Die Vase II

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Surjaninov
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Die Vase II

Beitragvon Surjaninov » 08.08.2004, 20:35

Die Vase


II


In erdender Vorstadt einzeln Steine stehen,
mit feinen Kerben, es schallt weit der Meißel Klang.
Über Hügel der Beine Gerüche wehen,
die süßen; faulende Blätter ruhen am Hang.

Hier liegen Knochen und Fleisch, im Grabe allein,
einst in die eigene Welt hinausgetragen,
vorzeiten tief verscharrt, unter schwerem Stein.
Weiße Wirbellose beginnen zu nagen.

In tiefen Höhlen, vom Erdreich nur umgeben,
weiden sich Würmer, durch Muskeln und Säfte,
in Gewölben starr, wo noch Gesänge schweben;
dort unten messen sich pulsierenden Kräfte.

Reife Früchte, bleich und eingefallen, ihr Duft
strömt in dunklen Gängen, eng, durch alle Wände,
steigt bald zart wie giftige Galle aus der Gruft,
schwebt, und steht über dem toten Gelände.

Rufe dringen aus den hohlen Säulenhallen,
ein Altar steht im Rauch, zerkratzte Weiber klagen
und schreien. Wie sie, sehr fern, im Blute wallen!
Die nächste Fuhre bringt ein Ochsenwagen.



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[) i r k
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Re: Die Vase II

Beitragvon [) i r k » 30.08.2004, 05:03

Du bewegst dich sprachlich und auch, was die Beherrschung der Form angeht, auf einem sehr hohen Niveau. Du scheinst viel Geduld und Ehrgeiz in deine Texte zu stecken. Die Atmosphäre in diesem Gedicht - das Faulen und Verwesen - ist wirklich verdammt gut beschrieben.

Was mir an deinen Gedichten manchmal ein bisschen fehlt, ist die Handlung. In diesem Gedicht habe ich vor mir eine große Szene, eine Kulisse voller Statisten, ein Epochenbild ... wie auf einem historischen Gemälde ... aber es gibt keine Protagonisten, keinen Handlungsstrang, keine Identifikationspotential. Als Leser bleibt mir nur die Rolle des "außen stehenden" Betrachters.

Ein paar inhaltliche Anmerkungen:
Über Hügel der Beine Gerüche wehen,

Beine passt in diesem Zusammenhang nicht. Ich würde mir für Hügel ein anderes Wort suchen und mich dann doch für Gebeine entscheiden.
einst in die eigene Welt hinausgetragen,
vorzeiten tief verscharrt, unter schwerem Stein.

"einst" UND "vorzeiten" in so kurzer Folge ist wahrscheinlich nicht so gut.
Weiße Wirbellose beginnen zu nagen.

Diese Zeile wirkt etwas flappsig auf mich und damit etwas unangemessen "komisch". Das liegt vor allem an der Formulierung "beginnen zu nagen".

Weiße Wirbellose sind an sich okay, aber zwei Zeilen später benennst du sie dann noch. Entweder-Oder würde ich sagen, aber nicht beides.

Strophen drei und vier gefallen mir am Besten. Die sind rundum gelungen.
Wie sie, sehr fern, im Blute wallen!

Nee. Wallen ist kein schönes Wort, wenn du mich fragst. Und wer ist "sie"? Die Frauen? Die Männer ("sehr fern") der Frauen? Hier ist mir der Bezug nicht ganz klar.

Ansonsten: Respekt. :ja:

MfG,
[) i r k
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Re: Die Vase II

Beitragvon Fitnat » 30.08.2004, 08:04

ich finde dieses gedicht auch sehr gelungen. einzelheiten und kleinigkeiten kann ich wie dirk nicht beurteilen. was ich daraus verstanden habe klingt wie "der tod" wenn so ist braucht man hier nicht umbedingt eine protagonisten.

schnöne poetische gemelde :-)
Wenn ich mein Schatten auf dem Asphalt sehe,
denke ich, "Du Armer Poet, bist schon wieder auf dem Boden!"

F.A. "Tanz des Todes"

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Re: Die Vase II

Beitragvon Flocke » 30.08.2004, 10:39

Hallo, Surja.

Sehr gelungene Beschreibung eines Friedhofes, Hut ab.

Einzig die zweite Strophe mag mir nicht so recht gefallen. Wenn ich es ohne sie lese, fehlt mir eigentlich nichts, kann man sie eventuell ganz weglassen?
Du schreibst doch vorher schon, dass da Gebeine sind und dass es ein Friedhof ist, wo sie liegen, ergibt sich aus dem Kontext.


Wie sie, sehr fern, im Blute wallen!


Ich weiß zwar auch nicht genau, wer da gemeint ist, aber ich vermute mal, die schreienden, klagenden Weiber. Denen gerät wohl ob ihrer Klagen das Blut in Wallung...


Dein Vasenzyklus scheint gut zu werden, macht neugierig auf den Rest. :-)


Lieber Gruß
Flocke
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

Surjaninov
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Re: Die Vase II

Beitragvon Surjaninov » 31.08.2004, 19:51

Dank euch vieren für eure Anmerkungen. Das Lob pack ich mir gerne ein... :-)

---

@ gelb - Hmmm, keine Handlung in meinen Gedichten. Ich habe gestern ein Gedicht geschrieben, da ist es mir brutal in Auge gesprungen - es gibt keine Handlung! Aber im selben Moment war ich zufrieden....

"Beine" und "Gebeine" ist doch das selbe. Hier. Knochen = Beine.

"einst" + "vorzeiten" - beides schon lange her, deswegen die Dopplung.

"Weiße Wirbellose" - Ok, da muss ich wirklich nochmal ran. Gefällt mir auch nicht so gut.

Zum Schluss wallen die (Klage-) Weiber im Blute.

---

@ XRay - "Die Vase" ist eine Serie. Dies ist das zweite Gedicht daraus. Andere Gedichte der Serie kannst du weiter unten finden (Oder auf der nächsten Seite}

"Wirbellose - Würmer" - wie gesagt, da muss ich nochmal ran.

"C.Schwarz bist du?" - Jep :-)

---

lg
Surja


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