Fränkische Rhapsodie in blue – Hommage an G.Benn u. B.Brecht

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Pentzw
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Fränkische Rhapsodie in blue – Hommage an G.Benn u. B.Brecht

Beitragvon Pentzw » 04.11.2013, 22:16

Fränkische Kleinstadt im Herbst 2013

oder

wenn alle Jahre wieder die Erinnerung kommt

Sei ein jeder ohne großartige Erwartung,
wenn ein Luftzug, sonnig, mild, sanft
durch die Nase zieht und zärtlich über
Eigenheime streicht, die noch nicht
durchgegockelt und gepfingstochset sind;
„Grüße Sie, Frau Austragshäuslerin!“ -

Nachbarfehden lebendig und virulent
krumme Wege am Heiligen Sonntag leiten -
und erhitzte Gespräche übers Eierlegen
der Hühner wichtiger sein können als
rot-blaue Hämorrhoiden eines Herrn Arsch-
lichen sonstwo auf dieser weiten Welt.

Denke nicht, die Zeit staut sich hier:
wie sich die Länder der bizarren Wolken
verschieben gleich den langen Schatten –
das hat etwas A-tem-be-raub-endes.
Natürlich lenkt alles die Zeitreife eben
das Leben, noch den Menschen, der Bio-
rhythmus, die Erntezeit, Vogelgeturdle –
klar, abends rennen rasch alle nach Haus.

*

Nur wer die Weite kennt,
weiß um die Sehnsucht;
kleine Berge drücken
einem nur in die Enge.

Wer um weites Meer und
hohe Berge weiß, zieht’s
in die Ferne; wen nicht,
drängt’s in das Große Wir.

Das eine gebiert die Weite
im Denken, die Abstraktion,
dass andere das Reglement
und die geistige Inzucht.

„Das ist nicht von weit her!“
geht ein ländliches Idiom,
heißt nur: „Ist nicht viel drin,
hat kaum Wert und Nutzen.“

Und so wird man geprägt,
frühzeitig, mit Dreizehn;
da wachsen noch Träume
in den tiefen Ideenhimmel.

*

Das Dorf heißt Schnaittach, wo
ich bin genotzüchtigt worden,
abseits auf der Kirchweih, von
drei Kerlen mit nem Strohhalm.

Mit mir konnten sie es tun,
aus Familie mit Geschiedener;
drei Kerle mit einem Halm
frönten der Männergewalt.

Furchtbarer behandelt haben
S i e die Juden, die Synagoge
ist heute städtisches Museum;
bin geworden Kommunistin.

Himmel ändern sich nicht.
Mein Gesicht schon. Schnell
erkaltet Frau und wird still.
Vielleicht blaut’s mir bald auf.

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