Der Bettler

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Marius Nam
Kerberos
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Der Bettler

Beitragvon Marius Nam » 27.10.2012, 18:16

Der Bettler

Zum Bettler also hab ich wieder mich verwandelt,
zum Heimatlosen, der ich immer schon gewesen,
zu dem Hausierer, der mit selbstgeflochtnen Körben handelt,
mit Kämmen auch, mit Lumpen und mit Besen.

Ich habe niemals Wertvolles besessen,
doch manchmal hat man mir erlaubt, es zu berühren.
Das war ein Glück! Diesen Moment kann ich nie mehr vergessen,
du hältst was in den Händen, so, als würd es dir gehören!

Und dann gibst du's zurück und mußt dich trennen,
und schaust verständnislos auf deine leeren Hände,
und schleichst davon, mußt weiterlaufen, rennen,
schleppst deine Schande mit, als wär sie eine Spende.

Wie es so kam? Wie könnte ich das sagen!
Es war schon immer so, dieses Gesetz ist erzen:
Dem Starken wird stets die Beachtung nachgetragen,
und meine Ehrlichkeit war Schwäche, brachte Schmerzen.

Es gibt zwei Dinge nur, welche du brauchst zum Leben:
die Aufgabe und einen Platz, wo du zuhause bist.
Zuerst verlierst du den Beruf, dann mußt du deinen Platz hergeben,
und wunderst dich noch, bis du merkst, daß niemand dich vermißt.

Und du besinnst dich, was du kannst, das ist nicht viel -
ich lernte einstmals, schöne Körbe herzustellen.
Die Leute sagen manchmal "Der ist schön!" - als ob mir das gefiel!
Doch jeder Korb will mir den nächsten schon vergällen.

Und manchmal drückt mir jemand so ein Geldstück
voll Mitleid in die Hand und will nichts haben.
Hätte ich mehr, so gäb ich's ihm zurück,
denn ich verachte jedes Mitleid und auch seine Gaben.

Jetzt wird es wieder Winter und ich friere
und zieh umher mit meinen Körben, Lumpen, Kämmen.
Und manchmal steh ich auch vor deiner Türe.
Vielleicht erkennst du mich dann oder willst mich nicht erkennen.

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