Jugendsünden

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
gelbsucht
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Jugendsünden

Beitragvon gelbsucht » 24.10.2003, 05:41

Auf irgendeiner Diskette habe ich noch ein paar Dateien. Einige dieser Dateien, es sind die ältesten, datieren zurück auf September und Oktober 1993. Dabei handelt es sich um die ersten Gedichte, die ich in meinem Leben geschrieben habe – im Alter von 16 Jahren. Das ist jetzt also ziemlich genau zehn Jahre her. Das wollte ich zum Anlass nehmen, ein paar meiner ersten Gedichte und "Jugendsünden" in dieses Forum zu stellen, obgleich es schon ziemlich peinlich für mich ist.

Traum (September 1993)

Gute Nacht wünsch ich Dir,
von der ich ewig träumen muß,
wärst du doch allein mit mir,
gäbst mir den ersehnten Kuß.

Schlafe wohl, schlaf in Frieden,
daß im Traum wir dann vereint,
uns aneinander schmiegen,
wenn der Mond erscheint.

An dem schmalen Ufer,
unterm Weidenbaum,
treffen wir uns wieder,
in des andern Traum.
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

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Re: Jugendsünden

Beitragvon gelbsucht » 24.10.2003, 05:43

Die Mauer (Oktober 1993)

Die Fassade der Mauer,
nett und fröhlich,
manchmal auch sauer,
nicht ungewöhnlich.

Die Mauer an sich,
unüberwindlich hoch.
Sie gibt es nicht?
Ich denke doch!

Die Mauer nun sprengen?
Beklimmen, umgehen?
Vergessen, verdrängen?
Etwas muß geschehen!

Und hinter dem Gemäuer,
was erwartet da mich?
Mir ist's nicht geheuer,
vielleicht bin's ja ich!

Doch die Mauer, die steht,
nicht lange mehr hält.
Während die Zeit vergeht,
sie allmählich fällt.

Anmerkung: Dieses Gedicht ist, soweit ich mich erinnere, im Rahmen einer Hausaufgabe entstanden: 10. Klasse, Hauptschule. Ich weiß gar nicht mehr, ob das Thema vorgegeben wurde oder ob ich es mir aussuchen konnte. Die Datei ist auf den 27. Oktober 1993 datiert, geschrieben auf einem PC, der eine Festplatte mit 20 MB und eine Taktfrequenz von 12MhZ hatte. Kein Witz!

Das Gedicht "Im Eis", das ich unter anderem zuletzt in diesem Forum gepostet habe, stellt eine bewusste Reflektion und Variation dieses Themas dar. Der "Palast aus Wind und aus Kristall, aus Silber, Erz und Eis" dort ist nichts anderes, als die "Mauer" hier, es sind die Grenzen, Gewohnheiten, Zwänge und Selbsttäuschungen des eigenen Ichs – und natürlich geht es in beiden Gedichten vordergründig auch um Verschlossenheit, um Introvertiertheit und um Einsamkeit.
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

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Re: Jugendsünden

Beitragvon gelbsucht » 24.10.2003, 05:44

Ein Mord (Januar 1994)

Mächt'ge Riesen hoch in den Wolken,
So hoch, als ob sie die kratzen wollten,
Hoch sein, das war ihre Pflicht,
Doch einen Horizont gab es hier nicht.
Dazwischen folgend den eigenen Spuren,
Abertausend triste Kreaturen.
Die meisten waren in Schweigen bedacht,
Ungewöhnlich war es, wenn eine lacht.

Doch manchmal stand in der ganzen Szene,
Einsam und verlassen eine Menschenseele.
Sie kam, sie stand da und blickte sich um,
Was sie erblickte, machte sie stumm.
"Oh, mein Gott!" hat sie nur gemeint,
Darüber der Himmel hat nur geweint.

Die Seele kam, stand da und riskierte ihr Leben,
Das Glück sollte für sie die Weichen legen.
Sie stand auf dem Dache eines der Riesen.
Der Himmel erst weinte, begann jetzt zu gießen.

Die Seele kam und taumelte den Abgrund entlang,
das Glück ihr treu, sie urplötzlich sprang.

Die Seele kam, stand da und ging fort.

Ein Mord?

Irgendwann hörte der Himmel auf mit weinen,
dafür begann die Sonne zu scheinen.
Die Scheiben der Riesen spiegelten ihr Licht
Und man sah manches strahlende Gesicht.
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

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Re: Jugendsünden

Beitragvon gelbsucht » 24.10.2003, 05:45

Am Waldrand (Januar 1994)

Der Himmel gefärbt in sanftes Blau,
Das Grün gibt kühlen Schatten,
Dazu ein Lüftchen, nicht stark, mehr lau,
Man wandelt auf moosigen Matten.
Am Waldrand, der Mensch ist erquickt.

Der Himmel gefärbt in plüschiges Weiß,
Das Grün erzittert, es splittert das Holz,
Die Axt ist schwer, es trieft der Schweiß,
Man schafft es doch und voller Stolz.
Am Waldrand, der Mensch ist erquickt.

Der Himmel gefärbt von wirbelndem Staub,
Das Grün weicht stürmenden Rindern,
Monokulturen auf Nährstoffraub,
Man will den Fortschritt nicht hindern.
Am Waldrand, der Mensch war erquickt.

Der Himmel gefärbt in chemischen Farben,
Das Grün wurd' krank und sauer der Boden,
Die Fabriken vererben viele Narben,
Man kann nichts machen, außer roden.
Am Waldrand, der Mensch war erquickt.

Der Himmel gefärbt in tiefes Schwarz,
Das Grün entflammt, begann zu brennen,
Im Feuer knistert das erste Harz,
Alles was lebt, begann zu rennen.
Am Waldbrand jedoch, der Mensch ist erstickt.
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

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Re: Jugendsünden

Beitragvon gelbsucht » 24.10.2003, 05:46

Das ausgeschlossene Volk (Frühjahr 1994)

Sie fuhren im großen Wagen vor und sprachen über Steuern.
Jeder trug einen feinen Anzug, mit Krawatte selbstverständlich.
Sie reichten sich die Hände.
Der Saal war groß und chic.
Die Konferenz begann um Zehn nach Neun.
Sie sprachen über Krieg und tranken Wasser für einen klaren Kopf.
Sie sprachen über Geld und scherzten über alte Witze.
Sie sprachen über ungeborenes Leben, nur wenige waren noch jung
und manche pafften Zigaretten.
Sie machten eine Pause und sprachen über Wahlen.
Die Pause war zu Ende und der Saal voll und stickig.
Und sie sprachen wieder.
Sie sprachen wieder über Arbeitslose und einer gähnte, er war müde.
Sie sprachen über rechte Gruppen und blätterten in Akten nebenbei.
Sie berichteten, berieten, beschlossen und telefonierten ab und zu.
Dann machten sie erneut eine Pause und einige klagten über Kopfweh.
Die Pause ging zu Ende, aber die Kopfschmerzen ließen nicht nach.
Einige waren gegangen, der Saal noch halbvoll und stickig.
Und sie sprachen wieder.
Sie sprachen wieder über Kranke und ihre Pflege
und nahmen noch eine Tablette, gegen die Kopfschmerzen natürlich.
Sie sprachen über dieses und jenes leidige Thema,
manchmal schon zu oft diskutiert.
Mit der Weile wurde es ruhig.
Nur wenige sprachen noch und manchmal sprach nur einer.
Es fiel schwer, so spät noch zu denken
und solch leidige Fragen zu entscheiden.
Als wir sie fragten,
ob sie sich bewußt wären, welche Verantwortung sie trügen,
bejahten sie dies durcheinander.
Als wir sie fragten,
für wen sie arbeiteten,
beim wem sie sich ihr Gehalt verdienten,
für wen sie Wohl erwirtschafteten,
antworteten sie nicht.
Nur einer fragte, wer wir seien, daß wir solche Fragen stellten
und sie so spät noch störten.
Und als wir synchron fragten, ob sie das nicht wüßten,
tippte einer eine Nummer in sein Händi und rief die Polizei.


Schon lustig, wie ich damals "Handy" schrieb!!! :-D
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Re: Jugendsünden

Beitragvon gelbsucht » 24.10.2003, 05:49

Am Fluss (November 1995)

Die Luft fließt neblig, kühl,
Doch mein Herz liegt schwer,
Ein bedrückendes Gefühl,
Am Fluss, schon lange her.

Skelette, Bäume, alles kahl,
Das Wasser kracht am alten Wehr,
Alte Sehnsucht, dicker Schal,
Am Fluss, schon lange her.

Die Brücke liegt leise,
Noch herrscht kein Verkehr,
Vergangene Zeiten und Kreise,
Am Fluss, schon lange her.

Dunkle, gedrängte Fassaden,
Der Gedanke gedankenleer,
In der Dämmerung baden,
Am Fluss, schon lange her.

Der Fluss folgt seinem Graben,
Die Ohren hörn nichts mehr,
Außer den krächzenden Raben,
Am Fluss, schon lange her.
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

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Re: Jugendsünden

Beitragvon gelbsucht » 24.10.2003, 06:04

So, nachdem ich mir jetzt die Blöße gegeben habe, bin ich auch noch so dreist, euch nach euren eigenen mehr oder weniger dilletantischen Anfängen zu fragen. Du schreibst selbst schon längere Zeit? Willst du nicht auch mal eins deiner ersten Gedichte resp. Texte hier posten? Ich glaub, crASHed hat das bereits getan und auch im Forum "Kunst & Handwerk" ist das Thema unter dem Titel "Besser vergessen?" bereits angeschnitten worden:

http://www.literaturforum.net/viewtopic.php?t=343

Ich bin gespannt!

;-) gelb :-)
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Re: Jugendsünden

Beitragvon razorback » 24.10.2003, 10:37

Vielen Dank für den Einblick! Es wäre gewiss dämlich, an zehn Jahre alten Jugendsünden herumzukritteln. Mit besonderer Freude aber hat mich diese Stelle erfüllt:

Die Mauer an sich,
unüberwindlich hoch.
Sie gibt es nicht?
Ich denke doch!


Diese hemmungslose Grammatikvergewaltigung verbunden mit der Lakonik der letzten Zeile - Weltklasse!!! B-)

In "besser vergessen" hat ja bisher nur Chialandra wirklich den Mut gehabt, was rauszulassen. Mal sehen, wenn ich am Wochenende etwas Zeit habe, poste ich mal etwas aus meinem Jugendwerk "Die Nacht der grauen Wölfe". Nein, es geht weder um rechtsradikale Türken noch um Deutsche U-Bootfahrer es geht um... ach, es ist so peinlich... :-o
O You who turn the wheel and look to windward,
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You

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Re: Jugendsünden

Beitragvon vogel » 24.10.2003, 20:48

Halllööö !

:-D ach is das schön zu lesen, wie die Anfänge waren :-D ... zumal ich jetzt so alt bin (nagut, fast so alt), wie du als du das hier geschreiben hast.
"Die Mauer", "Ein Mord" und "Am Fluß" gefallen mir, mehr weiß ich dazu nicht zu sagen ... .)
"Das Ausgeschlossene Volk" : Also irgendwie .. Könnte man glatt in auf die aktuelle Situation übertragen ... Oder ?
Bei "Traum" konnte ich mich irgendwie garnicht mehr beruhigen mit lachen, ich weiß nicht warum ... (ist das jetzt schlimm ? *fragendschau*) *räusper*

Aber das ist doch mal schön, solch Jugendsünden zu lesen ... Gibt's davon noch mehr ? *gierigschau* Ich mein, meine Sünden gibts hier mehr oder minder täglich zu bewundern ...

Liebe Grüße
kleinervogel
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

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Re: Jugendsünden

Beitragvon charis » 24.10.2003, 23:31

Ähem...
ich schätze mal, aus etwa 1989 oder so. halt mit 16 wahrscheinlich.

Wenn ich dich sehe

Wenn ich dich sehe
kann ich Wolken fangen
und beginnen
sie in kleine Stücke
zu zerlegen
Häuser zu bauen
und Blumen und Bäume
Wieder zusammenfügen
Etwas Neues finden

Wenn ich dich sehe
wär's nicht schwer,
dem Mond seine Pfeife zu stehlen
sie bunt zu bekleben
daraus zu rauchen
mit Flitter und Glanz

Wenn ich dich sehe
sammle ich Sonnenstrahlen
zu feinen Knäueln
spinne goldene Schleier
bestreu sie mit Rosenblättern
und lebe
im Schloß meiner Träume

Aber heut' hab ich dich gesehen
und hab dir die schönste
meiner Wolken geschenkt,
ließ dich auf der Mondsichel schaukeln,
hab die den glänzendsten
aller Schleier zugeworfen.
Doch du
hast mit dem Mond
in die Wolken gestochen,
den Schleier drumgewickelt
und bist drübergestiegen,
weitergegangen,
gesagt:
"Weg mit dem Plunder."

---------------------------


uuuund... 1994.

Du und ich.

Und der Tanz
auf dem Vulkan.

Stimmen
im
Niemandsland.

Blüten
schmelzen
auf salziger
Haut.

Pulsierende
Kreise.

Tausend

Nuancen
von Rot.

Überfluss
im Sinnestaumel.

Und
das
auf und ab

in
deinen
Flammen.



:-D
charis

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Re: Jugendsünden

Beitragvon vogel » 29.10.2003, 20:35

*g*

Charis deine beiden gefallen mir - irgendwie ...
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

Silentium
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Re: Jugendsünden

Beitragvon Silentium » 03.11.2003, 19:48

Hallo!

Bin wieder mal mit Kleinervogel d'accord.
Die Mauer ist lustig, aber das Ausgeschlossene Volk...*neiderfülltseufz*

Also, ich nehm' mal an, es ist eher lächerlich, wenn ich werke von mir mit 15 poste. *grins*

Dafür hab ich in meinen Mappen und Zettelhaufen gekramt und was gefunden, das ich mit zehn Jahren geschrieben hab'. (Kaum zu glauben, was man dem Metrum antun kann, wenn man grad' alle Buchstaben kennt...)
Alors, auf die Gefahr hin, dass der sehr geehrte Herr Webmaster meinen Account wegen Wortleichenfledderei löscht:

Die Seerose

Wenn nur leichte Brisen
den Nymphenspiegel streichen ,
singen selbst die Wiesen ,
was sie wolln erreichen .

Sie wollen blühen ,
in allen Farben ,
der Mohn will rot erglühen .
golden sind der Gräser Garben.

Die Kornblume prankt mit blau ,
In gelb der Hahnenfuß geht ,
Wankt leicht im Wind , der lau
über die Wiesen weht .

Nur einer braucht keine
Farbenpracht ,
die Seerose ist eine
Blume, wie von Gotteshand gemacht .`


`s ist ein Palast
ganz aus Seide gebaut ,
Hier ist ein König zu Gast ,
der alles beschaut .

Er und sein Hofstaat sind
von Luft und Teich
das liebste Kind .
Ihnen gehört dies Reich .

Die Königin hält des Bootes Zügel,
das von Libellen gezogen wird ,
Filligran sind ihre Flügel ,
auch die sich hie und da ein Schimmer verirrt .


Hm. Im Zweifelsfalle werd ich's leugnen.
Noch gefunden hab ich, dürfte aus der selben Zeit stammen:

In Ägypen trug man den König zu Grabe ,
da sprach sein Sohn - fast noch ein Knabe
" Nun will ich der König sein
euer Hab und Gut
ist von nun an mein
zollt mir Tribut !


Doch Unglück brachte
die Herschaft , wie die Pest
den alles was er machte
war tägilch ein Fest

Die Götter erzürnte er!
Ägybtens Tempel überließ
das Kind dem Meer
Als Osiris den Weg ihm endlich wies
ins Totenreich
sprach der Junge bang :
"Bitte noch nicht gleich !
ich will leben lang"


Anubis antwortete mit Donnerstimme :
"Aufs Meer dann seist du verbannt .
Ich rate dir , Schwimme , Schwimme !
Denn ich hab erkannt :

Dein Volk ließt verhungern du!
Nahmst dem ärmsten Bauern
das letzte Schaf , die letzte Kuh .
Und nun willst du ihn Bedauern "


Verwandelt in einen Fisch
wurd der Königssohn
Ein Bauer bestieg den Trohn ,
Der Junge endete auf des Fischers Tisch .



Auf den selben Zettel hab ich hinten noch was draufgekritzelt, allerdings mit einer anderen Handschrift, vielleicht ein Jahr später oder so:

Sie trugen ihn zu Grabe,
ihn, der König war
und golden war die Garbe
die man schnitt in diesem Jahr

Man schloss das Grab mit einem Stein
hörte auf zu weinen
wer würd' der neue König sein
einer von den seinen?

Man vergaß den alten König gar,
kürte einen neuen
so liegt er dort auf tausend Jahr
hat nix zu bereuen



Und dann war da noch, hastig auf die Rückseite eines Heftes aus der ersten Gym gefetzt... wenigstens hab' ich da nicht versucht zu reimen.

Namen

Ihr nennt uns Ratten,
Pestbringer und Pioniere
ihr nennt uns Ekeltier
jagt uns mit Gift und Falle.

Ihr nennt uns Wölfe,
todbringend, räuberisch,
geheimnisvoll für die Esoteriker
Isegrimm in euren Geschichte
Schafsdiebe in eurer Sprache

Ihr nennt uns Schweine
sprecht uns Intelligenz zu
und nennt die Dummen Schwein
ihr lacht über süße Ferkel
und schlachtet uns in Fabriken

Ihr nennt uns Katzen
verschmust,
eigenwillig,
nanntet uns Götter,
nennt uns Wohin-Damit-Im-Urlaub

Uns gefallen diese Namen nicht
Wir brauchen für euch keine Namen.
Brauchen wir für den Irrsinn Wörter?

Ihr nennt euch Menschen:
genial,
human,
gut.
Nennt euch selbst Freund
nennt euch selbst Feind

Wir wissen, dass ihr wahnsinnig seid.


*ächz* :-o

Grüße, Silentium
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

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Re: Jugendsünden

Beitragvon Silentium » 03.11.2003, 20:00

Nachtrag. Noch was gefunden, in einem Hausübungsheft aus der Vierten. War 13.

Sehnsucht

Ist die Suche, die bindet
an das, was sie findet-
Ein unbewusstes Wissen
ein ungewolltes Wollen-
Denn Worte fließen
wo sie schweigen sollen.

Sisyphos, was zögerst du?
du sehnst dich nach Rast für deine Glieder
nach ungestörter Seelenruh-
doch du erhebst dich immer wieder-

Sehnsucht ist, was wir nicht haben
was wir wollen, unbedingt
nicht um uns daran zu laben
sondern weil es uns Wissen bringt-

das Wissen, das unser Wunsch gewährt ist
erfüllt, um uns zu genügen
wenn unsre Sehnsuch noch vermehrt ist
dann zum eigenen Vergnügen-

Drei Sehnsüchte, die sind hier nicht dabei
Sind nicht erwähnt, nicht gesagt
Sind dir nicht Frei
und unbeklagt

Die drei sind wahrlich
(ganz beharrlich)
fürchterlich

Die erste ist die Sehnsucht nach der Ferne
Die zweite die nach eignem Heim
wo, oh Mensch, verweilst du gerne?
Wo willst du glücklich sein?

Heimweh und Fernweh-
tragische Geliebte hast du dir erwählt!
denn was ich an Unerfülltem seh-
ist immerzu nur ungezählt.

Die dritte Sehnsucht, die verzehrt,
ohne Gnade, ohne Sinn
ist die nach Menschen hochverehrt-
da liegt der Sinn darin...


Und eine Datei auf einer alten Diskette, ebenfalls das Alter. Zwei Jahre sind lang. *Ächz*
Hatte wohl grad 'ne ziemlich misantrophische Phase.

Was ist die Welt?

Die Welt ist Schweigen
von bittrer Sorte
endloser Götterreigen
leerer Worte

Die Welt ist Fluchen
das wir, um zu füllen,
Sinn zu suchen,
in Schweigen hüllen.

Die Welt, das glauben wir zu sein
und Regenrauschen, Geldgeraschel, Vogelsang
und fällt er dann, seeliger Schein
Dann, ja dann, wird das Schweigen bang

Die Welt ist nicht der Phönix,
sie ist die Asche


et


Ich liebe es, wenn du, Menschheit
endlich die Klappe hältst
Menschheit ist Dummheit...
...und du fällst

Du wirst verbittert verstummen
und panisch weiterhin
wie längst begonnen (und zeronnen?)
Verdummen

Macht, an die du dich krallst
mit blutgefleckten Krallen
wie deine eignen Schritte hallst
du wieder in verstaubten Hallen

Und ich umarme dich, Menschheit
wir teilen ein Los


et

Warten der Menschheit

Geduld ist nicht das Warten
Geduld, die höchste Tugend
Nicht wandern in leerem Garten
Nicht vergehn von alter Jugend

Geduld: die Offenbarung
Hastlose Näherung an das Starten
Gibt mehr als Alter Nahrung
Geduld ist nicht nur Warten

Doch nur Warten dauert an
Über Jahrmillionen
Lieber geschwiegen als getan
Menschheit für Äonen

Und wird dann doch ein Wort gesprochen
Beeindruckt es den Menschen sehr
Versprechen, leicht gebrochen
Gibt man noch leichter her

Und es schweigen laut die Kehlen
Wo die rechten Worte fehlen
Lachend morden weiter Menschen ihresgleichen
Blut für Gold, alles für Geld
Für viele Scheine gibt es Leichen
Preis-Leistung in der Welt

Und wir warten immer noch

:-o
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

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Re: Jugendsünden

Beitragvon gelbsucht » 12.11.2003, 19:45

Hello again!

@razorback
Mal sehen, wenn ich am Wochenende etwas Zeit habe, poste ich mal etwas aus meinem Jugendwerk "Die Nacht der grauen Wölfe". Nein, es geht weder um rechtsradikale Türken noch um Deutsche U-Bootfahrer es geht um... ach, es ist so peinlich ...

Jetzt sag nicht, du hattest keine Zeit! :-D

@kleinervogel
Bei "Traum" konnte ich mich irgendwie gar nicht mehr beruhigen mit lachen, ich weiß nicht warum ... (ist das jetzt schlimm ? *fragendschau*) *räusper*

Schon okay, darauf habe ich es ja angelegt.

@charis
Doch du
hast mit dem Mond
in die Wolken gestochen,
den Schleier drumgewickelt
und bist drübergestiegen,
weitergegangen,
gesagt:
"Weg mit dem Plunder."

Hey, das passt ja wie die Faust aufs Auge zu unserem Kitsch-Thread – quasi als Abrundung. Besonders diese Pointe des Gedichtes find ich spitze und das mit 16!!!
Du und ich.

Und der Tanz
auf dem Vulkan.

Ahh ja! Musste gerade an so einen vollkommen unlogischen Katastrophenfilm denken. Weiß leider nicht mehr, wie er hieß. Nur, dass Pierce Brosnan mitgespielt hat. Da fahren die mit einem Auto durch einen glühenden Lavastrom. Alles klar? Also im Vergleich dazu ist dein Gedicht absolut glaubwürdig.

@Silentium
"Die Seerose" hast du mit 10 Jahren geschrieben? Also, Silentium, das macht mich wirklich sprachlos. Allein für die Reimpaare hättest du irgendeinen Preis gewinnen müssen, aber Worte wie "filigran" oder "Garben" haben bei mir mit 10 Jahren noch nicht zum Wortschatz gehört. Mensch, wo rangiert denn Österreich bei der PISA-Studie? Auf Platz eins oder was? Woher kommt bei dir dieses frühe Interesse an Literatur und Schreiben?
In Ägypen trug man den König zu Grabe ,
da sprach sein Sohn - fast noch ein Knabe
" Nun will ich der König sein
euer Hab und Gut
ist von nun an mein
zollt mir Tribut!

Doch Unglück brachte
die Herrschaft wie die Pest
denn alles, was er machte
war täglich ein Fest

Also sag mir noch mal, dass das kein Witz ist! Das hast wirklich du mit ca. 10 Jahren geschrieben? Großes Pfadfinderehrenwort!? Osiris und Anubis ... und so früh schon einen Faible für altägyptische Mythologie. Mensch, was habt ihr denn für eine Kindheit gehabt. Mit zehn habe ich Bücher gehasst wie die Pest.

Tja, "Sehnsucht" hieß auch das (erste?) Gedicht von crASHed – hast du's gelesen?

@the others
Aber das ist doch mal schön, solch Jugendsünden zu lesen ... Gibt's davon noch mehr ? *gierigschau*

Tja, ihr wollt doch den kleinenvogel nicht enttäuschen, oder?

;-) gelbe grüße :-)
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Re: Jugendsünden

Beitragvon Silentium » 12.11.2003, 20:08

@gelb: so ungefähr zehn Jahre dürfte hinkommen. Pfadfinderehrenwort. Ägyptische Mythologie- war der allererste Teil meiner Mythologiespinnerei. Das mit Lesen und schreiben... ähm. Ich hab in den ersten zwei Volkschulklassen Lesen und Schreiben gehasst wie die Pest. Dürfte am Legasthenikerblut in meiner Familie liegen, mein Bruder kann mit 13 seinen Namen noch nicht ordentlich schreiben, ein Onkel und ein Großcousin habens ihr Leben lang nicht gelernt. Ich hab' auch so richtige Legasthenikerfehler gemacht. Aber irgendwie bin ich ende des zweiten Schuljahres auf ein paar Bücher gestoßen (Weltliteratur wie "Der neugierige Drache Toni" und "die schusselige Hexe"), die mich wirklich interessiert haben und irgendwie hab' ich dann meinen Lesehass aus versehen ins Gegenteil verkehrt, was wahrscheinlich daran liegt, dass mein Vater genau so ein Büchernarr ist und wir an die fünfzehn Bücherregale im Haus haben. Und irgendwie hab' ich mir eingebildet, dass mit dem lesen doch eigentlich auch das Schreiben funktionieren müsste- mit dem Ergebniss, dass du staubwischen musst.
Und ...chrASHedgedicht gelesen.

@razorback: Die Nacht der grauen Wölfe?
*dichziemlichflehendanseh*
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