Oldfashioned Owlswing

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Auf Eulen Schwingen
Sphinx
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Oldfashioned Owlswing

Beitragvon Auf Eulen Schwingen » 17.12.2003, 21:09

... des Hexameters Maß leise mit fingernder Hand ...


Raubt die Liebste denn gleich mir einige Stunden des Tages,
Gibt sie Stunden der Nacht mir zur Entschädigung hin.
Wird doch nicht immer geküßt, es wird vernünftig gesprochen;
Überfällt sie der Schlaf, lieg ich und denke mir viel.
Oftmals habe ich auch schon in ihren Armen gedichtet
Und des Hexameters Maß leise mit fingernder Hand
Ihr auf den Rücken gezählt. Sie atmet in lieblichem Schlummer,
Und es durchglüht ihr Hauch mir bis ins Tiefste die Brust. (JWG)

Liebe Kollegen,

hier bittet als Endunterzeichnende eine klassisch swingende Eule um attention.

Ehrfürchtig hat sie bei Goethe die Hebungen gezählt und sich auf den Rhythmus seiner fingernden Hand-Band eingelassen.

Danach dann ein bescheidener Versuch in Daktylus-Findung und Hexameter-Swing. Und das Ergebnis hier mitten auf dem edelgrau schimmernden Bildschirm entfaltet....

OLDFASHIONED OWLSWING

Guck, was der Bildschirm da zeigt! Was sieht man? Gar seltsame Verse ...
Tanzend auf swingendem Fuß, metrisch, daktylisch, gesetzt.

Was ich da tippte des Nachts, so vertraut – na ja - und so fremd doch
Kommt es mir vor und erscheint frisch und antik und salopp.

Klar war da Inspiration, doch mehr noch die Suche nach Füßen.
Dass man gezählt und gefeilt, Verse, man sieht es Euch an.

Und trotzdem ist Swing drin, es swingt und es geigt,
die Beine, sie zucken, der Bildschirm sich neigt.

Es pulst in den Ohren, pocht stark und summt weich,
Ich merk, wie ich jauchze, und weine zugleich.


aes
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gelbsucht
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Re: Oldfashioned Owlswing

Beitragvon gelbsucht » 19.12.2003, 00:01

Und trotzdem ist Swing drin, es swingt und es geigt,

Nee, Sorry Eulenmann, aber in diesen Zeilen ist für mich überhaupt kein Swing drin. Dieses Gedicht wirkt auf mich unheimlich hingeschlunzt und inhaltlich blass. Alles, was du hier sagst, ist in "Carried by the skilled foot" tausendmal besser gefasst. Auch rhythmisch spricht sich dieses Gedicht - nach meinem Empfinden - nicht besonders gut. Zeilen wie ...
Guck, was der Bildschirm da zeigt! Was sieht man? Gar seltsame Verse ...

Was ich da tippte des Nachts, so vertraut – na ja - und so fremd doch

... wirken sehr zerstückelt und kantig auf mich, etwas steif, aber eben nicht swinging-fluid, wenn du verstehst, was ich meine. Im Gegensatz zu dem Jovowogo, den du darunter gesetzt hast.

Bei mir schnippelt gerade Charlie Parker durch die Bude. Das ist Swing. Natürlich auch sehr zu empfehlen für deine nächtlichen Schreib-Sessions:
George Gershwin.

Best Wishes,
yanky yellow
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

Auf Eulen Schwingen
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Re: Oldfashioned Owlswing

Beitragvon Auf Eulen Schwingen » 24.12.2003, 15:50

Salute Gelbsucht,

klar doch, Charlie parker ist das keiner.

Und Distichen wirken vielleicht etwas zwanghaft und steril und weimarisch-griechisch-klassisch. Und hingeschlunzt.

Es sei denn ..

Guck, was der Bildschirm da zeigt!
Was sieht man? Gar seltsame Verse ...
Tanzend auf swingendem Fuß,
metrisch, daktylisch, gesetzt.

Was ich da tippte des Nachts,
so vertraut – na ja - und so fremd doch
Kommt es mir vor und erscheint
frisch und antik und salopp.

Klar war da Inspiration,
doch mehr noch die Suche nach Füßen.
Dass man gezählt und gefeilt,
Verse, man sieht es Euch an.

Und trotzdem ist Swing drin,
es swingt und es geigt,
die Beine, sie zucken,
der Bildschirm sich neigt.

Es pulst in den Ohren,
pocht stark und summt weich,
Ich merk, wie ich jauchze,
und weine zugleich.

Mal überlegen, was der Zeilenumbruch so ändert, die Metrik ist ja gleich, aber das Kurzzeitgedächtnis bekommt mehr Wahrnehmungsnischen und einzelne Lexeme sind durch ihre Anfangs- oder Endplatzierung stärker markiert und können so ihre Semantik entfalten.

Und hier noch mal der alte Meister JWG in seiner Ersten Elegie:

O! Wer flüstert mir zu,
an welchem Fenster erblick ich
einst das holde Geschöpf,
das mich versengt und erquickt?

Vale
aes

Tiefer erscheint trübströmende Flut,
durchsichtige flacher,
Aber das Senkblei lehrt oft,
dass uns beides getäuscht.
aes
(auf!eulen schwingen)

Spiderman
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Re: Oldfashioned Owlswing

Beitragvon Spiderman » 26.12.2003, 13:53

Interessantes Experiment: während der "oldfashioned owlswing" mit kurzen dreihebigen Versen viel besser kommt als mit Hexameter, geht das JWG-Gedicht den Bach runter, wenn die zusätzlichen Zeilenumbrüche es zerheckseln.

Gruß

Spidey
Die nette Lyrik-Spinne von nebenan!


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