Die große Schwäche

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gelbsucht
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Die große Schwäche

Beitragvon gelbsucht » 28.04.2002, 18:48

Die große Schwäche

Ich muß jetzt aber weiterziehen
zurück in meine kleine Welt,
und werde immerfort entfliehen
vor dem, was eben mir mißfällt,
weil dort in Knochen und in Arm
ich fühle nichts als Schwäche fließen
und eine Wut, abscheulich warm,
entlang durch meine Venen schießen.

Doch Kraft dagegen hab ich nicht,
nur diesen Traum, der mich quält,
gemach mich in sein Lichte schließt,
mit sanftem Widerstand beseelt.

Ein Wiederhall in hohlen Köpfen,
laßt uns Gefälligkeiten schöpfen,
mit denen wir sie schließlich krönen
und vielleicht salben und verwöhnen:
ein Wort, so schön und sonderbar,
ich denke bloß, es ist nicht wahr,
(möglich, daß es ehrlich ist,
aber wahr ist's sicher nicht,)
es wurde einer Welt entrissen,
der Muse, zwischen Laken, Kissen,
wo sie sich wohlgefällig wälzt,
mit einer dünnen Haut bepelzt,
die schatten- und von Licht umgrenzt,
mal elfenbein, mal silbern glänzt,
und doch ihr Auge ist so kühl,
keramisch, ohne ein Gefühl.

So küsse endlich ihr den Fuß
und fühle schließlich wie konfus
dein Herz in deinem Brustkorb tickt,
und sieh, wie dumm und ungeschickt
du Menschlein dich bei ihr benimmst
und gierig so ihr Wort vernimmst.
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

Verena
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Re: Die große Schwäche

Beitragvon Verena » 09.05.2002, 14:23

Die ersten beiden Strophen finde ich sehr stark und ganz hingerissen bin ich von dem Wort "keramisch", das macht in dieser langen Strophe wirklich viel wett!

Durch die Reime verliere ich mich leider nur zu oft bei so langen Gedichten und das ist mir auch hier passiert. Denn ich kann keinen Zusammenhang mehr zwischen der ersten Strophe und der letzten herstellen, die mir auch so nicht besonders zusagt.

Ich wäre eher für eine Kürzung, das würde es prägnanter machen und für mich ein wenig mehr durchschaubar, denn der einzige Hinweise darauf, dass es sich wirklich um eine Schwäche handelt (wie auch immer man das Wort Schwäche in dem Fall auslegen will: Als nicht-lösen, oder als verfallen-sein), den finde ich im Titel.

Liebe Grüsse & ein Hallo
Verena
And if I could grow some wings I'd fly away home...

gelbsucht
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Re: Die große Schwäche

Beitragvon gelbsucht » 09.05.2002, 18:33

Hallo Verena,

danke für deine Kritik und deine Ideen. Mit einigen Punkten hast du sicherlich völlig recht, denn der Zusammenhang zwischen Anfang und Ende ist in diesem Gedicht wirklich schlecht herausgearbeitet worden. Dennoch werd ich jetzt nicht herangehen und es zusammenkürzen, aber ich werd versuchen beim nächsten Anlauf zu einem neuen Gedicht meine Sache besser zu machen.

Übrigens: Verfallen-sein gefällt mir -- die Schwäche für etwas, die einen Menschen abhängig macht, eine süß-saure, ambivalente Angelegenheit.

MfG,
gelbsucht
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Re: Die große Schwäche

Beitragvon Verena » 09.05.2002, 19:02

Du musst es natürlich nicht verändern, aber es wäre überarbeitungswürdig. :-)

Ausserdem könntest du es als 2. Fassung machen, aber das musst du natürlich auch nicht. Du musst eigentlich garnichts. ;-)

Aber schön, wenn dich meine Vorschläge anspornen und dir nicht die Lust am Schreiben nehmen. Ich habe mir ja noch nicht erlaubt hier auch ein Gedicht von mir zu posten, aber vielleicht hast du ja auf der Website einige entdeckt (wo du ja auch Kommentare abgeben kannst, wenn du magst.. ;-) )

Also dann bis zum nächsten Gedicht!

Verena
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Re: Die große Schwäche

Beitragvon gelbsucht » 10.05.2002, 00:39

Versuch's nur mal mit einem eigenen in diesem Forum! Ich würde mich freuen, denn ich hab mich bereits in anderen Foren als scharfer, ungeliebter Kritiker profiliert. :-D

Ciao,
gelbsucht
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Re: Die große Schwäche

Beitragvon Verena » 10.05.2002, 21:00

Wenn du glaubst mich damit vertreiben zu können, dann hast du dich getäuscht. B-)
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Re: Die große Schwäche

Beitragvon gelbsucht » 12.05.2002, 00:42

Dich vertreiben und dann einen unendlichen Monolog mit mir selbst führen müssen, weil hier tote Hose ist?

Wie könnte ich?
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Re: Die große Schwäche

Beitragvon ariadna » 12.05.2002, 01:21

also, mir gefällt es gut. das thema ist, wenn ich recht verstehe, der klassische kontrast leben vs. literatur und das paradoxon, die wahrheit in einem sprach-kunstwerk zu suchen (und was man dort alles findet).
ich finde reime eigentlich schön und sie stören nicht.
am schönsten fand ich das was (glaube ich) in klammern war...
vielleicht ehrlich- aber sicher nicht wahr:
das drückt sehr treffend die erfahrung aus, die man als lesenderschreibender immer wieder macht. (oben genanntes paradoxon auch.)

weitere bemerkungen:
1.nur macht man manchmal des reimes wegen kompromisse, die vielleicht nicht sein müssten? ich sage das eher aus eigener erfahrung. aber z. b. weiss ich nicht, ob sich eine wohlgefällige muße wirklich "wälzt". für mich ist wälzen zu abrupt, nicht so sinnlich, wie ich mir das so vorstelle.
das mit der dünnen haut gefällt mir sehr gut. aber "bepälzt"? ist das eher witzig gemeint, oder stört es dich nicht in diesem zusammenhang?
2.das mit den hohlen köpfen verstehe ich nicht in diesem zusammenhang.
vielleicht kannst du es erläutern?
gruß,
ariadna.

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Re: Die große Schwäche

Beitragvon gelbsucht » 13.05.2002, 23:05

Und nochmal: Hallo ariadna,

danke für deine äußerst interessante Kritik und Interpretation. Es ist erstaunlich, welche Facetten man an den eigenen Gedichten entdeckt, wenn man die Gelegenheit bekommt, sie durch andere Augen zu sehen. Es ist erstaunlich, welche Wirkungen Gedichte auslösen, beabsichtigt oder nicht -- es ist eine Entdeckungsreise -- auch für den Autor selbst.

Zwei Kleinigkeiten vorweg: es heißt Muse und nicht Muße, es heißt bepelzt (von Pelz) und nicht bepälzt.

Ich weiß nicht, ob "sinnlich" passt, um die Stimmung der dritten Strophe zu fassen. Findest du, daß es hier um Sinnlichkeit geht? Vielleicht ist "wälzt", wie du es empfindest, im Zusammenhang mit z.B. "wohlgefällig", "silbern glänzt" und "keramisch" durchaus adäquat und angemessen? Dasselbe gilt für: "bepelzt".

das mit den hohlen köpfen verstehe ich nicht in diesem zusammenhang. vielleicht kannst du es erläutern?

Eigentlich möchte ich das nicht: wenn ich meine Sachen erläutern muß, würde ich sie zugleich abwerten nach meinem Gefühl. Ich glaube das Erläutern würde auch den Prozeß und die Handlung "Kunst", wie ich sie verstehe, entfremden. Es ist nicht so entscheidend, was ich denke oder, was ich gemeint habe. Entscheidender ist, wie das Gedicht (aus eigener Kraft) wirkt bzw. nicht wirkt und Unverständnis hinterläßt. Entscheidend ist, was du denkst! Entscheidend ist, ob der unmittelbare Weg funktoniert (oder auch nicht funktioniert).
Sorry.

MfG,
gelbsucht
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Re: Die große Schwäche

Beitragvon ariadna » 14.05.2002, 12:16

also, das mit pelz und muse waren natürlich rechtschreibfehler.:-&


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