Schnapsidee

[Auf Eulen Schwingen]

Vorbemerkung:

Dear lectors,

Sujet ... ähh ... Bundeswehr .... bäh ...Härteübung ...vielleicht poesiewürdig .... immerhin findet sich darin irischer Whiskey ..?

Und die Winterkälte in diesen Zweimannzelten .... <aes schuddert>

Schnapsidee

Ich sitze hier
zähneklappernd
nicht weit von Dinkelsbühl
im Winterlager der Bundeswehr
am Fuße des Hesselbergs
auf strohbedecktem
Boden im Zelt.

"Die Härteübung,
die Schweinekälte",
sagte Feldwebel Schneider
und malte die Worte
zwischen den Kiefern
und glich dabei
dem König der Elche,
"all das wird eure Säcke
schrumpfen lassen,
auf Erbsengröße."

Der Wind pfeift auf dem Flaschenhals
des engen Tales. Die Fische, sie
frieren in der Tiefe des Flusses.
Am Abend teilen
wir irischen Whiskey,
gestiftet von Ben,
vier Kruken Tullamore.
Das hilft ein bisschen
bei Kälte, barbarisch.

Gestern nach dem Dienst
habe ich, im Mumienschlafsack
eingemummt, mit klammen
Fingern Caesar gelesen,
in Ovid reingeschaut.
Er beklagt seine "tristia fata",
nach Tomis verbannt,
weit weg vom warmen Italien,
lebt er unter lauter Barbaren,
der arme Ovid.

Und ich im kalten Germanien,
ich lese Caesars Latein
und die Verse Ovids,
denn ich brauch das Latinum
für jene vergleichsweise goldene Zeit
nach Feldwebel Schneider.

Und gewärmt von irischem Whiskey
geht mir nicht aus dem Kopf,
was Caesar schreibt über Elche,
zu finden im "Gallischen Krieg"
Buch Römisch Sechs, Kapitel ZwoSieben:

"Die Elche im Barbarenland
gleichen großen Ziegen.
Sie können sich
nicht hinlegen beim Ausruhn,
weil sie keine Gelenke haben.
Sie lehnen sich, um Schlaf zu finden,
an Bäume. Die schlauen Barbaren
sägen die Schlafbäume an:
So fallen die Bäume
und Elche."

Vorhin habe ich unsern
Feldwebel Schneider gesehen
zwischen den Zelten,
den großen Strategen
und Leuteschinder. Er trinkt
aus dem Flachmann den Schnaps
und lehnt mit steifen Knien
in Nato-Oliv
am Baum.

[razorback]

Ah Weicheier, verdammte. Viermannzelte. Stroh. Wir hatten Zweimannzelte, damals. Und kein Stroh!

Ganz grosse Klasse, AEL! Und ich glaube, dass kommt nicht nur daher, dass ich auch den grünen Rock der Ehre tragen durfte. Zwar muss man bei dem Laden gewesen sein, um wirklich ermessen zu können, WIE grossartig Deine Umsetzung dämlicher Feldwebelsprüche in Poesie ist:

Die Härteübung,
die Schweinekälte",
sagte Feldwebel Schneider
und malte die Worte
zwischen den Kiefern
und glich dabei
dem König der Elche,
"all das wird eure Säcke
schrumpfen lassen,
auf Erbsengröße."

Aber ich denke, egal ob gedient oder ungedient oder zivilgedient oder Frau oder wie auch immer: Die Bildsprache ist Klasse und die Übertragung des Feldwebels auf Caesars Elche - gross! Ganz gross!

Das ist so ziemlich das Beste, was ich jemals an Bundeswehrmemoiren gelesen habe (Sire Stevo hat seine unter Freunden berühmte Rottweilegerschichte ja LEIDER noch nicht zu Papier gebracht... ).

Zwei Anmerkungen aber:

1.) Bist Du sicher, dass das mit den steifen Gelenken bei Caesar steht? Nicht Tacitus? Es ist gut 10 Jahre her, dass ich Tacitus gelesen habe und Caesar steht zwar irgendwo bei mir rum, gelesen habe ich aber nur den Lateinklausurrelevanten Anfang, drei Teile, Belgier sind die besten (worüber sich Majestix ja sehr aufgeregt hat) etc., etc. Trotzdem... irjentzwie... wirklich Caesar?

2.) Wenn Du nochmal bei unter Null campierst (zivil oder so) - nicht saufen. Kann übel enden...

Kräftiges Handgeklapper und breites Grinsen

Razorback

[Auf Eulen Schwingen]

Dear razorback,

wieder einmal Dank für sensible, erfahrungsatte Lektüre und ermunternde Worte.

Es gab bei uns - nostalgieferne Erinnerung - überwiegend Zweimannzelte, dann auch ein paar von den größeren. Und mir zieht es alles zusammen.

Die Feldwebel Schneider Geschichte samt Elchen ist mit der im Text angegebenen Stelle bei Caesar verknüpft. Erfahrene Lateiner und razorbacks haben auch die "Germania" von Tacitus im Kopf.

Und was ein richtiger klassischer razorback ist, der ...

Morgens von Ray eine story,
aus Shakespeare abends ein Aufzug,
das beschließt mir
würdig den Tag.

Im übrigen halt' ich
alltägliche Texte nicht fern;
so dass ich nachts das Netz
rasch durchsuche, zu sehn,
zu sichten, ob zwischen Quallen
und Kies und Kieseln
auch Bernstein zu finden.

Und schau nur,
da seh ich Zweimannzelte
in goldbraunem Harz konserviert.
Und Caesars Elche und Feldwebel
Schneider.

Und meine und Deine Bilder,
sie schimmern in Worten,
weil unser
Auge sie traf.





Vale

[razorback]

Du irrst - aber immerhin poetisch.

[Auf Eulen Schwingen]

Okay, dann halt den Konjunktiv

Morgens von Ray eine story,
das wäre schön.
Und aus Shakespeare abends ein Aufzug,
das beschlösse mir
würdig den Tag .....

Salute von

aes
(der jetzt wieder intensiv arbeiten muss, damit er heute abend mit der cineastischen Freundin ein Double-Feature hinkriegt: "Herr Lehmann" vom Reg. Leander Hausmann und dann wahrscheinlich im Filmmuseum "ZwEi glorreiche Halunken" )

[Spiderman]

Okay, auch mir als ehemaligen Zivildienstleistenden gefällt's. Bei der Härteübung Caesar und Ovid zu lesen, ist schon eine absurde Vorstellung. Das hast Du nicht wirklich gemacht, oder?

Vielleicht zwei Anmerkungen noch:
* Hätte mir noch mehr Feldwebel-Schneider-Zitate gewünscht. Bei so grobschlächtige und vergügungssüchtige Menschen wie mich, die nach billiger Unterhaltung suchen, könntest Du dabei noch Plus-Punkte sammeln.
* Der Rhythmus ist schon arg prosaisch. Irgendwie paßt das auch. Aber ein kleines bisschen mehr rhythmische Gestaltung hätte auch nicht geschadet...

Gesamturteil: gutes Gedicht!

Gruß

Spidey

[Auf Eulen Schwingen]

Salute Spiderman,

jou, hockte damals mit einem Hans Münch in der Unterkunft zusammen. Am Wochende, bei fehlendem Ausgang, ham wir uns für das Latinum vorbereitet. Er kam aus so einer Professorenfamilie. Und ab einem bestimmten Moment haben mir Ovid-Verse, waren nicht viele, die ich kapiert hab, plötzlich sehr zugesagt. Und dann hab ich den Ransmeyer "Die letzte Welt" gelesen. Und die Verbannungssituation und und ...


Mit der Struktur ist schon klar. Behelfe mich ein bisschen damit, dass reimlose Lyrik mitr freien Rhythmen durchaus mal angesagt war und ist.

greetings and thanks for sensible lecture and hope we meet again

[gelbsucht]

Lieber AES,

vielleicht freut es dich zu hören, aber dieses Gedicht ist mir im Augenblick das liebste in diesem Forum. Ich finde es hervorragend.

Der Wind pfeift auf dem Flaschenhals
des engen Tales. Die Fische, sie
frieren in der Tiefe des Flusses.

Schöne, erfrischende Bilder. Und auch, wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass Fische frieren, ist die Vorstellung, sie würden, irgendwie ziemlich lustig.

vier Kruken Tullamore

Tullamore ist ein Label. Aber was sind Kruken? Ich bitte um Belehrung.

Respekt!

gelb

[Auf Eulen Schwingen]

Salute Gelbsucht,

thanks for lecture und würdigende Worte

"Kruke" meint "Steingutflasche", Tullamore wird - google bilder - auch in der Tonflasche angeboten. Hier ein paar anregende Zitate von Fontane und aus dem Flachbbot:

Die Kruke bring nachher mit herauf, wenn du fertig bist, denn den anderen wird ein Schluck ebenfalls keinen Schaden tun." (Quelle: Friedrich Gerstäcker - Der Flatbootmann / 1. Kapitel (1))

"Gewiß, Massa, gewiß", rief der Schwarze mit einem vergnügten Grinsen, während der Yankee eine neben ihm stehende Kruke aufgriff, einen Blechbecher von dem Gesims nahm und ihn halb mit gelbem Branntwein füllte. (Quelle: Friedrich Gerstäcker - Der Flatbootmann / 2. Kapitel (1))

"Ja, Massa", nickte der Schwarze traurig mit dem Kopf, "Massa Hoof hat überall herumgespürt und große Kruke mit Whisky gefunden. (Quelle: Friedrich Gerstäcker - Der Flatbootmann / 4. Kapitel (3))

Nein, darauf kann ich mich nicht einlassen, ich muß mein >Handwerkszeug< besser in Ordnung haben, und da trag ich deren immer eine kleine steinerne Kruke mit Tinte sowie etwas Papier und einige Federn bei mir." (Quelle: Friedrich
Gerstäcker - Schwarz und Weiß (5))

Sieh die Hirtenfrau, die Napf und Kruke Ihrem Mann nach jener Hutung bringt; Sieh den Waldrand, wo trotz härnen Schleifen Unbesorgt die Sommerdrosseln pfeifen -Rings Wacholdersträuche, bunt zerstreut, Deren Frucht die Julisonne bläut. (Quelle: Theodor Fontane - Wanderungen durch die Mark Brandenburg / Potsdam und Umgebung - Fahrland)

[gelbsucht]

Muchas Gracias.

Sag mal, wie zauberst du nur so fix diese ganzen Textstellen aus dem Hut!? Deine Zitatesammlung zu "Anger" sucht wirklich seines gleichen im bibliographischen Unterholz.

gelb

[Auf Eulen Schwingen]

Salute Gelbsucht,

unter diesem Link sind findige Profis am Werk:

http://wortschatz.uni-leipzig.de/

Vale