahrt

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Hilbi
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Kafkas letzte Zugfahrt

Beitragvon Hilbi » 13.08.2003, 20:14

Kafkas letzte Zugfahrt


opfern sie schon wieder ihr gesicht
und schenken es den zweifeln die ihnen
ja so gerne gesellschaft leisten

wollen sie noch ausgehen?
warum wirken sie stets wie jemand der einen anzug trägt der ihm gar nicht gehört

was macht das schon wenn man ständig im kreis läuft man kommt auch so irgendwann an

licht fällt auf ihre spuren
wie sieht ein schatten aus wenn man ihn nicht mehr erkennt
das geräusch von zügen
sie im letzten abteil
so weiß wie der rand einer geschichte
Wenn der Himmel so blau ist, warum wird es dann finster?

cute sushi lunches
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Re: Kafkas letzte Zugfahrt

Beitragvon cute sushi lunches » 02.09.2003, 16:04

Ich habe eigentlich bis jetzt nur den Prozess und einige Kurzgeschichten Von Kafka gelesen,aber ich finde,dass ihn das auf eine ironische Art sehr gut charakterisiert.Also mit anderen Worten,ich finde das gut.

gelbsucht
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Re: Kafkas letzte Zugfahrt

Beitragvon gelbsucht » 12.09.2003, 00:55

Ahoi!

Ich bilde mir ein, dass ich von Kafka schon eine ganze Menge gelesen hab, zumindest das wichtigste (Der Proceß, Das Schloß, Die Verwandlung, In der Strafkolonie, Der Heizer, Der Bau etc.). Mir gefällt dein Gedicht und doch erscheint es mir mehr wie ein Versuch. Okay, das klingt jetzt so, als würde ich aus Kafka schlau werden. Dem ist durchaus nicht so. Aber ich denke, man sollte ihn nicht noch zusätzlich mystifizieren und verklären. Nun, dein Zugang scheint mir sinnlicher und intuitiver zu sein ... dagegen ist nichts zu sagen. Ich bevorzuge anscheinend eher Erklärungen und plausible Deutung, wenn es um Kafka geht. Mir fällt gerade auf, ich habe eigentlich noch gar nichts zu deinem Gedicht gesagt, sondern nur ein paar zweifelhafte Bekenntnisse vom Stapel gelassen. Am meisten stoße ich mich wohl an den ersten drei Zeilen – glaubst du wirklich, dass Angst das zentrale Motiv von Kafkas Geschichten ist, vielleicht sogar das Motiv für sein Schreiben? Vielleicht ist das zu naheliegend.

Ach, bin ich ein doofer Nörgler. Kafka ist toll, ich liebe seine Sprache. Und Hilbi mag ich auch irgendwie. Ätsch.

;-) gelb :-)
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vogel
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Re: Kafkas letzte Zugfahrt

Beitragvon vogel » 15.09.2003, 20:51

Ok, der Kleinevogel mischt sich jetzt auch mal ein. ( ... Das kann nicht gut gehen ...)

1) dein Gedicht, Hilbi, find ich gut. pkt.

2) Vom Herrn Kafka hab ich die Verwandlung gelesen (inclusive "die Rückverwandlung des Gregor Samsa"); ob ichs verstanden hab ? Gute Frage ... IS mir zeimlich Komplex, werds wohl noch nen Paarmal Lesen müssen ... [ aber die Parabel darin ist schön; und Kafkas Sprache gefällt mir auch .) ] pkt.

3) Und vielleicht wird mir deshalb nicht bewust, warum es a) Kafkas Letzte Zufahrt heißt. b) Warum die Überschrift mit dem Text in Zusammenhang steht. und c) (jetzt die Revoliönäre Idee : ) Wer sagt, dass dieser Kafka von Hilbi, der uns bekannte Kafka ist ?????? Hilbi erwähnt doch den Kafka garnicht mehr, immer nur "Sie" ...
opfern sie schon wieder ihr gesicht
und schenken es der angst die ihnen
ja so gerne gesellschaft leistet
es gibt doch soviele Autoren, die über Angst ( oder negative, angsähnliche )Gefühle schreiben, warum soll es Kafka sein ? es kann doch jeder andere sein ... ?! das würde ich dneken ... pkt.

kann das sein ? das wäre jetz (in gannnnnz kurzer Form) meine Idee ...


Liebe Grüße
kleinervogel ...
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Re: Kafkas letzte Zugfahrt

Beitragvon Hilbi » 15.09.2003, 22:15

wahrscheinlich ist "angst" tatsächlich das falsche wort, eher "zweifel", kafka war ein großer zweifler, aber kein zweifler an den umständen, sondern ein zweifler an sich, oder an seinen vielen ICHS die ja nie und nimmer er selber war, ein dichter ist niemals er selbst und schon gar nicht wenn er in ICH Form schreibt, da er aber auch ein Mensch ist und dazu noch ein Sterblicher, ist das was er versucht auszudrücken natürlich er...alles sehr kompliziert und doch irgenwie einfach....

aber schade dass ich mit dem gedicht gescheitert bin, eigentlich ist es nach einer idee entstanden, die idee ein hörspiel zu schreiben und zwar sollte das hörspiel sich um die letzte zugfahrt kafkas drehen, um die letzte, um die allerletzte, denn der tote kafka liegt im sarg als er wieder nach prag gebracht wird.
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Re: Kafkas letzte Zugfahrt

Beitragvon vogel » 17.09.2003, 20:18

hallo hilbi !

aber schade dass ich mit dem gedicht gescheitert bin,
ich denke eigentlich nicht, dass du wirklich gescheitert bist .. Ich hab mich in den vergangen 40h (?) noch mal mit "Kafkas Letzter Zugfahrt" (was ja der Sinn an dem Ganzen ist : dass man scih damit beschäftigt ... [..]), zwar bin ich zeimlich dabei geblieben, dass dieser Kafka hier als jemand anderes steht. Aber im endeffeckt ist es dann ja doch so wie du sagst : "ein dichter ist niemals er selbst und schon gar nicht wenn er in ICH Form schreibt" und hätte der Vogel nen bisschen mehr Zeit gehabt, hätte er es sicher beim ersten Mal besser erklären können (*seufz*; *schnief*)..

warum bist du davon abgekommen, das Hörspiel zu schreiben ?

Liebe Grüße
kleinervogel
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Re: Kafkas letzte Zugfahrt

Beitragvon gelbsucht » 18.09.2003, 15:32

Hallo Hilbi,
aber kein zweifler an den umständen, sondern ein zweifler an sich, oder an seinen vielen ICHS

Da habe ich auch wieder Bedenken. Bei Kafka verdichtet sich zwar alles um das Ich und das ist ja wahrscheinlich oft das Beklemmende an seinen Geschichten: hier das ICH, geschleudert und eingeschlossen in die WELT, die sich als unberechenbar und undurchschaubar, also als eng erweist. Das ICH ist überbewertet. Ich glaub, häufig geht es bei Kafka auch um Macht, um Authorität, um Normen, Konventionen, Gesetze und das Spiel mit der Erwartungshaltung des Lesers, die ja auch gewissen kulturellen Codes, also Normen und Konventionen unterliegt.
aber schade dass ich mit dem gedicht gescheitert bin, ... und zwar sollte [es] sich um die letzte zugfahrt kafkas drehen, um die letzte, um die allerletzte, denn der tote kafka liegt im sarg als er wieder nach prag gebracht wird.

Ich glaube, ebensowenig wie Kv, dass du gescheitert bist. Jetzt machen erst bestimmte Zeilen deines Gedichtes richtig Sinn:
was macht das schon wenn man ständig im kreis läuft man kommt auch so irgendwann an

oder

so weiß wie der rand einer geschichte

Ich wußte nicht, dass Kafkas letzte Zugfahrt seine Überführung ist. Bei der letzten Zeile habe ich mich nur an seine Krankheit erinnern müssen, also gedacht ein schwerkranker, blaßer, aber noch lebender Kafka macht seine letzte Fahrt.
eigentlich ist es nach einer idee entstanden, die idee ein hörspiel zu schreiben und zwar sollte das hörspiel sich um die letzte zugfahrt kafkas drehen

Gib die Idee nicht auf. Die Idee ist gut. Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass mich so ein Hörspiel wirklich interessieren würde. Und ich glaube ohnehin, dass dir das Schreiben eines Hörspiels besser liegen müsste als ein Roman. Aber das weißt du selbst wahrscheinlich besser als ich.

;-) gelbe grüsse :-)
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