Nachtschwärmer

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Flocke
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Nachtschwärmer

Beitragvon Flocke » 26.02.2004, 23:29

O.K., Leute, ich wechsle ganz einfach mal das Thema, den anderen Ordner muß ich mal in Ruhe durcharbeiten. Kehren wir also zurück zu etwas ganz alltäglichem:


Nacht-Schwärmer

letzte Nacht
traf dein Traum auf meinen -

du weißt schon wo

jagte Wiedersehensfreude
in sanften Schauern
über meinen Körper
küsste mir Brandzeichen
auf die Haut

der Nachtwind säuselte
in den Blättern
und eng umschlungen
in dieser Melodie
verschmolzen wir zu
einer Wurzel einer Krone
Nachtzauberbaum

der beim ersten
Lerchenzwitschern
zerstob
zu morgenrotem Staub


gez. Flocke 2003
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

Silentium
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Re: Nachtschwärmer

Beitragvon Silentium » 02.03.2004, 20:58

Mist! Antwort geschrieben, Computer hat mich rausgehaut! Also, noch einmal...

Hallo Flocke,

ich hoffe, du verzeihst, wenn ich schon wieder mal in einem deiner Gedichtthreads Blödsinn rede. Ich schwöre, ich sage nix, das eine Ethikdebatte heraufbeschwören könnte...
Ich fang beim Gedicht vorne an und arbeite mich nach hinten, schaun wir mal, ob das funktioniert.

Nacht-Schwärmer

Hübsches Wortspiel, gibt schon mal den Ton an.
letzte Nacht
traf dein Traum auf meinen

Man trifft sich nicht im Traum, die Träume treffen sich. Du drehst solche Allgemeinplätze oft so geschickt um, dass sie ihre Ursprungsbedeutung wieder bekommen. Kein sehr drastisches Bild, aber passt. Traumgehaucht, quasi.

jagte Wiedersehensfreude
in sanften Schauern
über meinen Körper

Leider: ALARM! Nö. Ist alt. Man widerspreche mir, wenn ich irre, aber das löst beim Leser wenigst aus, sorry.
Noch dazu, wo du von dir als Person redest, hatte ich mich schon auf den personifizierten Traum gefreut, der sich mit einem andern traf.

küsste mir Brandzeichen
auf die Haut

Ah, das schon eher. Wird eben durch das vorhergehende zu sehr abgeschwächt, als dass es sich entfalten könnte. Aber das kann ich mir vorstellen, schön vorstellen.

der Nachtwind säuselte
in den Blättern

Same game. Wie oft musste der arme Nachtwind schon säuseln. Wenn du willst, das ich mir das vorstellen kann, solltest du eine andere Formulierung suchen. Ich würde ja sagen: Lass die zwei Zeilen!
Aber du brauchst ja dann die Melodie.
Also: selbes Bild, anders umschrieben.

und eng umschlungen
in dieser Melodie
verschmolzen wir zu
einer Wurzel einer Krone

Dem könnte man das obige auch vorwerfen, aber das Bild ist an sich schön, ist die Pointe der Geschichte. Trotzdem: mir wär's lieber, wenn die Träume verschmelzen würden und nicht irgendein "wir". Wir verschmolzen- nä.

Nachtzauberbaum

Baum ist okay, nacht auch. Zauber ist ein gefährliches Wort, muss sorgsam dosiert eingesetzt werden. Ich kanne es jetzt da nicht wirklich gut beurteilen, das muss ein anderer machen. Ich erwähn 's nur mal.

der beim ersten
Lerchenzwitschern
zerstob
zu morgenrotem Staub

Dafür: das Ende versöhnt mich mit allem. Morgenroter Staub... morgenrot.... schön... :-)
Wieder mal Shakespeare: Die Lerche ist's, die Tagverkünderin.... daran hab' ich im ersten Moment gedacht.

Hm... wenn ich wieder mal Blödsinn geredet haben sollte bitte ich um Korrektur.

Liebe Grüße, Silentium
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

Flocke
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Re: Nachtschwärmer

Beitragvon Flocke » 03.03.2004, 12:35

Hi, Silentium.

Erstmal danke für's Lesen. Ich dachte schon, razor's Roman hat alle derart im Griff, dass die Gedichte einfach hinten runter fallen... ;-)

Und mach dir keine Gedanken über den anderen Ordner, ich hätte es eigentlich vorher wissen müssen, also nichts für ungut. Kam ja eine interessante Diskussion bei raus. :-))

Aber nun zum Gedicht:

Du drehst solche Allgemeinplätze oft so geschickt um, dass sie ihre Ursprungsbedeutung wieder bekommen.
Das nehm' ich jetzt einfach mal als Kompliment...Vielen Dank. :-D

Die sanft schauernde Wiedersehensfreude und der säuselnden Nachtwind...Ja, ich gebe zu, schuldig im Sinne der Anklage.
Hätte ich auch so drauf kommen können, sch...Betriebsblindheit.

Aber den Nachtzauberbaum möchte ich lieber drin lassen, er bedeutet mir für dieses Gedicht sehr viel. Wie eigentlich alle meine bisherigen Werke, hat auch dieser Text einen sehr konkreten Hintergrund, insofern bitte nicht streichen. Ich dachte auch eher, dass der Zauber darin das Traumhafte als solches noch etwas unterstreicht, denn wie sonst sollten zwei Träume zu einem verschmelzen, wenn nicht durch Magie? :-|

Du könntest recht haben, was das Schreiben aus Sicht eines Beobachters betrifft, das verstärkt die Aussage 'Traum' m. E. noch etwas. Ich hab also gestern mal eine kleine Nachtschicht eingelegt, um deinen Anregungen nachzugehen, was hältst du davon?


Nacht-Schwärmer (zweiter Versuch)

Letzte Nacht
Traf dein Traum auf meinen

Du weißt schon wo

Strich wohliges Frösteln
Ihm auf den Körper
Küsste Brandzeichen
Ihm auf die Haut

Und eng umschlungen
vom Blätterflüstern
Verschmolzen sie zu
Einer Wurzel einer Krone
Nachtzauberbaum

Der beim ersten
Lerchenzwitschern
Zerstob
Zu morgenrotem Staub


Ach ja, und danke für den 'Shakespeare'. Wenn es so rüberkommt, war's ja genau richtig. Und eigentlich steckt auch ein bißchen Michael Ende mit drin, nun ja.

Dankende Grüße
Flocke
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

Silentium
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Re: Nachtschwärmer

Beitragvon Silentium » 03.03.2004, 15:02

Möge ein Weiserer mich korrigiern, aber so, in diesem Rahmen, kommt auch der Nachtzauberbaum gut rüber. So gefällt's mir sehr gut. :-)
Ist nicht mehr so schwammig, hat Konsistenz und Rhytmus.

Liebe Grüße, Silentium
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

Flocke
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Re: Nachtschwärmer

Beitragvon Flocke » 03.03.2004, 16:09

***erleichtertschnaufundmiraufdieschulterklopf***

Dann hat sich die Arbeit ja gelohnt, wenn solch Lob aus deinem Munde folgt...

Dankende Grüße
Flocke
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