Risiko (Arbeitstitel)

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Flocke
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Risiko (Arbeitstitel)

Beitragvon Flocke » 21.01.2004, 17:15

Also, das Gedicht ist definitiv noch nicht fertig, aber ich weiß irgendwie nicht mehr weiter, brauchbare Tipps sind herzlich willkommen... :-&


Risiko (Arbeitstitel, noch nicht endg.)

Bin dir zu nah gekommen einen Schritt,
finde wieder mich umzingelt
von der Gefühle Übermacht.
Dein Feldherr, der so blind vor Eifer,
steht auf zu neuem Angriff und
ich schick dir herbe Küsse, bitte um
Vergebung nichtvorhandner Schwäche.

So siegessicher noch dein Lächeln
Über die Gegenwehr, die aussichtslos dir scheint.
Liebst mich mit Blicken unter weißer Fahne
Bis ich gläsern werd und deine Augen
fassungslos an mir zu Boden gleiten ohne Halt.
Sie kullern vor die Füße mir, zwei Murmeln,
blaugraue Geiseln für mein freies Geleit.



gez. Flocke
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...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

Silentium
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Re: Risiko (Arbeitstitel)

Beitragvon Silentium » 21.01.2004, 18:21

Hallo Flocke!

Ohne mich zum Gesamtgedicht zu äußern, weil ich mir noch nicht sicher bin, geb ich jetzt einfach Mal meinen Senf zu ein paar Zeilen hinzu, die mir besonders ins Auge springen.
Schau ma mal...

von der Gefühle Übermacht

Darf ich ganz ehrlich sein? Das klingt schon ein bisschen übertrieben. Noch dazu mit einem Genitiv, der mittlerweile schon Kunstsprache ist und in der Alltagssprache kaum zu finden ist.

Dein Feldherr, der so blind vor Eifer

Wer zum Teufel ist dieser Feldherr? *rein rhetorische Frage*

Sie kullern vor die Füße mir, zwei Murmeln,
blaugraue Geiseln für mein freies Geleit

Mmh... ich denke, du kennst Anne Rice, oder? In -ähm- Memnoch,hieß das Buch, glaub ich, gibt's so ne nette Szene, wo auch blaugraue Augen herumkugeln. Da liegt eins davon auf einer Treppenstufe.
Ich hab' mich noch nicht entschieden, ob es mir gefällt, aber bekommt auf jeden fall mal das Prädikat "interessant", was bei mir heißt: für weitere betrachtung vorgemerkt.

So siegessicher noch dein Lächeln

siegessichere Lächeln gibt's unmengen. Nicht wirklich originell, verbraucht also. Für den Auftakt einer Strophe vielleicht daher nicht hundert prozentig geeignet.

ich schick dir herbe Küsse,

Ähm, ich bin kein Kussexperte, aber "herb" bezeichnet doch eher etwas rauhes, kräftig-bitteres. Geschickte Versöhnungsküsschen fallen unter diese Kathegorie?

Bis ich gläsern werd

Hey, das ist gut! (Noch ein Rufzeichen!)
Nämlich in verbindung mit den Augen. Aber anstatt der Augen, die das im Krankheits- Deliriums- oder Verzückungsfall tun, wird das LI gläsern. Im Kontrast wirklich gelungen.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

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Re: Risiko (Arbeitstitel)

Beitragvon Flocke » 22.01.2004, 11:15

Hallo nochmal, stille Kommentatorin.

Mal sehen, ob ich ein bisschen erklären kann. Hauptthema ist wohl mal wieder der Geschlechterkampf bzw. das Hin-und-Her vor einer Beziehung :-|

"der Gefühle Übermacht" - grenzt hart an Kitsch, hast du schon recht, soll an sich eine Art "Übernähe" ausdrücken, gerade weil sich das LI von den Gefühlen überrannt, eingeschlossen, erdrückt fühlt.
Wer eine brauchbare Formulierung hat, die reinpaßt, her damit...

Der "Feldherr" hängt zusammen mit meinen bisherigen Erfahrungen mit der männlichen Denke (die Männer in diesem Forum mögen mir bitte verzeihen...) ;-)
Der Gegenpart meines LI fing irgendwann an, nur noch mit seinem "besten Stück" zu denken, obwohl er schon mehrfach abgewiesen wurde, gab er nicht auf (Feldherr, blind vor Eifer)

Anne Rice kenne ich, allerdings nur "Interview mit einem Vampir", eines meiner vielen Lieblingsbücher. Das blaugrau hat in diesem Falle nur den Hintergrund, dass ER tatsächlich graublaue Augen hat...

"siegessicheres Lächeln" - o.k. schuldig im Sinne der Anklage... ich denke nochmal drüber nach. :-o

"herbe Küsse" - die Küsse, die der Gegenpart vom LI bekommen hat, waren definitiv keine geschickten Versöhnungsküßchen... habe es eher so gesehen, dass er sich die Küsse stehlen mußte und sie, da das LI die Gefühle nicht erwidert, eher "unsüß" ausfallen, zumindest von Seiten des LI.

Hoffe, das hilft erstmal beim weiteren Verständnis...

Dankende Grüße
Flocke
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

gelbsucht
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Re: Risiko (Arbeitstitel)

Beitragvon gelbsucht » 30.01.2004, 21:04

Ahoi Flocke,

also das "Mondnächtle" ist definitiv nicht mein Ding, sag ich ganz ehrlich, aber hierzu kann ich sicherlich etwas konstruktives beisteuern.

Was ich besonders gut an diesem Gedicht finde ist der Schluss der zweiten Strophe:
Bis ich gläsern werd und deine Augen
fassungslos an mir zu Boden gleiten ohne Halt.
Sie kullern vor die Füße mir, zwei Murmeln,
blaugraue Geiseln für mein freies Geleit.

Prinzipiell finde ich auch den metaphorsichen Gedanken, das Verhältnis zweier Liebender in der Sprache von Macht und Kampf auszudrücken (umzingelt, Übermacht, Feldherr, Angriff, Schwäche, siegessicher, Gegenwehr, Geiseln) sehr interessant und vielversprechend. Da ließe sich noch mehr draus machen. Allein habe ich den Eindruck, müsstest du hier noch etwas spitzfindiger und feinsinniger komponieren, etwas subtiler fügen. An verschiedenen Stellen sind mir die Effekte und Worte in deinem Gedicht viel zu stark. En detail.
Bin dir zu nah gekommen einen Schritt,
finde wieder mich umzingelt

Umzingelt - das ist gut. Ansonsten könnte der Auftakt etwas ergreifender bzw. origineller sein. Die Annäherungsproblematik ließe sich sicherlich auch noch in eine entsprechende Kampf-Metapher übersetzen, obwohl du davon im Gedicht eigentlich schon genug, eigentlich schon zuviel hast. Aber der Anfang zu diesem Gedicht ist auf jeden Fall noch verbesserungsbedürftig, meine ich, wie überhaupt Anfang und Ende eines Gedichtes besonders wichtig sind.
von der Gefühle Übermacht

Hier geht's mir wie Silentium. "Übermacht der Gefühle" -- ne, sorry, das ist ausgelutscht & abgewetzt. Diese altehrwürdige Redewendung solltest du unbedingt vermeiden, eine synonyme Metapher finden.
Dein Feldherr, der so blind vor Eifer,

Also der Bezug, wer hier mit Feldherr gemeint ist, war mir, dachte ich, klar - bis ich deine Erkläung las:
Der Gegenpart meines LI fing irgendwann an, nur noch mit seinem "besten Stück" zu denken, obwohl er schon mehrfach abgewiesen wurde, gab er nicht auf (Feldherr, blind vor Eifer)

Also darauf wäre ich (obwohl oder weil ich ein Mann bin) niemals gekommen. Hier finde ich die verwendete Symbolik etwas irreführend und auch die Gleichsetzung von "Feldherr=Bestes Stück" ist irgendwie ... naja. Ein anderes Prob bei der Zeile ist der erneute Rückgriff auf ein sprachlich recht eingängiges Konstrukt "blind vor Eifer[sucht]". Dieses "-sucht" ergänzt man fast automatisch, obwohl es gar nicht reinpasst. Ich frage mich auch, ob "Eifer" der adäquate Ausdruck ist, für das, was du sagen willst. Ich glaube, wenn ich dich richtig verstanden habe, dann meinst du eher etwas in Richtung Lust oder Verlangen oder auch etwas negativer formuliert: Gier!?
steht auf zu neuem Angriff und
ich schick dir herbe Küsse, bitte um

Vielleicht besser: "steht auf zum neuen Angriff"?!? Die "herben Küsse" in der folgenden Zeile gefallen mir, unbedingt drinne lassen. Was mir nicht gefällt, ist dieses "schicken".
habe es eher so gesehen, dass er sich die Küsse stehlen mußte und sie, da das LI die Gefühle nicht erwidert, eher "unsüß" ausfallen

Wie passen "schicken" und "gestohlen werden" zusammen?
bitte um
Vergebung nichtvorhandner Schwäche.

Das verstehe ich nicht.
So siegessicher noch dein Lächeln
Über die Gegenwehr, die aussichtslos dir scheint.

Bevor das ganze zerschmilzt und aufgelöst wird - das muss noch krasser, noch schärfer, nach härter formuliert werden. Dieses "Lächeln" muss einem einen Schauder durchs Mark jagen, von der Dramaturgie her ist das ja zweifelslos eine entscheidende Stelle.
Liebst mich mit Blicken unter weißer Fahne

Bin mir nicht sicher, was diese Zeile besagen soll. Ist "unter" hier der richtige Ausdruck???

Der Schluss ist gut so wie er ist. Daran bitte nichts mehr verändern!

;-) gelb :-)
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

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Re: Risiko (Arbeitstitel)

Beitragvon Flocke » 30.01.2004, 22:37

Auch an dich herzlichen Dank, gelb, für die ausführliche Beschäftigung mit dem Gedicht.
Du gibst mir ganz schön was zu knabbern auf, aber das ist genau das, was ich brauche, wenn ich in die "betriebsblinde" Phase eingetreten bin...
Und dann freut es mich auch sehr, dass nicht alles daran dein Mißfallen erregt ;-)

Der eifrig-blinde Feldherr, nun ja. Ist vielleicht etwas unglücklich ausgedrückt, ein Mann, der im Kopf durchaus weiß, dass das was er tut, falsch ist, aber sich trotzdem "fremdbestimmen" läßt... Hätte nicht gedacht, dass man Eifer automatisch zu Eifersucht ergänzt, denn darum ging es eigenartigerweise gar nicht (oder ich hab's nicht sehen wollen? aber niemand in dieser menage-a-trois ist eifersüchtig)

"schicken"...hm, könntest du recht haben, ist ja eher aktiv und das ist das LI nicht, wenn die Küsse gestohlen werden müssen. Ja, seh ich ein.

"Vergebung nichtvorhandener Schwäche" soll bedeuten, "vergib mir, dass ich deinem Werben nicht nachgebe..." Wurde bereits anderweitig als schöne Metapher für "Stärke" gelobt. Sollte wohl im Zusammenhang mit den herben Küssen gesehen werden, denn würde das LI nachgeben, wären die Küssen bestimmt nicht mehr herb.

Liebst mich mit Blicken unter weißer Fahne

Soll die "Friedensverhandlungen" andeuten, die aber von seiten des Kontrahenten wieder ausgenutzt werden, um (zumindest mit den Augen) weiterzubaggern.
M. E. nach lautet der Ausdruck so, man kämpft ja auch unter Flaggen, oder?

Also, werde mir deine Anregungen mal in Ruhe zu Gemüte führen. :-))

Nochmals dankende Grüße von
Flocke
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...


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