Dasein

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
ernstblumenstein
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Dasein

Beitragvon ernstblumenstein » 15.09.2011, 10:25

berechtigt

Der Krug
den Sie benützte
war undicht.

Das Wasserloch
aus dem Sie trank
war schmutzig.

Der Mann im Zelt
war unrein.

Die Hoffnung
auf ein besseres Leben
war berechtigt.
1965 Negev

Perry
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Re: Dasein

Beitragvon Perry » 15.09.2011, 21:03

Hallo ernstblumenstein,
ja das "Dasein" ist für viele Menschen nicht leicht und die Hoffnung auf Besserung sollte man nie aufgeben.
Da du in deinem Text anscheinend die Zeit der sechziger Jahre in der Wüste Negev beschreibst, erstaunen mich deine Bilder doch ein wenig.
Die dort lebenden Beduinen sind vielleicht arm, aber sicher nicht so hilflos, dass sie mit undichten Krügen Wasser aus verunreinigten Wasserlöchern trinken müssen. Was das "unrein" des Mannes anbelangt, kann man dies im Sinn von schmutzig, aber auch als religös abwertende Bezeichnung lesen.
Da in dieser Zeit die einheimische Bevölkerung von den Israelis in "Städte" umgesiedelt wurde, kann man das vielleicht als berechtigte Hoffnung bezeichen, die aber sicher nicht ein freies Leben ersetzen kann.
Du siehst ich habe etwas Probleme, deine Bilder zu deuten. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ich sie nicht richtig verstanden habe.
LG
Perry

Näherungsweise
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Re: Dasein

Beitragvon Näherungsweise » 16.09.2011, 01:26

ja das "Dasein" ist für viele Menschen nicht leicht und die Hoffnung auf Besserung sollte man nie aufgeben.

Perry, aus welchem Poesiealbum hast du diesen Spruch denn wieder abgeschrieben? :-D

Ich find das Gedicht klasse, schlicht, schlecht, schlucht.
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ernstblumenstein
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Re: Dasein

Beitragvon ernstblumenstein » 16.09.2011, 12:30

Hallo Perry
Ich kenne Dich nicht, aber danke Dir für die Deutungen meines Textes. Deine Interpretation ist zu theoretisch. Ich lebte längere Zeit
an verschiedenen Orten an und in der Negev, aber die Empfindungen im Gedichttext betrafen nie die Beduinen, sondern die zu jener
Zeit besonders trost- und hoffnungslose Situation der arabischen Bevölkerung in Israel. Das Wort unrein bedeutet im wahrsten Sinne
diese schmutzige Situation.

Perry
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Re: Dasein

Beitragvon Perry » 16.09.2011, 14:58

Hallo ernstblumenstein,
ich kenne dich auch nicht, deshalb ist es auch unerheblich ob du hier authentisch schreibst und ich theoretisch antworte.
Letztlich sollen die Bilder sprechen und die beschreiben eine Situation wie ich sie mir in den ärmsten der armen Länder vorstellen kann. Da als einziger Hinweis 1965 Negev dabei stand, las ich etwas darüber nach und fand nichts was solche Bilder untermauern würde.
Wenn du also speziell die Situation von Arabern in Israel bebildern möchtest, solltest du das vielleicht etwas deutlicher machen und dich nicht auf die trostlose Wirkung von Bildern verlassen, die an vielen Orten möglich sind.
LG
Perry

Hallo Näherungsweise,
was soll dieses "denn wieder abgeschrieben", wenn du nichts Konstruktives beitragen kannst dann lass es einfach.
LG
Perry

Näherungsweise
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Re: Dasein

Beitragvon Näherungsweise » 16.09.2011, 18:09

wenn du nichts Konstruktives beitragen kannst dann lass es einfach.

Ich finde mich unheimlich konstruktiv, indem ich deinen wenig konstruktiven (nämlich äußerst pauschal daherkommenden) Satz destruktiv hinterfrage. :-D

Also kein Grund, mir gleich das Wort zu verbieten.
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Turmrot
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Re: Dasein

Beitragvon Turmrot » 17.09.2011, 03:10

Schönen guten Morgen in die Runde,

das geht aber munter zu, hier. :-D

Aber Euer Konflikt hat mir geholfen zu verstehen, welches Problem ich mit dem Gedicht habe, nämlich:

Mir gefallen die ersten drei Strophen ausnehmend gut. Schön karg und offen - bis eben zur letzten Strophe, die engt es ein, auf ein Thema, auf einen Ort. Das ist ja an sich nichts Schlechtes, aber für ein politisches Gedicht passt, für mein Gefühl, der Rest nicht. Und den Rest finde ich besser.

Wenn Du Dein Gedicht in einer bestimmten Weise verstanden wissen willst, Ernstblumenstein, dann musst DU dafür sorgen, dass jeder es versteht. Es ist nicht Perrys Fehler, dass er es anders interpretiert. Daran, dass es die EINE richtige Interpretation gibt, die verfluchte "Intention des Autors" glauben doch in der Regel nur Deutschlehrer. Wenn Du also dennoch eine Intention hast und unbedingt möchtest, dass man sie versteht - dann musst Du eben deutlicher werden.

Aber ehrlich - für solchen Krempel ist Dein Gedicht doch viel zu gut. Du hast es geschrieben und in die Welt hinausgelassen, freu Dich doch daran, dass unterschiedliche Menschen es unterschiedlich verstehen. Du hast sie angesprochen. Ist das nicht wichtiger, als korrekt über die Situation in der Negev 1965 zu informieren?

shuya
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Re: Dasein

Beitragvon shuya » 17.09.2011, 13:01

oh aber es könnte ja durchaus interessant sein.
als "contemporary artist" (bwahahaha) lernt man in serien zu denken
und arbeiten kontextuell zu begreifen

wieso wäre ein situationsbericht, zwischen poesie und dokument verkehrt?
in der poesie nach allgemeinen aussagen zu suchen ist in sofern ja mittlerweile fast sinnfrei, weil jemand anderes
es schon besser - nahezu perfekt ausformuliert hat.
aber wie viel konkretes gibt es über negev?

spannend ist hieran doch, was perry angesprochen hat - dass er nämlich nichts über negev 1995 "dieser art" (absolute armut z.B.) gefunden hat
- also lohnt sich das schreiben darüber, wenn man dort gewohnt hat zu dieser zeit.

ALLERDINGS

sehe ich hier keine serie, das ist m.E. nicht zu viel, sondern einfach viel zu wenig
und zudem ist der dokumentarische charakter vernachlässigt worden.
das gedicht gehört in diesem sinne überarbeitet
und mit mindestens drei bis fünf weiteren unterfüttert,
die sich mit der situation aus sicht des autors auseinandersetzen
ein gefühl und einen zustand gleichwertig beschreiben und behandeln können

und genau dann wirds spannend und unikat

also lieber autor :) wenns nach mir ginge:
ran ans werk.

ernstblumenstein
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Re: Dasein

Beitragvon ernstblumenstein » 17.09.2011, 17:43

Hallo Perry
Ich verstehe ja deine Deutungsprobleme mit meinem Text. Ich habe keine Intention, den Text deutlicher
zu machen, weil ich es nicht kann, weil ich keine anderen Bilder habe, um diese zu verwenden. Wenn ich
meinen Text lese, dann "lebt" er. Leider.
LG Ernst

ernstblumenstein
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Re: Dasein

Beitragvon ernstblumenstein » 17.09.2011, 18:18

Guten Nachmittag, Turmrot
Jah, die letzte Strophe... Ich habe das Gedicht ohne eine politische Absicht geschrieben, es war damals eher ein
verzweifelter Aufschrei meinerseits, verpackt in der Kulisse der Wüste Negev. Die allgemeine Situation der arabischen
Bevölkerung spielte mit, weil ich eben nahe dran war an deren Leben. 1965 reisten Weltenbummler (Freaks) eben nicht
im Jet an und logierten in guten Hotels. Ich kann und will das Gedicht nicht ändern. Mein Ziel ist es nicht, dass es jeder
versteht. Uebrigens, danke für die Blumen. Es tut gut, etwas positives zu lesen.
Ernst

ernstblumenstein
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Re: Dasein

Beitragvon ernstblumenstein » 18.09.2011, 17:34

An Shuya
Du meinst es gut mit deinen Ratschlägen, aber schaue doch auf meine Antworten an Perry und Turmrot. Ich habe den Text
vor 46 Jahren geschrieben - neue zusätzliche Anhängsel liegen nicht drin, weil viele kleine, wichtige Details fehlen, den
Jahren zum Opfer gefallen sind. Diese kleinen Details wären das Salz in der Suppe.
Wenn es also nach mir geht: Hände weg.
Ich wäre überfordert. Ich danke Dir. Ernst

riemsche
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Re: Dasein

Beitragvon riemsche » 18.09.2011, 18:56

der krug den sie benützte war undicht ..... mE abiz sehr sachlich bis undeutlich - schlechter brand oder löchrig ?
das wasserloch aus dem sie trank ..... trank sie (mangels krug) denn direkt aus dem wasserloch?
der mann im zelt war unrein ..... lässt viel spielraum, gefällt mir.
die hoffnung auf ein besseres leben war berechtigt .... behauptet wer für wen und mit welchem recht?
das sind nur so gedanken, die ich mir dazu mach.
1965 negev - die 46 jahre ... kein grund, es als leser nicht mit aktuellem in verbindung bringen zu wollen. was aber in der form irgendwie nicht funktioniert. verdichten?
lGr


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