Susan Sontag

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Hilbi
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Susan Sontag

Beitragvon Hilbi » 12.10.2003, 22:52

Susan Sontag


eigentlich wollte ich kein gedicht für sie schreiben

aber nun wo sie wieder weit fort ist
und die augen wieder geschlossen werden
wie die türen die sich übrigens nur öffnen wenn
man das richtige sagt
schreibe ich etwas und nenne es gedicht
und nenne es susan sontag

es gibt menschen die sagen einmal am tag etwas richtiges
da freut man sich
die möchte man gerne in die luft heben
und es gibt menschen die tun etwas mit dir
die berühren dich
und die muss man am hellen tag mit einer kerze suchen
nicht wahr herr turgenjew
sie nehmen mir diese zeilen nicht wieder weg

es ist etwas da in dieser welt
das hinsieht
das weiß wann man etwas tut
und wann man es wieder verlässt um es immer wieder zu tun
Wenn der Himmel so blau ist, warum wird es dann finster?

gelbsucht
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Re: Susan Sontag

Beitragvon gelbsucht » 12.11.2003, 19:44

Hallo Meister Hilbi,

du hast dieses Gedicht am 12. Oktober ins Forum gestellt. Nicht schwer zu erraten, dass das kein Zufall ist, denn am gleichen Tag wurde Susan Sontag der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Warst du auf der Buchmesse in Frankfurt? Allerdings fällt es mir bei diesem Gedicht außerordentlich schwer, es zu verstehen und etwas wie eine Kernaussage herauszuschälen. Auch ein Grund, warum ich solange gezögert habe, etwas dazu zu sagen. Auf irgendeine Art huldigst du ihr mit diesem Gedicht, soviel habe ich verstanden. Du erklärst sie zu einem besonderen Menschen, einem, dem man nur sehr selten begegnet:
und es gibt menschen die tun etwas mit dir
die berühren dich
und die muss man am hellen tag mit einer kerze suchen
nicht wahr herr turgenjew
sie nehmen mir diese zeilen nicht wieder weg

Damit ist Iwan Turgenjew gemeint, der russische Schriftsteller? Wie passt das zusammen? Ist das ein Zitat, eine Anspielung? Ach, immer diese Bildungslücken!

Dagegen klingt die erste Strophe für mich irgendwie auch kritisch oder bedauernd:
aber nun wo sie wieder weit fort ist
und die augen wieder geschlossen werden
wie die türen die sich übrigens nur öffnen wenn
man das richtige sagt

Du bedauerst ihren Weggang und verbindest es mit irgendeiner Art Verlust oder Veränderung. Augen und Türen werden geschlossen. Das mit den Türen klingt irgendwie nach "Geschlossener Gesellschaft", nach Ausschluss, nach "Sesam öffne dich". Keine Ahnung, was du damit meinst. Ich tappe hier vollkommen im Dunklen herum.
es ist etwas da in dieser welt
das hinsieht
das weiß wann man etwas tut
und wann man es wieder verlässt um es immer wieder zu tun

Und der letzte Absatz des Gedichtes ist für mich das absolute Mysterium. Hab lange kein Gedicht mehr von dir gelesen, dass mir so schwierig, so kryptisch vorgekommen ist.

;-) gelb :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

Chialandra
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Re: Susan Sontag

Beitragvon Chialandra » 12.11.2003, 20:52

huhuu

Oh das wird schwer, mich jetzt dazu auszudrücken ohne es irgendwie falsch zu sagen. Also erstmal finde ich das Gedicht wunderschön, weil ich es für mich wie eine kleine Liebeserklärung auffasse. Wenn ich z.B. den Namen Susan Sonntag durch den meiner besten Freundin ersetzen würde, würde es genau das ausdrücken was ich ihr sagen könnte wenn ich sie sehe.

aber nun wo sie wieder weit fort ist
und die augen wieder geschlossen werden
wie die türen die sich übrigens nur öffnen wenn
man das richtige sagt


Sie ist jemand der hat die Augen geöffnet wenn er dich ansieht, der sieht tiefer als nur bis unter die Maske die wir alle tragen. Und wo du bei anderen mit den richtigen Worten (dem richtigen Geld vielleicht auch) die Tür geöffnet bekommst um mit ihnen sprechen zu dürfen, sie "Freund" nennen darfst -dabei interessiert es eigentlich niemanden was du sagst und denkst- da öffnet sie sich selbst und die Türen freiwillig, um deinetwillen.
Naja das beschreibt dann auch der zweite Teil finde ich. Da sind eben ein paar wenige denen du etwas bedeuten, und die deshalb fast automatisch zu etwas besonderem für dich werden.
Den Satz mit der Kerze finde ich übrigens sehr schön.
Der letzte Teil ist so sehr optimistisch, weil er einem einfach sagt "du! Da ist etwas" und auch wenn man manchmal denkt da ist eben doch nicht/niemand.. dann ist er trotzdem da.. auch wenn man ihn übersieht oder ihn grade übersehen will.

So verstehe ich das Gedicht für mich. Kann natürlich sein dass ich falsch liege, dann finde ich es trotzdem noch toll!!!!!!!!
Danke, Hilbi :-)

Liebe Grüße, Marina
Intelligenz, behaupten die Intelligenten, ist die Fähigkeit, sich der Situation anzupassen. Wenn du ein Buch verkehrt in die Hand genommen hast, lerne, es verkehrt zu lesen. (Wieslaw Brudzinski)


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