Im Strassencafe warten, dass was passiert

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Spiderman
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Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Spiderman » 20.07.2004, 20:37

Im Strassencafe warten, dass was passiert

Am Abend trägt die Sonne ein Kleid aus Orange
und wirft ihre Schleppe über die Dächer der Stadt.
Ich seh das, warte, trink einen Cafe Melange,
die Farben verschwimmen, verglimmen, ich fühle mich matt.

Worauf ich noch warte? Weiß nicht, ein anderes Rot?
Bereits als Schreihals versagte ich, ging's ums Entscheiden,
am Süßwarenstand benahm ich mich wie ein Idiot,
denn unentschieden entschied ich, entschieden zu leiden.

Gewohnt zu verschwinden, die Sonne funkt ihr Goodbye
in Wellen, vom Wind in das Blinzeln der Frauen getragen.
Was bringt mir die Nacht? Keine Ahnung, sei's wie es sei,
ich warte und treff die Entscheidung, erneut zu versagen.
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Hieranonuemus
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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Hieranonuemus » 23.07.2004, 14:36

Hey Tom,

das ist ein verdammt cooles Gedicht. Stimmt für mich eigentlich alles. "Weiss nicht, ein anderes Rot?" kommt mir
irgendwie bekannt vor. Brinkmann lässt
grüssen. Über die Reime gibt es
immer so einen klanglichen Stop. Die Vers-
zeilen haben einen ziemlichen Drive
dadurch. Naja, kann es nicht so ausdrücken
wie ich es meine gerade. Tolles Gedicht.

Best Wishes, Norbert
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Herbert Eiter
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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Herbert Eiter » 27.07.2004, 09:43

Wie war das mit dem masochistischen Leiden. Offensichtlich kennen Sie sich in diesem Genre auch ganz gut aus, nicht wahr, Herr Spiderman?

Der innere Widerspruch, das Hinauszögern der Entscheidung, das ist stimmig, dieses genießerische Verharren in der Lähmung. Ansonsten wirkt das Gedicht recht ereignisarm und gedrückt auf mich und korresponidert damit vollkommen mit der Überschrift.

Nur diese halb-romantischen, halb-scherzhaften Momente - "die Sonne funkt ihr Goodbye" - das ist mir ein wenig zu leichtfüßig, zu spielerisch. Davon abgesehen hat das Gedicht einen dandyhaften, einen sehr überdrüssigen Grundklang, der mir sehr zusagt.

Mit besten Grüßen,
H.E.
and all the lousy little poets coming round ...

Spiderman
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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Spiderman » 31.07.2004, 18:08

Danke Euch beiden für die freundlichen Kommentare. Bin selber auch zufrieden mit dem Gedicht. Wollte mal wieder was metrisches, reimendes schreiben, mir beweisen, dass ich's kann.

Wie findet Ihr anderen das Gedicht? Ich will Aufmerksamkeit!!!

Spiderman
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Hilbi
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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Hilbi » 31.07.2004, 18:24

ja ja, ein anderes rot, ein andres blau..brinkmann ist ein grosser dichter gewesen, ein dichter ...das hier ist mir zu gewollt....
Wenn der Himmel so blau ist, warum wird es dann finster?

Hieranonuemus
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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Hieranonuemus » 31.07.2004, 19:19

Hmm. Zugegeben über das "andere Rot" kann man sich streiten. Frage mich gerade ob der Zitatcharakter nicht zu stark ist und ob etwas übrig bleibt von der Wendung wenn man Brinkmann nicht kennt. Lass ich mal im Forum schweben, benutze selbst ganz gern mal Anspielungen, sorry, da die Frage nur allgemein gestreift zu haben. Rot ist ja eine andere Farbe, aber da jetzt von Farbenlehre sprechen, nee. Was hat es mit dem Rot auf sich Tom?

Best Wishes, Norbert
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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Spiderman » 31.07.2004, 19:38

Hm, um ein Zitat um des Zitates Willen ging's mir nicht. Ich will mir gar nicht Brinkmann als Paten herbeirufen. Das "Rot" bezieht sich auf die Sonnenuntergangsstimmung. Ich meine, da kommen ja alle möglichen Rot-Arten drin vor. Rot: Farbe der Liebe, des Lebens, des Blutes. Ein anderes Rot? -> Irgendeine Veränderung.

Gruß

Spiderman
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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Alma Marie Schneider » 01.08.2004, 02:14

Ich würde an dem Gedicht nichts mehr ändern. Es ist gut so, wie es ist und das "andere Rot" passt auch. Ich sehe es ein wenig als Ausrede für die folgende Entscheidungslosigkeit. Es ist eine gute Ausrede.

Liebe Grüße
Alma Marie

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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Fitnat » 04.08.2004, 10:13

ja, ja, ja! alma marie hat recht es ist sehr gut so wie es ist nichts ändern. sehr schöne stil übrigens gefellt mir sehr. prima! noch mehr davon :-) bitte
Wenn ich mein Schatten auf dem Asphalt sehe,
denke ich, "Du Armer Poet, bist schon wieder auf dem Boden!"

F.A. "Tanz des Todes"

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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Silentium » 06.08.2004, 14:37

"Die Dächer der Stadt" ist halt so ein typisches Sonnenuntergangsdingsa, aber ansonsten... boah!

Was an der Form besonders schön ist, ist, dass du nach dem (überaus eleganten) Binnenreim in der vierten Zeile und dieser Wiederholung in der vierten Zeile der zweiten Strophe bei der dritten Strophe dann nicht noch so eine Verdichtung draufgelegt hast. Dadurch tröpfelt es glatt und schnörkellos aus, find ich, und es schaut net nach Formprotzerei aus.

Silentium
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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Surjaninov » 06.08.2004, 21:30


[...]und es schaut net nach Formprotzerei aus.


Hallo Silentium

Ich wollt ma fragen was du unter "Formprotzerei" verstehst. Weil ich fast immer in einer mehr oder weniger strengen Form schreibe. Deswegen interessiert es mich.

lg
Surja

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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Silentium » 06.08.2004, 23:43

Hmhmhm... Formprotzerei für mich ist eigentlich, wenn ein reimtechnisches Stilmittel (hier der Binnenreim) eingesetzt wird, obwohl er von der Aussage eher ablenkt als sie zu unterstreichen, ein überflüssiger Schnörkel, nur um zu zeigen, dass man's kann. ?-\
Was die strenge Form aber angeht... angeblich schränkt sie ja die ausdruckskraft ein- und das glaub ich nicht. Sie zwingt dazu, sparsam mit dem Platz im Gedicht umzugehen (ich verwend z.B. immer sturheil dreimal vier Zeilen, dann muss ich überflüssiges draußen lassen)

Insofern werde ich deine und Spiders Diskussion zu diesem Thema mit allergrößtem Interessen und fast heiliger Scheu verfolgen.

Silentium
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Re: Im Strassencafe warten, dass was passiert

Beitragvon Surjaninov » 07.08.2004, 00:04

Insofern werde ich deine und Spiders Diskussion zu diesem Thema mit allergrößtem Interessen und fast heiliger Scheu verfolgen.


- Nur verfolgen? Und dann noch mit heiliger Scheu? So läuft das aber nicht... :-D


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