Ich denke, dass wir hier keinen scharfen Ton untereinander brauchen. Und ich denke, dass es für eine Diskussion gut ist, wenn sich Forummembers vielleicht hier ein wenig einlesen. Das wird jetzt - i hope - nicht als kneifen interpretiert?
Wird es nicht, jedenfalls nicht von mir. Bücherlisten zum Einlesen oder zum Vertiefen des Themas finde ich absolut in Ordnung - ist übrigens auch eines der Hobbys von gelbsucht. In Deinem letzten Post klang es nur... etwas anders.
Ob ich ein Verbrechen aus Gier oder aus Rassenhass begehe, ist ein Unterschied.
Frage: Ist dieser Unterschied auch gegeben, wenn die beiden zu vergleichenden Verbrechen genau gleich schwer wiegen? Wie wird er dann begründet.
Beides sind Verbrechen aus niederen Beweggründen, also Morde, verachtenswert und verwerflich. Es gibt jedoch zwei für mich wichtige Unterschiede:
1.) Der Mord aus Gier zielt auf Befriedigung der Gier, die Dimension ist also endlich. Der Mörder aus Gier tötet insofern es für die Befriedigung seiner Gier notwendig ist. Wenn es um eine andere Gier als Mordgier geht, ist Mord nicht der Zweck, sondern das Mittel.
2.) Der Mord aus "Rassenhass" zielt - zumindest bei einer bestimmten Form des Rassenhasses - auf die Vernichtung der gesamten anderen Rasse, ist also in der Dimension nahezu unendlich. Der Mord, die "Ausrottung" ist der Zweck.
Beides bleibt sich in den Auswirkungen mehr oder weniger gleich, wenn es sich bei den Tätern um Einzelpersonen handelt, zeigt sich aber in der Unterschiedlichkeit der Dimensionen, wenn es zu staatlicher Doktrin wird. Was sich sehr deutlich bei dem von Dir angestossenen Vergleich des frühneuzeitlichen Spanien mit Nazideutschland zeigt: Stelle einmal das Gedankenexperiment an, das Spanien Karls V in die 1940er Jahre zu verlegen. Mit den modernen Waffen und Techniken hätten die Spanier Südamerika sehr viel leichter unterwerfen können, es hätte mit grosser Sicherheit weniger Tote auf Seiten der Indianer gegeben (man tötet keine potentiellen Sklaven, wenn es nicht sein muss, gerade, wenn man aus Gier handelt). Die Mordmaschinerie Nazideutschlands dagegen konnte nur so effektiv sein, weil sie die modernen Mittel hatte. Wenn das Ziel ausschliesslich Vernichtung ist, wird es schlimmer, je besser die Mittel sind.
Die deutschen sind ein Tätervolk, der Rest der Welt ist es nicht. (laut rzb)
Für alle, die die Diskussion anderswo nícht verfolgt haben: Das habe ich in Bezug auf den Holocaust behauptet und gleichzeitig den Tätervolkbegriff für die Juden in Bezug auf die Verbrechen im Rahmen der Oktoberrevolution und der folgenden Bolschewisierung Russlands abgelehnt. Vor allem deshalb, weil die Juden, die beteiligt waren, nicht in ihrer Eigenschaft als Juden gehandelt haben, sondern als Kommunisten. Es wäre genauso absurd, die Christen als Tätervolk in Bezug auf den Holocaust zu bezeichnen.
Also, Silentium, um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bezeichne die Deutschen (und Euch Österreicher, ja
) als Tätervolk in Hinsicht auf dieses einzigartige Verbrechen. Was zum Beispiel die Nordamerikanischen Indianer betrifft - da darf sich das Tätervolk der USA schuldig fühlen (ich musste kürzlich wieder einen amerikanischen Journalisten erleben, der im Brustton der Überzeugung sagte, die USA hätten keine Geschichte des Imperialismus). Aber es geht eben doch um unterschiedliche Verbrechen - siehe oben.
Tätervolk definiert sich also folgerichtig dadurch, ob das Verbrechen ausdrücklich im Namen des Volkes, durch das Volk und durch das Volksbewusstsein geschehen ist?
Kann man dann logischerweise von einer "Täterwirtschaft" oder einer "Täteridustrie" sprechen?
Schwer, aus zwei Gründen: Erstens fällt mir wirklich kein Fall ein, in dem ein Verbrechen ausdrücklich im Namen "Der Wirtschaft" begangen wurde, ganz einfach, weil es "die Wirtschaft" nicht gibt. Wie willst Du definieren? Alle Unternehmen weltweit? Die handeln nicht einheitlich. Und wenn Du es auf ein Land herunterbrichst, hast Du wieder die nationale oder völkische Komponente. Einzelne Unternehmen dagegen können sich durchaus schuldig machen. Nimm die Bristische East-India-Company. Da trifft für mich das selbe zu, wie bei Völkern: Sollte es ein Nachfolgeunternehmen dieser Company geben, trifft natürlich keinen der heutigen Mitarbeiter irgendeine Schuld. Das Unternehmen als Gesamtheit aber trägt diese Schuld (so lange es existiert) und hat deshalb eine besondere Verantwortung in Bezug auf Erinnerung und entsprechendes Handeln.
Die Hexenverfolgung war eine der größtangelegtesten Verfolgung Andersartiger ever und zwar im eigenen Land. Nicht mit dem Vorsatz, die Rasse reinzuerhalten, sondern die Bevölkerung vor Hexen zu schützen. Aber es war beides Mal ein Irrglaube im Spiel? Wo genau ist da der Unterschied? Ist die katholische Kirche eine Täterreligion?
Ja. Wie auch die Protestantische. Die haben auch gerne mal eine Hexe verbrannt. Die Gründe waren übrigens ungeheuer vielschichtig, die Bevölkerung schützen wollten vermutlich nur einige wenige, sehr einfach gestrickte Geistliche. Ansonsten findest Du alle möglichen Motive, von purer Gier bis zur Errichtung geistlicher Monopole. Die Hexen waren auch nicht andersartig (die Juden übrigens auch nicht), sie wurden, wie die Juden, dazu ernannt. Die Juden kollektiv, die Hexen im jeweiligen Einzelfall.
Wie lange ist die Tätervolksschaft haltbar? Sind nur die damaligen Deutschen ein Tätervolk oder sind es die heutigen auch? Oder hieße es dann "Die Deutschen WAREN ein Tätervolk?" Werden unsere Nachfahren in drei Generationen auch noch ein Tätervolk sein.
Ja, würde ich sagen. Noch einmal - "Tätervolk" hat nichts mit individueller Schuld zu tun. Aber so lange die katholische Kirche existiert - um mal das andere Beispiel zu nehmen - wird sie sich mit der Verantwortung auseinandersetzen müssen, bei der Ermordung tausender "Hexen" mitgewirkt zu haben (zum Tode verurteilt wurden die "Hexen" üblicherweise von weltlichen Gerichten!).
Wenn ein Verbrechen zwar von einem Volk begangen wird, beziehungsweise von offiziellen Vertretern desselben, aber jedoch wirtschaftliche oder territoriale Interessen dahinterstehen, welchen Stellenwert ist diesem Beizumessen?
Muss man sich auch daran erinnern oder darf das vergessen werden? Wenn auch dieses erinnerungswürdig ist, sprich frevelhaft, wo liegt dann wieder der aufarbeitungsaufwandtechnische Unterschied zum rassenbedingten Völkermord.
Ich sehe, ehrlich gesagt, keinen Unterschied. Aber als Deutscher (auch noch katholisch
) habe ich mit meinem Teil der Erinnerung genug zu tun, ich kann mich nicht noch um das kümmern, woran sich Spanier, Briten und meinethalben Nepalesen erinnern sollten. Ich kann mich bloss ein wenig entrüsten und besser fühlen, wenn zum Beispiel manche Nordamerikaner (siehe oben) sehr schnell vergessen
. Nur wie gesagt - unser historisches Verbrechen hat eine einzigartige Dimension.
Ist ein Verbrechen nach a) der Schwere oder nach der b ) geplanten Schwere zu beurteilen?
Wenn a), dann wiegt der Mord an den Inkas schwerer als der an den Juden, weil die Inkakultur unterging, während die Juden überlebten, auch wenn es eigentlich anders gepland war?
Oder b ) dann wäre jemand, der sich vorstellt, die gesamte Menschheit auszurotten also noch schlimmer als alle beiden zusammen?
Zunächst irrst Du Dich - es gibt noch Inka, und sie bemühen sich zunehmend, sich auf ihre Wurzeln zu besinnen. Sehr erfolgreich ist in diesem Zusammenhang ein anderes Volk, dass der Maya. Und was die Juden in Deutschland betrifft - deren Kultur ist ebenso bis auf die Grundmauern niedergerissen wie die der Inka. Salomon Korn, der stellv. Vorsitzende des Zentralrates, sagte neulich noch in einem Interview, dass die Juden in Deutschland, von gewissen Kontinuitätslinien abgesehen, nicht auf das bauen könnten oder auch wollten, was es hier vor 1933 gegeben hat. Die heutige jüdische Kultur hierzulande ist anders, neu.
Die Frage nach der "Schwere" dagegen ist sehr, sehr gut. Ich bin nicht sicher. Für mich addieren sich Ergebnis, Durchführung und das, was ich oben die "Dimension" genannt habe. Ich weiss, das ist willkürlich. Aber ich kann mir andererseits nicht vorstellen, dass es dafür eine Rechenformel geben kann.
Jemand, der alle Menschen umbringen möchte, muss sich selbst ja, sofern er Mensch ist, einschliessen. Die Frage nach dem Motiv wäre interessant. Sollte er zur Durchführung schreiten, entspricht er, ob Staat oder Individuum, dem Mörder aus Rassenhass, denn er tötet nach dem selben Maßstab, nur in weiterem Rahmen.
Was Germany/Austria betrifft - nach meinen Erfahrungen werden wir im Ausland selten darauf reduziert, von Menschen in unserem Alter fast nie. Bei älteren Menschen, die zum Beispiel noch unter der Besatzung gelebt haben, mag das anders sein, sicherlich auch für viele Israeli. Viele Ausländer, gerade Angelsachsen, verstehen nicht einmal unsere sensibilität für das Thema. So wurde ich (bzw. die Gruppe, der ich angehörte) in einem freundschaftlichen Streit unter Sportsleuten mal von Engländern als "Bloody Hitler" beschimpft und die Schimpfenden waren überrascht, dass wir andere Beschimpfungen mit Humor schluckten und parierten, diese aber nicht. Auf einer Internetseite, die Amerikanern Tipps für Ihre Deutschlandtour gibt, habe ich ernsthaft den Hinweis gelesen, man solle besser nicht öffentlich den Hitlergruss zeigen, das wäre nicht witzig und führe zu grossem Ärger. Ich glaube, was die wirkliche Dimension dessen, was passiert ist angeht, sind wir in einem exklusiven kleinen Erinnerungsclub mit Juden, Sinti, Roma und vielleicht noch Polen und Russen. Deshalb ist es ja so wichtig, das die Opfer und wir nicht vergessen. Die anderen sind schon feste dabei.
Tja, und was die Verbrechen der anderen angeht - wenn die vergessen ist das schade und gefährlich. Aber das können wir nur bedauern, ändern können wir es nicht.
Hugh, ich habe gesprochen. Wie wäre es mal mit anderen Meinungen. Ich habe keine Lust, hier ein Deutungsmonopol zu eröffnen. Andererseits fällt es mir so schwer, den Mund zu halten
Familienurlaub? Wo? Viel Spass!