STRASSENSCHÄDEN, PLAGWITZ

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Hieranonuemus
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STRASSENSCHÄDEN, PLAGWITZ

Beitragvon Hieranonuemus » 30.11.2003, 15:42

Salz, Sand, Splitt - flimmern über dem Asphalt, die Wärme-
welle auf der Strasse, und dem Teer der Baustelle hier.

Den Baufahrzeugen, ihr Metall bekommt den Hitzeschlag,
klebt, die Haut, darauf Staub, auf Hydraulik Schweiss
und Dreck, den Amaturen. Mörtel von den Fingern,

die Anzeigen verschmieren, darunter, die Zeiger schlagen aus,
"eine Höllenhitze hier". Als würfe dieser Schotter Blasen auf.

Und da ist Zement, der Mörtel auf der Haut von Bauarbeitern,
während eine Motte, trocken schon, im Hitzeschlag als
Flocke Sägespan, als Strassenschaden lag,

zwei Typen, die, mit Haken, Spiessen, aufrissen den Boden
und riefen: Du bist als nächster dran.
a lovely bird is The elephant

Daniel

Re: STRASSENSCHÄDEN, PLAGWITZ

Beitragvon Daniel » 03.12.2003, 02:42

Hallo Hieranonuemus!

Eine unangenehme Hektik hat sich bei mir beim Lesen dessen eingeschlichen.

Du musst

1.) im Stau gestanden haben,
2.) sehr langsam gefahren sein, oder
3.) dem Schauspiel als Fußgänger beigewohnt haben,

da Dein Blick für die Details (denke ich) Zeit erfordert.

Gelungen ist so gut wie alles, was zu einer Strassenbaustelle gehört, in komprimierter Form aufzutischen. Daher auch die von mir empfundene Hektik. Hinter jedem Schlagwort blieb keine Zeit, zu hinterfragen, mir ein Bild zu machen, weil Eines das Nächste jagd.

Wenn ich mich nicht verlesen habe, dann gibt es gerade mal ein Adjektiv, den Rest überlässt du dem Leser. Das finde ich gut...

Gruß Daniel

gelbsucht
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Re: STRASSENSCHÄDEN, PLAGWITZ

Beitragvon gelbsucht » 04.12.2003, 12:30

Oh, der anonüme N. schaut mal wieder bei O livro rein. Was gibt uns die Ehre? Hatte mich schon gefragt, was aus dir geworden ist, auch bei JL gab's ja lange nix neues mehr von dir. Ja, freut mich, mal wieder was von dir zu lesen!

Erstaunlich finde ich, wie gut mir dieses Gedicht gefällt und zwar – und das ist das besondere dabei – nicht nur vom Kopf her. Nein, es spricht sehr stark meine Sinne an, meine unmittelbare Vorstellungskraft, wo ich mich sonst schon mal in deinen Syntaxbaukästen verloren habe oder in Bildern, die so verwickelt, so symbolisch verfeinert waren, dass es mir sehr schwer fiel, sie an mich heranzulassen oder eine persönliche Empfindung damit zu verbinden. Ich könnte aber noch nicht einmal sagen, was hier anders ist, denn alles, was für dich typisch ist, lässt sich auch hier nachweisen. Vielleicht liegt es daran, dass dieses Bild für mich einfach viel anschaulicher (oder eingängiger) ist als andere, dass sich hier die Details und Accessoires, auf die du viel Aufmerksamkeit verwendest, in meinem Kopf viel leichter zusammenfügen lassen.

Ich finde diesen Brei aus Maschine und Hitze, dieses Mischmasch aus Organischem (Haut, Schweiß, Fingern, eine Motte) und anorganischer Bausubstanz (Sand, Splitt, Mörtel, Schotter, Teer) sehr faszinierend. Und auch den Unterton der Gewalt, diese brachiale, fast sinnlos erscheinende archaische Bewegung, die in das ganze Gedicht eingewoben wurde und dann an entscheidender Stelle durch ein sehr beiläufiges, sehr winziges und schönes Detail gebrochen und kontrastiert wird: durch die tote Motte, den leblosen Sägespan im Straßenbelag. Ich weiß gar nicht, ob mich überhaupt schon eines deiner Gedichte so direkt angesprochen, ja getroffen hat.

Voller Bewunderung,

;-) gelb :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

Hieranonuemus
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Re: STRASSENSCHÄDEN, PLAGWITZ

Beitragvon Hieranonuemus » 04.12.2003, 22:46

Many Thanks Euch beiden. Ja ich hab mich etwas rar gemacht - wie mein lyrisches Ich.
Und Ferien von demselben - ach, noch einen Sommer... Die Ehre jedenfalls ist ganz auf meiner Seite *linkisch verbeug*.

:-)) Ich muss wohl ein paar barocke Monster auffahren, damit Gelbsucht das Lob zurücknimmt. Nein, das freut mich sehr
und ich werde mir das einrahmen. :-)

Komisch eigentlich, dass gerade das Gedicht so einen starken Eindruck macht;
ich hab mehr mit dem Gegenteil gerechnet, fand meine sonstigen Gedichte viel einfacher. Ein wenig verwirrt.

Hier N an Ümus,

Best Wishes
a lovely bird is The elephant


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