Versteinerung

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Spiderman
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Re: Versteinerung

Beitragvon Spiderman » 07.06.2004, 21:56

Tja, so kann's gehen. Die Sonne scheint. Alles ist grün. Die Welt ist schön. Wenn da halt nicht diese blöden Versteinerungen wären. Man selbst und alles um einen herum verwandelt sich in Marmor und Fels. Dumm gelaufen. Nur nicht für den Schmetterling. Der erkundet weiterhin munter die Welt. So viel zu meinem Verständnis des Geichtes, das mir sehr gut gefällt. Die Alternativen für die dritte Strophe kannst Du verwerfen. "Herz" klingt eklig und das mit dem "Eierlegen" ist billige Effekthascherei und deiner nicht würdig. Wenn Du überhaupt an dem Gedicht noch was ändern willst, dann Kleinigkeiten:

Die Trauerweide ist aus Stein,


Sehr statischer Beginn. Wie wäre es mit "wird zu Stein"? Oder noch etwas lyrischer "friert zu Stein"?

Ein Flügel streift zart dein Gesicht.


Das "zart" geht in die kitschige Richtung. Wie wäre es mit "streichelt dein Gesicht."?

das Mäuslein, das sich darin wand,

Das "Mäuslein" erscheint mir unnötig verniedlichend. Verwandel doch das "Mäuslein" in eine "Spitzmaus", die sich genauso der Metrik fügt. Oder "die Maus, die kämpfte und sich wand."

das schaudert kurz noch und verharrt…


Lust auf einen lyrischen Special-Effect. Ersetze dann mal das "noch" durch einen Gedankenstrich.

Im Regen klimpert, klirrt der Flieder


Klimpern oder Klirren? Vielleicht solltest Du Dich für eins der beiden entscheiden.

Übrigens: Gerade den Schluß finde ich außerordentlich stark.

Hut ab:

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Re: Versteinerung

Beitragvon vogel » 07.06.2004, 22:01

ich will mal nix weiter zur spinne sagen, nur :
Das "zart" geht in die kitschige Richtung. Wie wäre es mit "streichelt dein Gesicht."?
hatte wir dieses streicheln nicht schon mal irgendwo ? :-D
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

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Re: Versteinerung

Beitragvon Silentium » 08.06.2004, 20:16

Spitzmaus! Spitzmaus! Das ist es! Viel spezifischer, als das blöde Mäuslein, das sowieso blöd klingt. Wo kann man dich heilig sprechen lassen, spider?

Zart: gut, ich gebe mich geschlagen.

Über den statischen Beginn muss ich noch nachdenken...
Hirn sagt: spider hat recht
Gefühl sagt: überleg dir das noch mal in Ruhe

Liebe Grüße, Silentium
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Re: Versteinerung

Beitragvon Spiderman » 08.06.2004, 22:43

Heilig sprechen? Das wäre zu viel der Ehre. Aber "Selig sprechen" fände ich angemessen.
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Re: Versteinerung

Beitragvon charis » 12.06.2004, 00:13

liebe silentium,

ich lese jetzt absichtlich gar nicht, was die anderen bereits alles dazu gesagt haben...
verzeih also, falls was doppelt kommen sollte...

ist das ein weltuntergangsszenario?
das ganze erinnert mich an diese universum-semidoku über pompej. oder einen atomaren supergau.

ich weiß nicht - kitschig würde ich nicht sagen, dass das gedicht ist, aber es ist... vielleicht zu "wohlklingend" für ein solches szenario.
mäuslein, beinchen etc.: ich hätte da nicht den nerv, verkleinerungsformen zu schen, wenn grad die welt den aschenregen-bach runtergeht.

hast du die trauerweide bewusst ausgewählt? ich frage, weil das so einer die biegsamsten bäume überhaupt ist - starker kontrapunkt, ihn zu versteinern.

das stocken der donau - stocken ist bei mir sehr von einer blut-assoziation besetzt. und das passt für mich jetzt hier irgendwie nicht, weil die donau so ... so anders ist. und EINtrocknen: das EIN stört mich ein bissi. eintrocknen, eintrocknen, kann wasser eintrocknen??

die ersten drei zeilen der strophe zwei gefallen mir sehr gut, die letzte aber: was bedeutet beinchen krabbeln deine hand? ich kenne die verwendung "etw./jmdn krabbeln" nicht.

klimpert/klirrt - eines würde m.e. reichen.

die letzten beiden zeilen - sehr gut!

von allen angebotenen varianten zu strophe#3 find ich die orihginale am besten!!

lg charis

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Re: Versteinerung

Beitragvon charis » 12.06.2004, 00:19

heh, nachdem ich jetzt die anderen posts durchgescrollt hab:

LASST mir doch das ZART in ruh!!
zart ist gut!
ich liebe ZART.
ich... ähhh.. verwende es ... auch gern.

:-))

na, im ernst, zart! nicht umsonst wird auch diese lila schoko so bezeichnet und net anders.

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Re: Versteinerung

Beitragvon Silentium » 12.06.2004, 13:45

Okay, was das zart angeht, gebe ich vielleicht lieber der Mehrheit nach- auch wenn das lila Pickzeug kein schlechtes Argument ist, charis... danke mal auch an dich! "etwas krabbeln" ist das Schmetterlingspendant zu "eine Straße gehen" und... ähem, ich hab's erfunden, ich gebe es zu, ich bin schuldig, ich streue Asche auf mein Haupt... stört's sehr?

Okay, versuch einer zweiten Version.

Versteinerung

Die Trauerweide wird zu Stein,
ihr Blattwerk bröckelt und zerbricht.
Die Donau stockt- sie trocknet ein.
Ein Flügel streift bald dein Gesicht.

Die Katerpfoten sind erstarrt,
die Spitzmaus, die sich darin wand,
die schaudert kurz - und verharrt…
und Beine krabbeln deine Hand.

Im Regen klimpert grauer Flieder
und deine Haut bleicht marmorfahl.
Der Schmetterling, der lässt sich nieder
auf deiner Iris aus Opal.


Wobei das "grauer Flieder" natürlich ein Farbadjetiv ist, und die soll ich ja laut Spider nicht so oft verwenden. Aber irgendwie muss ich auch mein Versmaß retten. Andere Möglichkeiten
"Im Regen, da verklirrt der Flieder"
"Im Regen klimpert dieser Flieder"
"Im Regen klimperte der Flieder"
aber das ist alles auch nicht das Gelbe vom Ei...


P.S. Möglichkeit zu der Flügelgeschichte:

und Flügel streifen dein Gesicht.

Klingt vielleicht am natürlichsten, allerdings auch nach mehreren Schmetterlingen, find ich. Was meint ihr?
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Re: Versteinerung

Beitragvon charis » 12.06.2004, 16:19

"etwas krabbeln" ist das Schmetterlingspendant zu "eine Straße gehen" und... ähem, ich hab's erfunden, ich gebe es zu, ich bin schuldig, ich streue Asche auf mein Haupt... stört's sehr?


ähem, naja, mich schon, vor allem der ungewohnte fallbezug "wen oder was krabbeln". man sagt aber doch auch nicht wen oder was gehen. sondern eher in verbindung mit "auf" oder "entlang". hm... also versteh ich auch den vergleich nicht. aber vielleicht sitz ich ja nur auf der leitung. und ausserdem bitte sehr is es ja dein gedicht!! ich bin einfach nur darüber gestolpert...

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Re: Versteinerung

Beitragvon Silentium » 12.06.2004, 16:59

Hmhmhm... ich hab auch "bekrabbeln" erwogen, dass ist dann aber auch nicht viel besser, oder?
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Re: Versteinerung

Beitragvon Flocke » 12.06.2004, 17:35

Hi, Stille...

****immernochdenHutziehvordir****

Klingt wirklich gut, auch wenn ich nach wie vor nicht ganz im Bilde bin.

"Grauer Flieder", hm. Stein ist doch nicht zwangsläufig immer nur grau, es gibt doch so viele Schattierungen. Allein dein LI ist "marmorfahl" mit Augen aus Opal...
Warum also den Flieder nicht aus einem Stein sein lassen, der z.B. weiß oder lila ist? z.b. Quarz (als Bergkristall=weiß, als Amethyst=lila, pink, fliederfarben...) Ja, ich weiß, die passen beide aber nicht ins Versmaß.
Na ja, wäre halt noch so ein Gedanke von mir.

Grüße
Flocke
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Re: Versteinerung

Beitragvon Silentium » 12.06.2004, 17:45

Jaja, weise, weise Flocke, Recht hast du!
Über andere Farben zerbrech ich mir schon seit einer Stunde den Kopf- obwohl mir grad lila am liebsten wär, muss ich noch ein wort für amethistlila finden, das

a) nach Stein klingt, weil nur "lila", das passt mir nicht ganz ins Konzept. Wenn ich schon ein Farbadjektiv verwende, dann muss es wenigstens dir Grundstimmung unterstreichen
b) in mein Versmaß passt

Grübelgrübelgrübel...

Regnklimperametistenfliedergrübelig, Silentium
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Re: Versteinerung

Beitragvon charis » 13.06.2004, 12:29

Hmhmhm... ich hab auch "bekrabbeln" erwogen, dass ist dann aber auch nicht viel besser, oder?



nein... find ich auch nicht...

beinchen krabbeln an der hand?
auf der hand?
aber dann is das dein wieder weg. hmmm...
beinchen kitzeln deine hand?
...

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Re: Versteinerung

Beitragvon Silentium » 13.06.2004, 17:00

Kitzeln? Hm, klingt ein bisschen nach "kille-kille, gutschi-gutschi"... fürcht ich...

Meditieren ma mal drüber...
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