Monotonie

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Chialandra
Sphinx
Beiträge: 112
Registriert: 13.07.2003, 06:38

Monotonie

Beitragvon Chialandra » 09.09.2003, 14:19

Grauer Himmel
Luft so schwer als hätten sie
erneut
und doch vergangen
Blei darin versteckt
Schwarze Tauben weinen
schreien den Welten ihre Klagen entgegen
ein wenig Erde
nur für sich
Regnen sollte es
denken sie zumindest
Grau ist nicht genug
greifen gierig nach dem neuen Teller
voll des ekelhaften Zeugs
schnatternde Schnäbel
aus denen nur Rauch dringt
wohlerzogen schwarz natürlich

doch ich will tanzen auf deinem Grab
Intelligenz, behaupten die Intelligenten, ist die Fähigkeit, sich der Situation anzupassen. Wenn du ein Buch verkehrt in die Hand genommen hast, lerne, es verkehrt zu lesen. (Wieslaw Brudzinski)

Silentium
Mnemosyne
Beiträge: 2771
Registriert: 24.05.2003, 17:50

Re: Monotonie

Beitragvon Silentium » 09.09.2003, 17:31

Hallo Chialandra!

Ich find' das Gedicht ziemlich gut.
Ist genau die Stimmung von einem Herbstspaziergang mit kahlen Feldern +Nebel +Frösteln, die man recht schwer beschreiben kann. Eine gewisse Unruhe, wenn es so aussieht, als würde es regnen, wenn der Wind "Regen!" brüllt und dabei ist die Erde staubtrocken. Und sobald man es beschreiben will, klingts wieder nur nach Regenwetter. Mit dem Umweg über die Tauben ist dir erstaunlich gut gelungen, das zu vermeiden.
Nur ein paar fragen hab' ich: sind die schwarzen TAuben Krähen oder Raben oder so was in der Art? Oder einfach wirkliche Tauben, halt umgefärbt?

Und das "und doch vergangen"...
ich weiß nicht, mit "und doch" kündigt jeder in seinen Gedichten einen Widerspruch an, so dass der Leser nicht mehr befremdet ist, was ja eigentlich das Ziel eines Widerspruchs ist.
"erneut, vergangen" /"erneut und vergangen"/"erneut vergangen"

Interessant finde ich, dass du jemanden ansprichst, der dir ja gar nicht zuhören kann, da Grab. Die letzte Zeile ist das einzige wirkliche aktiv in einer Aneinanderreihung von passivem Klagen. Das verstärkt sich dann gegenseitig und das bringt die Stimmung dann hervorragend herüber... finde ich zumindest.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

Spiderman
Hippokrene
Beiträge: 469
Registriert: 08.09.2002, 23:56
Wohnort: München

Re: Monotonie

Beitragvon Spiderman » 09.09.2003, 23:22

Hi Chialandra,

grundsätzlich kann ich mich Silentium anschließen: das Gedicht hat was, ist interessant. Besonders gefällt mir das Bild "Blei in der Luft versteckt". Für mich ist das etwas, dem ich lange nachsinnen kann. Andere Bilder dagegen (schwarze Tauben, Klagen schreien, ekelhaftes Zeugs) erscheinen mir dagegen oberflächlich, zu sehr auf einen Effekt abzielend, ohne wirklich Atmosphäre zu schaffen. Das ist aber mehr ein persönlicher Eindruck als eine Kritik. Weil "objektiv" ist ja an den späteren Versen nichts auszusetzen.

Wenn ich eine Interpretation wagen darf: handelt es sich um ein (Anti-)Kriegsgedicht. Das Blei in der Luft, der Rauch, die schwarzen Tauben legen mir das nahe. Oder geht es um eine persönliche Beziehung, in der kriegsähnliche Zustände herrschten?

Liebe Grüße

Spider
Die nette Lyrik-Spinne von nebenan!

Chialandra
Sphinx
Beiträge: 112
Registriert: 13.07.2003, 06:38

Re: Monotonie

Beitragvon Chialandra » 10.09.2003, 17:35

Hallo ihr Zwei :-)

Danke für die Kritik, hmm jetzt muss ich überlegen wie ich antworte. Also erstmal zu Silentium:

Und das "und doch vergangen"...
ich weiß nicht, mit "und doch" kündigt jeder in seinen Gedichten einen Widerspruch an, so dass der Leser nicht mehr befremdet ist, was ja eigentlich das Ziel eines Widerspruchs ist.


Hier verstehe ich nicht ganz was du mir damit sagen willst.
Die Stimmung welche du beschreibst soll schon so rüberkommen, allerdings handelt es sich nicht um ein Kriegsgedicht oder einen Spaziergang. Es spricht ein Begräbnis an, kein bestimmtes.

Mir fällt es unheimlich schwer, Gedichte von mir zu erklären.. naja was heißt es fällt mir schwer.. ich mache es ungern..*lacht* deshalb lasse ich das jetzt einfach mal so stehen. Vielleicht könnt ihr ja damit schon etwas anfangen, oder eben jetzt überhaupt nichts mehr :-D
Weitere Fragen beantworte ich trotzdem noch ;-)

Liebe Grüße, Marina
Intelligenz, behaupten die Intelligenten, ist die Fähigkeit, sich der Situation anzupassen. Wenn du ein Buch verkehrt in die Hand genommen hast, lerne, es verkehrt zu lesen. (Wieslaw Brudzinski)

Silentium
Mnemosyne
Beiträge: 2771
Registriert: 24.05.2003, 17:50

Re: Monotonie

Beitragvon Silentium » 10.09.2003, 22:22

Hallo Chilandra,

das mit dem "und doch" ist eigentlich nur eine winzige Formsache... und noch dazu weiß ich nicht, ob ich mir's nur einbilde.
Ich hab' mal vor einem Jahr an einem Lyrikkurs an unserer Schule teilgenommen.
Bei dem Sammelsurium von Texten, das dabei herausgekommen ist, ausnahmslos von 13-bis 14-jährigen, die in ihrem leben maximal ein Muttertagsgedicht geschrieben haben, war erstaunlich oft ein "und doch" dabei, immer dann, wenn der oder die betreffende irgendeinen Gegensatz anbringen wollte. Irgendwie ist das für mich so wie wenn man sagt: so leute, bitte alle herhören, ich werde jetzt an dieser stelle einen Widerspruch einflechten, der recht lyrisch klingen soll.
(Bitte jetzt nicht beleidigt sein, dein Text ist natürlich KEIN Anfängertext, ich brauch das jetzt nur als vergleich).
Das ist wahrscheinlich nur eine persönliche sache, das mich das "und doch" irritiert. Für mich wirkt ein Widerspruch wie "erneut/vergangen" ihn darstellt einfach intensiver, wenn er mich unvorbereitet trifft. (Himmel, und jetzt hab ich viel über zwei Wörter gelabert, die eigentlich ganz unerheblich sind. ähem.)

Beerdigung? Eigentlich klar, wegen Grab, aber irgendwie bin ich nicht sofort draufgekommen. Vielleicht wegen dem Titel, Beerdigungen sind monoton, keine Frage, aber wenn man mir sagt, ich soll die ersten zehn wörter aufzählen, die mir zu Monotonie einfallen, ist Beerdigung nicht darunter. Auch egal, dass ich begriffstutzig bin ändert nichts daran, das es ein schöner text ist.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

Chialandra
Sphinx
Beiträge: 112
Registriert: 13.07.2003, 06:38

Re: Monotonie

Beitragvon Chialandra » 10.09.2003, 23:06

hallo Silentium :-)

Jetzt hab ich verstanden was du meintest.. hmm ich habe mir auch überlegt wie ich es anders machen könnte, aber was gutes ist mir dabei nicht eingefallen.. das "und doch" einfach weglassen.. würde sehr seltsam aussehen, zumindest in meinen Augen.. naja und sonst ist mir auf die Schnelle auch nichts eingefallen. Aber ich werde mir weiter meine Gedanken darüber machen. Vielleicht fällt mir ja noch etwas ein

Liebe Grüße, Marina
Intelligenz, behaupten die Intelligenten, ist die Fähigkeit, sich der Situation anzupassen. Wenn du ein Buch verkehrt in die Hand genommen hast, lerne, es verkehrt zu lesen. (Wieslaw Brudzinski)


Zurück zu „Gedichte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 135 Gäste