Thisbe und ihr Pyramo

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Silentium
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Thisbe und ihr Pyramo

Beitragvon Silentium » 11.02.2004, 20:26

Sorry wenn ich euch schon wieder mit meinem Altertumsmist komme, aber ich hab ein paar Fragen, deren Beantwortung ich in meinem Bekanntenkreis niemand außer euch zutraue. Ähem. Eventuell.
Die Pyramus-und-Thisbe-geschichte von Ovid und später von Shakespeare im Tölpelspiel. Halt mit drei möglichen Enden. Nur:
-Bin ich schon wieder in unerträglichen Pathos abgerutscht?
-Is' das überhaupt verständlich, das mit den drei Wegen oder klingts wie 'ne hängengebliebene Schallplatte?
-In welcher Reihenfolge sind die drei Lösungen zu bringen um halbwegs zu wirken? Gut-schlecht-untentschieden, schlecht-gut-unentschieden, unentschieden-gut-schlecht... ?-(
-Was würdet ihr sagen? Ninus' Grab wie bei Ovid, von dem ich die Details übernommen hab' oder Nickels Grab von Shakespeare, um das parodistische irgendwie rauskommen zu lassen?
(Unwichtiges Detail, eigentlich, aber mich würd's halt interessieren)
-wittert ihr Altertümeleien oder bin ich zu lang geworden?

Eh-wissend-dass-lästig-Silentium

Dramenwege, drei davon
Des Ninus’ Grab, es ist mit Federn
von fremden Vögeln fahl geschmückt.
Drum lachen unbedacht die Zedern,
und scheint der kalte Mond entrückt.

I.
Ein Schleier fällt zerstört zur Erde,
die Löwin reißt, zerfetzt und brüllt.
Ein schwarzes Rind verstirbt der Herde,
der Mond, er hat sich selbst verhüllt.

Er hält die Liebe für zerbissen,
ein Dolch zerreißt das müde Herz.
Sie mischt ihr Blut mit spätem Wissen
um einen schlechten, schwarzen Scherz.

II.
Die Hand, sie hält den feigen Schleier,
der von der Schulter gleiten will.
Die Löwin trinkt, es spielt die Leier,
und friedlich ist die Nacht- und still.

Der Liebste kommt zu sichren Zeiten
und Thisbe küsst die Stirn bald leis.
Der Mond bescheint verstummt die Weiten,
die Frucht des Baumes bleibt nun weiß.

III.
Die Mauer ist schon längst zerfallen,
zu grauem Sand und bald zu Staub-
und weinend, ohne Kraft die Krallen,
so wird die Löwin blind und taub.

Was ist die Thisbe alt geworden!
Und Pyramus, den plagt die Gicht.
Das Treffen plant man immer morgen.
Wie stets: sie wagen’s heute nicht.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

Flocke
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Re: Thisbe und ihr Pyramo

Beitragvon Flocke » 16.02.2004, 18:55

Ave, Silentium.
(wenn du schon mit Altertum kommst...)

Ich gebe zu, ich mußte erst mal recherchieren, wer die beiden gleich wieder sind und feststellen, "Der Sommernachtstraum" war irgendwann in der 5. Klasse bei uns dran, Ovid kannte der Deutsch-Unterricht gleich gar nicht, zumindest nicht an meinem Gym. Aber ich war auch nicht im Leistungskurs. Insofern verzeih mir meine "nur aufgefrischten" Kenntnisse.

Zuerst mal kann ich dir nicht ganz folgen ,worauf du mit deinen 3 Dramenwegen hinaus willst. Nur das Stück umschreiben oder das ganze parodisieren? Oder ist das eine kreative Aufgabe für Deutsch?

Aber nichtsdestotrotz, solltest du es parodieren wollen, was ich dir einfach mal unterstelle, da du meistens ironische Sachen schreibst, würde ich 1.) die Shakespeare'sche Variante mit Nickels Grab und 2.) deine Variante III -unentschlossen- verwenden.

Im übrigen, sag ich mal so rein vom Bauchgefühl her, hast du das ursprüngliche Stück in Variante I sehr schön auf den Punkt gebracht. Einzig das schwarze Rind bereitet mir ein bißchen Kopfweh. Ich habe es so verstanden, dass die Löwin anstelle von Thisbe ein Rind anfällt, welches, da "der Mond sich selbst verhüllte", schwarz erscheint (wg. fehlender Lichtquelle). Ist das so gemeint?

Mit Variante II kann ich, ehrlich gesagt, nicht soviel anfangen, Drama ist nun mal Drama und vielleicht weil es die mit dem Happy-End ist, kommt sie mir ein wenig "lasch" daher, so diese Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung. Was nicht schlecht sein muß, immerhin geht es ja hier gut aus... hm ?-(

Beim dritten Vers stört mich einzig die weinende Löwin. Warum sollte sie weinen? Weil sie ihre Kraft verliert und blind/taub wird? Irgendwie kann ich das Weinen mit solch einem Tier nicht in Verbindung bringen und es scheint mir für eine bissige Parodie auch zu schwach, vielleicht ein anderes Wort dafür? Ächzend, greinend ... ???

Ansonsten

In welcher Reihenfolge sind die drei Lösungen zu bringen um halbwegs zu wirken?


ehrlich gesagt, keine Ahnung, da mir nicht klar ist, was das im ganzen bewirken soll. Als Einzelstücke kann ich mir sie schon vorstellen, aber alle drei zusammen? :-|

Hoffe, mein Geschwafel hilft trotzdem ein bißchen. Schönen Urlaub noch.

Flocke
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

Silentium
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Re: Thisbe und ihr Pyramo

Beitragvon Silentium » 21.02.2004, 21:02

Hallo Flocke!

Danke, das du dir die Mühe gemacht hast. Bei so einem Thema wirklich lieb von dir.
Lasch, Heullöwin... da magst du durchaus recht haben.
Naja, in Endeffekt werd' ich wahrscheinlich zwei der drei Wege streichen, schätz' ich mal, und nur den mit den zwei Alterchen lassen, vielleicht haut das so besser hin...
Hast mir auf jeden Fall geholfen!

Liebe Grüße, Silentium
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- Ursula Vernon

Hieranonuemus
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Re: Thisbe und ihr Pyramo

Beitragvon Hieranonuemus » 05.03.2004, 01:48

Hi Silentium!

Du möchtest zwei der drei Varianten streichen? Wieso? Ich finde gerade das Nebeneinanderstellen der Drei ziemlich reizvoll. Das liest sich dann als 1a lyrischer Kommentar zu dem Stoff. Hast Du Dich schonmal an einem Theaterstück versucht? Ich stelle mir gerade vor, welchen Effekt das Gedicht mitten in einem Stück das denselben Stoff behandelt verursachen würde. Naja, so spätnächtliche Gedanken. Gefällt mir.

Best Wishes, Norbert
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Re: Thisbe und ihr Pyramo

Beitragvon Silentium » 05.03.2004, 15:26

Hi Hieranonuemus!

Das Problem ist, ich weiß nicht, ob ein jeder das kapiert, mit den drei Wegen. Und so direkt mit der Nase draufstoßen will ich ja auch net unbedingt, so à la:
"Und drei Wege gibt es,
Such dir einen raus.
Verhasstes und verliebtes,
jedes mal geht's anders aus..."
Oder was in die Richtung. Naja, im Endeffekt ist's nur eine kleine Spielerrei und damit eh wurscht.

Bedanke mich für Lektüre+ aufbauenden Kommentar.

Liebe Grüße, Silentium
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- Ursula Vernon


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