verworfener brief #II - für und wider das schweigen

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
shuya
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verworfener brief #II - für und wider das schweigen

Beitragvon shuya » 16.03.2012, 00:58

Wie geht es Dir?
Ob, wenn ich näherträte,
die hohe Stille um Dich
plötzlich zusammenbricht? *

widerstände
bestimmen die distanz
zwischen uns.

du, ein relikt meiner vergangenheit
und in ihrem schatten ganz ausgeblichen
restaurierst dich,
merklich angetrunken schon,
vor dem spiegel im flur.

die zu pulver gebrochenen farben
ein preußisch blau über die augen stäubend
und hinter dir das leuchtende rot der verkündigung campins
eine täuschend echte kopie die ich '31 in russland erwarb.

ich erinnere mich der verachtung mit der du den "all zu grafischen" stil
des malers bedacht hast und deiner ehrfürchtigen blicke auf cesaris arbeiten einige jahre später.
vielleicht ist es so einfach.
beginnend mit den feinen unterschieden des sehens:
wie wir im zug nebeneinander sitzen und du in deine reiselektüre vertieft, die stunden überdauerst
und ich das ewige panorama der berglandschaften, der aufgeschütteten und durchgrabenen gleisführung betrachte.

der panoramatische und der voyeuristische blick
und wie ich mich alt fühle vor dir und starr
hätte es denn so einfach sein können, nur zu begreifen
abschließend es auch auszusprechen
durch die hohe stille zwischen uns
ein ehrliches wort, über die angst hinaus
die fassade zu stürzen

wie geht es dir?
ich steige tagsüber durch die felder
vor mir streicht das gras um die leiber der hunde
erde und staub haften sich an das leder meiner stiefel
und der atem steigt in wolken durch die kühle luft empor
hier, wo die verhältnisse klar sind
legt sich einsamkeit auf mein gemüt, ich verströme sie wie einen duft hinter mir in die landschaft
ich rauche nicht auf der jagd
und ich trinke nicht auf der jagd
wenn die hunde eine schnepfe aufschrecken, im moor, dann schieße ich
manchmal gehen sie zu boden und manchmal kommen sie mit dem schreck davon

früher oder später werde ich mich stellen müssen.
vorher habe ich noch die ausflucht, es sei zu vage und ich wisse nicht
vor wen oder was ich mich zu stellen habe
ja so lange, kann ich ruhig sein und kalt vor dir
wir werden einander verraten
sagt ein jeder still zu sich
und verraten uns nur selbst dabei.

bist du überrascht?
vor dem fenster stand ich, im hotel und genoß die landschaft von meiner erhobenen position im fünften stock.
als es allmählich dunkler wurde
da passierte es und von mir unbemerkt
mein blick wechselte den fokus und ich sah mich selbst im glas
vielleicht ist es da passiert,
vielleicht aber auch schon lange davor.


*(sic) entnommen aus Yasushi Inoue's "Das Jagdgewehr", Edition Suhrkamp, aus dem japanischen v. Oskar Benl, ISBN 3-518-01137-5)

shuya
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Re: verworfener brief #II - für und wider das schweigen

Beitragvon shuya » 16.03.2012, 14:38

uhuhu. ultra schwach wenn ich jetzt nochma so drüberlese (:

ick lass es mal unter vorbehalt stehen,
falls jemandem die eine oder andere zeile zusagt, gerne herausstellen, vllt. kann man die basis ja noch ausschlachten.

Der Physiker
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Re: verworfener brief #II - für und wider das schweigen

Beitragvon Der Physiker » 16.03.2012, 18:46

shuya hat geschrieben:uhuhu. ultra schwach wenn ich jetzt nochma so drüberlese (:


Hey, so schlecht ist das doch gar nicht. Ich persönlich finde den Aufbau des Gedichtes sehr interessant: Zuerst die Beschreibung einer Beziehung, dann die Jagd und anschließend das Bild der gebrochenen Person, die die Realität immer außerhalb des eigenen Ichs (außerhalb des Raumes, in dem sie sich befindet; Das Fenster zur Außenwelt ist übrigens eine berühmte Metapher dafür). Im ersten Augenblick erscheint das ganze sinnlos, liest man aber zwischen den Zeilen, so kann man aus den drei Teilbereichen eine extrem verzweifelte Person erkennen, die Du sehr schön herausarbeitest. Was mich irritiert ist die Zeile mit der Kopie, welche aus Russland mitgebracht wurde. Kannst Du die mir vielleicht mal erläutern? Hat das vielleicht mit einem Gemälde zu tun?

Grüße
Der Physiker

shuya
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Re: verworfener brief #II - für und wider das schweigen

Beitragvon shuya » 16.03.2012, 18:51

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Re: verworfener brief #II - für und wider das schweigen

Beitragvon riemsche » 17.03.2012, 11:29

unter /texte/ würd ich mir wesentlich leichter tun, das und threads die damit zusammenhängen, zu kommentieren, reflektieren. ist ja ein brief. also warum häppchenweise, wenns unter einem geht. unter gedichte greifen bei mir vorstellungen von sprachmelodie form und zeilenumbruch, die ich hier nicht anwenden kann, will. weil es dem text und dem was vielleicht darüber zu sagen wäre nicht gerecht wird. abiz verzwickt die sache. mein problem. soll nicht deines sein.
lGriemsche

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Re: verworfener brief #II - für und wider das schweigen

Beitragvon Edekire » 21.03.2012, 22:13

hi shuya,

hm ich bin so ein bisschen bereit dir zuzustimmen, ich find den text auch nicht so toll. irgendwie funktioniert hier die erzählerischkeit nicht so recht, ich glaub du erklärst zu viel
beginnend mit den feinen unterschieden des sehens:
sowas zum beispiel. ist der satz überhaupt nötig? es folgt ja die beschreibung
wie wir im zug nebeneinander sitzen und du in deine reiselektüre vertieft, die stunden überdauerst
und ich das ewige panorama der berglandschaften, der aufgeschütteten und durchgrabenen gleisführung betrachte.

die würd ich vll. noch etwas zusammenstreichen finde ich aber prinziell schon characteriesierend. sowieos würde etwas eindampfen vll nicht schaden.
aber du wolltest ja wissen was mir gefällt:

prinzipiell gefällt mir das abschlussbild, am fenster stehen und hinaussehen und auf einmal sich selber entgegengeworfen werden. obwohl ich das trotzdem irgendwie kürzen würde z.b
erhobenen position im fünften stock.

im fünften stück enthält erhoben oder?

Desweiteren:
du, ein relikt meiner vergangenheit
und in ihrem schatten ganz ausgeblichen
restaurierst dich,
merklich angetrunken schon,
vor dem spiegel im flur.

die zu pulver gebrochenen farben
ein preußisch blau über die augen stäubend
und hinter dir das leuchtende rot der verkündigung campins
eine täuschend echte kopie die ich '31 in russland erwarb.

ich erinnere mich der verachtung mit der du den "all zu grafischen" stil
des malers bedacht hast und deiner ehrfürchtigen blicke auf cesaris arbeiten einige jahre später.
vielleicht ist es so einfach.
beginnend mit den feinen unterschieden des sehens:
wie wir im zug nebeneinander sitzen und du in deine reiselektüre vertieft, die stunden überdauerst
und ich das ewige panorama der berglandschaften, der aufgeschütteten und durchgrabenen gleisführung betrachte.


Diese verwirrung und vermengung erinnerung/spiegel/bild/sicht auf das bild/und dann schon in richtung landschaft abgleiten find ich schon geschickt gemacht.
bei der ersten strophe (dieser drei) finde ich es irgendwie lustig, das ich jeweils nicht so recht weiß wer sich restauriert und wer angetrunken ist: das Li, sie oder das bild (vermutlich nicht das bild...wäre untypisch für bilder) und in wessen schatten dann wieder, weil in der nächsten stophe ist das bild dann hinter ihr.
du siehst ich bin etwas verwirrt. aber trotzdem sind das die teile die mir am besten gefallen.
der jagtteil ist mir irgendwie zu erhaben.

naja, weiß nicht ober dir das jetzt weiterhilft :-&
schöne grüße

edekire


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