Du bist mir passiert...

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Arana
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Du bist mir passiert...

Beitragvon Arana » 08.10.2003, 05:43

Du bist mir passiert...

Du bist mir passiert
So wie ein Teller, der aus der Hand rutscht
Und ich steh da und frag: „Warum?“
Du bist mir passiert
So wie ein Schwarm Enten,
Der im Herbst über den Himmel zieht.

Du bist mir passiert
Wie eine Bildstörung im Fernseh’n
Und ich denk: Wann hört es auf?
Du bist mir passiert
Wie ein Sturm über dem Meer
Meiner Gefühle.

Du bist mir passiert
Wie eine Regenwolke, durch die
Die Sonne ihre Strahlen auf die Erde schickt.
Du bist mir passiert
Wie das Heulen des Windes,
Der um das Haus schleicht.

Du bist mir passiert
Wie ein Paukenschlag
Am Ende der Symphonie.
Du bist mir passiert
Wie der unerwartete Besuch von Freunden
Und der Kühlschrank ist leer.

Du bist mir passiert
Wie eine Straße, auf der ich
den Weg nach Hause nicht finde.
Du bist mir passiert
Wie die Rose,
deren Dorn mich sticht.

Du bist mir passiert
Wie die Müllabfuhr,
die frühmorgens durch die Stadt rattert.
Du bist mir passiert
Wie ein Knutschfleck am Hals und ich
Mach Make Up drauf.

Du bist mir passiert
Wie ein Wurf junger Kätzchen
In einer kleinen Stadtwohnung.
Du bist mir passiert
Du bist mir passiert
Du bist mir passiert
Zum Glück bist du mir passiert!

razorback
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Re: Du bist mir passiert...

Beitragvon razorback » 08.10.2003, 10:50

Hi Arana!

Das Thema des Gedichtes gefällt mir. Ich kann leider nicht genau sagen, warum, es ist ja eher kein ungewöhnliches Thema. Vielleicht ist es wirklich die Formulierung "Du bist mir passiert" - einfach, klar, aussagekräftig. Auch der Schluss ist gut, er lässt die Sammlung von Metaphern zuvor nicht zufällig wirken.

Zu den einzelnen Bildern äussere ich mich gleich, was ich mich frage, wenn ich sie alle lese ist: Warum? Warum so viele Bilder - oder warum genau diese? Sind es alle, die Dir eingefallen sind? Drücken sie in ihrer Gesamtheit (annähernd) ausreichend Deine Gefühle aus? Wohlgemerkt - die Vielzahl der Metaphern stört mich (hier) nicht, Du langweilst nicht. Es interessiert mich einfach - warum so viele, warum gerade diese.

Einige Deiner Bilder finde ich sehr gelungen:

Du bist mir passiert
So wie ein Teller, der aus der Hand rutscht
Und ich steh da und frag: „Warum?“


Du bist mir passiert
Wie eine Regenwolke, durch die
Die Sonne ihre Strahlen auf die Erde schickt.


Du bist mir passiert
Wie der unerwartete Besuch von Freunden
Und der Kühlschrank ist leer.


Du bist mir passiert
Wie eine Straße, auf der ich
den Weg nach Hause nicht finde.


Du bist mir passiert
Wie ein Wurf junger Kätzchen
In einer kleinen Stadtwohnung.


Diese Bilder sind originell, eingängig und verhindern - in Verbindung mit dem Schluss, dass das Gedicht kitschig wird.

Folgende Metaphern fand ich ein wenig klischeehaft:

Du bist mir passiert
Wie ein Sturm über dem Meer
Meiner Gefühle.


Du bist mir passiert
Wie die Rose,
deren Dorn mich sticht.


Ein paar sind dabei, bei denen ich mir nicht sicher bin. Sie passen nicht zum Rest, finde ich, weil Du mit den meisten Metaphern etwas Unerwartetes beschreibst, diese hier aber stehen für Vorhersehbares:

Du bist mir passiert
Wie ein Paukenschlag
Am Ende der Symphonie.


Du bist mir passiert
Wie die Müllabfuhr,
die frühmorgens durch die Stadt rattert.


Zu den Enten und der Bildstörung kann ich mir keine rechte Meinung bilden - ich finde es einerseits seltsam zu sagen "Mir ist ein Schwarm Enten passiert" und das mit der Bildstörung klingt arg negativ. Andererseits sind es sehr klare Bilder und es ist nicht an mir, Dir vorzuschreiben, was Du zu empfinden hast :-D Und was Du mit dem Knutschlfleck und dem Make-Up sagen willst, bleibt mir unklar, aber das kann durchaus an mir liegen.

Eine, eine einzige Metapher finde ich wirklich daneben:

Du bist mir passiert
Wie das Heulen des Windes,
Der um das Haus schleicht.


Der heulende Wind schleicht? Hä? ;-)

Bei so vielen Strophen und der gelungenen Vermeidung von Kitsch und Langeweile ist eine verhauene Metapher eine ganz gute Quote, denke ich.

Greetz

Razorback
O You who turn the wheel and look to windward,
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You

gelbsucht
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Re: Du bist mir passiert...

Beitragvon gelbsucht » 08.10.2003, 19:31

Hallo Arana,

und herzlich willkommen im Forum! Auch mir gefällt das Thema deines Gedichtes. Es zeigt sehr anschaulich, dass es in der Liebe keine "Wahl" gibt, was heute viele zu glauben scheinen, sondern, dass es mehr eine Art von Unfall oder Zufall ist.

Der Kritik von razorback schließe ich mich an. Seine Unterscheidung der guten und der weniger guten Bilder trifft wirklich zu. Abgesehen von dem Bild mit dem "Paukenschlag", dass ich gar nicht so schlecht finde.

;-) gelbe grüße :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

Arana
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Re: Du bist mir passiert...

Beitragvon Arana » 10.10.2003, 18:24

Hallo Razorback und Mnemosyne,
vielen Dank für eure Nachrichten. Es hat mich sehr gefreut, dass ihr euch so intensiv mit meinem Gedicht beschäftigt habt.
Ja, sie sind mir so eingefallen, die Bilder, eins nach dem anderen, einfach so, aus mir herausgesprudelt. Aus einer ganz bestimmten Gemütsbewegung heraus. Sicher drücken sie nicht alle Gefühle aus, aber dafür schreibe ich ja auch öfter Gedichte und arbeite auch an einem Buch...
Hier möchte ich einige Kommentare zu den einzelnen Bildern geben.
Zu den Enten: Sie fliegen, wo sie wollen, wann sie wollen, ich kann sie nicht beeinflussen. Ich betrachte sie, beeindruckt von ihrer Zielstrebigkeit und Schönheit.
Die Bildstörung: Der normale Ablauf ist gestört, das normale Programm. So war das nicht geplant. Überrascht frage ich mich, ob das so bleibt oder ob es vorbei geht, vielleicht von alleine, damit ich zum „normalen Programm“ zurückkehren kann.
Der Knutschfleck: Ist ja was Schönes, denn er setzt ja Intimität, Nähe voraus, aber ich möchte das lieber verstecken.
Auch den Wind, der heulend ums Haus schleicht, kann man nicht aufhalten. Man kann sich höchstens im Haus einschließen, um sich vor dem Wind zu schützen, und vielleicht auch vor sich selbst.
Die Müllabfuhr: Wenn ich morgens um 6.00 Uhr durch ihr Rattern gestört werde, weiß ich im Grunde, ja, ich brauche sie, sie ist nötig, sie nimmt den Unrat mit, das was ich weggeworfen habe, was vorbei ist, aber sie weckt mich auch unsanft aus meinen Träumen und ich frage mich, habe ich auch wirklich die Mülltonne rausgestellt? Was ist Ballast in meinem Leben, von was muss ich mich lösen? Die Liebe zwingt mich zur Bilanz.
Die Rose und ihr Dorn sind mir auch schon aufgefallen! Ich denke, ich nehme sie raus.
Und der Paukenschlag weckt vielleicht so manchen, der die Symphonie verschlafen hat.
Liebe Grüße
Arana

Spiderman
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Re: Du bist mir passiert...

Beitragvon Spiderman » 10.10.2003, 20:51

Hi Arana,

ich bin die Nummer 2, die sagt: "mir gefällt das Thema Deines Gedichtes." Dein Gedicht enthält viele sehr schöne, auch sehr originelle Bilder. Noch hat das Gedicht ein paar Schwächen. M.E. sind das folgende:

* Manche der Bilder sind etwas abgeschmackt, zu klischeelastig. Siehe dazu auch die Kritik von razorback. Meine Empfehlung: die guten Bilder drinnen lassen, die schlechten rausstreichen oder ersetzen.

* An manchen Stellen könntest Du besser formulieren und die Bilder besser zur Geltung zu bringen. Am Beispiel mit den Enten wird es glaube ich deutlich. Du schreibst: "Du bist mir passierst wie ein Schwarm Enten, der im Herbst über den Himmel zieht." An sich ein gutes Bild, das aber aufgrund Deiner grammatikalischen Konstruktion eher diffus und sperrig wirkt. Mein Vorschlag wäre: "Du bist mir passierst wie dem Himmel ein Schwarm Enten im Herbst." Was fehlt ist die Gleichsetzung "Lyrisches Ich = Himmel".

* Die Gesamtkonstruktion des Gedichtes erscheint mir zu schematisch. Es ginge noch spielerischer. Du schreibst immer "Du bist mir passiert wie..." und darauf folgen zwei Verse mit dem jeweiligen Bild. Das wiederholst Du über das Gedicht zig Male ohne Variation. Hey, es geht immerhin in dem Gedicht um Liebe - und die läuft nicht so gleichförmig ab! Laß ein paar Mal "Du bist mir passiert..." weg. Steig vielleicht direkt mit einem groß geschriebenem "Wie" ein.

Trotz der Kritik: ein gutes Gedicht, dessen Potential Du noch nicht ausgeschöpft hast.

Liebe Grüße

Spiderman
Die nette Lyrik-Spinne von nebenan!

gelbsucht
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Re: Du bist mir passiert...

Beitragvon gelbsucht » 12.10.2003, 19:05

Hallo Razorback und Mnemosyne,

Man nennt mich "gelb" oder "Gelbdirk" oder "Dirksucht"! Leute, die das Wortspiel verstehen, können mich auch gern "gelbsucht" nennen. Such dir was aus, Arana! ;-)
ich bin die Nummer 2, die sagt: "mir gefällt das Thema Deines Gedichtes."

Hey, mogelst du dich hier auf Position 2 vor oder wie oder was? Dabei wäre es das dritte von deinen acht (sicherlich furchtbar behaarten) Spinnenbeinchen gewesen, wenn du richtig daran abgezählt hättest. :-p

;-) gelb :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)


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