zwischen scherben

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
vogel
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zwischen scherben

Beitragvon vogel » 14.04.2004, 17:48

[zwischen scherben]
(9/13.12.2003)

ein pärchen zwischen scherben sitzend
hand in hand sich schweigend anblickt
aneinandergelehnt schulter an schulter
sich berührt

ein pärchen in regungsloser haltung
langsam die finger rührt
den andern ansehend
sich plötzlich küsst

ein pärchen hin und her rutschend
sich auf scherben windet
übers gesicht sich fahrend
sich leicht liebkost

ein pärchen sich hineinsteigernd
die hände unter des anderen kleidung schiebt
über den boden rollend
sich gefühllos auszieht

ein pärchen auf scherben liegend
schulter an schulter einander scherben fasst
die pulsadern durchstechend hand in hand
sich ein letztes mal berührt
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

razorback
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Re: zwischen scherben

Beitragvon razorback » 14.04.2004, 18:13

Gut, gruselig, bedrückend. Der mehrfach gebrochene Rhythmus passt gut zum Text. Allerdings:

die pulsadern durchstechend


Ist für mich in mehrer Hinsicht problematisch. Zunächst mag ich - das ist subjektiv - das Wort "Pulsadern" nicht. Es sieht komisch aus und ist, wie ich finde schief (obwohl der Duden es kennt, aber was kümmert mich der Duden ;-) ). Zweitens ist die Formulierung mit diesen vielsilbigen Worten in der Verlaufsform, denke ich, etwas umständlich. Drittens ist "durchstechen" hier ein etwas seltsames Bild. Schneidet man da nicht eher?

Der erste und der dritte Punkt sind sicher nicht besonders bedeutend, alle drei zusammen aber führen dazu, dass ich die Formulierung etwas unglücklich finde.

Aber das ist eine Stelle...
O You who turn the wheel and look to windward,
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You

vogel
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Re: zwischen scherben

Beitragvon vogel » 16.04.2004, 11:34

huch, was ist pasiert ? ist das texteforum abgebrannt, weil sich ein prosavertreter hierherwagt ? :p *s*

aber : danke, freut mich arg, dass es dir gefällt. :)

"Pulsadern" .. hm ... aber die Menschheit sagt doch dazu "Pulsadern"; muss ich mal überdenken. Wobei ich es allerdings irgendwie passend finde. Jeder weiß was gemeint ist ....
Bei dem "durchstechen" hast du recht - es wäre eher schneiden. so wirkt es eher brutal, was durchaus gewollt ist.

Zweitens ist die Formulierung mit diesen vielsilbigen Worten in der Verlaufsform, denke ich, etwas umständlich.
und das heißt ? umständlich heitß ja nicht unpassend. hm ...

aber danke, razor :)

Liebe grüße
kleinervogel
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[) i r k
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Re: zwischen scherben

Beitragvon [) i r k » 16.04.2004, 13:04

Hallo kleinervogel!

Aus irgendeinem Grund hat mich dieses Gedicht an eins deiner Haikus erinnert:
hand in hand laufen
zwei liebende in röcken
durch moskaus straßen

~t.A.T.u. 4ever~ *g*

Kann es sein, dass hier auch ein Musikvideo o.ä. die Vorlage war ... kommt mir jedenfalls so vor.

Ziemlich krass der Text.

Grüße.
"du trittst da fast in die fußstapfen des unseligen dr goebbels und seiner zensur und verdammungsmaschine." (Ralfchen)

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Re: zwischen scherben

Beitragvon vogel » 16.04.2004, 13:14

Kann es sein, dass hier auch ein Musikvideo o.ä. die Vorlage war ... kommt mir jedenfalls so vor.
hm, eher nicht. das war kurz vor meinem umzug, da hab ich aufgehört fernzuschaun. wobei, t.A.T.u. haben sich getrennt *schnief* (und dann wieder doch nicht und dann wieder - ach was weiß ich ) ...

ich weiß nicht, ob es für diesen text einen grund gab. eigentlich wäre es auch ein [.. für dich ..]-text. also dann als vorahnung, dass was passiert. aber vorahnungen sind quatsch, auch wenn was passiert ist, und es auch damals schon arg gekrieselt hat ...

aber ich mag den text mehr wenn es nicht drunter steht ... *lächel*



danke, dirk .)


liebe grüße
kleinervogel
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Re: zwischen scherben

Beitragvon Flocke » 16.04.2004, 13:58

Hi, kv.

Für mich klingt das wie diese klassische Nicht-mehr-miteinander-können-aber-ohne-einander-gleich-gar-nicht-Situation, wo man sich mit der gegenseitigen Anwesenheit mehr weh als gut tut...
Und das ganze in ziemlich drastischen Worten ausgedrückt.

Bin mir noch nicht sicher, ob es mir gefällt, aber gut klingt es allemal.

Allerdings diese Zeile

schulter an schulter einander scherben fasst


kann ich mir irgendwie nicht so recht vorstellen, was machen die da?
Sie liegen offensichtlich mit dem Rücken zueinander, und dann greift sich jeder eine Scherbe? Um dann dem anderen die Pulsadern durchzustechen? Hm. Vermutlich stört mich das "einander"...aber ich bin mir nicht ganz klar.

Ein wenig verwirrt
Flocke
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

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Re: zwischen scherben

Beitragvon razorback » 16.04.2004, 14:53

umständlich heitß ja nicht unpassend.


Grundsätzlich nicht, in diesem Falle aber schon, finde ich, da es die einzige umständliche Formulierung in einem sonst sehr gradlinig formulierten Gedicht ist.

Stimmt - "stechen" wirkt brutaler. So gesehen würde ich es auch drinlassen.

Wie gesagt - das mit den "Pulsadern" ist rein subjektiv. Das Gedicht wird dadurch kein bisschen schlechter. Es geht wirklich nur darum, was mir besser gefällt.
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Re: zwischen scherben

Beitragvon vogel » 16.04.2004, 16:07

Vermutlich stört mich das "einander"...aber ich bin mir nicht ganz klar.
Das "einander" steht in der zeile dafür, dass sie's für einander (einer für den anderen) tun.
würde sagen, sie liegen da - nebeneinander, die schultern berühren sich. dann fassen beide nach scherben und rammen sie dem anderen in die adern.
du bezeichnest es ja so schön als "Nicht-mehr-miteinander-können-aber-ohne-einander-gleich-gar-nicht-Situation" (aber ich würde sie nicht klassisch nennen *S*); einer tut es für den anderen.
... ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. das "einander" ist dort ungewöhnlich, aber ...

ich überlege die ganze zeit - für ein anderes wort für pulsadern, das jeder kennt, was menschlich klingt, und irgendwie kürzer ...
und irgendwie macht mir der text selber angst. ich glaube, ich habe noch nie sowas brutales geschrieben ...
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Re: zwischen scherben

Beitragvon Flocke » 16.04.2004, 16:37

...würde sagen, sie liegen da - nebeneinander, die schultern berühren sich. dann fassen beide nach scherben und rammen sie dem anderen in die adern.


Nun, das macht Sinn, hast du recht.
Jeder schnappt eine Scherbe, unabhängig vom anderen und beide machen dann gleichzeitig einen "sauberen Schnitt", beenden sozusagen die Beziehung.

Bei "Pulsadern" gibt der sonst so allwissende Thesaurus nicht allzuviel poetisches her:
Blutadern, Venen, Aorten, Blutgefäße, Adern und solches Zeug's. Da ist es fast besser, du läßt es stehen, wie es ist.

Auch wenn's dich gruselt...

LG
Flocke
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Re: zwischen scherben

Beitragvon Silentium » 16.04.2004, 16:41

Wortvorschlag: Puls. (Man sagt ja auch: "den Puls öffnen")
Und: durchstechen mag ja gelungen brutal klingen, aber das ginge scheußlich in die Hose, wenn du da nur stichst. (Bestenfalls ein bisschen getröpfel und versauter Teppich, schlimmstenfalls kaputte Scheidesehnen und drei Wochen Gips, aber auf keinen Fall Exitus.)

Und : ich lieeebe diesen Besserwissersmile!
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

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Re: zwischen scherben

Beitragvon vogel » 16.04.2004, 19:53

den puls durchstechen ? ach du heilige ..

durchstechen mag ja gelungen brutal klingen, aber das ginge scheußlich in die Hose, wenn du da nur stichst. (Bestenfalls ein bisschen getröpfel und versauter Teppich, schlimmstenfalls kaputte Scheidesehnen und drei Wochen Gips, aber auf keinen Fall Exitus.)
das war mir bewusst. hat ja razor auch schon gesagt, schneiden wäre angebrachter. brutal geht vor realität !! ;-) du hast den aufentalt von mind zwei wochen in ner klink vergessen ... ach bin ich heute wieder ...

neeeee, ich muss da ne nacht drüber schlafen ...


"den puls öffnen" ? hab ich ja noch garnicht gehört ...

ich wusste es der besserwissersmile wurde nur für dich erschaffen !!!! :-D :-D :-D
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