Altertümeleien

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Silentium
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Altertümeleien

Beitragvon Silentium » 04.03.2004, 19:22

Ich stehe unter dem dringenden Tatverdacht, zu altertümeln. Warum auch nicht? Ich bestätige gerne Menschen in ihren Urteilen...


Dachbodenspinnerei

Die Spieluhr dreht sich lang vergessen
und tanzt in trüben Spiegelscherben.
Sie ist von Mäusen halb zerfressen
dort zwischen grauen Zeitungsbergen.

Ein Schachbrett steht am einzgen Fenster,
dem König droht seit Jahren Matt.
Die Spinnen weben schlau Gespenster
und trinken sich an Geistern satt.

Lavendel hängt verblüht und welk,
sein Blau jedoch verblasste nie.
Verloren zittert im Gebälk
der Spieluhr schräge Melodie.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

Flocke
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Re: Altertümeleien

Beitragvon Flocke » 04.03.2004, 23:08

Naja, warum nicht mal ein bißchen Altertum am Abend, die Stille wäre ja sonst beinah' unerträglich... ;-)

Erster Schuß in den Staub: Gefällt mir schon beim ersten Drüberlesen. Diese von mir so geliebte unterschwellige Melancholie verpackt in meterdicken Staub und Spinnweben... Ich mag zwar letzteres nicht, aber stöbere trotzdem unheimlich gern auf alten Dachböden herum.

Diese Zeilen finde ich besonders schön:
Die Spinnen weben schlau Gespenster
und trinken sich an Geistern satt.
Einfach genial formuliert...

Nur etwas stört mich ein klein wenig bei der Spieluhr. Diese Dinger wurden/werden doch aufgezogen, soweit ich weiß. Und dieser Dachboden klingt so, als wäre er schon ewig nicht mehr besucht worden. Warum also spielt die Uhr noch? Wer zieht sie immer wieder auf? Die Spinnen? Die Geister? ?-(

Und dann, wie kann eine Spieluhr "halb von Mäusen zerfressen" sein? Sind die nicht immer aus Metall? Und wenn sie das nicht ist und also halbzerfressen, wie kann sie dann noch spielen? (O.k. du setzt vermutlich voraus, Mäuse fressen keine mechanischen Bauteile... ;-))

Oder versteh' ich da wieder was grundlegend falsch?

fragt doch etwas verwundert in die Stille
Flocke
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razorback
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Re: Altertümeleien

Beitragvon razorback » 05.03.2004, 00:35

Also, ich verstehe das so: Eine Spieluhr hat eine Mechanik, aber auch irgend etwas drumherum. So ein Kästchen mit sich drehender Ballerina zum Beispiel. Und sie dreht sich und spielt und dreht sich und spielt und dreht sich und spielt - weil sie das eben tut. Erzeugt einen sehr angenehmen Grusel bei mir.

Sehr schön, Silentium, hat was von stillstehender, verstaubender Zeit. Gruselig. Schön.
O You who turn the wheel and look to windward,
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You

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Re: Altertümeleien

Beitragvon Flocke » 05.03.2004, 14:18

@razorback

Und sie dreht sich und spielt und dreht sich und spielt und dreht sich und spielt - weil sie das eben tut.


Gehe ich wohl wieder zu technisch an die Sache ran, anstatt sie in gebührendem Maße auf mich wirken zu lassen... :-|

Zugegebenermaßen erzeugt es einen gewissen Grusel, wenn sie sich von alleine weiterdreht ohne neu aufgezogen zu werden. Das würde zumindest auch die These mit den Gespenstern untermauern... :-))

Leicht frightened grüßt
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Re: Altertümeleien

Beitragvon Silentium » 05.03.2004, 14:57

weil sie das eben tut.

Äh, ja, das war der Ausgangsgedanke, Wildschwein, du verstehst mich. ;-)

Danke für Lektüre und Kommentar ihr beide, technische Einzelheiten unberücksichtigt. :-)

P.S. war ein korsisches Wiegenlied, das Spieluhrlied.
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- Ursula Vernon


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