KÖLNER — KARAOKE

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Hieranonuemus
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KÖLNER — KARAOKE

Beitragvon Hieranonuemus » 15.03.2004, 15:54

Freitag, Hauptbahnhof. Neben erloschenem Kiosk.
In die ausgelaugte Luft, die weissen Neon-
lampen blasen noch Rauch. Schmutzluft. Im Brustkorb

der Atem ist immer in Gegenwart gestaut.
Ein anhaltender Schreck. Die Strassenbeleuchtung hat
paar welke Platanenblätter in den Rinnstein geweht.

Davor, unterwegs Plastikwerbung, Cola und Korn
zu 38%. Aus dem Autoradio mischt Musik
mit Abgasen. Der Gehweg, aufgereihte Wagen

durchmengt von Funkzeichen der Taxizentrale.
Jetzt Säuberungsmaschinen kreisen plump zwischen
den Leuten herum. Die Koffer und Reisegäste.

Auf dem Bahnsteig deutsche Plastiktüte gesehn.
Hinter Basel sehr schwer und ruhig am Morgen,
das Bild vom Bahnhofsvorplatz bleigrau und schwarze

Taubenkotflecken, unter hohem Flutlicht (wie
die Betonanlagen um den Dom). Den schmalen Gang
des Schlafwagens entlang. Harte, grelle Lichtkerne

draussen, hinter der beschlagenen Fensterscheibe.
In einem Panzerschrank. Teppich grau, verschlossene
Kabinen entlang. Pass, Fahrkarte beim Schaffner,

wegen der Zugkontrolle. Nicht weit ist Florenz.
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Silentium
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Re: KÖLNER — KARAOKE

Beitragvon Silentium » 16.03.2004, 19:43

Hallo Hieranonuemus!

Jedes mal, wenn du ein Gedicht postest, nehme ich mir fest vor, es zu interpretieren. Und bin dazu völlig unfähig. Ich finde sie schön, falle regelrecht in die Knie vor Bewunderung und schaffe es nicht, die einzelnen Bilder aus dem zusammenhang gerissen zu deuten oder den Zusammenhang zu beschreiben, obwohl er völlig klar ist. (war das jetzt konfus?) An manchen von ihnen gleite ich auch einfach ab, wie eine taubstumme Fledermaus, die mit Karacho gegen eine Glaswand geknallt ist.
Bei diesen hier gruselt's mich ein bisschen. Irgendwie ist mir diese diese Fröstel-dämmerungs-alte plastiksackerl-und-herumstehende-koffer-stimmung schon immer unheimlich gewesen und so, wie du sie beschreibst, gewinnt sie unglaublich an Konsistenz. Vor einer halben Stunde ist vor meinem Fenster die Straßenbeleuchtung angeganen. Straßenlaternenlicht ist ein ganz eigenes. Bahnhofslichter, Irrlichter. Schön.

Die Strassenbeleuchtung hat
paar welke Platanenblätter in den Rinnstein geweht.

*bewunderndaufschau*

Ähm... aber was hat Dante im all dem zu tun?

Liebe Grüße, Silentium
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
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Re: KÖLNER — KARAOKE

Beitragvon Hieranonuemus » 18.03.2004, 18:55

Danke für Dein liebes Posting Silentium,
das schmeichelt ungemein, ist mir
sogar ein Bisschen peinlich, bitte keine Bewunderung.
Der Dante passt da eigentlich nur als Fingerzeig rein. Brinkmann meets Dante: ein Teil von den Sätzen ist aus einem Buch von Brinkmann und die Strophen sind an Dantes Terzinen angelehnt. Bloss deswegen. Besser ich nehme den erhobenen Zeiger raus?
Mal überlegen. Danke nochmal.

Beste Grüsse,

Norbert
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Silentium
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Re: KÖLNER — KARAOKE

Beitragvon Silentium » 18.03.2004, 19:17

Bitte net rausnehmen. Das ich das mit den Terzinen net geschnallt hab (ich bin da irgendwie schrecklich verbohrt, schau bei der Form immer nur, ob und wo's reimt [ich glaub, bei den Haus- und Wiesenterzinen aba bcb cdc...?]), heißt nicht, das es ein anderer auch nicht tut. Und irgendwie ist das Bild, das sich dabei einstellt (Dante, mit seiner langen Nase, irgendwo an eine Litfassäule gelehnt, auf einem Bahnhof auf Brinkmann wartend...) interessant.
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